Chronologie der Könige von Israel und Juda

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Autor: Franz Rühl
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Titel: Chronologie der Könige von Israel und Juda
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aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 12 (1894/95), S. 44–76, 171.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. B. und Leipzig
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[44]
Chronologie der Könige von Israel und Juda.
Von
Franz Rühl.


In den Büchern der Könige liegen uns als werthvollster Bestandtheil Auszüge aus den Jahrbüchern der Könige von Israel und den Jahrbüchern der Könige von Juda vor. Es lässt sich aus ihnen eine Liste für die Könige beider Staaten herstellen. Die beiden Listen unterscheiden sich dadurch, dass für die Könige von Israel bloss die Zahl der Regierungsjahre angegeben wird, während bei den Königen von Juda auch der Name der Mutter und das Alter bei der Thronbesteigung verzeichnet wird. Für eine historische Untersuchung über diese Listen ist es ohne Belang, ob dem Verfasser unseres heutigen Königsbuchs die Jahrbücher beider Königreiche getrennt vorgelegen haben, oder ob sie damals bereits zu einem einzigen Werke zusammengearbeitet waren. Die Lösung dieser Frage kann dagegen möglicherweise eine Förderung durch die Ergebnisse der historischen Untersuchung erfahren.

Es darf nun als jetzt allgemein zugestanden vorausgesetzt werden, dass die Synchronismen, welche angeben, in welchem Jahre des Königs A von Israel der König B von Juda zur Regierung kam, soweit sich nicht das Gegentheil aus bestimmten Gründen erweisen lasst, nicht darauf Anspruch erheben dürfen, auf gleichzeitige Ueberlieferung zurückzugehen. Weder hatten die Könige von Israel Veranlassung, notiren zu lassen, welche Könige von Juda zu ihrer Zeit regierten, noch die von Juda, wer ihre Collegen in Israel waren und wann diese wechselten. Bei einer Untersuchung über die Königslisten sind also die Synchronismen zunächst [45] principiell bei Seite zu lassen[1]. Sie können indessen – abgesehen von jedem anderen Interesse, das sich an sie knüpft – unter Umständen auch für den Historiker von Werth sein. Sie lehren einmal, wie man zur Zeit des Synchronisten die Jahreszahlen, welche den Königen beigelegt werden, aufgefasst hat, und dann können sie allenfalls zur Controle der überlieferten Zahlen für die Dauer der Regierungen herangezogen werden.

Die Zahlen der Regierungsjahre der Könige von Israel und Juda sind vollkommen naive Aufzeichnungen; sie sind nicht durch die Hand eines vergleichenden Chronographen gegangen. Auch der Synchronist ist kein vergleichender Chronograph, wie etwa Eratosthenes und seine Nachfolger; niemals setzt er das Jahr a eines Königs von Israel gleich dem Jahre b eines Königs von Juda oder umgekehrt. Wenngleich die Königsbücher die Gründung des Salomonischen Tempels auf das 480. (oder nach der Septuaginta auf das 440.) Jahr nach dem Auszug aus Aegypten ansetzen, so benutzen sie doch weder das eine noch das andere Ereigniss als Ausgangspunkt einer Aera, von wo ab sie die Jahre der einzelnen Könige zählten und auf die sie Anfangs- und Endtermine der einzelnen Regierungen reducirten. Die beiden Listen geben daher jede lediglich eine relative Chronologie, welche an Jahre der Julianischen Periode oder proleptische Julianische Jahre vor Christi Geburt nur angeschlossen werden kann, wenn ein einzelnes Datum in der Liste durch einen bestimmten Synchronismus an ein anderweitig festgelegtes historisches Datum angeschlossen werden kann.

Eine Betrachtung der Zahlen beider Listen ergibt nun, dass die Angaben über die Regierungsdauer nicht den Zweck haben, eine bestimmte, genau begrenzte Zeitspanne, während welcher diese Könige regiert haben, zu bezeichnen. Wir haben es überall [46] nur mit vollen Jahren zu thun, auf Monate und Tage wird nirgends Rücksicht genommen[2]. Eine Ausnahme davon machen nur die Regierungen von ganz kurzer Dauer. Die Vergleichung der für diese überlieferten Angaben ergibt dann, dass Regierungen, denen eine einjährige Dauer zugeschrieben wird, über 6 Monate gedauert haben müssen, denn 6 Monate sind die höchste nicht in Jahren ausgedrückte Zahl, die überhaupt vorkommt.

Die einfachste Erklärung dieser Zahlen ist demnach die, dass sie die Zahl der officiellen Regierungsjahre angeben sollen. Die officiellen Regierungsjahre können nun auf verschiedene Weise bezeichnet werden. Am zweckmässigsten, namentlich in äralosen Zeiten und Ländern, ist es, wenn sie auf irgend eine Weise mit dem bürgerlichen Jahre in Beziehung gesetzt werden. Das geschieht am besten so, dass der König das bürgerliche Jahr, in welchem er die Regierung antritt, als sein erstes Regierungsjahr bezeichnet und mit dem nächsten Neujahr sein zweites Regierungsjahr antritt. Das bürgerliche Jahr, in welchem ein König sein letztes Regierungsjahr ansetzt, ist bei diesem System dasselbe Jahr, welches sein Nachfolger als sein erstes Jahr bezeichnet. Dieses System ist für die praktischen Zwecke eines Königs und seiner Unterthanen das einzig brauchbare; es ist ein Unsinn, wenn ein König nach dem letzten Jahre seines Vorgängers datirt und das zweite bürgerliche Jahr, in dem er regiert, als sein erstes Regierungsjahr bezeichnet. Anders liegen die Dinge für die Chronographen, welche nach Königsjahren rechnen; sie können je nach Umständen, da sie immer nach ganzen Jahren rechnen müssen, das letzte Jahr eines Königs ihm oder seinem Nachfolger zuweisen; sie dürfen nicht zwei Könige in dasselbe Jahr setzen. Die Analogie spricht dafür, dass das von uns für das praktischste erklärte System auch von den Israelitischen und Jüdischen Königen befolgt worden ist. Nicht nur haben die meisten Römischen Kaiser so die Jahre ihrer tribunicia potestas gerechnet, sondern auch alle ihre Aegyptischen Königsjahre und, was für uns wichtiger ist, die alten Aegyptischen Könige haben ebenso gerechnet[3].

[47] Die Jüdische Tradition selbst hat die Königsjahre nicht anders aufgefasst. Im Babylonischen Talmud, Traktat Rosch haschanah p. 1 b (citirt von Grätz, Geschichte der Juden I S. 469) heisst es: „Ist ein König im Adar gestorben, und sein Nachfolger hat in demselben Monat zu regieren begonnen, so zählt man das eine Jahr dem einen und dem anderen zu“. Wenn es sich freilich um die genaue Bezeichnung eines bestimmten Jahres innerhalb einer längeren Reihe von Jahren handelt, so ist eine Bezeichnung nach uncorrigirten Königsjahren sehr unzweckmässig.

Ein Volk, das auf eine brauchbare Zeitrechnung hält, muss daher noch für andere Mittel zur Bestimmung der Zeit sorgen, auch wenn in den officiellen Jahrbüchern bloss nach Königsjahren gerechnet wird. Den Assyrern diente zu diesem Zwecke ihr Eponymenkanon, die Babylonier schufen sich eine Aera. Den Hebräern scheint ein ähnliches Hilfsmittel gefehlt zu haben, wenigstens ist keine Spur erhalten, dass man sich seiner im bürgerlichen Leben bedient habe. Hätte man eines gehabt, so müsste es jedenfalls erst seit der Trennung der beiden Reiche aufgekommen sein; sonst könnte sich die Chronologie der vorhergehenden Zeiten nicht in solcher Verwirrung befinden. Ezechiel rechnet nach den Jahren des Landes, in das er abgeführt wurde; einen Augenblick schien es, als ob sich eine Aera von der Wegführung des Königs Jojachin ausbilden wollte. Zur Zeit ihrer Selbständigkeit waren die Hebräer in einer ähnlichen Lage, wie die Römer der Republik, welche in den Consuln zwar eponyme Beamte, aber nicht eponyme Jahresbeamte besassen und sich im bürgerlichen Leben keiner Aera bedienten, bei denen also der Name, die Bezeichnung eines Jahres mitten im Laufe desselben wechselte, wenn ein neues Consulpaar antrat. Ein solcher Wechsel der Benennung des Jahres muss bei den Hebräern bei jedem Regierungswechsel eingetreten sein; ihre Jahresbezeichnung war damit jedenfalls nicht schlechter als die Römische. Die Phöniker dagegen scheinen wenigstens theilweise eine chronologisch brauchbare Bezeichnung der Jahre besessen zu haben, wenn anders, wie wir doch Grund haben, anzunehmen, Tyros und Karthago nach derselben Aera rechneten. Es ist dabei zu beachten, dass die Stellung der Phönikischen Könige gegenüber ihren Unterthanen eine weniger bedeutende und herrschende war, als die der Könige von Israel und Juda gegenüber den ihrigen. [48] Bei den Trümmern der Tyrischen Königsliste ist ausserdem zu erwägen, dass sie uns nicht in ihrer ursprünglichen Gestalt vorliegt, sondern durch die Hand eines Griechen gegangen ist, bei dem wir chronographische Bildung und chronographisches Verfahren voraussetzen dürfen. Die Tyrischen Annalen waren übrigens genauer als die der Hebräer. Sie geben bei kurzen Regierungen die genaue Dauer bis zu 10 Monaten (Jos. c. Ap. I, 21 § 157) und vielleicht gaben sie auch für die einzelnen Ereignisse nicht bloss die Jahre, sondern auch die Monate an. Das Letztere ist allerdings nicht ganz sicher. Die Angabe nämlich, der Heraklestempel sei im Peiritios geweiht worden (Jos. c. Ap. I, 18 § 119 A. J. VIII, 5 § 146) findet ihre Erklärung darin, dass das Fest der ἔγερσις in diesem Monate noch zur Zeit des Menander gefeiert wurde und hat ihre Analogie in der Angabe des Monats, an welchem der Tempel zu Jerusalem gegründet und eingeweiht wurde (I. Kge. 6, 1. 37 f. 8, 2). Wenn es aber an einer andern Stelle (Jos. A. J. VIII, 13 § 324) heisst, eine Dürre habe von Hyperberetaeos bis Hyperberetaeos gedauert, so lässt auch das noch keinen völlig sicheren Schluss auf die sonst in diesen Annalen übliche Form der Zeitbestimmung zu. Immerhin aber mussten sich zahlreiche Synchronismen mit der Geschichte anderer Phönikischer Städte ergeben, welche Menander gleichfalls bearbeitete[4], so dass sich Anhaltspunkte genug für eine für die Zwecke eines Chronographen ausreichend genaue Bestimmung der wirklichen Regierungszeit der Könige, nicht bloss ihrer officiellen Regierungsjahre finden mussten. Ich weiss nicht, ob schon bemerkt worden ist, dass Josephos in seinen Angaben über die Hebräischen Könige den Menander nachahmt. Dieser verzeichnet nämlich das Alter der Tyrischen Königs bei ihrem Tode und ebenso verfährt Josephos, während die Königsbücher das Alter bei der Thronbesteigung angeben.

Jedenfalls dürfen wir versuchen, den Königslisten der Hebräer von der Voraussetzung aus beizukommen, dass es sich bei den Zahlen um die officiellen Regierungsjahre handle. Es ergibt sich dann, dass man, wenn es sich um die Summirung von Königsjahren für längere Zeiträume handelt, weder das erste noch das letzte Regierungsjahr eines Königs voll rechnen darf. Im allgemeinen wird man annehmen dürfen, dass man, wenn es [49] sich um längere Zeiträume, um die Gesammtsumme der bürgerlichen Jahre handelt, während welcher eine Reihe von Königen regiert hat, keinen grossen Fehler begehen wird, wenn man jedesmal 1 Jahr abrechnet. Regierungen unter 6 Monaten Dauer muss man vernachlässigen, Regierungen von 1 Jahr muss man mit 1 Jahr ansetzen, da dann der Fehler kleiner ist, als wenn man auch sie vernachlässigen wollte. Wie die Dinge bei den Hebräischen Königslisten stehen, darf man hoffen, hinsichtlich der Gesammtsumme nur einen Fehler von etwa 1 Jahr zu begehen. Der Fehler würde natürlich wachsen, wenn die Zahl der Regierungen von 6 Monaten und darunter eine grössere wäre.

Einen grösseren Fehler, wie hinsichtlich der Gesammtsumme wird man natürlich hinsichtlich der absoluten Fixirung der einzelnen Regierungen machen, um so mehr, wenn man, wie das bei einer so ungenauen Ueberlieferung nicht wohl anders sein kann, die gewonnenen Daten eines schlechten lunisolaren Kalenders nach Art der Chronographen auf proleptische Julianische Jahre überträgt. Indessen kann dieser Fehler schwerlich viel über 3 Jahre betragen. Ebenso ist kein ganz genauer Ausgleich zwischen den Listen der Israelitischen und der Jüdischen Könige möglich, so dass man etwa mit voller Bestimmtheit sagen könnte, der Regierungsantritt des Königs A fällt in das xte Jahr des Königs B. Einestheils ist ja der Fehler in der Gesammtsumme bei der Reduction der einen Liste nicht genau gleich dem in der anderen Liste und dann müssen wir ja schematisch alle Könige am Julianischen 1. Januar antreten lassen, während das wirkliche Datum ihres Regierungsantritts unbekannt ist. Dieser Fehler kann, soviel ich sehe, bis auf 2 Jahre steigen.

Ehe nun der Versuch gemacht wird, die beiden Königslisten nach den eben dargelegten Grundsätzen zu untersuchen, wird es sich der Bequemlichkeit halber empfehlen, die überlieferten Zahlen tabellarisch zusammenzustellen. Dabei gebe ich lediglich die Zahlen des Hebräischen Textes der Königsbücher. Soweit die in den Büchern der Chronika überlieferten davon abweichen, sind sie schlechter und dasselbe gilt, soviel ich sehe, von den Varianten der Septuaginta, welche Holmes und Parsons verzeichnen. Von der ganzen sonstigen Ueberlieferung, soweit ich sie durchgearbeitet habe, könnten höchstens die 40 Jahre für Jerobeam II. bei Josephos A. J. IX, 10, 205 auf Beachtung Anspruch erheben.

[50]

Könige von Israel Regieren
Jahre
Könige von Juda Regieren
Jahre
Alter
bei der
Thron-
besteigung
Jerobeam I. 22 Rehabeam 17 41
Nadab 22 Abia 23
Baesa 24 Asa 41
Ela 22 Josaphat 25 35
Simri 7 Tage Joram 28 32
Omri 12 Ahasjahu 21 22
Ahab 22 Athalja 27
Ahasja 22 Jehoas 40 27
Joram 12 Amazja 29 25
Jehu 28 Asarja 52 16
Joahas 17 Jotham 16 25
Jehoas 16 Ahas 16 20
Jerobeam II. 41 Hiskia 29 25
Sacharja 6 Monate Manasse 55 12
Sallum 1 Monat Amon 22 22
Menahem 10 Josia 31 28
Pekahjah 22 Joahas 3 Monate 23
Pekah 20 Eljakim 11 25
Hosea 29 Jojachin 3 Monate 18
    Zedekia 11 21

Der erste thatsächliche Synchronismus, welcher uns eine gegenseitige Controle den beiden Listen ermöglicht, ist der in demselben Jahre erfolgte Tod des Joram und des Ahasjahu. Bis zu diesem Zeitpunkt sind aber nach den von uns entwickelten Grundsätzen, wenn wir die Zahl der abgelaufenen bürgerlichen Jahre ermitteln wollen, folgende Ansätze für die Regierungsjahre der Könige zu machen:

     Könige
     von Israel
Jahre           Könige
     von Juda
Jahre     
Jerobeam I. 21      Rehabeam 16     
Nadab 21      Abia 22     
Baesa 23      Asa 40     
Ela 21      Josaphat 24     
Simri –      Joram 27     
Omri 11      Ahasjahu 21     
Ahab 21         
Ahasja 21         
Joram 11         
  90        90     

[51] Bis dahin sind also beide Listen in Ordnung und stimmen mit einander.

Ebenso vortrefflich stimmen die Zahlen der folgenden Könige bis zur Besiegung des Amazja durch Jehoas und dem bald darauf erfolgten Tode des Jehoas, die wir so ansetzen müssen:

     Könige
     von Israel
Jahre           Könige
     von Juda
Jahre     
Jehu 27      Athalja 26     
Joahas 16      Jehoas 39     
Jehoas 15      Amazja bis Jehoas’ Tod[5] 13     
  58        58     

Also bis zur Thronbesteigung Jerobeams II. sind beide Listen in Ordnung.

Betrachten wir nun den Rest der Listen von rückwärts, so ergibt sich zunächst ein textkritischer Anstoss. Die Zahlen für Hiskia oder die für Ahas oder die für beide müssen verdorben sein, denn sonst wäre Hiskia geboren worden, als sein Vater 11 Jahre alt war. Wir dürfen also an dieser Stelle auf eine Verwirrung in der Chronologie vorbereitet sein und eine Correctur der Zahlen vornehmen[6].

Den Ausgangspunkt für die Betrachtung muss die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar bilden. Diese erfolgte im 5. Monat des 11. Jahres des Zedekia (II. Kge. 25, 8; Jeremias 39, 1. 52, 12 f.), im 19. Jahre Nebukadnezar’s, in der ersten Hälfte eines Jahres, das mit einem Julianischen 587–86 a. Chr. geglichen werden muss, also 587 a. Chr.[7]. Die Regierungsdauer der Jüdischen Könige von da an aufwärts beträgt nun nach unseren Grundsätzen

       Regieren
     Jahre
       Regieren
     nach dem Schema
Zedekia 10        596–587
Jojachin –       
Eljakim 10        606–597
Josia 30        636–607
Amon 1        637
Manasse 54        691–638
  105         

[52] Will man die Jahre bestimmen, wann diese Könige, nicht nach dem schematisch-chronographischen Ansatz, sondern in Wirklichkeit regierten, so muss man die Regierung Zedekia’s einige Monate höher hinaufrücken und die Eljakim’s, wegen der 3 Monate Jojachin’s, um noch 3 Monate mehr. Man kommt dann auf den Synchronismus, dass das 1. Jahr Nebukadnezar’s in das 4. Jahr Eljakim’s fällt, wie bei Jeremias 25, 1 überliefert ist.

Das letzte Jahr des Hiskia ist dann nach chronographischer Methode berechnet = 692 a. Chr. Der nächste Synchronismus, mit dem wir zu rechnen haben, ist die Belagerung Jerusalems durch Sanherib, welche in das 14. Jahr des Hiskia fällt, anderweitig für 702 oder 701 a. Chr. feststeht[8]. Und zwar ist, wenn man den Verlauf des Feldzugs erwägt, 701 wahrscheinlicher als 702. Wenn nun 701 in das 14. Regierungsjahr des Hiskia fällt, so muss dieser 714 den Thron bestiegen haben. Die Regierung des Hiskia dauerte also, wenn 714 sein erstes, 701 sein 14. Jahr war, in Wirklichkeit 23 Jahre, oder, wenn wir wie die Königsbücher rechnen, 24 Jahre. Es muss aber zugegeben werden, dass wir möglicherweise auch um 1 Jahr höher hinaufkommen, denn wenn der Einbruch des Sanherib in das 14. Jahr des Hiskia fiel, so fiel die Belagerung, wie von Vielen angenommen worden ist, vielleicht in das 15.

Die Stadt Samaria wurde dann von Sargon erobert im Jahr 721 a. Chr. Dass dieses Jahr wirklich das der Einnahme Samaria’s sei und nicht 722, ist meines Erachtens von Gutschmid, Neue Beiträge zur Geschichte des alten Orients S. 101 ff. erwiesen worden und was Tiele a. a. O. S. 257 anführt, ist durchaus geeignet, das zu bestätigen. Wenn unsere Correctur der falsch überlieferten Regierungsjahre des Hiskia richtig ist, so muss sich der Synchronist irren, wenn er die Einnahme von Samaria unter diesen König setzt; sie muss vielmehr in die Regierungszeit des Ahas fallen, wie auch schon von Anderen angenommen worden ist. Sie ist also in das 9. Regierungsjahr des Ahas anzusetzen. Rechnen wir nun nach den Daten des 14. Regierungsjahrs des Hiskia = 701 und des Falls Samaria’s im [53] 9. Regierungsjahre des Hosea nach Art der Chronographen aufwärts, so erhalten wir folgende Liste der Könige von Israel und Juda:

Könige
von Israel
Regierungszeit Könige
von Juda
Regierungszeit
Jahre von     bis Jahre von     bis
Hosea 28 728–721 Hiskia 1–14 14 714–701
Pekah 19 747–729 Ahas 15 729–715
Pekahjah 21 748 Jotham 15 744–730
Menahem 29 757–749 Asarja 51 795–745
Sallum Amazja unter    
Sacharja  Jerobeam 14 810–796
Jerobeam II. 40 797–758      
Jehoas 15 812–798      
Joahas 16 828–813      
Jehu 27 855–829      
Joram 11 866–856      
Ahasja 21 867      

In der Zeit zwischen dem Regierungsantritt Jerobeam’s II. und dem Fall Samaria’s kommt eine einzige thatsächliche Gleichzeitigkeit vor, die zur Controle der Listen dienen kann: König Ahas von Juda muss in den letzten Regierungsjahren des Königs Pekah von Israel den Thron bestiegen haben. Das stimmt mit unseren schematischen Listen vortrefflich überein. Nach diesen regieren beide ein volles Jahr zusammen. Es ist aber oben gezeigt worden, dass der nothwendige Fehler, welcher solchen chronographischen Listen innewohnen muss, in diesem Falle so zu corrigiren ist, dass der wirkliche Regierungsanfang der letzten Könige von Juda früher anzusetzen ist, als die chronographische Tabelle ergibt. Wenn wir diese Correction vornehmen, kommen wir auch nicht in Conflict mit den Angaben über den Zug des Pekah gegen Ahas und das Einschreiten Tiglathpileser’s. Diese Ereignisse fallen natürlich in die erste Zeit des Ahas und die letzte des Pekah, sie können aber nicht gut bloss ein einziges Jahr umfasst haben.

Somit stimmen die Königslisten von Israel und Juda unter einander vom Ende Salomo’s bis zur Thronbesteigung Jerobeam’s II. und sie stimmen mit einander und den anderweitigen Synchronismen [54] von der ersten Zeit des Ahas und der letzten des Pekah bis auf den Sturz Zedekia’s. Aber in der Zeit zwischen Jerobeam II. und Pekah stimmen sie, wie unsere chronographische Berechnung zeigt, nicht. Hier muss also irgendwo ein Fehler stecken. Um Art und Umfang desselben zu ermitteln, wird es am zweckmässigsten sein, zu versuchen, an irgend eine andere feststehende Chronologie anzuknüpfen. Da bietet sich am bequemsten die der Könige von Tyros dar, wie sie uns Josephos c. Ap. I, 18 aus Menander von Ephesos erhalten hat. Diese Liste habe ich im Rheinischen Museum XLVIII (1893) S. 565 ff. einer Erörterung unterzogen und dort S. 576 die Regierungsjahre der einzelnen Könige nach chronographischem Schema festgestellt. Danach kommt König Ithobal von Tyros in die Jahre 878–866 a. Chr. zu stehen. Dieser Ithobal war bekanntlich Schwiegervater des Königs Ahab von Israel. Dieser Letztere wäre aber nach unserer Construction der Israelitischen Königsliste 866 gestorben und hätte 887 zu regieren angefangen, also 11 Jahre vor seinem Schwiegervater, was an sich unglaublich ist und auch mit den Angaben über die famose grosse Dürre nicht vereinbar ist, die nach den Phönikern König Ithobal, nach den Hebräern Elias zu Ende brachte. Ganz und gar unvereinbar ist der Ansatz mit dem Datum der Schlacht von Karkar im Jahre 854. Es muss also in der Israelitischen Königsliste ein Fehler stecken; sie ist zu lang. Selbstverständlich steckt dann ein noch grösserer Fehler in derselben Richtung in der Jüdischen.

Aber wo sitzt der Fehler? Das erprobteste Hilfsmittel zur Aufstöberung solcher Irrungen besteht darin, Widersprüche in der Ueberlieferung selbst aufzusuchen. Und einen solchen Widerspruch bieten nun die überlieferten Synchronismen dar. Nach II, 15, 1 ist Asarja König geworden im 27. Jahre Jerobeam’s II. Nach II, 14, 17. 21 wäre er König geworden im 15. oder 16. Jahre Jerobeam’s. In ähnlichem Widerspruch steht mit den Angaben über den Regierungsantritt und die Regierungszeit des Jerobeam die Angabe II, 15, 8, Sacharja sei im 38. Jahre Asarja’s König von Israel geworden. Betrachten wir daher bei dieser Verwirrung der Chronologie die geschichtlichen Thatsachen. König Jehoas von Israel hatte Amazja von Juda, der ihn thöricht zum Kampfe herausgefordert hatte, vollständig niedergeworfen. Er hatte sein Heer geschlagen, er hatte ihn selbst [55] gefangen genommen, er hatte Jerusalem erobert und seine Mauern gebrochen. Den Tempel und die Schatzkammern des königlichen Palastes hatte er ausgeplündert und Jüdische Geiseln hatte er nach Samaria geführt. Amazja selbst liess er am Leben. Betrachten wir diese Vorgänge unbefangen: was wollen sie anders besagen, als dass Jehoas den Jüdischen Staat erobert hatte? Soll man wirklich annehmen, dass der kräftige Regent, der den König von Damaskos überwunden und die Israel entrissenen Städte wieder zu seinem Reiche gebracht hatte, sich damit begnügt habe, seinen kecken Gegner, der doch wohl, wie Josephos A. J. IX, 9, 2 § 196 richtig combinirt hat, darauf ausging, sich das Reich der zehn Stämme wieder zu unterwerfen, „abzustrafen wie einen bösen Jungen“? Es wäre durchaus unpolitisch gewesen und geradezu beispiellos nicht bloss in der Orientalischen Geschichte. Es ist vielmehr nach Lage der Dinge anzunehmen, dass Jehoas dem Jüdischen Staate ein Ende machte. Dass diese Episode möglichst vertuscht und, soweit es anging, ganz verschwiegen wurde, entspricht dem Charakter höfischer Geschichtschreibung, und wir dürfen auch nicht vergessen, dass uns die Königsbücher in einer specifisch Jüdischen Redaction vorliegen.

König Jehoas aber muss kurze Zeit, kein volles Jahr, nach seinem Siege über Amazja gestorben sein. Das ergibt sich nicht nur aus unserer Berechnung (oben S. 51), sondern ist auch ausdrücklich bezeugt in der Stelle II, 14, 17: „Und es lebte Amazjahu, der Sohn Joas’, der König von Juda, nach dem Tode des Jehoas, des Sohnes des Joahas, des Königs von Israel, 15 Jahre“. Das kann keiner der gewöhnlichen Synchronismen, sondern muss eine historische Angabe sein. Als Synchronismus wäre die Notiz ohne alle Analogie. Auch die Tradition hat sie als historisch genommen; Josephos, der den biblischen Synchronismen gegenüber sehr vorsichtig ist, setzt A. J. IX, 9 § 203 die Eroberung von Jerusalem in das 14. und IX, 10 § 205 den Regierungsantritt Jerobeam’s II. in das 15. Jahr des Amazja. Dass die Angabe zur Noth auch errechnet werden kann, beweist natürlich nichts gegen die Annahme, dass sie überliefert war. Zum Ueberfluss wird sich unten (S. 71) bei der Betrachtung der Synchronismen ergeben, dass die Notiz dem Synchronisten bereits vorgelegen haben muss. Der Wortlaut der Stelle ist unserer [56] Annahme, dass Amazja seine letzten Jahre als Unterthan Jerobeam’s II. verbrachte, durchaus günstig. Es heisst dort eben, dass er nach dem Tode des Jehoas noch 15 Jahre lebte, nicht, dass er noch 15 Jahre regiert habe. Die ganze Angabe, nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihre Existenz, wird nur verständlich, wenn durch den Sieg des Jehoas eine grosse Veränderung in der Stellung des Amazja vorgegangen war. Dasselbe beweist die Stellung der Geiseln (II, 14, 14). Die lässt man sich doch nur von einem Lande stellen, dessen Treue man sich dauernd versichert halten will. Wenn Jehoas lediglich Ruhe haben wollte, so genügte dafür die gründliche Züchtigung, welche er seinem Gegner hatte angedeihen lassen, zunächst vollkommen, um so mehr, da er ihn durch die Bresche in den Mauern Jerusalems vollkommen widerstandsunfähig gemacht hatte.

War aber der Jüdische Staat vernichtet, so konnte an eine Wiederherstellung desselben unter der kraftvollen Regierung Jerobeam’s II. nicht gedacht werden; wohl aber war der geeignete Zeitpunkt in den unruhigen Zeiten unmittelbar nach seinem Tode gekommen, wo sich auch in Israel eine lange zurückgehaltene Unzufriedenheit, die, wenn wir Amos glauben dürfen, nur zu berechtigt war, gewaltsam Luft machte.

Wenn sich dann Asarja des Thrones von Juda bemächtigte, so war es nur natürlich, dass er selbst und die legitimistischen Verfasser des Buches der Könige von Juda seine Jahre nicht von dem factischen Antritt der Herrschaft, sondern von dem Tode seines Vaters ab zählten; seine Regierung musste also in den Geschichtswerken mehr Jahre zählen, als sie in Wirklichkeit gehabt hatte.

Wenn nun überliefert war, dass Asarja im 27. Jahre Jerobeam’s zur Regierung kam, so ergab sich, wenn man von diesem Jüdisch-legitimistischen Standpunkte ausging, die nothwendige Folgerung, dass auch das letzte Jahr des Amazja in das 27. Jahr des Jerobeam gefallen sei. Wenn man dann aber anderswoher wusste, dass Jerobeam noch nach dem Tode des Amazja gelebt hatte, so musste man annehmen, dass Jerobeam 27 Jahre regiert hatte + so viel Jahren, als er nach dem Tode des Amazja noch gelebt hatte. Bemächtigte sich nun Asarja der Regierung beim Tode des Jerobeam, zählte dieser also in Wirklichkeit 27 Regierungsjahre, so musste man, da Amazja noch 14 volle Jahre nach [57] dem Tode des Jehoas, also Asarja noch 13 Jahre unter der Regierung Jerobeam’s gelebt hatte, diesem letzteren noch 13 Jahre zulegen und schliessen, dass er im 27. + 14. Jahre seiner Regierung gestorben sei. Aus diesem Grunde interpolirte man dann die überlieferten Zahlen für die Regierungsdauer des Jerobeam und gab ihm 41 statt 27 Jahre[9].

Damit wäre dann die Liste der Israelitischen Könige in Ordnung gebracht und wir erhielten, wenn wir wieder nach Art der Chronographen rechnen, folgende Tabelle:

     Könige  Jahre    a. Chr.
Menahem 29        757–749
Sallum –       
Sacharja –       
Jerobeam II. 26        783–758
Jehoas 15        798–784
Joahas 16        814–799
Jehu 27        841–815
Joram 11        852–842
Ahasja 21        853
Ahab 21        874–854

Damit hätten wir dann ein Datum für die Regierung des Ahab gewonnen, welches ausgezeichnet mit der für die Regierung seines Schwiegervaters Ithobal aus Menander errechneten Epoche (878–866) stimmt und mit dem von Assyriologischer Seite errechneten Datum der Schlacht von Karkar genauer stimmt, als für unabhängig von einander aufgestellte, rein chronographisch berechnete Listen bei zwei Völkern, deren Kalender weder unter einander, noch mit dem Julianischen stimmt, zu erwarten war. Ebenso stimmt die von uns für die Könige von Israel gewonnene Chronologie mit der Assyrischen Ueberlieferung über den Tribut des Jehu[10].

[58] Aus der Interpolation der Israelitischen Königsliste ist dann später eine Interpolation der Jüdischen erwachsen.

Wenn nämlich Jemand die Interpolation in den Jahren des Jerobeam II. bereits vorfand, also die Angabe, dieser habe 41 Jahre regiert, so ergab sich, wenn Asarja, wie II, 14, 7 überliefert ist, im 15. Jahre Jerobeam’s zur Regierung gekommen, dass Asarja und Jerobeam 26 oder 27 Jahre gleichzeitig regiert haben mussten. Da nun aber in Wirklichkeit Asarja erst im Todesjahr Jerobeam’s factischer König geworden ist, so musste nach diesem System Asarja 26–27 Jahre länger regiert haben, als er in Wirklichkeit regiert hat. Wollen wir also auf eine historische Zahl kommen, so müssen wir die überlieferten 52 Jahre des Asarja um 26–27 reduciren; er wird also 25–26 Jahre regiert haben.

Wir haben bei dieser Auseinandersetzung annehmen müssen, dass die Zahlen, wie sie heute für die Regierungszeit Jerobeam’s II. und Asarja’s vorliegen, nicht einem und demselben Interpolator, sondern zwei verschiedenen ihren Ursprung verdanken. Diese Erscheinung kann nichts Auffälliges haben. Dass die Königsbücher durch die Hände mehrerer Bearbeiter gegangen sind, ehe sie die heutige Gestalt erhielten, kann nicht bestritten werden und nach den Erfahrungen, welche man an anderen Königslisten gemacht hat, darf es nichts weniger als unerwartet sein, wenn eine Interpolation oder Verwirrung, welche der eine Bearbeiter angerichtet hat, zu einer neuen Interpolation bei seinem Nachfolger führt. Auch das ist keineswegs beispiellos, sondern fast als normal zu bezeichnen, dass neben den Interpolationen auch diejenigen Angaben stehen bleiben, welche die Interpolation verrathen, indem sie mit den interpolirten Zahlen im Widerspruch stehen. Beispiele für beides bieten u. A. die Griechischen Königslisten in Menge. [59] Es möge genügen, etwa auf die Untersuchungen Gutschmid’s, Kleine Schriften IV, S. 1 ff., hinzuweisen.

Allein mit unserer Correctur der Jahre des Asarja ist die Jüdische Königsliste noch immer nicht in Ordnung gebracht. Es ergibt sich nämlich folgende Tabelle:

Könige
von Israel
Regierungszeit Könige
von Juda
Regierungszeit
Jahre a. Chr. Jahre a. Chr.
Jerobeam II. 26 783–758 Jerobeam II. 26 783–758
Sacharja Asarja 24 757–734
Sallum Jotham 15 733–719
Menahem 29 757–749      
Pekahjah 21 748      
Pekah 19 747–729      
Hosea 28 728–721      

Das stimmt nicht zusammen und stimmt nicht mit den Zahlen, die wir vorher, von der Verbrennung des Tempels und von der Belagerung Jerusalems durch Sanherib ausgehend, gewonnen und als richtig erfunden hatten. Es muss also hier noch ein zweiter Fehler stecken und zwar ein Fehler von 11 Jahren. Versuchen wir es wieder, seinem Sitz durch die synchronistischen Angaben auf die Spur zu kommen.

Unter den sämmtlichen synchronistischen Angaben in den Königsbüchern seit dem Tode Jerobeam’s II. ist nur noch eine einzige, welche darauf Anspruch erheben kann, überliefert und nicht errechnet zu sein, das ist die (II, 16, 1), dass König Ahas von Juda im 17. Jahre des Königs Pekah zur Regierung kam. Denn es ist nicht zu bezweifeln, dass im Buche der Könige von Israel verzeichnet war, in welchem seiner Regierungsjahre König Pekah seinen Feldzug gegen Ahas unternahm, mit dessen Vater er bereits gekämpft hatte (II, 15, 37). Wir haben auch oben gesehen, dass dieser Synchronismus mit der Wirklichkeit und unserer Rechnung stimmt, wenn man die Fehlergrenze beachtet, welche wir in der Einleitung für diese Rechnungen festgestellt haben. Der Fehler in der Jüdischen Königsliste muss also, da die Regierung des Pekah ebenfalls festgelegt ist, in den für Jotham überlieferten Zahlen stecken. Diesen König [60] ganz zu verflüchtigen, was ja auch vorgeschlagen worden ist, liegt kein Grund vor, es ist vielmehr einfach unmöglich, da ausdrücklich überliefert wird, dass Ahas König an seiner Statt wurde (II, 16, 37) und es das non plus ultra von Unwahrscheinlichkeit wäre, dass Asarja und Jotham an demselben Tage gestorben wären. Das aber müsste, wenn man Jotham ganz streichen wollte, angenommen werden, da doch sonst Regierungen von wenigen Monaten aufgeführt werden, ja selbst eine Regierung von 7 Tagen. Die Lösung ist in dem Bericht (II, 15, 5) zu suchen, dass Jotham während der Krankheit seines Vaters dem Palaste vorstand und dem Volke des Landes Recht sprach. Er war also zum Mitregenten angenommen und war factisch König; es ist in der Ordnung, dass er seine Regierungsjahre von dem Augenblick an zählt, wo er zu dieser Stellung berufen wird, während sein Vater gleichzeitig seine Regierungsjahre weiter zählt. Die Sache verhält sich wieder genau so, wie bei den Römischen Kaisern, welche ihre tribunicia potestas auch von da an zählen, wo sie ihnen ertheilt wird, auch wenn ihr Vorgänger damals noch lebte. Setzen wir nun die Dauer der stellvertretenden Regierung Jotham’s auf 11 Jahre, so ist der Fehler eliminirt und alles in Ordnung.

Dass wir damit aber keinen Act der Willkür begehen, dass vielmehr wirklich an dieser Stelle die Correctur vorzunehmen sei, und dass sie 11 Jahre zu betragen habe, das lehrt uns der errechnete Synchronismus. Es ist vielfach versucht worden, den verwirrten Synchronismus im 17. und 18. Capitel des 2. Buchs der Könige zu erklären. Es heisst dort bekanntlich, dass Hosea König ward im 12. Jahre des Ahas (II, 17, 1), dass Hiskia König wurde im 3. Jahre des Hosea (II, 18, 1), dass Salmanassar gegen Samaria zog im 4. Jahre des Hiskia und dem 7. Jahre des Hosea (II, 18, 9) und dass die Stadt fiel im 6. Jahre des Hiskia, dem 9. des Hosea. Diese Zahlen sind sämmtlich, soweit es die Könige von Juda betrifft, um 11 Jahre verschoben; sie sind richtig, wenn man bei diesen je 11 Jahre zurückrechnet. Und der Fehler erklärt sich eben dadurch, dass die 11 Jahre, welche Jotham gemeinsam mit seinem Vater regierte, doppelt gerechnet worden sind[11]. Führen wir dann auch noch diese Correctur [61] aus, so fällt die Eroberung Samaria’s in das 9. Jahr des Ahab. Wir sind also, indem wir von oben gerechnet haben, zu demselben Punkte gelangt, zu welchem die Rechnung von unten geführt hatte, und alles stimmt vortrefflich überein.

Die ganze vorstehende Erörterung beruht einschliesslich der Ermittelung der Stellen, wo der Sitz des Fehlers zu suchen ist, auf rein logischen Schlüssen, die auf Grund gegebener Daten gezogen worden sind. Die Erklärung und genauere Bestimmung des Fehlers aber beruht, wie es die Natur der Sache mit sich bringt, in diesem wie in allen analogen Fällen auf einer Hypothese, d. h. in unserem Falle auf zwei Hypothesen, die indessen vollkommen unabhängig von einander sind und sich keineswegs gegenseitig bedingen. Die Hypothese über Jotham ist mit der gewöhnlichen Anschauung dieser Dinge sehr wohl vereinbar und wird voraussichtlich keinen Anstoss erregen. Dagegen vollkommen neu ist die erste Hypothese von dem zeitweisen Untergange des Königreichs Juda[12]. Es liegt auf der Hand, dass, wenn sie richtig ist, die ganze Auffassung der Epoche sich etwas verändern muss. Soll aber eine Hypothese Anspruch auf Richtigkeit erheben, so muss gezeigt werden, dass sie nicht nur das Problem, um dessentwillen sie aufgestellt worden ist, befriedigend löst, sondern auch, dass sie mit keiner feststehenden Thatsache im Widerspruche steht.

Es handelt sich also darum, zu zeigen, dass die sonstige biblische Ueberlieferung mit unserer Hypothese wohl vereinbar sei. Dagegen könnte zunächst das alte Orakel über Moab bei Jesajah 15. 16 geltend gemacht werden, das mehrfach auf Jerobeam II. bezogen worden ist. Es handelt sich allerdings um einen Feind der Moabiter, der von Norden herandringt und gegen den die Moabiter vergeblich bei Juda Schutz suchen. Aber es steht meines Wissens gar nichts im Wege, das Orakel z. B. mit Vatke in das 9. oder 10. Jahrhundert zu setzen, etwa in die Zeit Omri’s.

Wichtiger ist dagegen eine andere Stelle, Amos 7, 10 ff., und diese bedarf einer eingehenderen Erörterung. Dort wird [62] bekanntlich Amos aufgegeben, weil er gegen Jerobeam II. gemeutert habe, sich in das Land Juda zu flüchten, und daraus liesse sich schliessen, dass Juda ein von Israel unabhängiger Staat gewesen sei. Sehen wir uns indessen die Erzählung genauer an, so ist dieser Schluss keineswegs zwingend. Die Erzählung an sich ist unklar genug. Amos, kein Priester, sondern ein ungelehrter Mann, treibt sich in Bethel herum und verkündet das furchtbarste Unglück für Jerobeam und Israel, nachdem er schon vorher die Zustände im Reich auf das Heftigste angegriffen hatte. Der Priester zu Bethel, Amazja, hält sich dem gegenüber für verpflichtet, dem Könige von dem Aufruhrprediger zu sagen. Was der König darauf thut, erfahren wir nicht. Amazja aber meint es trotz alledem gut mit dem armen Seher. Er gibt ihm, den er doch eben beim König denuncirt hat, den guten Rath, nach Juda zu flüchten; in Bethel dürfe er nicht weiter prophezeien, weil das ein königliches Heiligthum sei, dort also, so müssen wir annehmen, Predigten gegen den König nicht geduldet werden könnten. Die Antwort auf diesen guten Rath ist eine recht beleidigende Prophezeiung gegen Amazja selbst. Weiter aber erfahren wir ganz und gar nichts. Aus dem, was überliefert ist, lässt sich nicht einmal abnehmen, ob Amos von Bethel gewichen ist oder nicht.

Welchen historischen Werth besitzt diese Erzählung, welche sich so seltsam in die Wahrsagungen des Amos eingesprengt findet? An sich steht gar nichts im Wege, sie für einen Zusatz späterer Zeit zu halten, eingeschoben von dem Redactor des Buches, der die Veranlassung der Prophezeiung V. 16 und 17 angeben wollte. Dann hätten wir kein Recht, aus dem Ausdruck „in das Land Juda“ überhaupt etwas zu folgern, weil wir Bedenken tragen müssten, uns auf die Einzelnheiten in der Erzählung überhaupt zu verlassen. Ein Historiker, der es z. B. mit Griechischer Geschichte zu thun hätte, würde so verfahren. Er würde sich dazu um so mehr für berechtigt halten, als hier von Amos mit Namensnennung in der dritten Person die Rede ist, während sich der Prophet sonst durchweg der ersten bedient. Da wir indessen über die Redaction und Herausgabe des Buches Amos überhaupt nichts wissen, wird diese Beseitigung des Bedenkens nicht Allen als genügend erscheinen.

Allein auch wenn die Erzählung von Amos selbst herrührt, [63] braucht sie unserer Chronologie nicht zu widersprechen. Es kam Amazja darauf an, den unbequemen Prediger von Bethel, von dem Reichsheiligthum, fortzuschaffen; ob er in einem abgelegenen Winkel fortfahren wollte, seine Invectiven gegen den König und die Mächtigen zu schleudern, war ihm, wie es scheint, zunächst gleichgültig. Er sagt ihm nicht: „Im Reiche Israel darfst du hinfort nicht mehr sein“, sondern bloss: „In Bethel darfst du fortan nicht mehr prophezeien“. Orientalische Polizei ist weitherzig, weil sie bequem ist, und namentlich Propheten hat sie zu allen Zeiten so lange gewähren lassen, als nur einigermassen möglich war. Wenn nun Amazja dem Amos gerade das Land Juda als Rückzugsort empfiehlt, so lag das wirklich am nächsten, weil Amos daher war. Er fügt auch hinzu, Amos solle sich dort neben seinem Prophezeien auch sein Brod verdienen und das war wieder nirgends leichter für ihn, als in Juda, wo seine Heerden und seine Maulbeerfeigenbäume waren, die er verlassen hatte, um in Israel zu predigen und – wie jedenfalls Amazja annahm – von den milden Gaben seiner Verehrer zu leben. Der Ausdruck „Land Juda“ aber braucht keineswegs einen politischen, sondern bloss einen geographischen Begriff zu bezeichnen. Amazja hätte dem Amos, wenn er daher gewesen wäre, unter Umständen auch rathen können: „Fliehe nach Gilead“.

Diese Erklärung reicht meines Erachtens vollkommen aus. Wer sich auch mit ihr nicht begnügen will, dem steht noch eine andere zur Verfügung, welche mit unserer Chronologie gleichfalls vereinbar ist. Es wäre möglich, dass Jehoas nach der Unterwerfung und politischen Vernichtung Juda’s Amazja als seinen Vasallen in Jerusalem hätte weiter regieren lassen. Wenn dann gegen diesen ein Aufstand ausbrach, der natürlich gleichzeitig gegen die Israelitische Oberherrschaft gerichtet war, so lag für König Jerobeam, nachdem er die Rebellen vernichtet, alle Veranlassung vor, die Regierung in Juda durch eigene Beamte in die Hand zu nehmen. Der Aufstand gegen Amazja wird ohne allen pragmatischen Zusammenhang erzählt; wir sind völlig frei in der Combination. Man könnte ihn so erklären: Amazja befand sich in derselben „bedauernswerthen Lage“, wie die von Assyrischen oder Babylonischen Eroberern eingesetzten Könige, „die, wenn sie ihrem Eide treu blieben, den Tod von den Händen [64] ihrer aufrührerischen Unterthanen, wenn sie ihn brachen, die Rache des Lehnsherrn zu befürchten hatten“ (Tiele a. a. O. S. 431). Wenn man will, kann man II. Paralip. 25, 27 in diesem Sinne verwerthen; die Aufstellung irgend eines Scheusals zu Jerusalem, auf den Befehl des Jerobeam, kann den Aufstand veranlasst haben. Uebrigens steht in der Septuaginta ein seltsamer Zusatz, Nachdem erzählt worden ist, dass das Volk den Asarja zum König gemacht habe, heisst es weiter (Regn. IV, 14, 21): καὶ κατῴκησεν ἐν τῇ Ἰούδᾳ. Man würde erwarten müssen καὶ ἐβασίλευσεν.

Allein ich wiederhole, dass diese zweite Erklärung, bei der der Bericht des Amos ebenfalls sehr gut bestehen könnte, mir weniger wahrscheinlich zu sein scheint, als die erste. Einen ordentlichen logischen und pragmatischen Zusammenhang darf man übrigens an unserer Stelle der Königsbücher noch weniger erwarten, als sonst; sind die historischen Thatsachen einmal entstellt, so muss man auf alles gefasst sein.

Wenn wir somit die Einwendungen, welche auf Grund der biblischen Bücher gegen die Annahme eines zeitweisen Aufhörens des Jüdischen Staats erhoben werden könnten, widerlegt haben, so wird es nicht unangebracht sein, darauf hinzuweisen, dass eine andere biblische Angabe, welche bisher zu den grössten Schwierigkeiten geführt hat, bei jener Annahme keinen Anstoss mehr erregen kann: das ist die Ueberlieferung über die Zeit des Propheten Hosea. Ich muss es Andern überlassen, zu untersuchen, ob das ganze Buch des Hosea nicht vielleicht bei unserer Hypothese an Verständlichkeit gewinnt.

Es wird nunmehr zweckmässig sein, eine vergleichende chronologische Tabelle der Könige von Israel und Juda nach chronographischen Grundsätzen aufzustellen (siehe S. 65).


Diese Tabelle führt also für die Losreissung der zehn Stämme auf das Jahr 931 a. Chr. Das stimmt wieder vortrefflich zu der Tyrischen Königsliste des Menander, denn deren Reduction ergab für die Regierung des Hiram die Jahre 969–936. Dass der mächtige Verbündete Salomo’s todt war, wird die Erhebung der Ephraimiten gegen die Tyrannei des Hauses David erleichtert haben.

Es bleibt nun noch übrig, zu untersuchen, wie sich unsere

[65]

Könige von Israel Regierte
von     bis
Könige von Juda Regierte
von     bis
Jerobeam I. 931–911 Rehabeam 931–916
Nadab 910 Abia 915–914
Baesa 909–887 Asa 913–874
Ela 886 Josaphat 973–850
Simri 885 Joram 849–843
Omri 885–875 Ahasjahu 842
Ahab 874–854 Athalja 841–836
Ahasja 853 Jehoas 835–797
Joram 852–842 Amazja 796–784
Jehu 841–815 Jerobeam II. 783–758
Joahas 814–799 Asarja 757–734
Jehoas 798–784 Jotham 733–730
Jerobeam II. 783–758 Ahas 729–715
Sacharja 757 Hiskia 714–692
Sallum 757 Manasse 691–638
Menahem 757–749 Amon 637
Pekahjah 748 Josia 636–607
Pekah 747–729 Joahas 607
Hosea 728–721 Eljakim 606–597
    Jojachin 597
    Zedekia 596–587

chronographisch reducirten Listen zu den Assyrisch-Babylonischen Synchronismen stellen, wobei immer die Fehlergrenze von 3 Jahren im Auge zu behalten ist. Eine Reihe von diesen, Nebukadnezar, Sargon, Jehu, die Schlacht von Karkar sind bereits erledigt. Es hat sich gezeigt, dass sie mit unseren Listen stimmen. Was die Synchronismen aus der Zeit Tiglathpileser’s betrifft, so ist deren Bestimmung sehr schwierig, weil die Annalen dieses Königs in einem traurig verstümmelten Zustande auf uns gekommen sind. Immerhin aber stimmt die Angabe über die Besiegung Pekah’s mit unseren Listen so gut, wie man nur erwarten kann. Sie ist nach Tiele a. a. O. S. 232 in das Jahr 733 oder 732 zu setzen[13] und das bleibt innerhalb unserer Fehlergrenze. Dasselbe gilt [66] von dem Jauḫazi mât Jaudai in der Zinsliste Tiglathpileser’s, die nicht ganz genau datirt werden kann, deren Datirung vielmehr dadurch bestimmt wird, dass Metinti noch König von Askalon und Achaz schon König von Juda ist[14]. Dass es sich wirklich um Achaz von Juda handelt, ergibt sich allerdings mit grosser Wahrscheinlichkeit aus der geographischen Reihenfolge Bît Amman, Maʿba, Aškelon, Jaudai, Uduma, Hazzattai. Der Unterschied der Namen Jauḫazi und Achaz ist ja auch bereits ausreichend erklärt worden. Es bleiben also nur noch die angeblichen Synchronismen mit Asarja und Menahem zu erklären. Der erstere kann als vollständig beseitigt gelten. Gutschmid, Neue Beiträge zur Geschichte des alten Orients S. 55 ff., Wellhausen in den Jahrbüchern für Deutsche Theologie XX S. 632 und Oppert in den Göttinger gelehrten Anzeigen 1879 S. 785 ff. haben zur Genüge gezeigt, dass es sich hier um eine andere gleichnamige Persönlichkeit handelt. Neuerdings sind andere Forscher noch weiter gegangen und bestreiten, freilich, wie jene früheren, unter sich abweichend, mit gutem Grunde auch die Identität des Jaudai, des Gentiliciums des Azrijau, mit Juda[15]. Mit Menahem schliesslich steht es noch immer seltsam genug. Menahem II., dessen Existenz eine Zeit lang auch den Skeptikern für ausgemacht galt, hat sich längst als etwas ganz Anderes herausgestellt[16]: das angebliche Vorkommen des Königs Menahem von Israel, des Sohnes Gadi’s, auf den Inschriften Tiglathpileser’s aber unterliegt den erheblichsten Bedenken. Ich halte es bei dem jetzigen Stande unseres Wissens für unvorsichtig, auf die Frage nach Phul näher einzugehen, obwohl von Zeit zu Zeit verkündigt wird, diese Frage sei definitiv gelöst; ich beabsichtige auch nicht, eine neue Hypothese über diese ewige Crux interpretum aufzustellen, obwohl mir mehrere beigefallen sind. So viel ist aber auf alle Fälle sicher und bisher, so viel ich weiss, auch noch nicht mit ausdrücklichen Worten geleugnet worden, dass Tiglathpileser vor seinem Zuge gegen Pekah nicht nach Israel gekommen ist, dass also die Zahlung, welche Menahem an Phul leistete, der [67] Palästina überfallen hatte und die Herrschaft Menahem’s stützen sollte, mit der angeblichen Tributzahlung Menahem’s an Tiglathpileser nicht identisch ist.

Nun erscheint allerdings als dem Tiglathpileser tributär ein Míníḫimí ír Samírinai[17], allein es liegt gar keine Veranlassung vor, ihn mit dem biblischen Menahem zu identificiren, wie dies auch schon von Oppert in den Göttinger gelehrten Anzeigen 1879 S. 792 ff. ausdrücklich abgelehnt worden ist. Wenn wir auch davon absehen wollten, dass der biblische Bericht, auch soweit er nicht chronologisch ist, mit dieser Angabe nicht vereinbar ist, so wäre es schon höchst sonderbar, wenn Tiglathpileser hier von einem Menahen von Samaria reden wollte, während er das Land Israel sonst (z. B. Schrader a. a. O. S. 255; Rost a. a. O. Kleine Inschriften I, 6. 15, S. 78. 81), wie die übrigen Assyrischen Könige als mât Bît Ḫummria bezeichnet. Man darf nicht etwa als Analogie anführen wollen, dass König Salmanassar II. zwar den Jehu als ḫabal Ḫumrii bezeichnet (Schrader a. a. O. S. 210, 7), aber Ahab als Sirʿlai. Denn die Zeit der Schlacht von Karkar ist offenbar die, in welcher die Assyrer zuerst genauere Kenntniss von diesen Gegenden erhielten, und dass sich Salmanassar später, als ihm ein König von Israel Tribut darbringt, eines anderen Ausdruckes bedient, als da, wo er zuerst die Bekanntschaft dieses Staates gemacht hat, ist nicht auffällig, um so weniger, da das eine Mal die Nationalität, das andere Mal die Dynastie bezeichnet wird. Bei Tiglathpileser aber würde das Reich als solches unter zwei verschiedenen Namen erscheinen. Aber es kommt noch etwas Anderes und Wichtigeres in Frage. Oppert a. a. O. hat durch die Annahme einer Lücke in dem biblischen Bericht zu helfen gesucht. Es hängt das indessen mit seiner Ansicht über die Synchronismen zusammen, welche er für eine historische Ueberlieferung zu halten scheint. Wir unsererseits haben eine solche Hypothese nicht nöthig, glauben aber die Frage aufwerfen zu sollen, ob Samírinai in der Menahem-Inschrift auch wirklich Samaria sei. H. Zimmern hatte nun auf eine Anfrage die Liebenswürdigkeit, mir Folgendes zu schreiben: „Die Lesung Meniḫimmi ist absolut sicher, ebenso wie Samerinai [68] und durch keine andere mögliche zu ersetzen. Ob freilich das Samerinai der Keilinschriften überall absolut sicher = Samarien ist, scheint mir noch nicht völlig ausgemacht… Es kommen daneben noch folgende Möglichkeiten in Betracht: 1) Mit Samerina der Keilinschriften könnte überall, auch bei Sargon, eine andere Stadt als Samarien gemeint sein. Und zwar würde dann wohl sicher die Kanaanitische Königsstadt שֹׁמְרוֹן[WS 1] Jos. 11, 1; 19, 15; 12, 20 (gleich Semerîje bei Akka?) in Betracht kommen. Indess ist es doch wohl weitaus das Nächstliegende, namentlich bei den Sargon-Stellen, für Samerina an Samarien zu denken… 2) Es wäre nicht undenkbar, dass auch bei Samerina, Samerinai ein ähnlicher Fall vorläge, wie bei Jaudi, Jaudai, d. h. dass das Samerinai in Meniḫimme Samerinai die Stadt Šimrôn bezeichnete, während anderwärts (bei Sargon) die Stadt Šomrôn (Samarien)“. Das ist um so eher möglich, als in der Inschrift Tiglathpileser’s sich keinerlei geographische Reihenfolge findet, welche uns zwingen würde, gerade an das Reich Israel zu denken. Völlig unmöglich wird es vollends, an einen König Menahem von Samaria zu denken, wenn Winckler a. a. O. S. 22 Recht haben sollte, dass Assyrische Provinzen als solche, d. h. Gebiete, welche direct unter dem König stehen, nicht mehr ihren alten Namen, sondern den ihrer Hauptstadt führen. So lange also, würde daraus folgen, ein Land seinen eigenen König hat, wird es in den Assyrischen Inschriften als Land, nicht mit dem Namen der Hauptstadt aufgeführt[18]. Unter diesen Umständen liegt keinerlei Veranlassung vor, unsere Construction der Israelitischen Königsliste nach diesem angeblichen Synchronismus zu corrigiren; wir können ruhig abwarten, ob etwa neue Funde neue Aufklärung bringen. Und das um so mehr, da nach unseren Ansätzen Menahem in eine Zeit fallt, wo grosse Verwirrung im Assyrischen Reiche herrschte, während die Ueberlieferung über diese Epoche sehr dürftig ist.

Somit wäre es gelungen, die Regierungen der Könige von Israel und Juda chronographisch zu fixiren, dergestalt, dass wir bloss an einer einzigen Stelle eine Hypothese nöthig hatten. Ohne jede Hypothese, mit der blossen Ueberlieferung, zum Ziele zu kommen, ist aus mathematischen Gründen unmöglich. Die [69] chronographischen, schematischen Zahlen, zu welchen wir gelangt sind, sind aber blosse Näherungswerthe und entsprechen noch nicht der historischen Wirklichkeit; um diese zu erreichen, wäre noch eine Correctur nöthig. Eine solche Correctur aber mit der erforderlichen Genauigkeit vorzunehmen, würde es der Heranziehung mindestens einer anderen Orientalischen Königs- oder Beamtenliste bedürfen, welche in sich genau durchgearbeitet und mindestens für ein Datum unzweifelhaft festgelegt wäre. Bis das gelingt, muss man sich mit den angenäherten Zahlen begnügen und kann höchstens einzelne innerhalb der von vorne herein bestimmten Fehlergrenzen empirisch berichtigen.

Damit wäre also die Aufgabe des Historikers zunächst zu Ende. Für den Literarhistoriker, für den Freund des alten Testamentes, bleibt indessen noch eine Frage, die nach den Synchronismen in den Königsbüchern. Diese näher zu betrachten, was man sonst wohl als überflüssig unterlassen würde, verlohnt sich bei einem Buche, das als solches eine so gewaltige welthistorische Bedeutung erlangt hat, schliesslich auch wohl der Mühe.

Was nun diese Synchronismen anbetrifft, so haben wir gesehen, dass nur zwei von ihnen ursprünglich überliefert gewesen sein müssen und dass diese mit den übrigen in Widerspruch stehen. Daraus ergibt sich mit Bestimmtheit, dass die grosse Masse der Synchronismen errechnet worden ist, und wir haben bereits für die letzten Zeiten des Königsreichs Israel gesehen, wie weit diese Berechnung zuweilen von der Wahrheit abweicht, indem ein Fehler nothwendig einen zweiten und dritten im Gefolge hat. Theoretisch lässt sich freilich die Möglichkeit nicht ganz abweisen, dass dem Synchronisten für die ersten Jahrzehnte des getheilten Reiches ein paar Gleichzeitigkeiten, an welche er anknüpfen konnte, mehr vorgelegen haben, als uns. Die Kriegszüge, welche die Könige von Juda und Israel gegen einander unternahmen, mussten doch in beiden Jahrbüchern aufgezeichnet werden, und wir können weder sagen, wann diese Jahrbücher zu Grunde gingen, noch wann der Synchronist lebte. Dem Verfasser der Chronik haben jedenfalls noch Berichte über diese Kriege vorgelegen. Es ergab sich weiter, dass die Synchronismen errechnet sein müssen, nachdem die Interpolation der Jahre des Jerobeam II. bereits stattgefunden hatte, und dass der Synchronist die überlieferten Gleichzeitigkeiten stehen liess, [70] unbekümmert darum, ob sie mit seiner sonstigen Rechnung stimmten oder nicht. Wenn wir nun die Arbeit des Synchronisten durchmustern, so haben wir zunächst dahingestellt sein zu lassen, ob wir es wirklich nur mit einem Synchronisten zu thun haben oder mit mehreren.

Es ergibt sich nun zunächst, hinsichtlich der ersten Regierungen, dass der Synchronist die Zahlen für die Regierungsdauer der Könige ebenso angesehen hat, wie wir bei unserer Untersuchung gethan haben; er rechnet weder für das erste noch für das letzte Jahr einer Regierung mit vollen Jahren und setzt nirgends das Jahr x des Königs A gleich dem Jahr y des Königs B. Nur dem König Rehabeam gibt er volle 17 Jahre. So stimmt denn die Rechnung mit unseren Ansätzen recht gut; die Differenz beträgt, wo eine vorliegt, höchstens 1 Jahr. Das 1. Jahr des Baesa ist gleich 21 + 1 = 22 der Könige von Israel gleich 17 + 2 + 2 = 21 der Könige von Juda, das 1. Jahr des Ela gleich 21 + 1 + 23 = 45 gleich 17 + 2 + 25 = 44. Eine Schwierigkeit erhebt sich zuerst bei Omri, der nach I, 16, 23 im 31. Jahre Asa’s König geworden sein soll. Diese Differenz erklärt sich aber daraus, dass der Synchronist, gestützt auf I, 16, 22, die Jahre Omri’s erst von dem Tode Thibni’s an rechnete und die 6 Jahre der Regierung zu Thirza, welche er gleich der Regierung Thibni’s setzte, ganz correcter Weise nicht voll nahm. Der Regierungsantritt Ahab’s im 38. Jahre Asa’s stimmt dann wieder durchaus und ebenso der des Josaphat im 4. Jahre des Ahab, des Ahasja im 17. Jahre des Josaphat und des Joram im 18. Jahre Josaphats. Ebenso stimmt, wenn man von dem in dasselbe Jahr fallenden Tode des Joram von Israel und des Ahasjahu von Juda ausgeht, die Angabe, dass Joram von Juda im 5. Jahre des Joram von Israel zur Regierung gelangt sei (II, 8, 16)[19]. Rechnet man dagegen vom 18. Jahre des Josaphat aus, so kommt man wieder auf eine Differenz von 1 Jahr, wie oben, wogegen der Regierungsantritt Ahasjahu’s im 12. Jahre des Joram von Israel (II, 8, 25) mit der Angabe über den Regierungsantritt des Joram von Juda wieder gut stimmt.

[71] Dann verläuft wieder alles glatt bis zum Regierungsantritt des Joas von Israel, welcher im 37. Jahre des Joas von Juda stattgefunden haben soll (II, 13, 10), während doch nach II, 13, 1 sein Vorgänger Joahas im 23. Jahre des Joas von Juda König wurde und 17 Jahre regierte, so dass wir für den Regierungsantritt des Joas von Israel auf das 40. statt auf das 37. Jahr des Joas von Juda kämen. Aber auch das ist in Ordnung, wenn wir von dem Regierungsantritt des Jehu und der Athalja an rechnen; 27 + 16 = 43 = 6 + 37 = 43. Nun aber käme wirklich ein Anstoss. Nach II, 14, 1 wäre Amazja von Juda im 2. Jahre des Joas von Israel zur Regierung gekommen. Wie man immer rechnen möchte, würde das an sich zu einem Fehler führen, wenn Joas von Juda 40 Jahre regierte. Es erklärt sich aber sehr einfach und ergab sich von selbst, wenn Joas von Israel 16 Jahre regierte und Amazja 29, während der letztere seinen glücklichen Gegner um 15 Jahre überlebte.

Im Folgenden dagegen müssten wir wegen der von uns erschlossenen Interpolation auf Schwierigkeiten gefasst sein. Aber auch da verläuft alles glatt. Der Synchronist folgt eben den Spuren des Interpolators, und es wäre nicht ausgeschlossen, ihn selbst mit dem zweiten Interpolator für identisch zu halten. Wenn Asarja und Jerobeam 13 Jahre gemeinsam regierten (II, 14, 21) und Asarja im 27. Jahre Jerobeam’s II. zur Regierung kam, so kam der Regierungsantritt des Sacharja in das 39. Jahr des Asarja; wir haben also hier wieder einen Fehler von 1 Jahr. Die synchronistischen Ansätze für Sallum, Menahem, Pekahjah, Pekah ergeben sich dann von selbst als richtig; über die spätere Verwirrung, als eine Consequenz der Doppelzählung der 11 Jahre, welche Jotham mit seinem Vater gemeinsam regierte, ist schon gesprochen worden und wird unten noch weiter zu reden sein.

Man sieht, diese Synchronismen sind etwas künstlich und das mussten sie sein, da es sich stellenweise darum handelte, Unvereinbares, weil Interpolirtes, also Unwahres, mit einander zu vereinigen. Sie sind aber leidlich verständig und nach einem bestimmten System gemacht, und der so häufig auftretende Fehler von 1 Jahr verlangt augenscheinlich seine besondere Erklärung. Es bleiben aber noch einige Synchronismen zu erledigen, welche sich in dieses System nicht fügen. Das ist der Tod Ahasja’s, der Regierungsantritt Joram’s von Israel im 2. Jahre Joram’s [72] von Juda (II, 17), die Regierung[20] Ahasjahu’s im 11. Jahre Joram’s (II, 9, 29) und der Tod Pekah’s im 20. Jahre Jotham’s (II, 15, 30). Wenn die Zahlen richtig überliefert sind, können diese Synchronismen nicht von demjenigen herrühren, welchem wir die anderen errechneten verdanken, weil sie diesen direct widersprechen. Sie verrathen sich als fremde Zuthat aber auch durch ihren Charakter. Denn während alle anderen Synchronismen sich auf den Regierungsantritt von Königen beziehen, beziehen sich diese, und diese allein, auf den Tod von Königen. Es frägt sich also, ob sich feststellen lässt, nach welchen Grundsätzen dieser zweite Synchronist gerechnet hat.

Der Ansatz für Joram, der übrigens in der Septuaginta fehlt, lässt sich nun auf folgende Weise gewinnen. Rechnet man die Regierungsjahre nicht, wie wir und der andere Synchronist sie gerechnet haben, sondern durchweg als volle Jahre, so erhält man folgende Tabelle:

     Könige
     von Israel
Jahre           Könige
     von Juda
Jahre     
Jerobeam I. 22      Rehabeam 17     
Nadab 22      Abia 23     
Baesa 24      Asa 41     
Ela 22      Josaphat 25     
Omri 12         
Ahab 22         
Ahasja 22         
  86        86     

Auf Ahasja folgt Joram von Israel, auf Josaphat Joram von Juda. Nimmt man nun weiter an, dass Rehabeam ein Jahr früher zur Regierung gekommen ist, als Jerobeam I., so fällt das 1. Jahr des Königs Joram von Israel in das 2. Jahr Joram’s von Juda. Der Mann rechnete also chronographisch. Aber weder nach chronographischen Prinzipien noch nach irgend welchen anderen ist es mir gelungen, ausfindig zu machen, wie er auf das 11. Jahr Joram’s als Regierungsjahr Ahasjahu’s gekommen ist. Bei jedem neuen Versuche wurde ich zur Annahme eines neuen Rechenfehlers gezwungen. Solche Rechenfehler sind im Alterthum noch weniger unerhört, als in unseren Jahrhunderten; Herodot z. B. [73] ist dafür bekannt. Bis also etwa irgend ein Oedipus kommt, der diese Sphinx zu Fall bringt, wird es gestattet sein, schweigend an ihr vorüberzugehen. Ein chronologisches Genie war unser Mann jedenfalls nicht; das lehrt der Ansatz für das Todesjahr Pekah’s. Das 20. Jahr Jotham’s ist nämlich das 4. Jahr des Ahas und in dieses fällt der Tod Pekah’s nach II, 16, 1 und II, 15, 27. Unser Gelehrter, der vermuthlich in Babel einige oberflächliche Studien in der Chronographie gemacht hatte, wird sich eine Tabelle der Könige für seinen Privatgebrauch angefertigt und dann vom 1. Jahre Jotham’s an gezählt haben, wobei er übersah, dass er die Zahl der Jahre, welche diesem Könige von Rechts wegen zukamen, überschritt[21].

Nicht unwahrscheinlich ist es nun auch, dass diesem zweiten Synchronisten die Angaben verdankt werden, welche in Ordnung kommen, sobald man die Regierung Jotham’s so verkürzt, wie wir gethan haben. Sie sind mit einer Ausnahme zusammengedrängt II, 18, 9. 10. Der ganze Bericht über den Fall Israels ist an dieser Stelle völlig überflüssig und es steht, mit Ausnahme eben der synchronistischen Angaben, gar nichts darin, als was schon I, 17, 3–6 erzählt war. Wir haben allen Grund, die letztere Stelle für die Quelle der ersteren zu halten. Man kommt aber auf diese Synchronismen, wenn man von der Zerstörung Jerusalems chronographisch aufwärts rechnet. Es regieren dann nämlich:

Zedekia 11 Jahre     
Eljakim 11     „ 
Josia 31     „ 
Amon 22     „ 
Manasse 55     „ 
Hiskia 29     „ 
  139 Jahre     

Da nun das 11. Jahr des Zedekia gleich 587 a. Chr. ist, so ergibt sich bei dieser Rechnung für das 1. Jahr des Hiskia 725 a. Chr. Rechnet man nun auf Hosea 9 volle Jahre und fiel Samaria 721 a. Chr., so kommt man für den Regierungsantritt des Hosea auf 729. Das wäre das viertletzte Jahr des Ahas, also, da dieser 16 Jahre regierte, sein 13. Jahr, nicht sein 12. [74] Das 4. Jahr des Hiskia aber ist nach dieser Rechnung 722, und das soll sein = 7. Jahr des Hosea, das ist 723. Ferner soll Samaria gefallen sein im 9. Jahre Hosea’s, = 721 und das soll das 6. Jahr des Hiskia sein, = 720 a. Chr. Wir treffen also auch hier fortgesetzt bei dem Herüber- und Hinüberrechnen auf eine Differenz von 1 Jahr. Im übrigen zeigt auch diese Stelle, wie wenig vertraut der Mann mit der Geschichte seines Volkes war; er lässt Samaria von Salmanassar erobern, was er aus II, 17, 6 schloss, was aber dort nicht steht. Vielleicht dürfen wir ihm dann auch den Ansatz des Regierungsantrittes des Hosea im 12. Jahre des Ahas zuschreiben. Der erste Synchronist konnte darauf nicht kommen, er musste schreiben: im 2. Jahre des Ahas. Dass er aber den Regierungsantritt des Hosea überhaupt durch einen Synchronismus mit einem Jüdischen Könige bestimmt habe, ist nach seiner sonstigen Gewohnheit allerdings anzunehmen. Die Vermuthung liegt nun am nächsten, dass der zweite Synchronist hier von seinem Standpunkte aus einen Schreibfehler annahm und ihn nach seinem Verständniss verbesserte.

Es bleibt nun noch eine Frage zu erörtern. Wir haben gesehen, dass bei den Synchronisten wiederholt Incongruenzen von einem Jahre vorkommen, dass an anderen Stellen, wo es nicht unbedingt nöthig ist, solche Fehler anzunehmen, die Annahme eines Fehlers von 1 Jahr doch möglich ist. Wir finden ferner, wenn wir die Synchronismen der ersten Zeiten des getrennten Reiches durchgehen, wo man doch annehmen muss, dass der Synchronist sich noch ohne alle Ermüdung einer richtigen Arithmetik befleissigt, dass dort sehr auffallende Synchronismen vorkommen. Dahin gehört z. B. gleich die Angabe, dass Abia im 18. Jahre des Jerobeam I. die Regierung angetreten habe. Das alles lässt sich nur erklären, wenn in Wirklichkeit oder nach der Ansicht des Synchronisten der Anfang des bürgerlichen Jahres, an dem die Könige die Nummer ihrer Regierungsjahre wechselten, bei den Israeliten nicht auf denselben Zeitpunkt fiel, wie bei den Juden. Wie es sich damit in Wirklichkeit verhielt, mögen Andere entscheiden; für den vorliegenden Fall liegt die Annahme am nächsten, dass der Synchronist, ein Jude, der nach der Rückkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft lebte, bei den Jüdischen Königen von Anfang an das Jahr voraussetzte, dessen sich seine Landsleute jedenfalls seit der Erbauung des [75] zweiten Tempels bedienten, und das Ideler (I, S. 491 f.) als das kirchliche bezeichnet hat. Dazu konnte er sich um so eher veranlasst fühlen, als der ursprünglich 7. Monat nicht nur der war, in dem das Feuer auf dem Altar im zweiten Tempel entzündet ward, sondern auch der, in welchem der erste Tempel eingeweiht worden war. Er nahm also für das Reich Juda einen bürgerlichen Jahresanfang mit dem Tischri oder, wenn er sich archaisch ausdrücken wollte, mit dem Ethanim an. Er wusste aber sehr wohl, dass das nicht immer und überall der Jahresanfang gewesen war, und da die Könige von Israel meist oder durchweg Abgötterei trieben und jedenfalls zu dem Tempel von Jerusalem in keiner Beziehung standen, nahm er sehr verständigerweise an, dass diese ihr bürgerliches Jahr mit dem Nisan (archaisch dem Abib) begonnen hätten. Wenn er darauf Rücksicht nahm, so mussten sich die Synchronismen unter Umständen um ein Jahr verschieben, und man wird finden, dass sie sich nach der einen oder anderen Seite verschieben, je nachdem der Antritt eines Jüdischen Königs nach den Jahren eines Israelitischen bestimmt wird oder umgekehrt. Es ist ein zwar, wie ich bemerkt zu haben glaube, weit verbreiteter, aber darum nicht geringerer Irrthum, dass die Numerirung der Monate im Jahre von dem bürgerlichen Jahresanfange abhängig sei und dass Neujahr immer auf den 1. eines Monats fallen müsse. Die von Zahlen hergeleiteten Namen der Römischen Monate blieben unverändert, auch nachdem der Quintilis längst aufgehört hatte, der 5. bürgerliche Monat zu sein, und das Mittelalter hat Jahresanfänge nicht nur vom 25. März und vom 25. Dezember, sondern sogar von Ostern. Auch die Juden selbst bezeichnen, wie mir von sachkundiger Seite versichert wird, noch heute den Tischri als den 7. Monat, obwohl sie Rosch haschanah am 1. Tischri begehen.

Grätz hat in seiner Geschichte der Juden I, S. 476 ff., da sich auch ihm die Annahme nothwendig aufdrängte, dass in Israel eine andere Jahrform bestanden habe, als in Juda, eine Hypothese aufgestellt, welche wenigstens kurz berührt werden muss. Er glaubt nämlich, dass in Israel ein freies Sonnenjahr bestanden habe, in Juda dagegen ein freies Mondjahr; König Hiskia habe dann in Juda ein gebundenes Mondjahr eingeführt. Das Letztere sei berichtet II Paralip. 30, 2. 3. 15. Er beruft sich dafür auf eine Talmudstelle, die besagt, Hiskia habe „Nissan [76] zum Schaltmonat gemacht“, von der ich aber natürlich nicht weiss, ob sie im Zusammenhang wirklich besagt, Hiskia habe einen Schaltcyclus eingeführt. Ist die Talmudische Erklärung überhaupt richtig, was man gewiss nicht ohne Weiteres anzunehmen braucht, so könnte, da es sich um die Beseitigung eines religiösen Bedenkens handelt, ein ähnlicher Fall vorliegen, wie bei dem ἕτερος Ἀρτεμίσιος Alexander’s d. Gr. So viel ich indessen sehen kann, liegt keinerlei Grund vor, den Israeliten ein freies Sonnenjahr zuzuschreiben, und spricht sehr vieles dagegen, ihren Stammesgenossen in Juda ein freies Mondjahr beizulegen. Wenn „Gott den Mond zur Bestimmung der Festeszeiten gemacht hat“ (Ps. 104, 19), so verträgt sich das vortrefflich mit einem gebundenen Mondjahr, wie das Beispiel der Griechen beweist. Bei einem freien Mondjahre dagegen fällt der Reihe nach jeder Monat in die Zeit des Frühlingsanfangs und es hätte also Passah bald im Nisan, bald im Ijar, bald im Tischri oder Kislew gefeiert werden müssen. Andererseits macht ein freies Sonnenjahr die Feier eines Festes, das nach dem Mond regulirt wird, an einem festen Datum unmöglich. Wie es sich Grätz (S. 476) bei seiner Hypothese über die Form des Israelitischen und Jüdischen Jahres erklärt hat, dass das Herbstfest in Israel einen Monat später fiel, als in Juda, während beide Staaten ihr Jahr mit dem Herbstfeste angefangen haben sollen, ist mir völlig unklar. Man wird aber bei dem heutigen Stande der Forschung wohl thun, keine Hypothese über den Hebräischen Kalender aufzustellen, die nicht unbedingt nöthig ist, und wir kommen mit der unsrigen vollkommen aus. Grätz dagegen kann die Ansätze des Synchronisten nicht erklären. Wenn z. B. Abia, nachdem sein Vater Rehabeam 17 Jahre regiert hatte, im 18. Jahre des Jerobeam zur Regierung gekommen sein soll, so ist das einfach unmöglich, wenn jedes Regierungsjahr des Jerobeam 11 Tage länger war, als ein Regierungsjahr des Rehabeam.

Uebrigens habe ich natürlich nichts dagegen einzuwenden, wenn Jemand lieber annehmen will, der Synchronist habe das Israelitische Jahr mit dem Tischri, das Jüdische mit dem Nisan beginnen lassen.




[171] Nachtrag zu dem Aufsatze „Chronologie der Könige von Israel und Juda“, S. 56 und 58. Seit dem Abschluss meiner Arbeit (im Juni 1894) bin ich auf eine andere Erklärung der Interpolation der Jahre der Regierungen Jerobeam’s II. und Asarja’s gekommen, welche einfacher und daher wohl richtiger ist, als die oben vorgetragene. Wenn nämlich im Buche der Könige von Juda stand, was II. Kge. 14, 17–20 berichtet wird, und dann etwa folgte: „und es regierte Jerobeam, der Sohn Jehoas’, über Juda 27 Jahre“, so konnte ein Späterer auf die Vermuthung kommen, Jerobeam habe in Juda erst nach dem Tode des Amazja zu regieren begonnen. Er müsste dann über Israel 27 Jahre regiert haben + der Zahl der Jahre, welche vom Tode des Jehoas bis zu dem des Amazja verflossen waren, also, da die 15 Jahre (II. Kge. 14, 17) nicht voll gerechnet werden durften, 27 + 14 = 41 Jahre. Rechnete der Mann dann andererseits die Jahre Asarja’s legitimistisch vom Tode des Amazja an, so musste er dessen Regierungszeit um so viel Jahre verlängern, als nach seiner Ansicht Jerobeam nach dem Tode des Amazja regiert hatte. Gibt er dem Asarja also 52 Jahre (II. Kge. 15, 2), so betrug dessen wirkliche Regierungszeit 52 − 27 = 25 Jahre.

F. Rühl.     



Anmerkungen

  1. Darin liegt der principielle Unterschied der vorliegenden Untersuchung von der Oppert’s in „Salomon et ses successeurs“. Ich habe aus vielen Gründen zu beklagen, dass mir diese ausgezeichnete Abhandlung erst zugänglich geworden ist, als mein Aufsatz bereits so gut wie druckfertig war. Ich habe da, wo ich es citire, ein paar Zusätze in Bezug auf jenes Buch gemacht, es im übrigen so wenig wie die sonstige mir bekannte Literatur angeführt. Ist der Ausgangspunkt der Forschung verschieden, so sind abweichende Ergebnisse selbstverständlich, übereinstimmende zwar erfreulich, aber immer mehr oder weniger zufällig.
  2. Die genauen Datirungen für die Belagerung und den Untergang Jerusalems sind anders zu beurtheilen, ebenso wie die Angaben über die Begnadigung Jojachin’s.
  3. Vgl. Gutschmid, Kleine Schriften I S. 246 f.
  4. Vgl. Gutschmid, Kleine Schriften IV S. 471.
  5. Dieser muss nach II, 14, 17 im 14. Jahre des Amazja erfolgt sein.
  6. Man könnte auf die Vermuthung kommen, durch irgend einen der unberechenbaren Schreibfehler, denen Jeder ausgesetzt ist, seien in sehr früher Zeit die Zahlen des Amazja auf Hiskia übertragen worden.
  7. Vgl. auch Oppert, Salomon et ses successeurs S. 74 f.
  8. Ich verweise für das Nähere der Bequemlichkeit halber bloss auf Tiele, Babylonisch-Assyrische Geschichte S. 314 ff.
  9. Vgl. aber den Nachtrag.
  10. Ich wage nicht, das 7. Capitel des Jesajas zu interpretiren und verweise auf Lagarde, Semitica I S. 9 ff., wo freilich schwerlich das letzte Wort in der Sache gesprochen worden ist. Immerhin möchte ich darauf aufmerksam machen, dass nach unseren Ansätzen von der Eroberung Jerusalems durch Jehoas bis zum Fall Samaria’s 65 Jahre verflossen sind. Oppert, Salomon et ses successeurs p. 35 f. übersetzt Jes. 7, 8: „Car, de nouveau, après 65 ans, Ephraïm sera exterminé des peuples“ und erklärt, dass jetzt Ephraim vernichtet werden solle, wie es schon einmal vor 65 Jahren vernichtet worden sei. Damit unterstützt er seine Auffassung des Berichts über Jerobeam II., wonach dessen Regierung durch eine Fremdherrschaft von mehreren (12) Jahren unterbrochen worden wäre. Allein die Aussicht auf eine Wiederholung dieser Ereignisse konnte für König Ahas zwar für den Augenblick einigermassen tröstlich sein, liess aber um so Schlimmeres für die Zukunft befürchten. Denn schliesslich half ja damals Jahwe Israel durch Jerobeam, den Sohn des Jehoas, und Israel stand wieder mächtiger da, als jemals zuvor. Es war also zu befürchten, dass es in wenigen Jahren auch wieder ein gefährlicher Gegner für Juda sein würde. Auf eine historische Interpretation von II. Könige 14, 26 f. einzugehen, muss ich mir für jetzt versagen.
  11. Die nähere Erörterung dieser Synchronismen erfolgt unten S. 73.
  12. Dass Asarja nicht unmittelbar nach Amazja’s Tode König wurde, schliesst auch Grätz, Geschichte der Juden I (1874) S. 473 ff. aus II, 14, 19 ff. Seinen weiteren Aufstellungen kann ich nicht folgen.
  13. Vgl. auch Rost, Die Keilschrifttexte Tiglat-Pilesers II. I S. XXIX. XXXII.
  14. Vgl. Tiele a. a. O. S. 233.
  15. Winckler, Altorientalische Forschungen. Heft 1 S. 12 ff. Jensen, Berliner philologische Wochenschrift 1894 Sp. 212.
  16. Vgl. Schrader, Die Keilinschriften und das alte Testament. 2. Aufl. S. 192.
  17. Schrader a. a. O. S. 252 f., Annaleninschrift Z. 150 bei Rost a. a. O. S. 26.
  18. Beiläufig sei bemerkt, dass mir an keiner der Stellen, welche Wellhausen zu Hosea 8, 5 anführt, Schomron für das Land Israel zu stehen scheint.
  19. Die Worte וִיהוֹשָׁפָט מֶלֶךְ יְהוּרָה sind und bleiben unverständlich; sie passen auch nicht in die Manier des Synchronisten. Es scheint mir bei der ganzen Anlage der uns vorliegenden Berichte unmöglich, solche Folgerungen daraus zu ziehen, wie Oppert, Salomon p. 41 ff. gethan hat.
  20. Denn weder מָלַךְ noch ἐβασίλευσε kann anders übersetzt werden, als „war König“.
  21. Bei dieser Voraussetzung kommt man ohne die Annahme einer Textcorruptel aus, die auch vielfach angenommen worden ist.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Šomrôn, Vorlage: שִׁטְרוֹן (Šatrôn)