BLKÖ:Ulrich, Florian

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Ulrich (Schreibung)
Band: 49 (1884), ab Seite: 15. (Quelle)
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Ulrich, Florian (Stadtpfarrer zu Korneuburg, geb. in Wien 1738, gest. zu Korneuburg 21. April 1800). Nach beendeten Vorbereitungsstudien trat er 1758, 20 Jahre alt, in den Orden der regulirten Chorherren des Stiftes zu Korneuburg. Zuletzt versah er das Pfarramt in dieser Stadt. Als Priester und unermüdeter Seelsorger verehrungswürdig, als Mensch ein stiller Wohlthäter und Vater der Armen, als Theolog gelehrt, nimmt er als Mathematiker durch eine von ihm ausgeführte großartige Leistung eine hervorragende Stelle ein. So sehr er die mathematischen Wissenschaften liebte, betrieb er dieselben doch nur in den Stunden, die ihm als Muße von seinem anstrengenden seelenhirtlichen Berufe blieben, denn vor Allem ging ihm die gewissenhafte Erfüllung seiner geistlichen Pflicht. Bei seiner genauen Kenntniß der Mathematik und der zu ihrer Pflege erforderlichen Hilfsmittel erkannte er bald, daß Alles, was sowohl die Akademien der Wissenschaften, als auch die besten einzelnen Rechner Europas bezüglich der für alle Mathematiker und physisch-mathematischen Künstler höchst wichtigen Erfindung von den Theilern der Zahlen bis auf ihn geleistet hatten, lediglich in unzureichenden Fragmenten bestand. Nach sorgfältiger Prüfung fand er die von Anton Felkel in Wien 1776 in Folio herausgegebenen „Tafeln der Factoren von 1 bis 10 Millionen, fertig bis 5 Millionen“, sowie desselben Autors „Tafeln aller einfachen Factoren der durch 2, 3, 5 nicht theilbaren Zahlen von 2 bis 10,000.000“, deren erster Theil gleichfalls in Wien 1776 bei Gräffer erschienen war, fehlerhaft, und in anderen ausländischen, deren keine so weit wie die Felkel’schen reichten, entdeckte er noch weit mehr Fehler als in den letzteren. Somit entschloß er sich, die Factoren aller durch 2, 3 und 5 nicht theilbaren Zahlen von 1 bis auf eine Million ganz von neuem und selbst zu berechnen. Im Jahre 1791 begann er mit diesem für die Wissenschaft so zweckdienlichen Werke, welches bekanntlich schon seit Anfang des achtzehnten Jahrhunderts der Wunsch aller Akademien und das eifrigste Bestreben ihrer berühmtesten Mitglieder war. J. H. Lambert (gest. 25. September 1777), eines der ausgezeichnetsten Mitglieder der Berliner Akademie, meinte in seinen Schriften, daß Derjenige, der die Factorentafel bis auf eine Million zu Stande brächte, ebenso die Unsterblichkeit verdiene, wie sie Napier (Nepper) und Jost Byrgius, der berühmte Kammeruhrmacher Kaiser Rudolphs II., durch ihre logarithmischen Tafeln erworben haben, dabei gab er „nach aller ihm möglichen angewandten Mühe“, wie er sich in seinen Zusätzen zu den trigonometrischen und logarithmischen Tafeln und im fünften Bande seines Briefwechsels klar ausdrückte, „am Ende alle Hoffnung auf, daß die Factorentafeln je so weit würden ausgearbeitet werden“. Nun aber hatte sich Pfarrer Ulrich doch an die Arbeit gemacht und bereits innerhalb der Jahre 1791–1793 die Factoren aller Zahlen bis zur Zahl 753.031 auf das zuverlässigste berechnet. Daß er es [16] ermöglichte, diese ungeheueren Rechnungen in einer verhältnißmäßig so kurzen Zeit auszuarbeiten, verdankte er lediglich seinen eigens hierzu ersonnenen Kunstgriffen, die alle in diesem Fache bis dahin bekannt gewordenen übertrafen, und vermöge deren er, anstatt zu rechnen, die Factoren immerfort nur hinzuschreiben durfte, und zwar mit einer solchen Zuverlässigkeit, daß, wenn etwa unter so vielen hunderttausend Ziffern eine oder die andere falsch wäre angesetzt worden, dieser Fehler sich auf der Stelle verrathen mußte. Diese Kunstgriffe theilte er dem als Mechaniker berühmt gewordenen Augustinermönch David vom h. Cajetan (David Rutschmann) und dem Professor der praktischen Mathematik an der Wiener Hochschule Wilhelm Bauer mit. In den späteren, durch den Druck veröffentlichten Factorentafeln, an denen er nach sorgfältiger Prüfung die Entdeckung machte, daß sie lediglich aus den Felkel’schen ausgeschrieben waren, zeichnete er alle Fehler genau aus, und endlich im Monat September 1799 hatte er seine bis auf eine Million und 500.000 auf das zuverlässigste ausgearbeiteten und auf die vortheilhafteste zur Benützung möglichst bequeme Weise eingerichteten Tafeln, nebst den Hilfstabellen bis auf zwanzig Millionen vollendet. Im Chorherrenstifte zu Klosterneuburg wird diese kostbare Arbeit aufbewahrt. Ein Biograph Ulrich’s bemerkt hinsichtlich dieser Arbeit und ihres Verfassers Folgendes: „Dieses kostbare Werk ist um so schätzbarer, als es den evidenten Beweis in sich enthält, daß ein einziger Mann in Oesterreich, nebst allen seinen geistlichen Verrichtungen, während der neun letzten Jahre seines verdienstvollen Lebens in diesem Fache mehr geleistet, als alle auswärtigen Akademien zusammengenommen ein ganzes Jahrhundert hindurch“. Nebenbei sei hier zum Schlusse bemerkt, daß wohl Napier (Nepper), Jost Byrgius und Wilhelm Bauer in J. C. Poggendorff’s „Biographisch-literarischem Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften“ (Leipzig 1863, J. A. Barth, Lex. 8°.) vorkommen, aber sowohl Florian Ulrich, als auch David Rutschmann darin fehlen.

Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1837, 8°.) Bd. V, S. 464. – Slovník naučný. Redaktoři Dr. Frant. Lad. Rieger a J. Malý, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger und J. Malý (Prag 1872, I. L. Kober, Lex.-8°.) Bd. IX, S. 773, Nr. 1 [nach diesem wäre er 1730 geboren und 1750 in das Kloster getreten].