BLKÖ:Wilfling, Ignaz Richard

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 56 (1888), ab Seite: 160. (Quelle)
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Wilfling, Ignaz Richard (Schulmann und Schriftsteller, geb. zu Gratz am 1. August 1759, gest. zu Prag am 23. December 1827). Er begann seine Studien in Gratz und setzte sie in Wien und Prag theilweise privat fort. Der Einfluß tüchtiger Lehrer, von denen mehrere zu Oesterreichs verdienstlichsten Gelehrten zählen, wie Haselbauer, Biwald, Tiller, Seibt u. A., wirkte wohlthätig und fördernd [161] auf das empfängliche Gemüth des Jünglings, der nach den verschiedenen Richtungen seinen Geist ausbildete und selbst dann noch Vorträge besuchte, nachdem er bereits am 4. November 1782 als öffentlicher Lehrer an der Hauptschule am Tein zu Prag die staatsdienstliche Laufbahn begonnen hatte. Am 1. Juni 1784 erfolgte seine Ernennung zum ordentlichen Lehrer der deutschen Sprache, der Einleitung zum Latein und des bürgerlichen Geschäftsstyls an der Prager k. k. Normalschule und im August 1787 zum k. k. Schulkreiscommissär, in welcher Eigenschaft ihn die Landesstelle Böhmens mit der Leitung sämmtlicher Volks- und Bürgerschulen des Kauřimer Kreises betraute. Mit ah. Handschreiben vom 12. Juni 1798 wurde er zur damals bestandenen Studien-Revisions-Hofcommission, welche in Wien unter Vorsitz des Ministers Grafen Rottenhann [Band XXVII, S. 162] die Reformen des Unterrichtswesens im Kaiserstaate berieth und durchführte, einberufen und wirkte gemeinschaftlich mit seinem Freunde Alex. Vinc. Parzizek [Bd. XXI, S. 314] an der Verfassung der Instructionen und Lehrbücher mit, welche bei Ausführung des beabsichtigten Studienplanes nothwendig waren. Im folgenden Jahre kehrte er nach Böhmen zurück, ward 1805 zweiter k. k. Kreiscommissär bei dem Kauřimer Kreisamte, 1811 erster Kreiscommissär, 1814 böhmischer Gubernialsecretär und 1824 Vorsteher des Bücher-Revisionsamtes in Prag, wo er im Alter von 68 Jahren starb. Während seiner 45jährigen dienstlichen Laufbahn war er nebenbei auf dem Gebiete der Pädagogik und volksthümlichen Literatur auch vielfach schriftstellerisch thätig, und haben wir von seinen selbständig erschienenen Schriften, außer einer Ode auf das neuerbaute ständische Theater in Prag, mit welcher er 1783 debutirte, folgende zu verzeichnen: „Was muss ein Kreisschulvisitator wissen und thun, um der Kirche sowohl als dem Staate wahren Nutzen zu verschaffen?“ (Prag und Leipzig 1787, Casp. Widtmann, 8°., mit Titelk.); – „Kalender für Aufseher, Katecheten und Lehrer der Nationalschulen in Böhmen“, zehn Jahrgänge von 1789 bis 1798 (Prag, Widtmann); diese zehn Jahrgänge zusammen in vier Bänden umfassen 1512 Octavseiten mit KK. und musicalischen Beilagen; – „Beschreibung der am 16. April 1804 gehaltenen Ehejubelfeier des Prager Wundarztes Ignaz Junker sammt der dabei vorgetragenen Rede. Herausgegeben zum Besten des Prager Taubstummen-Institutes“ (Prag, 8°.); – „Biographie Caspar Royko’s“ (Prag 1819); – „Nekrolog Ludwig Kohl’s, k. k. öffentlichen Lehrers der Zeichenkunst“ (Prag 1822, 8°.), den dafür gelösten Betrag von 1600 fl. widmete Wilfling als Prämienstiftung für die Prager Akademie mit jährlichen drei Preisen. Dann schrieb er die Vorrede „Ueber die Tendenz und den Doppelzweck: zum Besten des Taubstummeninstituts und Waisenhauses in Prag beizusteuern“ zu dem von Ignaz Hubeney 1806 herausgegebenen Buche „Lehre der Weisheit und Klugheit zu einem glückseligen Leben“. Außerdem war er ein fleißiger Mitarbeiter der von Riegger herausgegebenen statistischen Schriften, von André’s „Patriotischem Tagblatt“, Prof. Meinert’s „Böhmischem Wandersmann“ und dessen Quartalschrift „Libussa“, an dem literarischen Sonnabendsanhange der „Grätzer Zeitung“ und an anderen Zeitschriften. Wir wollen hier nur der wichtigeren in denselben enthaltenen Aufsätze gedenken: in Riegger’s „Materialien zur alten und neuen Statistik von Böhmen“: „Stand [162] der Schulen des Kauřimer Kreises im Sommercurse 1789, mit Anmerkungen“ [Heft X, S. 1853 u. f.], in dessen Skizze einer statistischen Landeskunde Böhmens: „Beschreibung der vorzüglicheren Berge und Prospecte im Kauřimer Kreise“; in André’s „Patriotischem Tagblatte“: „Nachricht über die von Thomas Kunz [Bd. XIII, S. 389] in Prag erfundenen musicalischen Instrumente: Orchestrion und Bogenclavier“ [1801, Nr. 5]; – „Ueber die allgemeine Witwen- und Waisen-Pensionirungssocietät in Prag und das Taubstummeninstitut daselbst“ [ebd., Nr. 8]; – „Neueste Data zur Statistik der Schul- und Studienanstalten Böhmens“ [ebd., Nr. 88]; – „Verzeichniß der noch bestehenden Stifter, Collegien und Klöster in Böhmen mit literarisch-statistischen Bemerkungen“ [ebd. 1802, Nr. 92]; – „Ueber die erste Einleitung, eine polytechnische Lehranstalt in Prag zu errichten und eine Sternwarte auf dem Bauernberge daselbst anzulegen“ [ebd., Nr. 101]; – „Böhmens Denkmünze auf den Frieden vom Jahre 1801“ [ebd.]; – „Aufruf zur Gründung eines Lehrinstitutes für blinde Kinder“ [ebd. 1804, Nr. 54]; – „Thermolampe zu Kolin in Böhmen“ [ebd., Nr. 74]; in Meinert’s „Böhmischem Wandersmann“: „Beitrag zur Beförderung der Obstbaumzucht in Böhmen“ [1804, II, Nr. 24]; – „Fortgang der Pferdezucht auf der Herrschaft Schworetz in Böhmen“ [ebd., Nr. 26]; in Meinert’s „Libussa“: „Biographie des Architecten- und Historienmalers Quirin Jahn“ [II, Nr. 97]; – „Ludwig Kohl’s Verdienste um die bildenden Künste in Böhmen“ [ebd. S. 319]; im „Gratzer Sonnabendblatt“: „Nachricht über die von Ant. Guillemard in Prag verfertigten Denk- und Gelegenheitsmedaillen“ [1805, Nr. 4]; – „Das Postel’sche Panorama in Prag“ [ebd.]; – „Parallele der Theuerung in Böhmen und einem großen Theile Deutschlands in den Jahren 1692–1771 und 1805“ [ebd., Nr. 34]. Auch trug sich Wilfling mit dem Gedanken, eine größere philosophisch-statistisch-pädagogische Zeitschrift unter dem Titel: „Beiträge zur Darstellung und Beförderung des Schulwesens und der Cultur in den österreichischen Staaten“ herauszugeben, sammelte auch schon namhafte Materialien zu diesem Zwecke und setzte sich mit bewährten Pädagogen und Fachmännern in Verbindung, als Aenderungen im obersten Regime der Studienleitung und vermehrte Berufsgeschäfte ihn an der Ausführung dieser Idee hinderten, und so gab er dieselbe dann ganz auf. Wilfling stand nicht nur mit den bedeutendsten Schulmännern und Pädagogen Oesterreichs, so mit Kindermann, Kunitsch, Sartori, Schulstein, Vierthaler, van Swieten u. A., sondern auch mit den hervorragendsten Capacitäten des Auslandes in diesem Fache, wie mit Hofrath Becker in Gotha, Dr. Bellermann in Berlin, Prof. Graefe in Göttingen, Gutsmuths und Salzmann in Schnepfenthal, Niemayer in Halle, Zerrenner in Dorenburg u. A., im fleißigen brieflichen Verkehre. Er war Doctor der Philosophie, Besitzer des silbernen Civilehrenkreuzes und Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften Oesterreichs und des Auslandes. Als Beamter und Schriftsteller ungemein thätig und verdient, hat er als Lehrer und Bildner der Jugend sehr nützlich gewirkt und sich namentlich um das Schulwesen in Böhmen bleibende Verdienste erworben.

Kandelfinger (F. S.). Mnemosynon der Namensfeier am 31. Juli (1808). Dem [163] Herrn J. R. Wilfling u. s. w. dargebracht: im Namen des sämmtlichen Lehrkörpers der Neukoliner Hauptschule ob der Elbe (1808). – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. VI, S. 151.