BLKÖ:Straßer, Joseph

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 39 (1879), ab Seite: 271. (Quelle)
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Straßer, Joseph (Erfinder der nach ihm benannten Pierres de Strass, lebte im 18. Jahrhundert). S. war ein Wiener Bürger in den Tagen Maria Theresias und ihres Gemahls Franz Stephan. Im Leben dieses nicht uninteressanten Mannes mischen sich Geschichte, Anekdote und Gerücht. Es würde sich unter allen Umständen verlohnen, die Wahrheit zu erforschen, um so mehr, als die vor länger denn einem Jahrhundert erfundenen Pierres de Strass der Erfindung der neuesten Zeit, Edelsteine künstlich nachzuahmen, Concurrenz machen und jedenfalls die Priorität für sich haben. Pierres de Strass nannte man nämlich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, wie unsere unten genannte Quelle berichtet, „das bekannte Artefact, das man vorzüglich zur Verzierung der Knöpfe auf Staatskleidern liebte“. Heutzutage versteht man unter Pierres de Strass, oder kurzweg Strass) eine aus sehr reinen Materialien zusammengesetzte, durch Metalloxyde verschieden zu färbende blei- und boraxhaltige Glasmasse, welche zur Nachahmung von Edelsteinen dient und wenn sie farblos ist, die künstlichen Brillanten bildet. Man erzählt nun über die Entstehung dieser künstlichen Brillanten oder Pierres de Strass Folgendes: Vor dem ehemaligen Burgthore in der Josephstadt wohnte im 18. Jahrhundert in einer der belebteren Straßen in einem Hause zu ebener Erde ein Wiener Bürger – nach Einigen Juwelier – Namens Joseph Straßer, der einen großen Theil seines bescheidenen Einkommens auf allerlei chemische Experimente verwendete. In den Fenstern seiner Wohnung sah man denn auch zu jeder Jahreszeit Proben der Ergebnisse seiner chemischen Versuche, von denen es nicht feststeht, ob er sie aus Spielerei oder im Ernst anstellte. Jene Proben sahen Mineralkörpern ähnlich und zeichneten sich insbesondere durch mannigfaltige, mitunter hellglänzende und durchschimmernde Färbung aus. Diese hellweißen, rothen, grünen, milchweißen oder andersfarbigen [272] Körper in abwechselnder Krystallform nahmen sich wie große Edelsteine aus. Mit solchen falschen Steinen schmückte eines Tages Joseph Straßer Frau und Töchter, um sie auf eine Tanzbelustigung in dem beliebten Saal zur „Mehlgrube“ zu führen, wo dergleichen Unterhaltungen stattzufinden pflegten. Die Familie erregte aber großes Aufsehen durch ihr schimmerndes Geschmeide, in welchem man echtes Edelgestein vermuthete, und als sie nach einigen Stunden des Ballvergnügens den Saal verlassen wollte, stellte sich ihr ein Mann mit der wenig erfreulichen Mittheilung entgegen, daß Straßer sein Gefangener sei. Dergleichen unmotivirte Eingriffe in die persönliche Freiheit waren in den Tagen des vormaligen Polizeistaates weder ungewöhnlich, noch für das große Publicum befremdend, nur für den Einzelnen, der davon betroffen wurde, ungemüthlich und oft auch folgenreich. Kurz, Straßer wurde verhaftet. Der Schmuck hatte den Argwohn der Behörde erregt, sie hielt ihn für echt und Straßer für verdächtig, daß er auf unerlaubtem Wege in dessen Besitz gelangt sei. Im Verlaufe der Untersuchung stellte sich der eigentliche Sachverhalt heraus, und Straßer kam ohne weiteres Ungemach als das der überstandenen Haft davon. Als ihm seine Freiheit angekündet wurde, erhielt er den Befehl, sich dem Kaiser vorzustellen. Es waren nämlich die Steine, welche noch mehr Bewunderung erregten, nachdem man erfahren hatte, daß sie nicht echt, sondern Erzeugnisse Straßer’s seien, auf Befehl des Kaisers Franz Stephan diesem selbst vorgelegt worden. Bekannt ist, wie den Kaiser das Studium der Edelsteine interessirte und wie durch den vor seinen Augen gemachten Versuch, aus zwei kleinen Diamanten einen größeren herzustellen, die Gewißheit gewonnen wurde, daß der Diamant aus reinem Kohlenstoff bestehe. Es kann daher nicht Wunder nehmen, daß den Monarchen Straßer’s Steine lebhaft interessirten, und er Auftrag gegeben hatte, daß der freigelassene Straßer sich ihm vorstelle. Als dieser vor dem Kaiser erschien, fand er denselben im Familienkreise eben mit seinen falschen Edelsteinen beschäftigt. Der Monarch sprach dem erstaunten Straßer seine Bewunderung über die Erfindung aus; die Kaiserin aber ließ ihm eine ansehnliche Summe dafür auszahlen und rieth ihm, damit Geschäfte nach dem Auslande zu machen, wo gewiß die Steine verdiente Würdigung fanden. Eine grünfarbige Gattung dieser Steine, von welcher ein besonders großer gleichfalls im Fenster der ebenerdigen Wohnung des Erfinders aufgelegt war, fesselte vor allen anderen die Aufmerksamkeit eines Fremden, der in Abwesenheit Straßer’s mit dessen Frau und Töchtern des grünen Steines wegen unterhandelte, zu gleicher Zeit aber auch für eine der letzteren Interesse gewann, welches sich bald in eine Vermälung dieses Fremden mit derselben auflöste. Dieser Fremde aber war niemand Geringerer als der berühmte englische Optiker Dollond (geb. 1706, gest. 1761), der im Jahre 1757 durch Erfindung der achromatischen Fernröhre eine der folgenreichsten Entdeckungen im Gebiete der optischen Wissenschaft machte, wozu ihm eben jener Straßer’sche grüne Glasfluß, eine Mischung von Flint- und Kronglas, durch welche zuerst farbenfreie Ferngläser gewonnen wurden, verhalf. Die unechten Brillanten aber, welche Straßer’s Verhaftung [273] auf dem Balle in der „Mehlgrube“ veranlaßt hatten, machten ihren Weg nach Frankreich, von wo sie später mit dem verstümmelten Namen Pierres de Strass nach Oesterreich zurückimportirt wurden. Unechte Brillanten führen noch heute den Namen Pierres de Strass. Der wahre Erfinder derselben ist jedoch unser Wiener Bürger Joseph Straßer und die Ableitung des Namens Pierres de Strass von der Stadt Straßburg, mit der Angabe, daß die Pierres de Strass daselbst erfunden worden, ist eine ungerechtfertigte und ganz unrichtige. So beiläufig lauten die Ergebnisse der zerstreuten und durch novellistische Zuthat verbrämten Mittheilungen über den Erfinder der Pierres de Strass, und es würde sich wohl der Mühe verlohnen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Meine Nachforschungen über Joseph Straßer, dessen Geburts- und Sterbedatum ich zu ermitteln suchte, blieben erfolglos, erstens weil ich sie nicht persönlich anstellen konnte, zweitens aber weil ich auf eine einzelne Persönlichkeit, die ich zwar in meinem Werke nicht übergehen, aber doch nur als eine neben Tausenden behandeln kann, nicht Wochen zu den mühseligsten Forschungen in alten Acten und Protokollen zu verwenden im Stande bin. Die vorstehenden Angaben aber bieten genug Anlaß, die Spuren zu verfolgen, denn jedenfalls sind, wenn das Mitgetheilte sich als begründet erweist, Pierre de Strass und das zur Herstellung achromatischer Gläser erforderliche farbenfreie Glas für Oesterreich in Anspruch zu nehmen. In trockenster, fast geschäftsmäßiger Weise berichtet die unten verzeichnete Quelle, deren Mittheilung, weil sie kurz ist, wörtlich veröffentlicht wird. Daß die Geschichte der Erfindungen Straßer’s auch auf schöngeistigem Gebiete verwerthet wurde, begreift sich bei dem Interesse, den dieser Stoff schon dem trockenen Forscher bietet, wohl leicht. Schon Karl Müller, ein Sohn des (1841 verstorbenen) Wiener Kunsthändlers Heinrich Friedrich Müller, welcher in der Bibliothek und Galerie Seiner kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs Albrecht als Bibliothekar und Galerieinspector angestellt war (gestorben 19. November 1868), veröffentlichte im Jahre 1857 ein Büchlein unter dem Titel: „Studien zur Geschichte Oesterreichs im novellistischen Gewande“ (Wien bei Pichler’s Witwe und Sohn), worin sich auch die Studie: „Joseph Straßer, der Goldschmied von Wien und seine Steine“ befindet, welche damals die Runde durch Oesterreichs und Deutschlands Journale machte. Im J. 1856 aber ging über die Bretter des Wiener Burgtheaters das mehractige Lustspiel „Pierres de Strass“ von Salmoser, jedoch ohne sonderlichen Erfolg. Hinter dem Pseudonym Salmoser verbarg sich der als Topograph geschätzte Dr. Adolph Schmiedl, dessen Biographie dieses Lexikon [Band XXX, S. 199] enthält.

Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat (Wien, Degen, 4°.) III. Jahrgang (1810), S. 149, in der zweiten Miscelle, diese lautet wörtlich: „Jedermann kennt das unter dem Namen Pierres de Strass bekannte Artefact, das man vor mehreren Jahren vorzüglich zur Verzierung der Knöpfe auf Staatskleidern liebte. Aber nur wenigen Personen dürfte bekannt sein, woher sie ihren Namen haben. Sie haben ihn von einem gewissen Straßer, der in Wien in der Vorstadt Josephstadt lebte und sich mit verschiedenen Artefacten aus dem Mineralreiche, vorzüglich mit Glasflüssen beschäftigte. Die Franzosen fanden an seinen unechten Edelsteinen Geschmack und nannten sie mit Verderbung [274] seines Namens Pierres de Strass. Dieser Mann hatte einst zu irgend einem Versuche einen großen Klumpen grünen Glasfluß verfertigt; er gab den Versuch auf und der grüne Klumpen lag Jahre lang auf seinem Fenster. Einige Engländer, die Straßer besuchten, fragten Ihn um den Preis dieses Flusses; für ihn war er ohne Werth, er gab ihn umsonst hin. Der Flußklumpen kam nach England und derselbe ist es, aus den Dolland (sic) seine ersten berühmten grünen Gläser schnitt.“