Brave Deutsche

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Textdaten
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Autor: Corvin
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Titel: Brave Deutsche
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 107
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[107] Brave Deutsche sind allerdings keine Seltenheit, allein es thut gewiß allen Braven wohl, von einem Landsmann zu hören, der, schon über dreißig Jahre in Paris ansässig, stets ein Deutscher in Gesinnung und Gefühlen geblieben ist und sich durch seinen persönlichen, aufopfernden Muth die Bewunderung der Franzosen erworben hat. Herr Ferdinand Hartogs steht an der Spitze eines Commissionsgeschäftes, welches seit seiner Errichtung vor etwa dreiunddreißig Jahren in Nr. 7 der Rue du Faubourg Montmartre seinen Sitz hat. Ich lernte ihn auf Reisen in Deutschland zufällig kennen, und wir faßten augenblicklich Zutrauen zu einander. Da ich in Paris Geschäfte hatte, bot er mir für den Fall [108] meiner Hinkunft seine Hülfe an und lud mich ein, bei ihm zu logiren. Ich nahm das mir sehr willkommene Anerbieten an, da Herr Hartogs mit allen Fabriken, die ich besuchen wollte, genau bekannt und überhaupt in Paris ebenso zu Hause war, wie in seinem Zimmer.

Als ich einige Zeit nach unserem Zusammentreffen in Deutschland in Paris ankam, wurde ich von Herrn Hartogs mit der größten Liebenswürdigkeit aufgenommen. Er führte mich in seine Junggesellenwohnung, die mit der Ordnung eines Schmuckkästchens eingerichtet war, und stellte mir zwei allerliebste Zimmer zur Disposition. Er öffnete einen Wandschrank, der Weine und Liköre von allen Sorten enthielt, und ersuchte mich, davon Gebrauch zu machen, wenn ich wolle. Er öffnete einen andern geräumigen Wandschrank, in welchem er eine Seite für meine Kleider freigemacht hatte. Als ich dieselben hineinhing, schlug ich zufällig einen dort hängenden schwarzen Frack auf und war nicht wenig erstaunt, denselben mit fünfzehn Orden und Medaillen decorirt zu sehen. Als ich Herrn Hartogs fragte, ob das sein Frack sei? erröthete er verlegen und sagte leichthin:

„O, den zieh’ ich nur an, wenn es Vorschrift ist – bei officiellen Gelegenheiten.“

Auf näheres Befragen erfuhr ich denn, daß Herr Hartogs der Sauveteur-Gesellschaft angehört, welche in ganz Frankreich verbreitet ist und die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Menschen zu belohnen, welche sich sowohl durch Lebensrettungen, wie durch Wohlthätigkeit oder sonstige menschenfreundliche Handlungen besonders ausgezeichnet haben.

In einem Werk, welches die Biographien hervorragender Helden dieser Gesellschaft enthält, nimmt unser braver Aachener Landsmann fünf oder sechs Seiten ein. Er hat eine Menge Personen mit Lebensgefahr vom Tode gerettet, sowohl aus Wasser wie aus Feuer etc.. Das Feuer und wild gewordene Pferde scheinen seine besondere Specialität zu sein. Feuersbrünste scheinen förmlich auf ihn zu warten, nicht nur in Paris, sondern auch in Orten, wohin er zufällig kommt. Unter den Orden, die ihm als anerkannte Auszeichnung ertheilt wurden, sind französische, belgische und sogar ein ägyptischer, der ihm verliehen wurde, weil er dem jetzigen Khedive, als mit dessen Wagen die Pferde durchgingen und er in das Wagengewühl hinausgeschleudert wurde, das Leben gerettet. Der Kaiser Napoleon der Dritte, der Leute wie Hartogs zu schätzen wußte, zeichnete ihn aus, und die Pariser gaben ihm den Namen „der Schlittschuhläufer des Kaisers“, weil dieser auf dem Eise sich viel mit ihm unterhielt und ihm den Stuhlschlitten der Kaiserin und den jungen Prinzen anvertraute, letzteren, um ihn das Schlittschuhlaufen zu lehren. Der Kaiser sandte Herrn Hartogs als Anerkennung ein sehr schönes Silberservice mit seinem Namenszug.

Herr Hartogs ist ein Mann von nahezu sechszig Jahren, von mittlerer Größe und gar nicht besonders kräftig gebaut. Um so mehr erstaunt man über die in den obenerwähnten Biographien und Diplomen erwähnten Heldenthaten; aber noch mehr über die Bescheidenheit, mit welcher er von dieser Dingen redet. Daß er nicht immer unverletzt aus all diesen Gefahren hervorging, kann man sich wohl denken: allein trotzdem besorgt er sein Geschäft mit der größten Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit und macht darin keinen Unterschied, ob er eine fünf Franken kostende Kleinigkeit oder die Einrichtung eines Palais zu besorgen hat. Ich habe im Leben viele tüchtige Leute kennen gelernt, allein wenige, auf deren Achtung und Freundschaft ich so stolz bin, wie auf die unseres originellen und in jeder Hinsicht unserem Vaterlande Ehre machenden Landsmannes Ferdinand Hartogs.

Corvin.