Das Geheimniß des Brahmanen

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Autor: Carl Ferdinand von Vincenti
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Titel: Das Geheimniß des Brahmanen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 8, S. 120-123
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Das Geheimniß des Brahmanen.
Eine holländische Erinnerung.
Mitgetheilt von Ch. v. Vincenti.

Wir saßen im Heiligthum Wischnu's, unter unseren Füßen knitterten, als Opferreste, welke Blumen, und durch die kleinen Rundfenster glühte das Abendroth auf dem Altare, dessen Flamme eben erloschen. Und mein Gefährte erzählte eine gar seltsame Geschichte, die ich ihm nacherzählen werde, sobald ich nur zuerst gesagt, wer mein Gefährte ist und wie und warum wir Beide in den Hindutempel hineingekommen sind.

Ich lag in Paris, so zu sagen, europakrank; mir that eine Badereise nach Indien oder China noth. Ein Gangesbad oder ein Trunk aus dem blauen Strome mußten mich, so dachte ich, radical curiren. So traf mich mein Freund, der Baron H…n, Sportsman und holländischer Erzmillionär. Kaum hatte ich ihm mein Leid geklagt, als er sich unter der Bedingung, daß ich ihn vorerst nach Holland begleite, als Reisegefährte anbot. Wir kamen in Amsterdam an, bestiegen des andern Morgens das Dampfschiff an der Stads-Herberg und überschifften das Y. Nordholland stand eben im prächtigen Maienkleide. Als wir oberhalb Buiksloot den großen Nordcanal verlassend längs einem nach rechts sich abzweigenden Seitencanal hinschritten, breitete sich eine wunderbare Landschaft vor unseren Blicken aus. Monumentale Windmühlen reckten behaglich die langen Gliedmaßen in die blauen Lüfte, am Horizont zogen weiße Segel wie Friedensvögel und das Sonnengold funkelte und flimmerte auf den bunten Emailziegeldächern einer phantastischen Stadt. Jetzt zog eine sanfte Melodie durch die Lüfte.

„Indien!“ lachte mein Gefährte. Hören Sie die Minarete klingen?“

„Ho-i-ho,“ klang es langgezogen.

„China!“ scherzte H…n. Hören Sie die Sprache des himmlischen Reiches?“

„Oder Broek,“ lachte ich zurück, „nicht wahr?“

„Sie haben es errathen, Broek, das Villendorf der holländischen Millionäre, die Capitale von Europäisch-China oder Indien, wie Sie wollen. Sie sehen, daß wir, um das Eine oder das Andere zu finden, keinen Rotterdamer Steamer zu besteigen brauchen. Wir Holländer haben für Europablasirte ein gutes Stück Asien bei uns zu Hause. Sie finden unser Kastenwesen, unsere Neigung zum Ueberschwänglichen, unsere Blumenmanie, selbst unsere Kirmessen, die wahre Schiwafeste sind, am Ganges wieder. Auf der anderen Seite leben wir als eigenartiges Amphibienvolk durch Süß- und Salzwasser abgeschlossen wie die Chinesen, sprechen eine Sprache, die mindestens so viel Zungengymnastik als das Mandarinenidiom erheischt, arbeiten mit derselben berechnenden Ameisengeduld und Ausdauer und führen dasselbe symmetrische Stillleben ohne weite Lebensaussichten, wie die Leute im Reiche der Mitte. In Einem nur unterscheiden wir uns von den Chinesen, wir bewohnen eine Erde der Duldsamkeit, wo in düstern Zeiten ein Freidenker, wie Bayle, ein Asyl gefunden und ein Spinoza nicht verbrannt worden ist, was ihm die Herren Mandarinen schwerlich erspart haben möchten. Gehen wir nach Broek hinein, wo Sie eine Ueberraschung ganz besonderer Art erwartet.“

Der erste Anblick Broek's erinnerte mich so lebhaft an Cyrano de Bergerac's tolle Reisemärchen aus den Planeten, daß ich, auf dem spiegelblanken Pflaster aus goldgelben Gudaer Klinkers (Backsteinen) fortwandelnd, mich beinahe in einen Fabelstern meiner Jugendlectüre versetzt glaubte. Der ferne Osten hat hier die bizarrsten Ausgeburten seiner wunderlichen Architekturen hingezaubert. Ein buntschuppiges Dach stülpt sich hier nach Art der chinesischen „Miao's“, dort ragt ein luftiger Tempel „Fo's“, mit Silberglöckchen behangen, auf jener Rasenhöhe schimmert eine lasurbelegte Pagode, und weiterhin blitzt eine winzige Goldananaskuppel auf einer Minaretspitze. Schmucke, bunt herausstaffirte Villen mit zierlichen Thürmchen, Erkern und Belvederen betrachten sich selbstgefällig in den Miniaturgrachten wie kokette Mädchen im Spiegel. Auf glatten Teichen schlummert das Sonnengold, Schwäne kreisen um schimmernde Gondeln, fabelhafte Blumen träumen unter Glasdomen oder nicken hinter halbverschlossenen Gardinen, und auf lianenumrankten Veranden schlagen Pfauenstutzer ein Strahlenrad. Ueber blumige Abgründe springen Wunderstege, wie aus Perlmutter geschnitzt, indische Götter hocken träumend unter Epheubaldachinen und chinesische Idole schütteln ihr Halsgeschmeide in Marmorgrotten, wo verborgene Wasser rauschen.

Und auf diesem ganzen fremdartigen, farbensatten Bilde spielten heute goldene Lichter wie glückliche Kinder mit der Blüthenbescheerung des Frühlings. So friedlich schien Alles wie ein Eden, so glänzend wie der Wonnetraum eines Ascetikers an den Ufern des heiligen Stromes! Oft verengte sich die Straße so sehr, daß wir dicht an den zierlichen Geländern vorüberstrichen, welche die Gärten vor den Häusern umfrieden. Da rauscht eine Jalousie … ein goldner Mädchenkopf taucht hervor, lächelt still und verschwindet. Dort auf dem Gesimse kauert sphinxrartig ein prächtiger Angorakater, über die Geheimnisse des Courszettels nachsinnend. In jener Laube, wo ein Fratzengott des siamesischen Olymps sich vor Lachen schüttelt, lehnt auf einer Mahagonybank ein Mann im Brocatkaftan mit verbrämter Kegelmütze … Ein Tatarenkhan vielleicht? Nein, ein Broeker Millionär, der sich trotz seiner Millionen langweilt, und das ist es ja, worüber der dumme Götze sich schier zu Tode lachen will.

„Wunderliche Käuze sind's,“ lachte mein Freund, „die Bewohner dieses Millionärdorfes. Es gab eine Zeit, wo keine Empfehlung, wäre sie auch vom Dalai-Lama oder Großmogul, vom Kaiser der Mitte oder von Timbuktu gewesen, einem Fremden Zugang bei einem Broeker Insassen verschafft hätte. Dieses buntscheckige Haus da mit den blauen Kuppeln hat Napoleon besucht, wobei er sich, den localen Reinlichkeitsvorschriften gemäß, dazu bequemen mußte, über seine siegreichen Stiefel prosaische Filzpantoffeln zu ziehen. Dort links den alten wunderlich bemalten Bau mit dem langhalsigen Belvedere wollte Kaiser Joseph der Zweite besichtigen. Der Eigenthümer, ein Pfefferfürst ersten Ranges, schlug die Bitte rund ab. Vielleicht ist die gravitätische Personnage, die dort zwischen vergoldeten Bäumen und rosigen Felsen sich ergeht, der Enkel dieses Fürstenverächters. Sie sehen, er ist in ein Buch vertieft, ohne Zweifel studirt er Phalu, Telinga oder sonst eine asiatische Sprache, um seine Bäume und Tulpenzwiebeln bei Namen nennen zu können.“

Wir mochten eine gute Stunde gewandert sein, als der Baron vor einem Gitterthor mit wetterverwaschener Vergoldung stehen blieb.

„Haben Sie einmal von dem Brahmanenhause gehört?“

Ich verneinte.

„So folgen Sie mir!“

Wir drangen in einen total verwilderten Park, wo uns eine Akazienallee zu einem wunderlichen, dicht mit Geisblatt und wilder Rebe überwucherten Gebäu führte, dessen geschnitzte Galerien und gemalte Säulenwerke an die Häuser von Benares in Ostindien erinnerten. Auf den Treppenwangen des Perrons hockten schwarzmarmorne Schildkröten mit japanesischen Blumenvasen auf den Rücken. Die zum Theil mit Grün überwachsene Thür gab dem Druck nach, und wir traten in eine gewölbte Vorhalle. Eisige Moderluft schlug uns entgegen. Die Bodenmosaik war überall herausgebröckelt, ein grasgrünes Götzenbild grinste aus einer Nische, und wir öffneten nicht ohne Mühe eine Seitenthür, die endlich mit dumpfem Krachen nachgab. Ueberall Grabesdunkel. Nachdem mein Führer das Kerzchen seines Taschenfeuerzeugs angezündet, durchwandelten wir, ohne ein Wort zu wechseln, eine Reihe öder Prachtgemächer. Ueberall persische Teppiche, schlanke Bambusrohrmöbel, chinesische Lackarbeit und schwere Seidentapeten mit strahlenden Vögeln in erhabener Stickerei, vergoldete Schreine, fratzenhafte Nippfiguren, herrliche Gemälde, wunderliche Geräthe und Gefäße, Alles in buntem Durcheinander angehäuft. In einem reizenden Boudoir machen wir Halt. Eine Feuerkieke aus der echtholländischen Familie der „Stoofjes“ stand in der Fensternische unter einem bizarren Vogelkäfig, und vom Plafond hing eine purpurbetroddelte Transparentlampe … auf dem Teppich lag ein winziger Schnabelschuh mit geschwärzter Geldstickerei, und ganze Büschel trockener Blumen raschelten unter den Füßen [121] Mein Gefährte, ein Oelbild beleuchtend, das ein junges Weib von blendender, fremdartiger Schönheit in Lebensgröße und halbindischem Costüm darstellte, sprach „Diava“ … Tiefe dunkle Kinderaugen, ein kränklicher Zug im zartgoldbraunen Antlitz, tief in die Stirn gescheiteltes, schwarzes Haar, ein Profil wie aus einer baktrischen Medaille herausgeschnitten, als Diadem und Halsgeschmeide blitzender Schuppenschmuck, den die indischen Goldschmiede von Cutsch gefertigt haben mochten, und eine schneeige Musselinwolke, durch welche die Haut wie ein Goldfaserngewebe schimmerte …

„Arme Diava!“ flüsterte mein Freund, mich rasch fortziehend.

Wir traten in eine Bibliothek … Welch’ fremdartiger Bücherkram! Die heiligen Bücher Manu’s bemerkte ich neben der Niti-Sastra in javanesischem Texte, hier das Drama Sakuntala mit der Jones’schen Uebersetzung neben dem Schu-King, des Confucius Bibel, dort die uralten Götterepen Indiens im Urtexte und die drei Bücher der Zend-Avesta. außerdem viele Sanskritwerke, in „göttlicher“ Schrift geschrieben, tamulische und malayische Manuscripte auf die Blätter der Taliputpalme eingeritzt und andere orientalische Curiosa mehr, ein Entzücken für sprachkundige Bibliophilen, ein Entsetzen für gewöhnliche Menschenkinder. Wir stiegen nun eine geheime Wendeltreppe hinab, schwacher Dämmerschein grüßte, und plötzlich standen wir inmitten eines Hindutempels. Die gemalte Decke ruhte auf zwei Marmorelephanten und Sculpturen deckten die Wände. In einer Altarnische kauerte ein dunkelblauer Gott mit Lotus und Elephantenrüssel … Wischnu und stierte in die ersterbende Opfergluth. War’s ein Traum? Welche Hand hatte hier das heilige Feuer entzündet? Mein Führer öffnete lächelnd eine versteckte Thür. Ich prallte unwillkürlich zurück … Vom Lampenschein, der das reichgemalte Innere eines pagodenartigen Anbaues spärlich erhellte, schimmerte der nackte Fakirschädel eines uralten Mannes, der, auf einer Art Pritsche kauernd, in die Lectüre eines Folianten vertieft schien. Sein kolossaler Bart überfluthete förmlich die Blätter des Buches, goldene Ringe funkelten in seinen Ohren, ein schmutzigweißes, zerrissenes Gewand verhüllte nothdürftig den geheimnißvollen Leser, der quer über die Brust einen breiten Strick trug. Als ich einzutreten zögerte, sprach der Baron.

„Nähern Sie sich ohne Furcht; es ist Dhruva, der Brahmane, er hört und sieht nichts, denn längst ist er halb blind und taub, und besäße er auch alle seine Sinne, so wäre doch nichts in der Welt im Stande, den Alten in der Lectüre der heiligen Vedas zu stören … Was sagen Sie zu meiner Ueberraschung? …“

Ich betastete mich ängstlich, wie war mir doch? Alles dies Wirklichkeit?! … Der Götzentempel, die Pagode, der gespenstische Brahmapriester!! … Ich trat näher, der Greis saß unbeweglich wie sein Gott draußen in der Nische – eine versteinerte Ewigkeit.

Jetzt erst bemerkte ich ein halbnacktes Individuum, das, wie ein Höhlenthier zu den Füßen des Brahmanen zusammengekauert, uns blöd anstierte.

„Brigu, des Brahmanen Diener,“ erklärte der Baron … „und sein einziger Gesellschafter seit vierzig Jahren, beide zusammen zählen wohl zwei Jahrhunderte.“

Wenige Augenblicke später saßen wir im Tempel auf dem Sockel des Götzen.

H. begann. „Was ich Ihnen erzählen will, ist eine Chronik meiner Familie, deren Details ich oft aus dem Munde meiner mütterlichen Großtante, Theobalde van Schapenham, gehört habe, die zur Stunde in unserer Familiengruft zu Zütphen ruht.“

Und jetzt erzählte mir Baron H. die sonderbare Geschichte, die ich „das Geheimniß des Brahmanen“ genannt habe.

Piet van Schapenham war Mitte des vorigen Jahrhunderts der reichste Geizhals in Broek. Er hatte zwei Töchter, Theobalde und Walburga, und einen Sohn, Dirk. Walburga, die Großmutter mütterlicherseits des Barons, starb zur Zeit, während Onkel Dirk, wie mein Freund sagte, der in Folge eines Zerwürfnisses mit seinem Vater in britische Dienste getreten war, sich in Indien gegen die Fürsten des Mahrattenbundes schlug. Dreißig Jahre verlebte Dirk im Lande der Hindu’s, erwarb Ehren und Schätze, und wenn er etwas von sich hören ließ, so war’s in ein paar Zeilen an seine Schwester Theobalde, die er immer zärtlich geliebt hatte. Da starb der alte Schapenham im Alter von neunzig Jahren mit Hinterlassung eimes kolossalen Vermögens. „Dirk kam nach Europa zurück, jedoch in einem so seltsamen Aufzuge, daß alle braven Broeker Mund und Nase vor Erstaunen aufrissen Er trug nämlich ein weißes Brahmanencostüm mit Sandalen und Turban, goldene Ohrringe und eine baumwollene Brustschnur als Kastenabzeichen. Begleitet war er von seiner sechszehnjährigen Tochter Diava, deren Hinduamme Naorie, einem wahrhaftigen Brahmanen in Fleisch und Blut, mit Namen Dhruva, und zwei indischen Dienern Brigu und Savra, blutarmen Teufeln aus der niedrigen Sudrakaste, von denen der letztere noch mit der Bewachung eines garstigen Affen aus der heiligen Affendynastie von Mattra betraut war. Unter diesen braven Leuten waren insbesondere Naorie und die beiden Hindu’s in einer den klimatischen und anstandsüblichen Traditionen Althollands wenig entsprechenden Weise costümirt, indem die Toilette Ersterer aus einem blaugläsernen Nasenring und einem kürzen Röckchen bestand und die armen Sudra's außer Turban und Wollhemd nichts Warmes, als einen Ledergürtel und ein Paar Bronzeohrgehänge besaßen. „Heiliger Gott,“ riefen die Broeker mit aufgehobenen Händen, „Dirk van Schapenham ist verrückt geworden was will er mit seiner gottlosen, halbnackten Gauklerbande?!“ …

Der indische Crösus antwortete auf die Entrüstunug seiner honorablen Landsleute damit, daß er zur Stelle einen Architekten aus England kommen ließ, der ihm in einem Jahre den indischen Palast hinzauberte, welcher noch heute den Namen des „Brahmanenhauses“ trägt. Hier installirte sich der Sonderling mit seiner Tochter, seinem Brahmanen, seinen Hindu’s und dem heiligen Affen, nachdem er seine Schwester Theobalde, die aus Neigung und ihres mangelhaft schönen Wuchses halber unverheirathet geblieben war, gebeten hatte, die Leitung des Haushaltes zu übernehmen. Tante Theobalde, erzählte der Baron, eine grundgescheidte, vorurteilsfreie Frau, die ihren Bruder trotz seiner Brahmamanie herzlich lieb hatte, hat mich in meiner Kindheit oft stundenlang von den Wunderlichkeiten dieses Haushaltes köstlich unterhalten. Dhruva, der Brahmane, entschieden die Hauptperson im Hause, war Hauscaplan, Hofmeister, Vertrauter und Factotum des Onkel Dirk, der dem heiligen Manne die unbegrenzteste Ehrfurcht bezeigte. Theobalde schilderte ihn als einen wunderschönen Hindu von etwa fünfzig Jahren, mit großen, glanzvollen Augen, feinen, wie aus vergilbtem Elfenbein gedrechselten Zügen, kurzem, schwarzem Bart und Haar, mit Händen, durchsichtig wie Bernstein, und einer gebieterischen Gestalt. Cousine Diava schien eine besondere Zuneigung zu ihm zu nähren, welche der schöne Indier sichtlich erwiderte.

Diava war ein zartschlankes Sonnenkind, launig, indolent, krankhaft phantastisch, bald nur Jubel, bald nur Thränen und von ihrem Vater förmlich vergöttert. Schapenham war ein harmloses Original seltenster Art. Eine von Natur krankhafte Phantasie und das jahrelange Studium der indischen Literatur hatten ihn zur fixen Idee geführt, die Seele eines Brahmanen habe sich in ihm verkörpert und er müsse deshalb durchaus nach dem Gesetz Manu’s leben. Er hatte eine Indierin aus der Brahmanenkaste geheiratet und aus diesem Grunde schon von allen Europäern abgeschlossen gelebt. Diava’s Geburt, nachdem er mehrere Kinder verloren, war der Lichtpunkt seines einsamen Lebens. Die Taufe des Kindes war äußerst seltsam. Der glückliche Vater nämlich öffnete das heilige Buch Manu’s und las folgende Stelle:

„Der Name des Weibes soll leicht auszusprechen, sanft und hellklingend sein und in Vocalen enden, damit er töne wie Worte des Segens.“

Und so nannte er das Kind der indischen Mutter „Diava“, das ist „Himmelskönigin“.

Ein zweiter Glückstag war für den indischen Gelehrten der Tag, wo ihm die Leydener philosophische Facultät, in Anerkennung seines analytisch-kritischen Werkes über die „Puranas“ oder indischen Legendensammlungen, das Ehrendoctordiplom verlieh.

In der Hierarchie der Bewohner des seltsamen Hauses kam nun der heilige Affe, der seinen Namen „Dämon“ in jeder Beziehung rechtfertigte. Tante Theobalde konnte nicht genug von dem boshaften Thiere erzählen, das insbesondere die Sudra´s unbarmherzig mißhandelte, welche ihrerseits die gottgeweihte Bestie nicht zu berühren wagten. Diava allein stand in Gnaden bei diesem vierhändigen Satan, dessen Streiche ihr oft viel Kurzweil bereiteten. Das eine Mal hatte der Affe die Bananen und Mangofrüchte verspeist, welche Mynheer Schapenham selbst in einem besonderen Gewächshause zog, um sie Wischnu als Opferspende darzubringen. Dann raubte „Dämon“ seinem in die [122] Lectüre der Vedas vertieften Herrn den Turban und kletterte damit auf’s Dach hinauf, und einmal sogar, als Dhruva und der Hausherr sich anschickten, zu ihren Abwaschungen geweihtes Gangeswasser aus der Messingtonne zu schöpfen, welche der Sonderling, wohl versiegelt und mit dem Echtheitszeugniß eines Brahmanen versehen, aus Indien hatte bringen lassen, fanden sie den Affen darin, ein Morgenbad nehmend.

Schapenham las indeß tagtäglich mit seinem Lehrer in der besonders als Brahmanenwohnung erbauten Pagode die heiligen Bücher, brachte Wischnu die vier vorgeschriebenen Opfer dar und vollzog die gebotenen Abwaschungen. Dies einförmige Leben hätte wohl immerfort gedauert, wäre nicht eines Tages ein Gast in der Villa Schapenham zugelassen worden. Dies war Marius Deepenblad, Doctor der Philosophie und Neffe des Herrn Pastors in Broek. Der jugendliche Schlaukopf brachte ein glattes, blondlockiges Milchgesicht und eine angeblich unwiderstehliche Monomanie für die asiatischen Religionen mit, die ihm rasch die Zuneigung des Brahmanen erwarb, während Schapenham selbst, binnen Kurzem die Unwissenheit des verkappten Orientalisten und dessen minder verkappte Absichten auf Diava durchblickend, den Doctor bald mit sichtlicher Kälte behandelte. Deepenblad, der allsogleich Dhruva’s Einfluß im Hause erkannt hatte, bat den Brahmanen ihn in den heiligen Büchern zu unterweisen. Bald erschien der speculative Novize tagtäglich im „Brahmanenhause“. Diava bekam viel zu lachen über die wunderlichen Verstöße und Uebertretungen des angehenden Brahmanenjünglings, den sie im Uebrigen als neues Element in ihrem orientalischen Einerlei leidlich gerne sah. Dhruva hielt große Stücke auf seinen neuen Schüler, welcher dem auf seine Manie und den Umgang des Brahmanen eifersüchtigen Schapenham als Nebenbuhler von Herzen zuwider war. So standen die Dinge, als plötzlich ein Fremder im „Brahmanenhause“ erschien. Es war ein stattlicher Mann von etwa vierzig Jahren mit einem interessanten Kopfe und vornehmen Manieren. Der Fremdling, der einen Empfehlungsbrief von Lord Chelsea vorzeigte, hatte kaum seinen Namen genannt, als Dirk in seine Arme stürzte.

„Elisha Tavor, mein Lebensretter!“

„Sie erinnern sich noch meiner, Sir?“ rief der Fremde, „es sind wohl siebenzehn Jahre her …“

„Als Sie mich auf meiner Reise nach Maissur aus den Würgerhänden einer Thugbande, jener furchtbaren Mörder,[1] retteten, die mich schon halb erdrosselt hatten.“

„Ich war damals ein blutjunger Offieier,“ lächelte der Brite …

Tavor installierte sich auf ein paar Tage in der Villa. Bei Tisch wurde er dem Brahmanen vorgestellt. Seltsam! Als Tavor, der als Anglo-Indier seinen brahmanischen Höflichkeitscodex von Grund aus weg hatte, den heiligen Mann mit dem Brahmanen gegenüber üblichen Gruße: „Mögest Du lange leben, o würdiger Mann“, begrüßte, verlor Dhruva sichtlich die Fassung und blieb dem Gaste die Antwort schuldig.

Während der Mahlzeit, welche die beiden Fanatiker der Vorschrift gemäß schweigend und gegen Morgen gekehrt hinabschlangen, beobachtete Tavor den Brahmanen so aufmerksam, daß er sich dadurch mehrere ironische Bemerkungen Diava’s zuzog. Am Abende, als sich der Brite auf Diava’s Bitten anschickte, die Geschichte von der wunderbaren Rettung ihres Vaters aus den Krallen der Thugs zu erzählen, zog sich der Brahmane in seine Pagode zurück. Niemand, außer Tavor, achtete auf diesen Umstand.

Warum doch verflossen drei Mouate, ohne daß Tavor daran dachte dem „Brahmanenhause“ Lebewohl zu sagen? … Diava fragte sich selbst, warum, und das Kinderlachen erstarb auf ihren Lippen … Tage lang saß sie träumend … Welch’ neue Welt erblühte doch in ihrer Brust! … Der glattwangige Liebling Dhruva’s erkennend, daß Diava nicht von ihm träumte, hatte dem Unterricht seines Brahmanenlehrers, seiner hoffnungslosen Speculation auf das Millionärskind und der ganzen „Narrenvilla“, wie er sich ausdrückte, bald den Rücken gekehrt.

Schapenham war glücklich, seinen Lebensretter bei sich zu haben, und bemerkte insbesondere mit Vergnügen, daß Diava im dunkelblauen Auge des Anglo-Indiers mehr Geheimnisse zu lesen schien, als alle heiligen Bücher Indiens enthalten. Dhruva allein, von seinem Freunde und Diava etwas vernachlässigt, grollte dem Fremdling und entzog sich soviel als möglich dessen forschenden Blicken.

Da eines Tages belauschte Diava ein Gespräch zwischen Dhruva und ihrem Vater in der Pagode. Es war von ihrer Verbindung mit Elisha Tavor die Rede. Der Brahmane zeigte sich als der erbittertste Gegner dieser Heiralh und beschwor seinen Freund und Schüler auf den Knieen, Diava nicht einem Manne, den er haßte, zum Weibe zu geben. Das Mädchen konnte das außerordentliche Interesse, welches der Brahmane an ihrer Verheirathung zu nehmen schien, durchaus nicht begreifen.

Von dieser Stunde aber zeigte sie sich kälter gegen den Brahmanen, dem diese Aenderung tiefen Kummer zu verursachen schien. Die Scene in der Pagode hatte Diava dem Mann ihres Herzens mitgetheilt. Kurze Zeit darauf, des Nachts, lag Dhruva in tiefem Schlafe, da flüsterte ihm eine Stimme in´s Ohr: „Sarpa!“ Der Brahmane fuhr auf … Tavor stand vor ihm. Der Brite deutete stumm auf die nackte Brust des Indiers, wo eine blaue Schlange gemalt stand. „Sarpa“ heißt „Schlange“. Dhruva schloß blitzschnell sein Kleid, das Tavor ihm während des Schlafes geöffnet hatte, um ein geheimnißvolles Zeichen zu finden, welches seine Vermuthungen über die Person des Brahmanen bestätigen sollte. Dies Zeichen hatte er nun gefunden.

„Dhruva,“ sprach er langsam, „furchtbarer Würgengel, Haupt der Thugs, Deine Stunde ist gekommen!“

Der Brahmane starrte den Briten mit wilden Blicken an.

Tavor fuhr fort.

„Du hast längst den Sipoyofficier erkannt, der Deine Bande an den Ufern des Kaveri vernichtet. Du allein entkamst damals, heute bin ich da, um Dich den Schergen meines Königs zu übergeben.“ …

„Das heilige Gesetz verbietet Deinem Könige einen Brahmanen zu tödten,“ sprach Dhruva dumpf …

Der Engländer stieß ein spöttisches Lachen aus. „Hast Du vergessen, daß General Moore an einem Tage fünf gefangene Brahmanen aus einer Thugbande zu Seringapatam hinrichten ließ?“

Dhruva sank auf sein Lager zurück.

„Der Wille Brahma’s geschehe!“

„Nimm dies Gold hier, verlasse dies Haus, schwöre mir auf die heilige Welle des Ganges, nie mehr wiederzukehren, und Du bist frei!“

„Dies Haus verlassen?“ schrie der Brahmane in wildem Schmerze; „niemals!“

„Schwöre!“ drohte Tavor.

Der Brahmane umfaßte schluchzend die Kniee des Briten:

„Stoße mich nicht von dieser Schwelle, tödte mich lieber!“

„Ich gebe Dir Bedenkzeit bis morgen früh,“ schloß Tavor, die Pagode verlassend, indeß der Indier sich wie ein zerhauener Wurm auf seinem Lager wand.

Welch’ geheimnisvolle Bande mochten den früheren Thughäuptling an dies Haus fesseln? Das war das Geheimniß des Brahmanen, der trotzdem am kommenden Morgen verschwunden war. –

Von dem räthselhaften Verschwinden Dhruva’s, worüber sich alle Bewohner der Villa, Schapenham insbesondere, vergeblich den Kopf zerbrachen, datirte ein neues Leben für das indische Haus, aus dessen Mauern mit dem Brahmanen der fremdartige Geist entwichen schien. Mynheer Dirk wurde zugänglicher für seine Landsleute und legte in Gesellschaft selbst sein Brahmanengewand ab. Diava’s Glück verjüngte den sonderbaren alten Mann. Die Hochzeit beider Liebenden wurde auf den Geburtstag der Braut in sechs Mouaten festgesetzt, da der Bräutigam sich wichtige Familienpapiere aus Calcutta zu verschaffen hatte. Diava fand zwar die Zeit unendlich lange, indeß am Ende kam doch der Tag des „Beglückwünschungsfestes“, der in Holland jeder Heirath um eine Woche voranzugehen pflegt.

Tavor hatte Abends vorher ein Kistchen erhalten, welches den Poststempel „Madras“ trug. Er fand darin ein wundervolles Bouquet von den seltensten, farbenprächtigsten Blumen Indiens. Obwohl dem duftigen Geschenke nicht die geringste Angabe über den Spender beigegeben war, so zweifelte er dennoch keinen Augenblick daran, daß die Blumen ein Hochzeitsselam seines in Madras [123] ansässigen Bruders sein mußten, und beschloß seiner Braut den leuchtenden Blumengruß aus der fernen Heimath zum morgigen Tage darzubieten.

Nie hatte das düstere Brahmanenhaus so zahlreiche Gesellschaft gesehen, wie zum Tage der „Beglückwünschung“ der schönen Indierin. Diava bot mit strahlendem Antlitze ihren Gästen den „Brautzucker“ und den Festwein, den man in Holland so poetisch die „Brautthränen“ zu nennen pflegt. In ihrer Hand hielt sie den Prachtstrauß, dessen Duft sie von Zeit zu Zeit mit einer wilden Begierde einzuathmen schien.

Das Festgelage zog sich in die Länge. Papa Schapenham, um sich für seine langjährige Brahmanenenthaltsamkeit zu entschädigen, sprach dem goldnen Weine tapfer zu. Die Liebenden saßen dicht beisammen, ihr Hauch vermischte sich mit dem würzigen Odem der indischen Blumen, hinter denen Diava ihr erröthendes Haupt verbarg. Festfreude glühte auf jedem Antlitz. Da plötzlich tauchte der Kopf Diava’s hinter dem Strauße hervor … sie war todtenbleich … Tavor starrte seine Braut entsetzt an … In diesem Augenblicke erschien eine weiße Gestalt am Eingange, es war Dhruva, der Brahmane …

Ein Blick auf Diava, ein Angstruf: „Mein Kind!“ und der Indier riß die Blumen aus den Händen der Braut, die Tavor mit seinen Armen umfaßt hielt. Einen Augenblick stand der Bräutigam noch, dann brach er zusammen, und Beide lagen da im Tode verschlungen. Die indischen Blumen waren vergiftet …

Die Gäste flohen vor Entsetzen …

Der Brahmane aber ergriff den versteinerten Brautvater bei der Hand und zog ihn fort nach dem Wischnutempel. Hier begann er: „Wisse endlich das Geheimniß meines Lebens. Diava ist mein Kind und nicht das Deinige.“

Dirk van Schapenham stierte den Indier mit irren Blicken an. Dhruva fuhr fort: „In einer dunklen Nacht, wo die Zeichen der Göttin Kali schwiegen, überfiel der Brite Tavor mit seinen Sipoys eine Schaar Thugs am Strome und würgte sie alle, Weib und Kind bis zum letzten lebenden Wesen. Einer nur entkam mit einem neugeborenen Kinde, dessen Mutter im Todeskampfe lag. Auf der Flucht traf er Dein Landhaus. Du warst abwesend. Die Verfolger auf den Fersen, rettete er sich in das Schlafzimmer Deines Weibes, das mit ihren Dienerinnen in Thränen lag. Sie hatte vor wenigen Stunden ein Kind geboren, das Kind aber war todt. Sie hatte Mitleid mit dem Flüchtlinge und verbarg ihn; die Gefahr ging vorüber. Der Anblick Deines todten Kindes gab dem Verfolgten einen Gedanken ein. Wie sollte er seines geliebten Kindes Dasein fristen, bei dem Leben, das ihm gleich einem gehetzten Wilde bald in Waldeshöhlen, bald in den Einöden der Dschungeln bevorstand? Da machte er seinem Kinde das geheimnißvolle Zeichen auf die Stirn und gab sein lebend Fleisch für Dein entseeltes hin … Die Mutter und die Frauen jauchzten auf, denn sie wußten, daß Dein heißester Wunsch nach einem Kinde ging. Der Vater aber floh und lebte eimsam; denn Du weißt, ein entdeckter Thug kehrt nie mehr zu seinem Handwerk zurück. Der Thug war ich. Bald zog’s mich mächtig zu meinem Kinde zurück, und eines Tages kam ein Bettler an Deine Schwelle, Du speistest ihn. Der Bettler war ich. Einige Zeit darauf kam ein Mann, der sprach: „Ich bin ein Brahmane, der ein Opfer bringen will“. Du nahmst ihn auf. Der Brahmane war ich, denn echt Brahmanenblut strömt in meinen Adern … Ich sah mein Kind und sah, daß man streng das Geheimniß bewahrt. Dein Weib starb, Du wolltest Brahma’s Jünger werden, und ich kam für immer in Dein Haus. Jahre vergingen, ich lebte bei Diava und war glücklich. Da verließen wir das heilige Land und zogen unter diese bleichen, kühlen Menschen … was that’s? Ich lebte bei Diava, und sie liebte mich. Da kam der Fremde, er sah mein Kind und böse Lust stieg in ihm auf … umsonst versuchte ich alle Zauberformeln, der Dämon siegte, und Diava’s Herz wandte sich von mir …“

Hier hielt der Brahmane inne; Thränen stürzten aus seinen Augen.

„Sollte der Mann, der Diava’s Mutter und alle Unseren hingemordet, das süße Kind besitzen? Nimmermehr! – Er hatte mich erkannt und zwang mich im Geheimen, das Haus zu fliehen, wo meine Augenweide war – ich schwor ihm bei des heiligen Stromes Welle, niemals zurückzukehren …“

Dhruva stieß ein wildes Gelächter aus …

„Ein Schwur in den Wind war’s, denn wir Thugs schwören den furchtbarsten der Schwüre nur bei der ‚heiligen Axt‘, und längst hatt’ ich diesen Schwur gethan, unsern Todfeind zu vernichten. Ich ging … und heute bin ich wieder da … die Blumen waren meine Todesboten; ich sandte sie dem Feinde, damit er sterbe, bevor er meine süße Blume pflücke. Ich wollte den Adler würgen und zermalmte mit ihm die Taube. Brahma’s Wille war, daß Diava sterbe, Brahma sei verherrlicht in alle Ewigkeit.“

Mit diesen Worten verschwand der Brahmane in der Pagode.

Am Morgen fand man Dirk van Schapenham zu Füßen Wischnu’s … todt … Der furchtbare Schmerz hatte ihn getödtet.

Ein von zwei Jahren her datirtes Testament des Sonderlings vermachte sein ganzes Vermögen seiner Tochter Diava mit der Clausel, dem Brahmanen Dhruva die Broeker Villa mit allem dazu Gehörigen zur lebenslänglichen Benutzung zu überlassen. Tante Theobalde, die einen Theil der Erzählung des Brahmanen im Tempel belauscht hatte, klagte den Indier vor Gericht des vorbedachte Mordes an Elisha Tavor an. Da jedoch in der Voruntersuchung der Zustand unheilbaren stillen Wahnsinns bei dem Unglücklichen constatirt wurde, ließ man die Anklage fallen und installirte, dem Testamente gemäß, den harmlosen Irren in der Schapenham’schen Villa, nachdem die beiden anderen Hindus mit den nöthigen Mitteln zur Rückkehr in ihr Vaterland versehen worden waren. – –

Mein Freund hatte geendet. Tief erschüttert verließ ich das „Brahmanenhaus“ …

Ein Jahr darauf schrieb mir Baron H.: „Ich bin mit meiner jungen Frau auf Besuch bei Dhruva gewesen. Während wir im Tempel saßen, erschien der Brahmanengreis plötzlich am Eingange der Pagode. Er wankte einige Schritte vorwärts, sprach mit dumpfer Stimme das Wort ‚Aum‘ und brach beim Bilde seines Götzen todt zusammen. Sein letztes Wort war das mysteriöse Wort der indischen Dreieinigkeit gewesen, welches für die Brahmanen das ewige Leben in der Anschauung des allerhöchsten Wesens enthält.“ –

Heute ist das „Brahmanenhaus“ Eigenthum meines liebenswürdigen Reisegefährten, dem ich diese Mittheilungen verdanke.



  1. Die Thugs sind bekanntlich eine seit jahrhunderten in Ostindien verbreitete furchtbare Secte, deren Cultus der Raubmord ist, den sie durch Erdrosselung ihres erkorenen Opfers zu vollziehen pflegen. Sie weihen ihrem Gotte Menschen, etwa wie der Priester der Gottheit ein Thier zum Opfer schlachtet.