Das Opfer (Die Gartenlaube 1898)

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Titel: Das Opfer
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aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 425, 452
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[425]
Datei:Die Gartenlaube (1898) b 0425.jpg

Das Opfer.
Nach dem Gemälde von R. Ernst.

[452] Das Opfer. (Zu dem Bilde S. 425.) Kein Land der Erde bietet so merkwürdige Erscheinungen auf dem Gebiete des Religionswesens wie das märchenhafte Indien. Hier haben die Arier die milden Lehren von Brahma und Buddha ausgebildet, bis hierher drang der Islam erobernd vor, und bei zahlreichen Volksstämmen erhielt sich als ein Ueberrest der Religion der Naturvölker ein finsterer Dämonenkultus. Kein Wunder, daß in diesem so dichtbevölkerten Lande unter diesen Umständen eine Menge von Sekten entstand, in welchen die wunderbarsten Bräuche herrschen. Die Arier hatten schon frühzeitig in ihrer Götterverehrung auf das blutige Opfer verzichtet. An Stelle der Rosse, Kühe, Ziegen und der Tiere des Waldes traten bei den Brahmanen und Buddhisten mildere Opfergaben, die in Feldfrüchten und Blumen bestehen. Aber hier und dort haben sich dennoch Gewohnheiten aus barbarischer Vorzeit erhalten. So verehrt man z. B. in Bengalen und Südindien die Göttin Parvati durch einen blutdürstigen Dienst. Sie wird in den Tempeln bald in abscheulicher Gestalt, bald in anmutigeren Formen dargestellt, und in vielen Gegenden gilt sie als die Göttin der pestartigen Krankheiten. Zu ihrer Sühnung sind blutige Opfer nötig, und von ihr wird in alten Büchern berichtet, das Opfer eines Menschen oder eines Raubtieres besänftige sie für tausend Jahre. An solche Ueberlieferungen hat R. Ernst gedacht, als er sein stimmungsvolles Bild schuf, das wir heute im Holzschnitt wiedergeben. Die Leute, die hier in dem geheimnisvollen Tempel ihr Opfer darbringen, huldigen noch zum Teil dem Dämonenglauben und meinen, daß in dem Tiger Dämonen stecken oder böse Menschen die Tigergestalt annehmen. So gewinnt ihr Opfer noch eine tiefere Bedeutung. Neben dem Weihrauchbecken kniet der Priester, durch dessen Gebete das Opfer erst die volle Wirkung erreicht. Dem Künstler ist es trefflich gelungen, die Gegensätze, die in den Glaubensbekenntnissen der Indier so häufig verborgen sind, zum Ausdruck zu bringen. Neben dem Buche mit den heiligen milden Lehren, neben duftigen Blumengaben und dem inbrünstig betenden Priester gemahnt die Schar der Männer, die das wilde Tier des Waldes in die stille Tempelhalle tragen, an die Thatsache, daß hier Millionen von Menschen noch in den Banden des tiefsten Aberglaubens seufzen. *