Beschreibung des Oberamts Leonberg/Kapitel B 11

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Hemmingen,
Gemeinde III. Kl. mit 1107 Einw. a. Hemmingen, Pfarrd., 1092 Einw., wor. 1 Kath. b. Hagmühle, 10 Einw. c. Ölmühle, 3 Einw. d. Jägerhaus, 2 Einw, – Ev. Pfarrei.


Auf der weitausgedehnten fruchtreichen Fläche des Strohgäus liegt 2 Stunden nördlich von der Oberamtsstadt das ansehnliche Pfarrdorf Hemmingen. Der ziemlich unregelmäßig gebaute, jedoch mit reinlichen, gekandelten, breiten Straßen versehene Ort, dessen Gebäude meist ein wohlhäbiges, einzelne sogar ein städtisches Ansehen darbieten, hat eine theils sanft geneigte, theils ebene Lage und ist seit 1844 mit gutem Trinkwasser, welches 4 laufende und 3 Pumpbrunnen spenden, hinreichend versehen. Auch ist im Ort eine Wette vorhanden. Schon im Jahr 1595 wurde der westlich vom Ort gelegene Hafensteinbrunnen mittelst einer über 5000′ langen irdenen Wasserleitung in das Dorf geführt; diese Leitung ist später in Verfall gerathen, dagegen wurde die sog. Seequelle von dem Freiherrn von Varnbüler im Jahr 1844 gefaßt und auf eine Länge von über 6000′ in thönernen Teicheln in den Ort geleitet. Diese Quelle bildete früher einen See, welcher über 16 Morgen groß war, aber vor etwa 50 Jahren abgelassen worden ist. Im Herzengrund, 1/4 Stunde nordöstlich vom Ort, befinden sich 2 periodische Quellen (Hungerbrunnen) und eine weitere im Ort selbst, in einem Wohngebäude, das gegenwärtig dem Johann Geisel gehört. Überdieß fließt der im Kesselbrunnen entspringende Bach am nördlichen Ende des Orts vorüber und nimmt den Abfluß des letzteren, den sog. Geichelgraben, auf.

Der Bau der im östlichen Theile des Orts gelegenen Pfarrkirche gehört verschiedenen Perioden an; sie wurde mehreremal verändert und namentlich das Langhaus dermaßen erweitert, daß dasselbe jetzt breiter als lang ist. Der sehr alte, monströse, nicht hohe, viereckige Thurm mit rundbogigen Fenstern und 7′ dicken Mauern scheint ursprünglich zur Vertheidigung gedient zu haben; auf demselben hängen 3 Glocken, welche in den Jahren 1698, 1770 und 1779 gegossen wurden. Der mit einem halben Achteck schließende, mit Strebepfeilern versehene Chor, gehört einer spätern Periode als der Thurm an; dennoch dürfte derselbe, nach seinen ziemlich schmalen, spitzbogigen, schön gefüllten Fenstern zu schließen, aus dem 14ten Jahrhundert stammen. Das Langhaus, welches 1785 die letzte bedeutende Veränderung erlitt, bietet durchaus nichts Sehenswerthes, dagegen ist am südlichen Eingang in dasselbe ein im Renaissancestyl schön ausgeführter, auf Säulen ruhender Vorbau angebracht, an welchem Petrus und Paulus, in Lebensgröße aus Stein | gehauen, stehen, während die 4 Evangelisten die Ecken der Bedachung zieren; der Vorbau trägt die Jahreszahl 1600. An der südwestlichen Ecke der Kirche steht ein gleichfalls im Renaissancestyl erbauter runder Thurm, in welchem sich eine zu dem Hauptthurm führende steinerne Wendeltreppe befindet. Das Innere der Kirche ist geräumig und hell; ein spitzbogiger Triumphbogen führt in den Chor, welcher 1824 namhaft verbessert und verschönert wurde. Derselbe hat ein gut bemaltes Netzgewölbe, dessen Schlußsteine durch ein Wappenschild mit zwei schräge gekreuzten Stäben und einen Schild mit einem Roste, dem Attribut des heiligen Laurentius, welcher Schutzpatron der Kirche ist, geziert sind. An den Wänden stehen folgende Grabdenkmale: 1) von Johann Axelin v. Varnbüler, † 31. Jan. 1660; 2) von Frau Christ. Katharine v. Varnbüler, geb. v. Kaltenthal, † 26. Jan. 1672; 3) von Johann Konrad v. Varnbüler, † 18. Nov. 1658; 4) ein schön aus Stein gearbeitetes Nippenburg’sches Wappen mit der Umschrift: Anno Dom. 1490 starb der vest Jenkling Ludwig von Nippenburg, dem der allmechtig gnedig wölle sein; 5) ein betendes Frauenzimmer und ein Ritter mit dem Streithammer in der Rechten und ein Löwe zu seinen Füßen; Jungfrau Margaretha von Nippenburg, † 6. August 1603; Hans Ludwig v. Nippenburg, † 12. Mai 1578 (beide waren Geschwister); 6) Catharina v. Bubenhofen, geb. Freiin v. Freiberg, † 22. Mai 1633; 7) Anna Maria v. Fölsch, † 15. Juli 1593; 8) Wilhelm v. Nippenburg, † 1. Juni 1609 – Maria von Nippenburg, geb. v. Flehingen; 9) Philipp v. Nippenburg, † 22. Febr. 1565; 10) Wilhelm v. Nippenburg, † 1609. Im Schiff der Kirche befindet sich die marmorne Grabtafel der Maria Magdalena v. Varnbüler, geb. Jeschlin, † 1684, und ein aus Stein gearbeitetes Bild des Gekreuzigten; die Kanzel trägt die Jahrszahl 1583. Eine in der Kirche hängende hölzerne Tafel meldet, daß 1432 die Familie v. Hemmingen mit Hans v. Hemmingen erloschen sey. Die Unterhaltung der Kirche hat die Stiftungspflege. Der gleich einem Garten angelegte ummauerte Begräbnißplatz liegt in ziemlicher Entfernung nördlich vom Ort auf einem schönen Punkte, von dem man eine sehr freundliche Aussicht genießt.

Die Gutsherrschaft, welche früher ihr Begräbniß in der Kirche hatte, ließ im Jahr 1818 einen eigenen Familienbegräbnißplatz 1/8 Stunde östlich vom Ort anlegen.

Das 1804–5 erbaute, sehr gut erhaltene Pfarrhaus, liegt von allen Seiten frei an der Hauptstraße in der Nähe der Kirche; dasselbe ist Eigenthum der Pfarrstelle, der auch die Unterhaltung obliegt, wozu der Pfarrer jährlich 30 fl. in eine zu diesem Zweck errichtete Pfarrbaukasse zu bezahlen hat, die gleich der Stiftungskasse verwaltet wird. Zunächst der Kirche steht auf einem durch eine schönwüchsige Linde gezierten Platz das 1792 | erbaute Schulhaus, in welchem sich zugleich die Wohnung des Lehrers befindet. Das auf demselben Platze gelegene Rathhaus wurde auf der Stelle des früheren, 1595 erbauten, im Jahr 1842 in einem modernen Styl mit einem Aufwand von 7000 fl. neu errichtet.

Am östlichen Ende des Orts liegen die dem Freiherrn von Varnbüler gehörigen Schloß- und Ökonomie-Gebäude; das neue Schloß wurde 1788 erbaut, in dessen Nähe steht das alte Schloß, welches früher mit einem tiefen Graben umgeben war. Im Rücken und zu den beiden Seiten der Schlösser befinden sich geschmackvoll angelegte Gartenanlagen, an die ein sehr ausgedehntes umfriedigtes Gras- und Baumgut grenzt, welches ebenfalls Eigenthum des Freiherrn von Varnbüler ist.

Was die Ortseinwohner betrifft, so sind dieselben im Allgemeinen körperlich wohlgebildet, verständig und fleißig, zum Theil aber dem Wirthshausbesuch zu sehr ergeben; ihre Vermögensumstände gehören zu den besseren, ihre Haupterwerbsquellen bestehen in Feldbau und Viehzucht. Die Minderbemittelten sichern sich ihren Unterhalt durch Taglohnarbeiten, wozu ihnen der ausgedehnte landwirthschaftliche Betrieb des Freiherrn von Varnbüler hinlänglich Gelegenheit darbietet.

Die ziemlich große Feldmarkung ist meist eben, nur die mäßig geneigten Abhänge gegen das Glemsthal machen hievon eine Ausnahme. Der Boden besteht im Allgemeinen aus einem fruchtbaren, etwas kalkhaltigen Diluviallehm, der im Übrigen etwas leicht, in der Nähe des Glemsthales mehr schwer und thonig – im westlichen Theil der Markung aber etwas kalt und weniger kalkhaltig ist. Die Luft ist sehr gesund und rein, übrigens schaden Frühlingsfröste zuweilen vorzugsweise gegen das Glemsthal zu; im Glemsthale selbst schaden die Frühlingsfröste den Hemmingern nie, da sie dort nur Wiesen besitzen; die Ernte tritt um einige Tage früher als in den übrigen Strohgäuorten und um 10 Tage später als im Enzthal ein. Hagelschlag ist selten und kam seit 60 Jahren etwa zweimal, jedoch nur unbedeutend, vor, indem die Hochscheid bei Hochdorf eine günstige Wetterscheide bildet.

Unter diesen vortheilhaften natürlichen Verhältnissen, verbunden mit dem Fleiß und der Umsicht der Einwohner, besonders aber durch das vortreffliche Beispiel, welches die rationelle, seit dem Jahre 1800 bestehende Bewirthschaftung des Freiherrn von Varnbüler’schen Gutes darbietet, hat sich die Landwirthschaft auf eine sehr blühende Stufe gehoben; der flandrische Pflug, das einfache Joch, wie die Anlage von zweckmäßigen Düngerstätten und Güllenlöchern haben längst Eingang gefunden; auch ist das Trocknen des Futters an Heinzen und Pyramiden zum Theil eingeführt, zur Besserung des Bodens wird | außer dem gewöhnlichen Stalldünger, die Jauche, der Pferch, Compost, Gyps u. s. w. angewendet.

Im System der Dreifelderwirthschaft baut man hauptsächlich Dinkel, Hafer, Gerste, sehr viel Erbsen und Linsen; die Brache wird zu 2/3 mit Kartoffeln, Angersen, Ackerbohnen und in großer Ausdehnung mit Futterkräutern, besonders mit rothem Klee angeblümt. Von Handelsgewächsen zieht man Hopfen, Mohn, viel Reps und etwas Flachs und Hanf. Auf den Morgen werden durchschnittlich 5 Sri. 2 Vrl. Dinkel, 3 Sri. Hafer und 3 Sri. Gerste ausgesät; der Ertrag beträgt 10–11 Schfl. Dinkel, 7–8 Schfl. Hafer und 6–7 Schfl. Gerste. Der Absatz an Felderzeugnissen ist sehr beträchtlich; es werden z. B. jährlich 4 bis 6000 Schfl. Dinkel und für 5–6000 fl. Erbsen und Linsen nach Außen verkauft. Die Preise der Äcker bewegen sich von 300–600 fl., früher bis 800 fl. per Morgen.

Das dem Freiherrn von Varnbüler gehörige Gut, welches außer dem Ritterlehen von 327 Morgen, mit Inbegriff von 16 auf Schwieberdinger Markung gelegenen Morgen noch 30 Morgen eigene Güter in sich begreift, übrigens nicht zusammenhängend ist, sondern mit Ausnahme eines 58 Morgen großen vormaligen Walddistrikts „Rohrsperg“ auf der Markung zerstreut liegt, wird in 9schlägiger Rotation bewirthschaftet.

Der Wiesenbau der Ortsmarkung ist nicht sehr ausgedehnt; die Wiesen, von denen etwa 30 Morgen bewässert werden können, liefern gutes Futter, das übrigens für das örtliche Bedürfniß nicht hinreicht, und daher durch einen bedeutenden Futterkräuterbau ersetzt werden muß. Der Ertrag eines Morgens wird im Durchschnitt zu 20 Centner Heu und 10 Centner Öhmd angegeben. Die Preise bewegen sich von 400 bis 800 fl. per Morgen.

Der Weinbau war früher bedeutend, ging aber später beinahe ganz ab und kam erst in neuerer Zeit wieder in Aufnahme. Die Reben, meist Silvaner, Klevner, Affenthaler, Elblinge u. s. w., werden bezogen (über den Winter bedeckt) und liefern einen mittelguten, jedoch auf das Lager sich nicht eignenden Wein, der im Jahr 1846 zu 36–40 fl., im Jahr 1849 zu 18–20 fl. per Eimer verkauft wurde. Der Morgen Weinberg, welcher im Durchschnitt 6 Eimer liefert, kostet 500–600 fl.

Die Obstzucht ist gut und hat sich in den letzten 30 Jahren sehr gehoben; außer dem Tafelobst, welches Freiherr von Varnbüler pflanzt, werden meist nur Mostsorten und etwas Steinobst gezogen. Eines dem Freiherrn v. Varnbüler gehörigen, in den Jahren 1822–24 gerodeten Waldes von 58 Morgen im „Rohrsperg“, welcher nun ein vortrefflich gedeihendes Baumgut mit den verschiedensten Obstbäumen, namentlich auch einer großen Auswahl von Kirschbäumen darstellt, wurde schon im | allgemeinen Theil (oben S. 43) gedacht. Überdieß wird durch eine demselben Besitzer gehörige Baumschule die Obstzucht wesentlich gefördert.

Die Gemeinde ist im Besitz von etwa 500 Morgen Laubwaldungen, welche bei 30jährigem Umtrieb jährlich 125–130 Klafter und etwa 4000 Stück Wellen abwerfen; hievon erhält jeder Bürger in der Regel 1/2 Klafter und 25 Stück Wellen, der Rest kommt zum Verkauf und gewährt etwa 1000 fl. Erlös.

Eigentliche Weiden sind ungefähr 30 Morgen vorhanden, auf diesen, wie auf der Brach- und Stoppelweide hat die Gemeinde und der Freiherr von Varnbüler gemeinschaftlich das Recht, Schafe laufen zu lassen; die Weiden tragen der Gemeindekasse jährlich gegen 600 fl. ein.

Was die Viehzucht betrifft, so werden zwar Pferde gehalten, aber nicht eigentlich gezüchtet. Dagegen ist die Rindviehzucht ausgezeichnet; sie beschäftigt sich mit einer guten, meist rothbraunen Landrace, welche durch Haltung vorzüglicher Farren, die der Gemeinde obliegt, immer noch verbessert wird. Mit Mastvieh wird ein bedeutender Handel nach Stuttgart, Ludwigsburg und in das Großherzogthum Baden getrieben. Eine Käserei besteht im Ort und überdieß kommt viele Butter zum Verkauf.

Etwa 700 Stücke feine Bastardschafe, wovon die eine Hälfte dem Pachtschäfer des Freiherrn v. Varnbüler, die andere den Ortsbürgern gehört, laufen auf der Markung und finden im Ort Überwinterung; die Wolle wird nach Kirchheim zu Markt gebracht.

Schweine werden meist auswärts aufgekauft, gemästet und theils im Ort verbraucht, theils in Handel gebracht.

Die Bienenzucht ist nicht sehr ausgedehnt, übrigens mehr im Zu- als im Abnehmen begriffen.

Von Gewerben ist eine Ziegelhütte, zwei Schildwirthschaften, eine Handlung und ein Kramladen zu nennen; die gewöhnlichen Professionisten sind vorhanden und dienen meist nur den örtlichen Bedürfnissen, mit Ausnahme einiger Schmiede und Wagner, welche auf Anrathen des im Allgemeinen um die Landwirthschaft verdienten, jetzt pensionirten freiherrlichen Gutsverwalters Gutbrecht, Flanderpflüge zu verfertigen unternommen haben, die von der Umgegend gesucht sind.

An der bestehenden Volksschule unterrichten ein Schulmeister und ein Lehrgehilfe. Als Gemeindeanstalt ist ein Backhaus eingerichtet, die frühere Ortskelter wurde schon im Jahr 1815 zu einem Schafhaus umgewandelt.

Vicinalstraßen gehen nach Schwieberdingen, Hochdorf, Heimerdingen und Schöckingen.

| Die Gemeinde besitzt außer den Einnahmen aus Wald, Weide etc. noch ein Kapitalvermögen von etwa 14.000 fl.; das Vermögen der Stiftungspflege beträgt 12.500 fl., und überdieß ist noch ein Fond von 7000 fl. zum Pfarrhausbau vorhanden. Von Stiftungen sind zu nennen; 1) 700 fl., von dem ersten evangelischen Pfarrer Wild im Jahr 1583 mit der Bestimmung gestiftet, daß die jährlichen Zinse aus dem Kapital für Studirende verwendet werden sollen. 2) Von den Freiherren von Nippenburg und von Varnbüler wie von einigen Ortsbürgern 1400 fl., aus deren Zinse den Ortsarmen Brod angeschafft wird. 3) Von Philippine Brodbeck 200 fl., wovon die Zinse jährlich den vier ärmsten Wittfrauen im Ort ausgetheilt werden.

Die Markung war in einen Haupt- und fünfzehn Neben-Distrikte getheilt, auf welchen den großen Zehenten theils allein, theils gemeinschaftlich der Staat, der Freiherr von Leutrum (früher die St. Barbara-Pfründe in Schwieberdingen), bis zum Jahr 1825 der Freiherr von Varnbüler, ferner die Grafen von Reischach, die Pfarrei, die Stiftungspflege, der Meßner und der Burghofmeier bezogen. Den kleinen Zehenten erhebt der Staat, Heuzehenten wurde hier nie erhoben. Den Zehenten von den im Jahr 1819 ausgestockten Weinbergen bezogen der Staat zu 4/9, die Pfarrei zu 3/9 und der Freiherr von Varnbüler zu 1/9. Außer dem Staat standen dem Besitzer des Hofguts Mauer grundherrliche Gefälle auf hiesiger Markung zu.

Das Ortswappen ist ein Rost.

Als bewohnte Markungsparzellen sind zu erwähnen:

1) Die Hag-Mühle mit 3 Mahlgängen und 1 Gerbgang; sie liegt 1/4 Stunde östlich vom Mutterort an der Glems, welche der Mühle das ganze Jahr hindurch hinlänglich Wasser liefert.

2) Die Öl-Mühle, welche zugleich Säge-, Gyps- und Reib-Mühle ist, liegt ebenfalls an der Glems, 1/4 Stunde südöstlich von Hemmingen.

3) Das Gärtnerhaus nebst Schafstall, ein freundlicher Wohnsitz, den der verstorbene Finanzminister Freiherr von Varnbüler im Jahr 1823 wegen des auf dem Rohrsperg angelegten Baumgutes erbauen ließ; dasselbe liegt 1/2 Stunde südwestlich vom Mutterort an der Vicinalstraße nach Heimerdingen.

Etwa 1/2 Stunde westlich von Hemmingen soll ein Ort „Rohr" gestanden sein, noch heißt ein in dieser Richtung führender Weg der „Rohrener Weg“. Bei der Waldausrodung auf dem Rohrsperg in den Jahren 1822 bis 1824 fand man in großer Anzahl alte Waffen, Hufeisen u. s. w.

| An der Straße nach Schöckingen stand eine dem heiligen Laurentius geweihte Kapelle, nach der noch einige Güterstücke „beim rothen Bildhäusle" genannt werden.

Über römische Alterthümer und germanische Grabhügel, welche auf der Markung vorhanden sind, siehe den allgemeinen Theil.

Hemmingen wird zuerst bekannt durch das Schenkungsbuch des Klosters Weissenburg, welchem die hiesige Kirche, ansehnliche Güter und Einkünfte wohl schon in der Carolingischen Zeit gehörten (Trad. Wizenb. 295). Noch im 10. Jahrhundert war dieses Kloster im Besitz eines Hofes nebst Zugehörungen; denn es wird von Herzog Otto von Alemannien (973–982) erzählt, er habe einen solchen dem Kloster mit Gewalt weggenommen (ebendaselbst 299).

Von hiesiger Burg nannte sich ein Adelsgeschlecht; in der Mitte des 14. Jahrhunderts erscheinen in dieser Familie: Dietrich (welcher einen Hof in Hemmingen, der Lehen von Württemberg, an Heinrich Sölr von Ehningen verkaufte, Sattler, Grafen 4, 270) und Undolf. Im Jahr 1392 wurde Undolf, wohl des letzteren Sohn, von dem Grafen Eberhard von Württemberg mit Burg und Dorf Hemmingen belehnt, wie solche schon sein Vater von der Herrschaft Württemberg zu Lehen gehabt.

Im 15. Jahrhundert folgten die Veräußerungen, welche diese, im Jahr 1432 im Mannsstamm ausgestorbene Familie machte, rasch aufeinander. Hans von Hemmingen, dessen Tochtermann Jörg von Münchingen einen hiesigen Hof erhielt, verkaufte am 12. Oktober 1435 die Hälfte der Burg und des Dorfes Hemmingen an Luitgard von Stammheim, deren Sohn Kaspar von Graf Ludwig von Württemberg im Jahr 1436 damit belehnt wurde, aber solche bald an Berthold von Massenbach, dessen Vorfahren schon hier begütert waren, abtrat; letzterer veräußerte diesen Besitz, wobei auch ein Antheil am Zehenten und andern Gerechtigkeiten, am 15. Februar 1444 an den Grafen Ludwig von Württemberg (Scheffer 49).

Im Jahr 1439 verkaufte obiger Hans von Hemmingen den ihm noch gehörigen Theil des Lehens an Hans von Nippenburg, welcher am 6. April 1439 von den Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg damit belehnt wurde; auch Undolf von Hemmingen (ein noch jüngerer) veräußerte an denselben Hans von Nippenburg ein Stück seines hiesigen Antheils, ein anderes an Hans von Münchingen. Auch das letztere kam an die von Nippenburg, zunächst an Michael Hansens Sohn, welcher hiemit in den Besitz des ganzen hiesigen Lehens (1/2 Burg und 1/2 Dorf) gelangte. Die von Nippenburg, später württembergische Erbmarschälle geworden, trugen dieses Lehen sofort bis zum Aussterben ihres Mannsstamms mit Gotfried († 1646).

| Nachdem das Lehen durch diesen Todesfall heimgefallen war, belehnte Herzog Eberhard den 17. September 1650 seinen verdienten geheimen Regimentsrath, Joh. Konr. Varnbüler; mit dem Schloßgut, dem halben Dorf und noch anderweitigen Besitzungen; die Besetzung der Pfarrstelle sollte zwischen Württemberg und dem Lehensträger wechseln. Derselbe wurde in eben diesem Jahr von Kaiser Ferdinand dem Dritten in seinem „über 400 Jahre alten Reichsadel bestätigt,“ und im Jahr 1652 der schwäbischen Reichsritterschaft, Theil am Neckar, Schwarzwald und Ortenau für sich und seine Nachkommen personaliter und realiter incorporirt. Dessen Nachkommen, die Freiherren von Varnbüler, und zwar heutzutage Friedrich Gottlob Carl, sind die Besitzer des Lehens.

Mit Ausnahme des als reichsritterschaftliche Besitzung anerkannten Schloßguts stund Hemmingen schon vor dem Jahr 1806 unter württembergischer Landeshoheit.

Das Landbuch von 1744 sagt: „Die Einwohner sind zwischen Württemberg und den von Varnbüler den Häusern nach abgetheilt, daß Jeder weiß, welchem Vogtsherrn er gehörig ist; die Unterthanen haben gegen einander den freien Zug; in Beziehung auf die Collectation wird es mit den Gütern auf verschiedene Art gehalten, die hohe Jurisdiction hat aber Württemberg allein zu exerciren, die niedergerichtliche dagegen ist miscirt und getheilt." Die ritterschaftliche Collectation in der einen Hälfte von Hemmingen kam an Württemberg durch Vergleich mit dem Canton Neckar-Schwarzwald im Jahr 1769 (Cramer Wetzlar’sche Nebenstunden 112, 600). Indessen übten die Freiherren von Varnbüler bis zum Jahr 1809 in ihren Ortsantheilen die niedere Jurisdiction aus, gegen deren Verzichtung ihnen im Jahr 1823–25 die ritterschaftlichen Surrogatrechte eingeräumt wurden.

An der hiesigen Pfarrkirche bestunden Frühmesserstellen, welche Konrad von Schöckingen im Jahr 1358 stiftete. – In die Patronats- und Nominations-Rechte theilen sich die Krone Württemberg und die Freiherren von Varnbüler dergestalt, daß die Nomination des Pfarrers alternirt, die Collatur aber jederzeit dem Hause Württemberg zusteht.

Im Jahr 1826 vertauschten die Freiherren v. Varnbüler ihre Zehenten an Württemberg gegen das vormalige Rittergut in Höfingen, behielten aber ihre Patronatsrechte in Hemmingen bei. Bis zum Jahr 1806 hießen die Gutsherren Mitvogtsherren oder Condomini, jetzt heißen sie Compatroni.


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