Beschreibung des Oberamts Tübingen/Kapitel B 19

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Mähringen,

Gemeinde III. Klasse mit 647 Einwohnern, worunter 7 Kath. und 5 eig. Konf. – Ev. Pfarrei; die Kath. sind nach Tübingen eingepfarrt. 11/2 Stunden südöstlich von Tübingen gelegen.

Der große Ort hat eine hohe und schöne Lage auf der Hochfläche (den Härdten) zwischen dem Echaz- und dem Steinlachthale, am Anfange des gegen Nordost ziehenden ganz flachen Lumpenbachthälchens. Die stattlichen, mit geschnitztem Balkenwerk und zierlichen Blumenbrettern geschmückten Häuser verrathen große Wohlhabenheit und liegen in malerischen Gruppen weit von einander verstreut an den breiten reinlichen und gekandelten Straßen. Schöne Obstbaumwiesen, den ganzen Ort umgebend, treten überall in den Lücken an die Straßen heran und hübsche Blumengärtchen liegen vor den rebenumrankten Häusern und vollenden das ansprechende freundliche Aussehen des Dorfes. Dazu hat man von hier aus, wie auch von der nahen sogenannten Schweige, einen herrlichen Blick an die ganze Kette der Alb.

Die Kirche steht am Südende des Dorfes im großen noch ummauerten früheren Friedhof; ihr Schiff ist an der Westseite noch altromanisch; hier vertieft sich ein großes, dreimal sich einstufendes, vom kräftigen Wulste des Sockels umfaßtes Rundbogenportal; der schön gehaltene, wenig steile Giebel der Westseite stammt noch aus frühgothischer, das schmucklose Schiff dagegen aus neuerer Zeit; auf einem in seine Südseite eingemauerten Steine liest man 1530. Der im Osten stehende, in den untern Geschossen frühgothische Thurm vertritt die Stelle des Chors. Das Innere ist durchaus weiß getüncht und hat im Schiff eine flache Decke, im Thurm ein unter der Tünche noch bemaltes Netzgewölbe; der Triumphbogen ist spitz, die Orgel steht auf der Empore des Thurmes; an dessen Südwand ist eine schöne eisenbeschlagene Holzthüre und hier sind auch, freilich stark beschädigte, auf Holz gemalte Tafelbilder angebracht, aus der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts stammend; sie stellen dar die Justitia, zu Seiten König Salomo, wie er den beiden Weibern Recht spricht,| ferner Christus und die Ehebrecherin, Bilder mit großen, figurenreichen Gruppen. Der starke, von einem Satteldach bekrönte Thurm hat im untern Geschoß gegen Süden ein frühgothisches Fenster, weiter hinauf nur Schießscharten und im neueren Glockenhause rundbogige Schallfenster. Von seinen drei Glocken hängt eine kleine auf dem Dache, von den beiden andern hat die große als Umschrift die Namen der vier Evangelisten in spätgothischen Minuskeln; die kleinere ist noch sehr frühgothisch, zeigt in Vierblattumrahmungen die sehr alterthümlichen Reliefs der vier Evangelisten und ihre Namen in verschlungenen lateinischen Majuskeln. Die Baulast der Kirche ruht auf der Gemeinde, sowie auf den zwei Filialen Immenhausen und Jettenburg.

Der neue Begräbnißplatz, seit 1835 angelegt, liegt außerhalb des Ortes; früher mußten Wankheim, Kusterdingen und Ohmenhausen, sowie die Filiale Immenhausen und Jettenburg ihre Todten nach Mähringen bestatten.

Das sehr alte Pfarrhaus steht südlich von der Kirche und ist mit einer Mauer umfriedigt, die zugleich einen Hofraum und schönen Garten umschließt; bei seiner Unterhaltung hat für die Heiligenpflege der Staat die subsidäre Baulast.

Das 1811 erbaute Schulhaus enthält auch die Wohnung des Schulmeisters.

Das freundliche Rathhaus ward 1834 erbaut und enthält neben den Gelassen für den Gemeinderath ein Schulzimmer und die Wohnung des Unterlehrers, sowie die Backküche.

Ein Armenhaus ist vorhanden.

Gutes Trinkwasser liefern hinreichend 5 in hölzernen Deucheln hergeleitete laufende und 11 Pumpbrunnen. Der Lumpenbach entspringt im Ort; sonst hat die Markung keine Quellen. Westlich vom Ort liegt eine Wette; früher war in seinem südlichen Theile ein großer Weiher, der den Burggraben speiste, nun trocken gelegt ist und als Wiesengrund benützt wird.

Vicinalstraßen gehen von hier nach Wankheim, Immenhausen, Jettenburg und Ohmenhausen.

Die Einwohner sind ein sehr schöner Menschenschlag, blond und blauäugig, kräftig, groß und ohne Gebrechen, und erreichen ein hohes Alter, gegenwärtig sind 3 über 80 Jahre alte Personen im Dorfe; auch der Charakter der Einwohner ist lobenswerth, sie sind fleißig, betriebsam und sparsam und gehen gerne zur Kirche. Ihre schöne ländliche Volkstracht haben sie zum Glücke beibehalten.

Erwerbsquellen sind vornehmlich Feldbau und Viehzucht.

| Gewerbe werden nur für den örtlichen Bedarf getrieben: Maurer und Steinhauer arbeiten zuweilen auswärts; zwei Schildwirthschaften und zwei Kramläden bestehen.

Die Vermögensverhältnisse sind im allgemeinen gut und können zu den besseren des Oberamtsbezirks gerechnet werden; der begütertste Bürger besitzt 60 Morgen Feld und 1 Morgen Wald, der Mittelmann die Hälfte, die ärmeren besitzen 2 Morgen Feld; nur etwa drei Ortsbürger haben keine Kuh, der vermöglichste aber 18 Stücke im Stall. Auf angrenzenden Markungen gehören hiesigen Bürgern etwa 60 Morgen.

Die ziemlich große Ortsmarkung bildet ein ebenes fruchtbares Land; der Boden besteht aus einem tiefgründigen etwas starken, sehr ergiebigen Lehm, in welchem die gewöhnlichen Feldfrüchte gut gedeihen.

Das Klima ist mild und gesund, Frühlingsfröste kommen zuweilen vor, dagegen Hagelschlag sehr selten, weil die Gewitter entweder dem Neckarthal oder der Alb zuziehen.

Die Landwirthschaft wird sehr fleißig und rationell betrieben, wobei der dermalige Ortsvorstand Diegel mit aufmunterndem Beispiel vorangeht, indem er unter anderem ein Versuchsfeld hergab, um die Wirkung der verschiedenen Düngungsmittel zu erproben. Zur Besserung des Bodens verwendet man neben dem Stalldünger und der in gut angelegten Düngerstätten fleißig gesammelten Jauche auch Gips, Leimkuchen, Guano und Knochenmehl. Von verbesserten Ackergeräthen ist der Brabanterpflug allgemein eingeführt, auch eiserne Eggen, Brabanter Eggen, Walzen, zwei Repssämaschinen und eine Fruchtsämaschine sind vorhanden.

Außer den gewöhnlichen Getreidearten baut man Futterkräuter, Kartoffeln, Kraut, Kohlraben, Runkelrüben, Erbsen, Reps, Flachs und Hanf. Zum Verkauf kommen über den eigenen Bedarf auf der Schranne in Reutlingen 1500–2000 Scheffel Dinkel und 500 Scheffel Gerste; überdieß 150–200 Centner Reps und etwa 20 Centner Flachs.

Der Wiesenbau ist ausgedehnt und liefert reichlich gutes Futter, das im Ort verbraucht wird.

Die Obstzucht, welche sich mit den gewöhnlichen Kern- und Steinobstsorten beschäftigt, wird eifrig gepflegt und von einem besonders aufgestellten Baumwart überwacht; es besteht hier ein der Gemeinde gehöriger Centralobstgarten mit 1200 Jungstämmen. Das Obst gedeiht gerne und in günstigen Jahren können 1000–1500 Säcke Kernobst nach außen abgesetzt werden.

| Die vorhandenen 2643/8 Morgen Gemeindewaldungen ertragen jährlich 70 Klafter und etwa 2000 St. Wellen; hievon erhält jeder Bürger etwa 1/2 Klafter und 25 St. Wellen, das stärkere Stammholz und die Eichenrinde wird verkauft, was der Gemeindekasse eine jährliche Einnahme von 4–600 fl. einträgt.

Etwa 40 Morgen eigentliche Weide und die Brach- und Stoppelweide werden an Ortsschäfer verpachtet, was der Gemeinde mit Einschluß der Pferchnutzung eine Rente von 800–900 fl. jährlich sichert.

Die vorhandenen Allmanden sind an die Bürgerschaft vertheilt.

Was die Viehzucht betrifft, so ist die der Pferde im Abnehmen; es sind nur noch drei Zuchtstuten im Ort, die auf die Beschälplatte nach Tübingen gebracht werden; aus den jungen Pferden erlöst man namhafte Preise.

Die Rindviehzucht (Neckarschlag mit Simmenthaler Kreuzung) ist in sehr gutem Zustande und wird durch zwei Zuchtstiere, worunter ein Original-Simmenthaler, immer noch verbessert. Die Viehmastung ist nicht bedeutend, dagegen wird durch Nachzucht von Jungvieh sehr viel Geld verdient.

Eigentliche Schafzucht wird nicht getrieben; zwei Ortsschäfer lassen im Vorsommer 200, im Nachsommer 300 St. Bastarde auf der Markung laufen.

Von großer Ausdehnung ist die Schweinezucht (englische Race) und erlaubt einen bedeutenden Verkauf von Ferkeln auf den Wochenmärkten in Tübingen; nebenbei werden viele Schweine theils für den eigenen Bedarf, theils zum Verkauf gemästet.

Geflügel zieht man nur für den Hausbedarf und für die Bienenzucht scheint die Lage nicht günstig zu sein.

Einige Stiftungen, worunter eine mit 10 fl., noch von Herzog Christoph herkommend, sind vorhanden, deren Zinse jährlich an Unbemittelte ausgetheilt werden.

Die Gemeinde besitzt gegenwärtig 29.635 fl. Kapitalien.

Mitten im Dorf stand eine Burg, von der noch der im Viereck angelegte Burggraben deutlich sichtbar ist. Die Seiten des Vierecks sind je 50 Schritte lang.

Etwa 1/4 Stunde östlich vom Ort kommt der Flurname „im Weiler“ vor, was auf einen hier abgegangenen Wohnort hinweist.

Ein Hermann von „Meringen“ tauschte 1092 Güter bei Nehren an das Kloster St. Georgen aus, (Extract bei Mone Zeitschr.| 9, 211. Bei Ortlieb – schrieb 1135 – in Pertz Script. 10, 73 lautet der Name Mieringen).

M. und Rübgarten besaßen die Herren von Wildenau und zwar ursprünglich wohl als pfalzgräflich tübingisches Lehen. Am 27. Okt. 1301 verkaufte Konrad Vol von Wildenau die Vogtei in M. an das Kl. Pfullingen, welches sie am 17. Sept. 1471 an den Grafen Eberhard im Bart abtrat für Befreiung von Schatzung, Landschaden und Diensten (Besold Virg., 354). Haupttheile des Ortes gehörten in der Mitte des 15. Jahrhunderts dem Reutlinger Bürger Eberhard Bächt, welcher sie am 26. April 1452 an das Kl. Pfullingen (St. A.) und um dieselbe Zeit an den Grafen Ludwig den j. von Württemberg und dessen damals noch minderjährigen Bruder, den eben genannten Grafen Eberhard, verkaufte.[1]

Ein hiesiger Pfarrer Burkhard kommt vor um 1100 (Pertz Script. 10, 99), am 6. April 1324 ist Heinricus dictus de Strasberg sacerdos rector ecclesie in Möringen bei der Stiftung der Kaplanei in Jettenburg.

Der Kirchensatz ging zu Lehen von den Grafen von Hohenberg und kam 1381 mit der Herrschaft Hohenberg an Österreich. Damals waren die Herter damit belehnt. Noch am 5. Oktober 1440 belehnte der römische König Friedrich Kraften von Dürmenz als Träger seiner ehelichen Hausfrau Anna Herterin mit dem „Kirchenlehen und einem Zehnten gelegen auf den Herderen zu Möhringen,“ und einigen Gütern daselbst (Schmid Mon. Hohenb. 870). Anna Herterin verkaufte dies an Eitel Kraft von Gamerschwang, welchem Herzog Albrecht von Österreich den 30. Dez. 1446 und 31. Jan. 1447 über Kirchensatz, Laienzehnten, einen Hof und zwei Sölden in M. Belehnung ertheilte, aber bereits am 27. December 1448 das Lehen eignete, worauf genannter von Gamerschwang den 24. Febr. 1449 den großen Zehnten, den Kirchensatz, den Burgstall mit dem Garten dabei, 1/4 der Vogtei und des Gerichts, auch zwei Höfe an das Kloster Pfullingen verkaufte. Dieses Kloster inkorporirte die Pfarrkirche gleich im Jahr 1450.

| Filiale der Kirche sind Jettenburg und Immenhausen.

M. bildete mit den Orten Immenhausen, Jettenburg, Ohmenhausen und Wankheim ein Kirchspiel und dieses hatte sein eigenes Gericht, das Kirchspielgericht genannt, bei welchem auch die Einwohner von Kirchentellinsfurth, Kusterdingen und Wannweil ihr Recht holten, weßwegen es auch das zulaufende Gericht hieß. Bei letzteren Orten war es gesetzlich, daß wenn ein Beklagter auf Verlangen des Klägers nicht vor Gericht erschien, er zwei Schillinge Strafe zahlen mußte. Es wurde an Sonn- und Feiertagen nach geendigtem Gottesdienst gehalten. Der Schultheiß von M. als Stabhalter erwählte durch Ergreifen oder Stehenheißen innerhalb der Kirchhofmauer die 24 Richter, aus denen es bestand. Nachdem jedoch M. an Württemberg gekommen war, verbot dieses das Gericht allhier, weil es an Sonn- und Feiertagen gehalten wurde, und verlegte es nach Jettenburg, wohin die dazu gehörigen Orte gerichtbar gemacht wurden. (Georg Dav. Beger Von dem gantz in Vergessenheit gerathen gewesenen uralten Kirspel- und zulauffenden Gericht zu M. Reutlingen 1762. 4. Cleß C, 652. Gayler Reutl. bis 1577. S. 117 ff.).



  1. Das „Dorf“, das „wir umb Eberhart Bähten Bürgern zu Rütlingen erkouft“, war „in der Vintschaft und Kriege zwischen Hansen von Rechberg und den Stetten begriffen“ gewesen und „die armen Leute [Unterthanen] daselbs schenkten an sölichem Kouff 200 fl. zu Stür umb des Willen, das sie uß Sorgen und in unsern Schirm kommen“, sagt Graf Ludwig in seinem und seines minderjährigen Bruders Namen in einer Urkunde vom 19. Apr. 1455. Städtisches Archiv in Reutlingen.
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