BLKÖ:Weiß, Johann (Großindustrieller)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 54 (1886), ab Seite: 110. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Johann Weiß in Wikidata
GND-Eintrag: [1], SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Weiß, Johann (Großindustrieller)|54|110|}}

Weiß, Johann (Großindustrieller, geb. 1829 in Wien). Schon sein Vater, welcher sich 1820 in Wien niederließ, begann die Werkzeugfabrication daselbst als einer der Ersten. Damals war die fabriksmäßige Erzeugung von Maschinen in Oesterreich so gut wie unbekannt, und die Arbeiter mußten sich die Werkzeuge zu ihrem Gebrauche selbst herstellen. Allmälig brach sich aber dieselbe auch in Oesterreich Bahn, gewann immer mehr an Ausdehnung und Bedeutung, und Johann Weiß der Sohn, der 1847 als Compagnon in das Geschäft seines Vaters eintrat, war der Erste, welcher 1853 eine speciell zur Herstellung von Holzwerkzeugen eingerichtete Fabrik erbaute und die Dampfkraft bei der fabriksmäßigen Erzeugung der Maschinen benützte. Er hatte die Werkzeugfabrication im Geschäfte seines Vaters erlernt und sich dann vierthalb Jahre im Handlungshause Poß und Comp. auf den geschäftsmäßigen Betrieb der von ihm zu erzeugenden Waare vorbereitet. 1856 übernahm er die Fabrik auf eigene Rechnung, und nun begann der eigentliche industrielle Aufschwung derselben. 1872 wurde neben der ersten eine zweite Fabrik (Margarethenstraße 56) erbaut und beide unter Anwendung der neuesten Werkzeugmaschinen speciell zur Herstellung von Holzwerkzeugen eingerichtet. Sie liefern alle Werkzeuge für Holzarbeiten aus Holz, Stahl und Eisen, namentlich für Tischler, Eisenbahnconstructeure, Zimmerleute, Wagner, Drechsler, Schäfter, Binder, Zündhölzchenfabricanten, Buchdrucker, Buchbinder, Riemer und für Dilettanten. Zwei Dampfmaschinen von 12 und 30 Pferdekräften setzen die zahlreichen Hilfsmaschinen: die Gattersäge, Band- und Schweifsäge, Circularsäge, Hobelmaschinen, Bohr-, Stamm-, Fraismaschinen, Schleifereien, Polirmaschinen und Ventilatoren zu vier Schmiedefeuern in Betrieb, und über 200 Arbeiter sind in der Fabrik beschäftigt. Dabei hat die Fabrik neue Maschinen eigener Construction verfertigt, [111] darunter deren zur Erzeugung vom Hobelgestellen, Maschineneinrichtungen zur fabriksmäßigen Erzeugung der Buchdruckereiwerkzeuge, namentlich von Schriftkasten. Bei dem gesteigerten Bedarf dieser Gegenstände wurden dieselben bis dahin zum größten Theile aus dem Auslande bezogen, nun deckt die Weiß’sche Fabrik nicht nur den Bedarf auf dem Wiener Platze vollkommen, sondern führt ihn auch in siegreicher Concurrenz stark aus. Dann hat die Fabrik viele und sinnreiche Verbesserungen und Erfindungen im Gebiete der Werkzeugindustrie eingeführt. Wir nennen von diesen die Parallel-Stellhobel, die Patent-Setzbretter, die Stabhobel- und Schraubenschneidzeug-Maschinen, die Façonhobel und verschiedene kleinere Handwerkzeuge, welche den Arbeitern die Hantirungen ungemein erleichtern und die Ausführung musterhaft regeln. Die Ausdehnung der beiden Fabriken umfaßt eine verbaute Grundfläche von 713 Quadratklaftern und einem Areale von 1200 Quadratklaftern. Im Jahre 1872 erzeugten die Fabriken 2500 Hobelbänke nebst vielen Drehbänken; ferner jede Woche 2000 bis 3000 Hobel und verschiedene Werkzeuge. Der Absatz erstreckte sich auf sämmtliche Provinzen der Monarchie, sowie auf das Ausland. Die Versendungen im Inlande und die Ausfuhr betrugen nahezu an 6700 Collis im Gewichte von nahezu 5000 Centnern. Ein viel größeres Quantum der Erzeugnisse wurde aber in Wien selbst abgesetzt. Auch verfaßte Johann Weiß einen auf der Londoner Weltausstellung prämiirten „Atlas österreichischer Werkzeuge für Holzarbeiter“, welcher 800 Abbildungen in der Fabrik erzeugter Werkzeuge enthält. Derselbe ist in vielen Gewerbeschulen und technischen Anstalten beim Unterricht in Gebrauch, und die Mustersammlungen aus dieser Fabrik wurden von den technischen Anstalten zu Wien, Berlin und Petersburg angeschafft. Die Fabrik erhielt erste Preismedaillen auf den Weltausstellungen in London 1851 und 1862, in Constantinopel 1863, in Paris 1862 und in St. Petersburg; in letzterer die große goldene Medaille. Der Chef der Fabrik Johann Weiß aber wurde von Oesterreich, Rußland, Preußen, Portugal und der Türkei mit Orden ausgezeichnet.

Arenstein (Joseph Prof. Dr.). Oesterreichischer Bericht über die internationale Ausstellung in London 1862 im Auftrage des k. k. Handelsministeriums... (Wien 1866, Staatsdruckerei, Lex. 4°.) S. 628 und 666. – Arenstein (Jos. Prof. Dr.). Oesterreich auf der internationalen Ausstellung 1862. Im Auftrage des k. k. Ministeriums für Handel und Volkswirthschaft (Wien 1862, Staatsdruckerei, schm. 4°.) S. 166, Nr. 1333. – Amtlicher Katalog der Ausstellung der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder Oesterreichs. Weltausstellung 1873 in Wien (Wien 1873, Verlag der General-Direction, 8°.) S. 255, Nr. 417. – Biographisches Lexikon der Wiener Weltausstellung 1873 (Wien, Lex. 8°.1 Seite 61.
Porträt. Unterschrift: „Joh. Weiß“. Holzschnitt von S. W.