BLKÖ:Thurn-Valsassina, Franz Ulrich

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 45 (1882), ab Seite: 102. (Quelle)
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16. Franz Ulrich (geb. zu Sagrado am 5. October 1629, gest. zu Venedig 13. December 1695). Ein Sohn Johann Philipps und Eleonorens von Gonzaga. In einem Jesuitencollegium in Italien herangebildet, gewann er für den Orden Loyola’s solche Sympathie, daß er den Entschluß faßte, in denselben einzutreten. Er führte auch sein Vorhaben aus, blieb aber nur wenige Jahre in der Gesellschaft, da er zur Erkenntniß kam, daß seine höher strebenden Ziele mit der klösterlichen Obedienz und Wirksamkeit im Dunklen nicht in Einklang zu bringen waren. Da er mit seinen geistigen Vorzügen auch ein einnehmendes, Achtung gebietendes Aeußeres verband, erlangte er bald eine wichtige Stellung, indem ihn die Fürsten von Eggenberg, von denen Johann Anton von Kaiser Ferdinand III. die Grafschaft Gradisca als Mannslehen erhalten hatte, die Hauptmannschaft über dieselbe übertrugen. Mit großer Energie ging er an die Verwaltung des seiner Oberleitung anvertrauten Gebietes, und noch heute finden sich daselbst überall die Spuren seiner segensvollen Thätigkeit. Er erbaute in Gradisca einen großen Kornspeicher, errichtete Schulen und ein Versorgungshaus, in welchem noch sein Bild in Marmor zu sehen; er weckte, der Erste, die Keime einer nationalen Industrie, lehrte die Bewohner die Segnungen des Seidenbaues kennen, welcher, mit allen seinen Nebenbeschäftigungen im Lande eingeführt, sich von da auch in die benachbarte Grafschaft Görz verpflanzte. Mit Decret vom 10. Jänner 1676 wurde Graf Franz Ulrich zum kaiserlichen Gesandten bei der Republik Venedig ernannt. In seiner Eigenschaft als Hauptmann von Gradisca verstand er es, allen seinen diplomatischen Actionen besonderen Nachdruck zu geben, dazu gesellte sich noch der Umstand, daß er der Republik, deren intriguantes und wenig wählerisches Verhalten er genau kannte, eben keine Sympathien entgegenbrachte, daher in seinen diplomatischen Actenstücken eine ganz entschiedene scharfe, wenn nicht schroffe Sprache führte, wodurch er sich bei der Republik in einen Respect zu setzen wußte, wie ihn seit Maximilians I. Tagen kein kaiserlicher Gesandter bei derselben gefunden hat. Es gelang ihm, hinter die wichtigsten Geheimnisse der Venetianischen Aristokratie und dadurch hinter den Schlüssel zu manchen politischen Machinationen derselben zu kommen, was ihn in den Stand setzte, sein Verhalten den schlauen Nobili gegenüber genau zu regeln und alle Staatsacte mit denselben mit jener Vorsicht auszuführen, welche dann in Zukunft bei allen an der Republik beglaubigten kaiserlichen Gesandten zum Princip wurde. Sein dem Kaiser Leopold I. erstatteter Gesandtschaftsbericht enthält eine eingehende Schilderung des Geistes und der Formen dieser aristokratischen Republik und zeigt eine weitaus schärfere Beobachtung und richtigeres Verständniß ihrer politischen Zustände als Amelot de la Houssoi in seiner Darstellung des Regierungssystems der Republik Venedig. Jenes merkwürdige Actenstück wurde auch in deutscher [103] Uebersetzung, und zwar in Le Bret’s „Magazin zum Gebrauche der Staaten- und Kirchengeschichte“ bekannt. Wie schon angedeutet, behielt Franz Ulrich neben seinem Gesandtschaftsposten die Stelle des Hauptmanns von Gradisca bei, und nach wie vor widmete er dem Lande seine Sorgfalt und stetige Aufmerksamkeit. In die Stadt selbst, zu deren Sicherung gegen die immer lauernden Feinde er neue Festungswerke baute und die alten verstärkte, verpflanzte er alle zur bürgerlichen Wohlfahrt erforderlichen Gewerbe. Nachdem er das Nothwendige und Nützliche besorgt hatte, richtete er auch auf die Verschönerung Gradiscas sein Augenmerk. Nach dem Beispiele anderer Städte Italiens stellte er eine öffentliche Loggia, in welcher sich die Bürger zusammenfanden, her,. eröffnete einen mit Statuen geschmückten Garten als allgemeinen Belustigungsplatz und erbaute für seine Familie den stattlichen Palast, der noch heute durch seine geschmackvolle Ausführung die Aufmerksamkeit der Besucher der Stadt auf sich zieht. Franz Ulrich starb, 66 Jahre alt, unvermält in Venedig. Seine Leiche wurde in der Servitenkirche zu Gradisca beigesetzt. und des Grafen Neffe Alois weihte demselben einen Denkstein mit folgender Inschrift: Vivo eximio | Rom. Imp. et Vallissax. com. | Francisco Udalrico Turriano | Caesar. ad rem Venet. Legat. | Gradiscae capit. maresc. et Patri | Aloysius Turrianus nepos | benemeritos cineres. condens | posuit | anno D. MDCXCV. | Vorstehende Daten sind Carlo Morelli von Schönfeld’s „Istoria della Contea di Gorizia“ (Gorizia 1858, Paternolli, gr. 12°.) Vol. III, p. 367 entnommen; Zedler’s Universal-Lexikon XLIII. Bd., Sp. 2022 meldet von Franz Ulrich, daß derselbe, ein Sohn des kaiserlichen Hofkriegsrathes Achaz [S. 98, Nr. 1], nicht kinderlos gestorben, sondern einen Sohn Ludwig hinterlassen habe, und Franz Ulrichs Bruder Karl Maximilian sei, über den [S. 111, Nr. 36] Näheres berichtet wird. Aus den sich widersprechenden und oft völlig abweichenden Angaben der gedruckten Werke, wie Zedler’s Universal-Lexikon, Strambergs „Rheinischer Antiquarius“. Valvasor’s „Ehre von Krain“, Hohenegg’s „Beschreibung von Oberösterreich“, Hübner’s „Genealogische Tabellen“ u. s. w. ist es unmöglich, von der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts zurück richtige genealogische Tafeln zu entwerfen. Nur durch Einsicht in die Familienarchive ließen sich vielleicht die widersprechenden Angaben richtig stellen. –