BLKÖ:Schmarda, Ludwig Karl

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Schmalfuß, Anton
Band: 30 (1875), ab Seite: 155. (Quelle)
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Schmarda, Ludwig Karl (Naturforscher und Reisender, geb. zu Olmütz 23. August 1819). Nach beendeten philosophischen Studien wendete sich S. 1837 der medicinischen Laufbahn zu und betrieb zugleich mit dem Studium der Medicin jenes der Naturwissenschaften und in diesen vornehmlich das der Zoologie und der damit verwandten Gebiete. Im Jahre 1843 wurde er Oberfeldarzt im 2. Dragoner-Regimente und noch im nämlichen Jahre Assistent des Professors der Naturgeschichte an der Joseph-Akademie in Wien. Von da kam er im Jahre 1847 als Lehrer der Naturgeschichte und Geographie an die Realschule nach Gratz und betheiligte sich, wie das Pierer’sche Lexikon wissen will, im verhängnißvollen Jahre 1848 an den liberalen Bestrebungen desselben durch Schrift und That. Wie es sich aus der mit ihm darüber vorgenommenen Disciplinaruntersuchung ergab, bestand seine Betheiligung an den „demagogischen Umtrieben“ genannten Jahres darin, daß er im October 1848 den Blessirten in den Wiener Spitälern die Wunden verband. – Im Jahre 1850 erfolgte seine Ernennung zum Professor der Naturgeschichte an der Universität zu Gratz, wo er das zoologische Museum begründete. Im Jahre 1852 zum Professor der Zoologie in Prag ernannt, trat er anfangs 1853 in naturhistorischem Interesse mit seinem Freunde, dem Guts- und Bergwerksbesitzer Franz von Fridau, eine Reise um die Welt an. Die beiden Reisenden vereinigten sich zu diesem wissenschaftlichen Privatunternehmen und vertheilten den Plan ihrer Forschungen in der Weise, daß Ritter von Fridau die astronomisch-physikalischen Beobachtungen und die botanischen Sammlungen übernahm, während Schmarda die zoologischen, ethnographischen und culturgeschichtlichen Studien zu seiner Hauptaufgabe machte. Am 3. Jänner 1853 traten die beiden Forscher ihrer Reise auf dem Lloyddampfer „Oriente“ von Triest aus an und im April 1857 kehrte S., nachdem Ritter von Fridau schon früher die Rückreise angetreten hatte, nach Oesterreich zurück. Die Reise ging über Ancona, Corfù, durch den Meerbusen von Lepanto nach Athen, von da über Smyrna nach Alexandrien. Nun reisten sie über das Nildelta, besuchten Cairo, durchzogen die Wüste, kamen nach Suez, wo sie nun das rothe Meer und den indischen Ocean durchschifften. Darauf gingen sie nach Ceylon und nach mehrmonatlichem Aufenthalte auf dieser bis dahin wenig durchforschten Insel, welche sie auch im Innern bereist und den eingehendsten Forschungen nach allen Seiten hin unterzogen hatten, begab sich S., nachdem Ritter von Fridau von da aus nach Europa zurückkehrte, über Isle de France nach dem Cap der guten Hoffnung. Vom Cap besuchte S. Australien, Neu-Seeland, von wo er nach Südamerika [156] fuhr und dessen Westküste von Valparaiso bis nach Panama an verschiedenen Puncten eingehenden Studien unterzog. Den letzten Theil der Reise füllten Wanderungen in Ecuador, Neu-Granada, Nicaragua, ein längerer Aufenthalt auf den Inseln Cuba und Jamaica aus, und nachdem er noch mehrere Gegenden von Canada und in den Vereinigten Staaten besucht, kehrte er nach einer Abwesenheit von etwa 4 Jahren und 4 Monaten wieder nach Europa zurück. In der Zwischenzeit geschah es nun, daß, während S. behufs seiner Forschungen in Ceylon weilte, er dahin den gemessenen Auftrag erhielt, augenblicklich nach Wien zurückzukehren – von Ostindien an die Donau! – um sich wegen seines Benehmens im Jahre 1848 zu rechtfertigen. Schmarda aber opferte eher seine Stellung, als seine Wirksamkeit für die Wissenschaft und setzte seine Reise fort. Und so wurde er seiner Stelle als Professor der Zoologie an der Prager Hochschule enthoben. Als er nach seiner Rückkehr sich der Untersuchung unterwarf, ohne Schuld befunden ward und dennoch entlassen blieb, machte dieser sonderbare Vorgang insoweit Aufsehen, daß die Presse der Angelegenheit sich bemächtigte, und diese nun gab darüber, vornehmlich über die Ursache von Schmarda’s Enthebung und Nichtwiederanstellung, folgende Aufschlüsse: Schmarda, hieß es in den Journalen, konnte unmöglich aus rein politischen Gründen seiner Stelle enthoben werden. Daß er nicht im Entferntesten „compromittirt“ war, beweist schon die Thatsache, daß er bis 1853 in Amt und Würde geblieben ist, was im entgegengesetzten Falle bei dem bekannten Charakter des damaligen Regierungssystems nicht denkbar gewesen wäre. Aber was der weltlichen Polizei nicht erreichbar ist, das erfaßt der lange Arm der geistlichen, und wo beide brüderlich zusammenstehen, muß sich Alles unter ihrer geheimnißvollen Gewalt beugen. Professor Schmarda und sein ebenso gelehrter Freund Professor Unger hatten den Auftrag erhalten, ein Lehrbuch der Naturgeschichte zu schreiben. Sie erfüllten ihre Aufgabe zur vollsten Zufriedenheit des Ministeriums und das Werk sollte in den Schulen eingeführt werden. Aber die Kirche hatte noch nicht ihr letztes Wort gesprochen. Diese entsetzte sich höchlich ob der „gottlosen“ und „materialistischen“ Lehren, welche in diesem Lehrbuche enthalten sein sollten. Die gänzliche Verderbniß der Jugend war unvermeidlich, wenn sie den Inhalt desselben kennen lernen würde. Dem Buche sowohl als den Verfassern desselben war der Untergang geschworen. Von Prag aus gingen wiederholt sogenannte Gutachten nach Wien, welche Schmarda’s Ideen als gefährlich, als irreligiös bezeichneten. Der wissenschaftliche Werth dieser Denunciation erhellt aus der Thatsache, daß an der Spitze der Ankläger ein „Dilettant“ in der Naturgeschichte stand. Unter solchen Umständen sah man den gelehrten Forscher nur zu gern nach Asien ziehen und mochte es bedauern, daß Professor Unger sich nicht an seinen Freund anschloß. Während seiner Abwesenheit sollte Schmarda unter einem probablen Scheine vom Katheder, wo er vor und nach 1848 so ersprießlich gewirkt hatte, entfernt werden. Wie dieß geschah, wurde erzählt und ist ohne weiteren Commentar verständlich. – Im Jahre 1862 wurde er aber, nachdem er in der Zwischenzeit theils auf den Besitzungen seines Freundes von Fridau in Oesterreich, theils in Paris und Berlin gelebt hatte, wieder rehabilitirt und zum Professor der Zoologie an der Wiener Universität [157] ernannt, an welcher er im Jahre 1867 Decan des Professoren-Collegiums an der philosophischen Facultät war. In den Jahren 1863, 1864 und 1865 unternahm S. im Auftrage der kaiserlichen Regierung eine Bereisung der Küstenländer des südlichen Europa, welche theils manche wissenschaftliche Ausbeute gab, die er in seinen Schriften niederlegte [siehe diese unten] und theils die Regierung von Unternehmungen zurückhielt, die nur Verluste großer Anlagecapitalien, aber keinen Gewinn zur Folge gehabt hätten. So war denn dieß der Fall mit unseren Anlagen zur künstlichen Austernzucht. Schmarda hatte deren in Frankreich und dieselben gründlich untersucht. Es waren darüber vordem in der Oeffentlichkeit so glänzende Berichte erschienen, daß diese das Mißtrauen des erfahrenen Naturforschers erregten und eine Prüfung der Sache an Ort und Stelle angezeigt erschien. Und in der That, es verhielt sich so, wie er es vermuthet. Die darauf verwendeten Summen waren verloren und wirklich hatte auch bereits einer der bedeutendsten Privatunternehmer die Zucht ganz aufgegeben. Schmarda hat auf seinem Gebiete als Naturforscher eine große wissenschaftliche Thätigkeit entwickelt. Die Titel der von ihm bisher veröffentlichten Schriften sind: „Kleine Beitrüge zur Naturgeschichte der Infusorien“. Mit 2 Tafeln color. Abbildgn. (Wien 1845, Haas’sche Buchhandlung, gr. 4°.); – „Andeutungen aus dem Seelenleben der Thiere“ (ebd. 1846, Haas, gr. 8°.) – „Zur Naturgeschichte der Adria“. Mit 7 (lithochrom.) Tafeln (ebd. 1852, Fol.), auch in den Denkschriften der kais. Akademie der Wissenschaften mathem.-naturw. Classe. 14. Bd. 2. Liefg.; – „Neue Formen von Infusorien“. Mit 2 Taf. (Wien 185., Fol.), auch in den Denkschriften u. s. w.; – „Die geographische Verbreitung der Thiere“, 3 Abthlgn. 1. Abthlg.: „Modalität und Causalität der Verbreitung der Thiere“; 2. Abthlg.: „Die Thierwelt des Festlandes“; 3. Abthlg.: „Die Thierwelt des Oceans“. Mit einer zoolog. (lith.) Uebersichtskarte (in Fol.) (Wien 1853, Gerold, gr. 8°.); – „Grundzüge der Zoologie. Zum Gebrauche an den k. k. Obergymnasien. 1. Theil: Systematische Zoologie“. Mit Abbildgn. (Holzschn. im Texte) (Wien 1853, Gerold, gr. 8°.), davon erschien auch eine italienische Uebersetzung unter dem Titel: „Elementi di zoologia“ (ebd. 1854, gr. 8°.); – „Zur Naturgeschichte Aegyptens“. Mit 7 (lith.) Tafeln (in Farbendr.) (Wien 1854, Gerold, gr. 4°.), auch in den oberwähnten Denkschriften der kais. Akademie; – „Untersuchungen über neue wirbellose Thiere“. 2 Bde. mit vielen Tafeln (Wien 185., Fol.), die Zeichnungen zu diesem ebenso prächtigen als wissenschaftlich bedeutenden Werke sind von des Verfassers eigener Hand gefertigt; – „Reise um die Erde in den Jahren 1853–1857“, 3 Bände (Braunschweig 1861, Westermann, 8°.); – „Oesterreichs Kriegsflotte“ (Leipzig 1862, 8°.), diese Schrift gab S., ohne sich auf dem Titel als Autor zu nennen, heraus; – „Die maritime Production der österreichischen Küstenländer (Wien 1864 und 1865), dieses Werk erschien als Ergebniß seiner im Auftrage der Regierung unternommenen Bereisung der Küstenländer; – „Die Thiergeographie und ihre Aufgabe“ (Wien 186., 8°.). Supplement zu dem bereits angeführten Werke: „Die geographische Verbreitung der Thiere“; – „Zoologie“, 1. Bd. (Wien 1871, Braumüller, gr. 8°.) Schmarda wurde nach der unter Naturforschern üblichen Sitte, daß mit ihrem Namen einzelne Pflanzen oder Thierspecies bezeichnet werden, gleichfalls geehrt, [158] so wurde aus dem Pflanzenreiche eine „Cedrelaceaen“-Gruppe: „Schmardaea“, aus dem Thierreiche eine Gruppe Syllideaen: „Schmardia“, eine Gruppe Turbelariae: „Schmardea“ benannt. Nachdem S. am 29. Juni 1867 zum correspondirenden Mitglieds der kais. Akademie der Wissenschaften ernannt worden war, erfolgte am 21. August 1870 seine Ernennung zum wirklichen Mitgliede. Nicht mit Regierungsmitteln hat S. Großes geleistet. Mit riesenhafter Ausdauer hat er die sich vorgesteckten Ziele, oft Entbehrungen aller Art ertragend, verfolgt und erreicht, und als er, gemein verdächtigt, mit dem Verluste seiner schönen Stelle bedroht, seine Forscherreise hätte unterbrechen sollen, entsagte er, dem höheren Rufe der Wissenschaft folgend, lieber derselben, um nur seine Forschungen fortsetzen zu können, in denen ihn ein hochherziger Freund liberal förderte.

Presse (Wiener polit. Blatt) 1861, Nr. 197, in der Correspondenz: ddo. Wien 20. Juli (der Zoolog Schmarda). – Telegraf (Gratzer polit. Localblatt) 1861, Nr. 167: „Ein Opfer der Reaction von 1853“. –