Bettelvolk in Toledo

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Textdaten
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Autor: G. Diercks
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Titel: Bettelvolk in Toledo
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 381, 388
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[381]

Bettelvolk in Toledo.
Nach dem Gemälde von Ric. de Madrazo.

[388] Bettelvolk in Toledo. (Zu dem Bilde S. 381.) Spanien ist das Land der Gegensätze. Wir sehen sie, wohin wir blicken, und sie zeigen sich uns in vollster Deutlichkeit auch auf dem Bilde R. de Madrazos. Der Künstler versetzt uns nach Toledo, in eines der großartigsten Gebäude der an solchen so überreichen Stadt: in das Kloster von San Juan de los Reyes. Neben der in dem vollendetsten gotischen Baustil ausgeführten Pforte, welche einen Einblick in den Klostergarten gewährt, sehen wir eine Gruppe von Vertretern des modernsten Spanien, von Bettlern in der teils resignierten, teils stolzen und gleichgültigen Haltung, die ihnen in jenem Lande eigen ist. Die Armen betrachten die im allgemeinen sehr lohnende und einträgliche Bettelei als einen Erwerbszweig, zu dessen Betrieb sie ein historisches Recht haben. Einerseits hat sie allerdings in Spanien immer bestanden und alle Versuche, die seit der Zeit des aufgeklärten Königs Karl III. gemacht worden sind, dieses Uebel auszurotten, haben sich als fruchtlos erwiesen; anderseits führen die Bettler selbst König Philipp II. als ihr Vorbild an. Wenn dieser, sagen sie, als er seine Soldaten nicht mehr bezahlen konnte, in allen Kirchen seines Landes für diesen Zweck betteln ließ, weshalb sollen wir nicht ein Recht haben, dasselbe zu thun? Weshalb sollen wir arbeiten, wenn der Staat uns den Ertrag unserer Mühe und unseres Fleißes in der Form von zahllosen Steuern raubt und uns die Mittel zum Unterhalt auf solche Weise entzieht? Dies ist allerdings einer der Hauptgründe der Bettelei, die besonders dem Ausländer auffällt und die gerade die fremden Reisenden, welche in ihrer Heimat daran nicht gewöhnt sind, in hohem Grade belästigt. Sie ist aber nirgends größer und zeigt sich nirgends widerwärtiger als an den besonders von den Touristen besuchten Stätten einstiger längst verschwundener Größe, an den Orten, in denen es an Gewerbfleiß fehlt. In Kastilien vollends, dessen massenhafte Ketzerverbrennungen dazu beitrugen, das Land zu entwalden, seinen Boden unfruchtbar zu machen und vor allem ihn seiner besten Arbeitskräfte zu berauben – in Kastilien, das sich einstmals durch Unterwerfung aller anderen Staaten das Recht der Vorherrschaft erwarb, gelangte überdies die Anschauung des Adels zu allgemeiner Geltung: daß die Arbeit entehre. Selbst unter dem äußeren Schein des größten Glanzes verbirgt sich dort oft nur mühsam das Elend, das sich uns unverhüllt an den Kirchenthüren zeigt. G. Diercks.