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Der Prosector in der Westentasche

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Vorbemerkung

Den Medizinstudenten wurde im vorletzten Jahrhundert noch die Durchführung pathologisch-anatomischer Sektionen zur Feststellung von Krankheiten und Todesursache abverlangt (nicht zu verwechseln mit der anatomischen Sektion oder Präparation der Formalin-fixierten Leiche, bei der auch heute noch die Studenten die Anatomie erlernen). „Der Prosector in der Westentasche“, eine Anleitung in Versen zur standardisierten Sektion nach Virchow, sollte zu diesem Zwecke den Studenten als Lern- und Merkhilfe dienen. Ein ähnliches Werk ist der Prosector poeticus (Leipzig 1888).

Hinter dem „Meister“ bzw. „er“ genannten Prüfer verbirgt sich der Strassburger Pathologiedirektor Friedrich Daniel von Recklinghausen.[1]

Der Prosector in der Westentasche.

Textdaten
Autor: Dr. Heinrich Imbecillus
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Titel: Der Prosector in der Westentasche.
Untertitel: Strassburger Sektionstechnik in Versen
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Verlag von W. Heinrich.
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Erscheinungsort: Strassburg i.E.
Übersetzer:
Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Digitalisat der Uniklinik Saarland. Die Scans sind auch auf Commons verfügbar.
Kurzbeschreibung: Historische Sektionsanleitung in Versen
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[1]
Der Prosector
in der Westentasche.

Strassburger Sektionstechnik in Versen
von
Dr. Heinrich Imbecillus.


Strassburg i. E.
Verlag von W. Heinrich.
1894.


[3]
          Einleitung.

Manch einer nützt nicht viel im Leben,
Ist doch im Tod nicht ganz verloren,
Wenn er dazu ist auserkoren
Als Material sich herzugeben,
Damit daran die Herrn Studenten
Nun das Secieren lernen könnten.

Manch andrer war auch manches nütze,
Muss doch der Menschheit nochmals dienen;
Säh der ringsum vergnügte Mienen
Und hörte wohl auch schlechte Witze,
Dächt’ er mit Recht: als Material
Hol euch der – Tod einst auch einmal!

Drum ehret die entseelten Leiber,
So nackt sie auch vor euch sich zeigen;
Sind sie erst eurem Messer eigen,
Ob Kinder, Männer oder Weiber, –
Ehrt sie vor allem jederzeit
Durch Ernst, Geschick und Sauberkeit!

[4]

Nach dieser Introduktion
Beginn ich mit der


          Inspektion.

Den Leichnam sollst du überblicken
Nicht blos von vorne, auch vom Rücken.
Rasch wirst du dir darüber klar,
Was männlich und was weiblich war.
Dafür ja schon bei einem Kind
Die Zeichen doch recht deutlich sind.
Erröt’ nicht angesichts der Blösse,
Nenn lieber schnell die Körpergrösse,
Sag, wie die Knochen sind gebaut
Und wie beschaffen ist die Haut.
Ob Anämie[2], Blutüberfluss[3],
Ob Cyanose[4], Ikterus[5],
Ob Flecken, ob ein Ausschlag da,
Findst du etwas, diktier’ es ja!
Weisst du nicht sicher: Ist das Schmutz?
Mit einem Schwamm darüber putz’!
Darfst Narben, Wunden nicht vergessen,
Hast sie vielmehr genau zu messen.

[5]

Entdeckst du eine Tätowierung,
Dient dir’s wohl gar zur Orientirung,
Wess’ Geistes Kind der Mensch gewesen:
Aus solchen Zeichen lässt sich lesen!
Denn liess mit einer Balleteuse
In ihres vollen Busens Blösse
Sich einer seinen Thorax[6] schmücken,
Lässt’s tief in puncto puncti[7] blicken.
   
Oedem[8], Geschwülste und dergleichen,
Beim Weib der Schwangerschaften Zeichen,
Beim Kind zumal den Nabelstand
Diktiere laut und recht gewandt.
Und gründlich kannst du ohne Hasten,
Den Leichnam unterdess’ betasten,
Du hast selbst schöner Brüste wegen,
Dich dabei niemals aufzuregen.
Weh, wenn da arges unterliefe!
Nein, reinen Sinnes einfach prüfe
Fettpolster und Muskulatur!
Die Thoraxform, des Bauchs Figur,
Ob eingesunken, aufgetrieben,
Wird auch in’s Protokoll geschrieben,
Desgleichen die Asymmetrieen.

[6]

Drauf prüf’ in Hüftgelenk und Knieen,
Am Arm, der Totenstarre Stärke,
Dann greif’ zum Messer – auf zum Werke!

Beim Werke, das wir jetzt beginnen,
Schickt mancher sich so tappig an,
Scheint mancher manchmal so von Sinnen,
Dass der es nur begreifen kann,
Der selber im Amphitheater[9]
Gestanden ohne Notberater.
So hab’ auch ich einst mitgemacht,
So wurd’ auch ich einst ausgelacht.
Doch seht, mit meinem guten Herzen
Möcht’ ich euch sparen solche Schmerzen.
Ich mach’, ist’s auch nach Tag und Jahr,
Ein alt’ Versprechen doch noch wahr;
Ich hoff’, dass niemand drüber muckt,
Erscheint es Schwarz auf Weiss gedruckt!


Eröffnung der Schädelhöhle.

Von einem Warzenfortsatz gehe
Der Hautschnitt auf die Scheidelhöhe
Zum andern Fortsatz in der Norm,
Dass er bekömmt Hufeisenform.

[7]

Und darauf frei das Schädeldach
Bis an den Orbitalrand[10] mach’,
Die Schuppe[11] auch vom Occiput[12]
Befrei von jedem Weichteil gut.
Wagrecht durchsäg den Schädel, rund
Dann zwischen Stirnbeinhöcker und
Dem obern Rand der Orbita,
Doch schon’ des Schädels Inhalt ja!
Die Säge hinten fingertief
Unter dem Lambdawinkel[13] lief.
Drauf mit der Darmscheer stumpfer Spitze,
Gesetzt, dass sie zu fest nicht sitze,
Die Dura mater[14] abgewühlt,
Das Dach gelöst und abgespült.
(Hängt fest die Dura an dem Dach,
Die Sache etwas anders mach.
Durchschneide sie dann ringsum fein,
Stich auf die Crista galli[15] ein,
Von dieser noch die Falix[16] zu trennen.
Wirst jetzt den Deckel heben können!)
Nun wird das Schädeldach betrachtet,
Die Form und Dicke wohl beachtet,
Ob’s sehr, ob’s wenig transparent,
Ob Impressionen man erkennt;

[8]

Auch an den Nähten[17] den Befund
Thu’ möglichst laut und deutlich kund;
Doch sage nie die Diagno’s –
Hier gilt es die Beschreibung blos!
Den medianen Sinus[18] drauf
Mit langem Flachschnitt schneide auf.
Wenn du hier ein Gerinnsel findest
Nach Art und Schichtung du’s verkündest.

Fass jetzt mit der Pincette zu,
Durchschneid’ die Dura rings in Ruh
Vorsichtig mit der kleinen Scheer –
Mit einem Messer ist’s zu schwer.

Nun eine Hälfte umgeklappt,
Damit man alles fein ertappt,
Was in und unter ihr nicht stimmt;
Drauf man die andre Hälfte nimmt
Die Dura wird gespannt gehoben,
Und senkrecht sticht man ein von oben,
Löst so die Falix vom Hahnenkamm
Und zieht sie nun nach hinten stramm;
Durchtrennt sie flott am queren Sinus,
– Wer das nicht weiss, hat schon ein minus! –

[9]

In toto[19] drauf die Dura wird
Zart abgeputzt und inspiciert.

Bevor du noch an Weitres denkst,
Die Studien du darauf lenkst,
Wie stark die Gyri[20] ausgeprägt,
Siehst wohl auch, was du – angesägt.

Weisst du es richtig anzupacken,
Legst du den Klotz jetzt in den Nacken!


Herausnahme des Gehirns.

Es gilt verschied’nes zu durchschneiden:
Den Riechnerv erst und dann den zweiten,
Worauf sich beide Karotiden[21]
Sogleich der Messerklinge bieten.
Jetzt rechts, dann links den Schädel legen –
Es ist das des Tentoriums[22] wegen,
Das hinten hart am Felsenknochen
Von innen her wird abgestochen.
Es stützet das Gehirn gewandt
Von jetzt an deine linke Hand.
  
Es folgen dann am Augenspalt
Vier weit’re Nerven alsobald.

[10]

Durchschneid’ sie alle möglichst tief,
Sonst geht es später dir wohl schief!
Vom Fünften dann zwei Aeste noch
Am runden und ovalen Loch.
Der Siebt’ und Achte treten ein
Mehr hinten in das Felsenbein,
Die neunten, zehnten, elften Paare,
Je am Foramen jugulare[23].
Durchschneid’ das Kopfmark[24] drauf recht tief;
Der Schnitt geht meistens etwas schief.

Das Hirn nun fast zu Boden fällt;
Nur an den Vertebrales[25] hält
Es eben wie an einem Faden.
Durchtrenn’ auch diese – fort mit Schaden!

Und jetzt versuch’ dich mit der Wage!
Wie dir’s gelingt, das ist die Frage!

Mein lieber Freund, ein wenig schneller
Greif nach dem saubern Hartholzteller!
Und mit der Oberseite jetzt
Gleich das Gehirn daraufgesetzt.
Rasch wasch’ auch einmal deine Hände,
Und nun zur Schädelbasis wende

[11]

Den Blick nochmals gemess’ne Zeit,
Ob darin etwas Flüssigkeit,
Tumoren oder gar Fissuren[26],
Ob and’re patholog’sche Spuren;
Die Sinus jetzt noch aufgemacht:
So wär’ auch dieser Teil vollbracht!

In der Fissura Silvii[27]
Fein sorgsam nach Tuberkeln sieh,
Worauf dieselbe schleunigst wird
Mit flacher Klinge präpariert.
Nun hast du das Gehirn zu wenden
Das Kopfmark nach dem Obducenten.
Die Pia[28] weiter beiderseit
Den grossen Kanten nach durchschneid’;
Sie wird nach aussen abgezogen,
Doch gilt’s vorsichtig hier zu proben,
Ob fest, verwachsen, trüb sie sei;
Das alles ist nicht einerlei.

Ist das Gehirn schon weich und schmierig,
Wird jetzt die Sache gründlich schwierig,
Und auch wenn es noch ganz normal
Gelingt es doch nicht allemal.

[12]

Da kann man seine Kunst erst zeigen;
Der Rest ist freilich meistens ... Schweigen!


Eröffnung der Seitenventrikel[29].

Die Hemisphären[30], wer geübt,
Erst etwas auseinanderschiebt; –
Der Balken[31] so zu sehen wäre; –
Nimmt dann die linke Hemisphäre,
Und hebt ein wenig sie nach oben.
Das Messer wird weit vorgeschoben,
Dass man die ganze Klinge nütze
Und nicht nur schnitzle mit der Spitze.

Die Klinge zum halben Rechten geneigt
Schneid’ unter der Balkenwindung;
Das ist der Schnitt, mit dem man zeigt
Der Technik volle Ergründung.
Wer des Ventrikels Boden schont,
Mit stillem Beifall wird belohnt.
(Laut hab’ ich ihn nie loben hören,
Das kann ich nöt’genfalls beschwören!)
Vollend’ in des Ventrikels Ecken,
Den Schnitt, ihn gänzlich aufzudecken.

[13]

Hast glücklich du’s zu Weg gebracht,
Hab’ sorgsam weiter darauf Acht,
Ob drin die Flüssigkeit vermehrt,
(Wobei denn die Erfahrung lehrt:
Gelang das Kunststück leichter Hand,
Ein inn’rer Wasserkopf bestand!)
Der Ganglien[32] Färbung dir betrachte,
Bestreich’ mit einem Finger sachte
Dann auch einmal das Ependym[33],
Ob kleine Körnchen nicht auf ihm,
Ob es nicht wenigstens verdickt.
Du denkst: potz Blitz, ist das verzwickt!
Verzwickter ist’s, auf solche Sachen
Gar erst noch einen Reim zu machen!

Rechts hat dasselbe zu geschehen;
Brauchst dir den Teller nur zu drehen,
So hast du alles handgerecht;
Machst du es anders, ist es schlecht.


Eröffnung des dritten Ventrikels.

Durch das Monro’sche Loch[34] geschoben
Des Messers Spitze, und nach oben

[14]

Mit sammt dem Plexus[35] durchgekappt
Den Balken, und zurückgeklappt!
Rasch dann das Velum[36] präpariert,
Bis zum Vierhügel[37] inspiciert.
Die Zirbeldrüse[38] drauf durchschneide,
Den Balken lege hübsch zur Seite,
Nachdem er seitlich eingeschnitten.
So kannst du der Ventrikel dritten
Beschaun mit aller Musse ganz
In spiegelnder Beleuchtung Glanz.


Vierter Ventrikel und Kleinhirn.

Giebst du etwas auf meine Winke
Schieb unter’s Kleinhirn flach die Linke;
Den Oberwurm[39] mit langem Schnitte
Durchschneid’ darauf entlang der Mitte:
Hast jetzt auch den Ventrikel offen,
Und unverletzt, das will ich hoffen!

Durch jede Kleinhirnhemisphäre
Erfolgt ein Schnitt nun, der primäre,
Nach aussen hübsch von mitten innen;
– Kannst links dabei, auch rechts beginnen; –

[15]

Und dazu perpendiculär[40]
Schneid’ fächerförmig, radiär!

Führ’ diese secundären Schnitte –
‘s ist eine wohlgemeinte Bitte! –
Den linken Fingern parallel,
Sonst schneid’st du dich mit dem Skalpell.
Zuletzt mit sanftem Wasserstrahl
Durchblättre dann dein Werk einmal.


Grosshirnhemisphären,
Stammganglien und Basis.

Die beiden Grosshirnhemisphären
Nun vollends zu secieren wären;
In deines ersten Schnitt’s Vollendung
Giebst du der Sache diese Wendung:
Im halben Rechten leg’ den Schnitt,
Triffst so der Basis Ganglien mit;
Schneid’ bis zur Rinde, mit Geschicke
Lässt du hier stehen eine Brücke.
Senkrecht zur neuen Fläche dann
Leg’ weiter den Primärschnitt an.

[16]

Denk dir, dass jede Hemisphäre
Gleich einer Apfelsine wäre,
Die durch den Hauptschnitt erstlich wird
Gleichmässig kunstgerecht halbiert;
Dann der Primärschnitt unverweilt
Die ob’re Hälft’ zu Vierteln teilt;
Das äuss’re Viertel löse drauf
In die verschied’nen Schnitze auf –
(Das thun die secundären Schnitte,
Die ich nicht zu vergessen bitte!)

Die Ganglien noch übrig bleiben:
Zerleg’ sie in frontale Scheiben.
Was nur im Grosshirn ist zu sehen,
Kann dir so nimmermehr entgehen!

Hat man das gründlich inspiciert,
Wird alles wieder reponiert.
Nach allzu gründlichem Tranchieren[41]
Ist das so leicht nicht auszuführen,
Was sich zumal zu zeigen pflegt.
Wird das Gehirn jetzt umgelegt,
Um auch der Basis beizukommen;
Da wird manch böser Spott vernommen!

[17]

Es lässt die Pia ohne Mühen
Sich nun von Pons[42] und Kopfmark ziehen,
Worauf auch diese ein’gemal
Durchschnitten werden hübsch frontal.
Nun heisst’s, ein kleines Kunststück machen
Und alle diese Siebensachen
– So viele wurden meist daraus
Zum eig’nen und des Meisters Graus –
Fein pünktlich nochmals abzuwiegen;
Man lasse nicht das Beste liegen!
Die Differenz von beiden Malen
Soll ja die cerebrospinalen[43],
Nun abgeflossnen Liquormassen[44]
Nach ihrer Menge schätzen lassen.
Dann wär’ das schwere Werk vollbracht:
Der kann sich freu’n, der’s recht gemacht!

[18]
Die Brust- und Bauchsektion.

Vom Adamsapfel in der Mitte
Am Nabel links in keckem Schnitte
Bis zur Symphyse[45] schneide man
Und wend’ die ganze Schneide an.

Vorsichtig durch des Bauches Decken,
Um nicht dem Darme eins zu stecken;
Dann kerbt man beide Rekti[46] ein:
„Er“ macht das ganz besonders fein!

Drauf gilt’s mit ein’gen Messerzügen
Den Brustkorb sauber frei zu kriegen,
Wälzt man die Haut nicht tüchtig um,
Nimmt das der Meister gerne krumm.

Nun überblickt man schnell die Lichte
Des Bauch’s sonst düstere Geschichte,
Und bringt da recht vornehmlich bei,
Was etwa nicht in Ordnung sei.

[19]

Man sehe, ob im kleinen Becken
Nichts Patholog’sches zu entdecken,
Denn thut man das erst hinterher,
Ist oft die Diagnose schwer.

Zumal, wenn’s gilt den Bauch zu füllen,
Um eines Pneumothorax[47] willen;
Es wird ja, ist darauf Verdacht,
Voll Wasser ganz der Bauch gemacht.

Das Zwerchfell sticht man an darunter,
Und trifft sich’s, steigen Bläschen munter
An’s Tageslicht mit viel Getös:
Versäumt man’s, wird der Meister bös.

Nun greift man zu dem Knorpelmesser –
Das alte kleine ist oft besser,
Doch breche man es ja nicht ab,
Wozu der Staat sein Geld nicht gab!

Die Schneid’ ist senkrecht aufzusetzen,
Um nachher sich nicht zu verletzen.
Setz an der zweiten Rippe an,
Die erste kommt erst später dran.

[20]

Mit flottem Zieh’n, ganz leichtem Drücken
Durchtrennt in wenig Augenblicken
Nah an dem Knorpelknochensaum
Die Rippenknorpel man wie Schaum.

Dem Meister wenigstens gelingt es,
So leicht kein anderer vollbringt es;
Wird solcher einem es zu schwer,
Langt keck er nach der Knochenscheer’.

Darfst jederzeit nach dieser greifen,
Die erste Rippe durchzukneifen,
Dem Platz zu lieb nach aussen mehr
Wird sie gezwickt von unten her.

Jetzt ist es Zeit, dass man gedenke
Der Brustbeinschlüsselbeingelenke:
Senkrecht die Spitze aufgesetzt
Im Bogen sie umstochen jetzt.

Weiss man nicht recht, wo sie gelegen,
Darf man die Schulter nur bewegen,
Und alsbald wird es offenbar,
Was eben noch sehr dunkel war.

[21]

Nun wird das Sternum[48] abgehoben,
Man dreht und zieht und reisst nach oben,
Was noch den Deckel tückisch hält,
Dem Messer rasch zum Opfer fällt.

Was lang in dieser Brust geborgen
Begrüsst den späten Montagsmorgen,
Nun offenherzig, wie noch nie!
Rasch, liebes Freundchen übersieh,

Wie sich die Lungen retrahierten,
Ob nicht die Pleuren[49] exsudierten,
Ob man Tuberkel[50] nicht gewahrt,
Wie gross, wie frei das Pericard[51]!

Drauf gilt es dieses einzuschneiden
Längs bis zur Basis, nach den Seiten
Nach links und rechts, du weisst ja schon,
Zum umgekehrten Ypsilon.

Der Körperhöhlenflüssigkeiten
Versichre man sich stets bei Zeiten.
Mit wahrer Virtuosität
Der Meister hier zu Werke geht.

[22]

Kostbarer, denn aus Malz und Hopfen,
Ist ihm ein jeder winz’ge Tropfen
Den er mit wohlgekrümmter Hand
Dem toten Leibe noch entwandt.

Dem Praktikant wird bang und bänger,
Die Zeit den andern lang und länger:
Dies war ja noch Introduktion,
Jetzt kommt erst recht die Sektion.
  
Es macht oft schon zu Lebenszeiten
Ein Herz recht grosse Schwierigkeiten,
Bis Klarheit man darob erreicht,
Doch auch im Tode ist’s nicht leicht.

Ja, wenn im Kopf sich die Ideen
In wildem Tanz dem Menschen drehen,
Wer weiss noch was die Regel heischt?!
Wie wird da oft ein Herz zerfleischt!

Wie oft musst’ solchen Jammer schauen
Der Meister schon mit inn’rem Grauen!
Ich fürcht’, an seinem Leben zehrt’s,
Drum dicht’ ich schnell Das Lied vom Herz.

[23]
     Das Lied vom Herz.

(Melodie: Wohlauf Kameraden, auf’s Pferd etc.)

Schieb’ deine linke hohle Hand
Dem Herzen völlig unter,
Zieh’s nach der rechten Thoraxwand
In sichrer Haltung munter;
Das Herz bleibt dabei unverdreht
Und seine Spitz am höchsten steht.

So spannest du am besten an
Die Venae pulmonales[52],
Die im Examen manchen Mann
Beim Situs[53] sehr fatales;
Dazwischen schneid’ den Vorhof ein,
D’rauf schone die Mitralis[54] fein!

So sparst dem Meister du Verdruss
Und dir gelinde Schande.
Den linken Herzventriculus
Eröffne längs der Kante;
Bis zu der Spitze schneide ja,
Sonst heisst’s: „Ist das geschnitten da?“

[24]

Vom linken Vorhof führe ein
Zwei Finger zur Mitralis,
Bringst du sie ohne Müh hinein,
Die Weite ist normalis.
Den Daumen dann der linken Hand
In des Ventrikels Schlitz gewandt!

Und in den linken Thorax d’rauf
Hinab das Herz versenke,
Dass beider Venae cavae Lauf
Zum Tageslicht sich lenke;
Grad’ zwischen beiden schneide dann
Den rechten Vorhof mutig an!

Darauf die Klappe überspring’,
Die man dreizipflig[55] nannte,
Und dann in den Ventrikel dring’
Knapp vor der rechten Kante;
Schneid’ an der Spitze nicht zu weit,
Weil dort das Septum[56] Halt! gebeut.
 
Den Daumen nun in’s rechte Herz
Den Index[57] in das linke,
Heb’ so das Ganze schädelwärts,
Schneid’s ab recht flott und flinke,

[25]

Doch nicht zu nah am Herzen dran
Dass man auch noch was sehen kann.

Du siehst, das ging ja ganz famos,
Der Meister selbst blickt heller,
Reicht dir sogar ganz anstandslos
Den nöt’gen Hartholzteller.
Nach vorn des Herzens Ohren steh’n,
Darnach kannst du nicht irre geh’n.

Rechts führe nun die Darmscheer’ ein
In des Ventrikels Mitte,
Such’ dir die Pulmonalis[58] fein,
Dann zu in keckem Schnitte! –
Vorsichtig schone dabei nur
Die Papillarmuskulatur[59].

Am Septum in’s Aortenrohr
Im linken Herzventrikel
Geh’ mit derselben Scheere vor,
Hab’ Acht, dass nicht ein Zwickel
Der Pulmonalis dabei fällt,
Und auch das Herzohr[60] sich erhält.

[26]

Es war mir angenehme Pflicht,
Bis hieher dich zu führen,
Wie schade, dass ich für dich nicht
Kann diagnosticieren.
Darin glänzt ein für allemal
Ein jeder selbst von Fall zu Fall!




Das Lied vom Herz ward ziemlich lang,
Gottlob es ist gesungen!
Es geht in regelrechtem Gang
Jetzt weiter zu den Lungen.


          Die Lungen.

Fass’ fest der linken Lunge Spitze
Und reiss’ sie vom gewohnten Sitze
Nach abwärts und links aussen hin –
Recht kräftig, das befriedigt ihn.
Schneid’ Bronchus und Gefässe knapp
Am Hilus[61] mit einander ab.
Dann kannst du sie beruhigt stecken
Vorläufig in das Wasserbecken.

[27]

Nimm auch die rechte ohne Flausen
Und ziehe sie nach unten aussen.
Durchschneide über deiner Hand
Am Hilus alles recht gewandt
In den bekannten grossen Zügen;
Die grössten grade noch genügen.
Darauf kannst du beruhigt stecken
Auch diese in das Wasserbecken.

(Sind beide Pleuren fest verklebt,
So sei zu trennen sie bestrebt
Mit deinen Fingern nur zuerst;
Ein Knorpelmesser dann begehrst
Du weiterhin mit Fug und Recht,
Geht es sonst gar nicht oder schlecht.
Zum Brustkorb senkrecht einen Schnitt,
Dann nimm die Rippenpleura mit.
Das weitere kann ich mir sparen:
Du hast wie oben zu verfahren.)

Jetzt aber kommt ein Hauptmoment,
Woran er jeden leicht erkennt,
Ob er nicht mit dem grossen Haufen
Vorzeitig meistens fortgelaufen:

[28]

Jetzt nämlich wird der Klotz entfernt,
Was man nur durch Anschauung lernt.
Dann aber lernt man es auch faktisch,
Dass dies gerade jetzt sehr praktisch!
Bevor die Lunge wird tranchiert,
Der Teller nämlich wird postiert
Topfeben auf der offenen Brust,
Da schneidet sich’s mit wahrer Lust!

Nun nimm die linke Lung’ herbei –
Die nämlich mit der Lappen zwei –;
Die wird auf ihre Basis jetzt
Gleich einem Kegel aufgesetzt.
Den Hilus von dir abgewandt
Fixier’ sie mit der linken Hand.
Bis auf die Basis von der Spitz’
Zu schneiden gleich ist hier der Witz;
Und zwar, ist es auch etwas schwer,
Zum Hilus perpendiculär.

Darauf eröffne mit der Scheere
Die Bronchien bis in’s Periphere,
Auch die Gefässe, denn er spitzt
Stets d’rauf, ob nichts in diesen sitzt.

[29]

Bist du damit zu End’ gekommen,
Die rechte Lunge vorgenommen!
Hier gilt es sich recht festzukrallen
Zugleich in den 3 Lappen allen.
Das übrige kann ich mir sparen:
Nur analog wie links verfahren!

Man achte auf Atelektase[62],
Auch auf Oedem und Hypostase[63],
Ob rauh der Schnitt, ob vielmehr glatt,
Ob, frisch gestrichen, glänzend, matt,
Ob Härten, Hepatisation[64],
Tuberkel oder Käse[65] schon,
Bronchiektasen[66] und Cavernen[67] ?
Ja, Freundchen, da giebts viel zu lernen!


Bauchorgane im Speciellen.

Es ist der Bauch mit vielen Dingen,
Auch wenn er leer ist, angefüllt;
Wie die gradatim man enthüllt,
Zu merken will oft schwer gelingen.
Zu End’ ist fortan diese Pein:
Ich pauk’ es euch in Versen ein!

[30]

 
Nächst der Milz die linke Niere,
Dann die rechte obduciere,
Den Zwölffingerdarm zerlege,
Achte auf die Gallenwege;
Magen und Oesophagus[68]
Nach der Regel folgen muss.
Dazu kommt das Pankreas[69],
Leber dann und Gallenblas’,
Drauf den Darm von dem Gekröse[70]
Aufwärts erst, dann abwärts löse.
Nach der Blase, kannst es ahnen,
Geht’s zu den Geschlechtsorganen,
Rektum, Damm, zum guten Schluss:
Darmeröffnung, Hochgenuss!


          Die Milz.

Es dient die Milz verzwickten Zwecken
Im linken Hypochondrium[71],
Wo sie gewöhnlich zu entdecken,
Nur selten wandert sie herum.
Wenn man nach rechts den Magen zieht
Man sie zumeist schon liegen sieht.

[31]

Da fasst man am gewohnten Orte
Sie sicher mit der linken Hand,
Durchschneidet an der Eingangspforte
Ihre Gefässe und das Band.
Dann wird sie peinlich inspiciert,
Mit einem Längsschnitt platt halbiert.
Stimmt etwas nicht, so wird es eben
Genau zu Protokoll gegeben;
Ob sie zu gross, zu dick, zu dünn,
Zu klein, ob gar Infarkte drin,
Tuberkel, ja Amyloid[72],
Darauf der Pathologe sieht!
Mit „braun“ sei man niemals zu schnell:
In Strassburg aber ganz speciell!


Die linke und die rechte Niere.

Doch weiter, weiter ohne Weile!
Nach rechts gewälzt die Därme schnell;
Ein Schnitt links von der Wirbelsäule,
Nach dieser und ihr parallel,
Wird uns in erster Linie frommen,
Der linken Niere beizukommen.

[32]

Nach aussen Schnitt um sie im Bogen,
Darauf wird sie herausgezogen.
Den Hilus hohlhandwärts gewandt
Nimmt man sie in die linke Hand.
Vier Finger werden ausgestreckt,
Dass sie wie in der Presse steckt.
Die Nierenkapsel schneidet man
Entlang dem ganzen Rande an.
Man zieht sie ab, bald sehen wir
Sie zwischen Finger drei und vier
Zum bessern Halt nach aussen hängen;
Dann gilt’s, dass ohne hartes Zwängen
Man bis auf’s Nierenbecken schneide
Und dabei doch die Hand vermeide.
So einer dabei Aengsten hätte
Mach’ er das letzte auf dem Brette!
Nun kommt als paariges Organ
Zunächst die rechte Niere dran.
Da gilt es erst noch Zugang schaffen,
Nach links die Därme alle raffen,
Der Blind-, der rechte Dickdarm wird
Von seinem Grund abpräpariert.
Man hilft mit leichten Messerzügen;
Bald hat man beide draussen liegen.

[33]

Des weitern trennt das Zwerchfell man
Von seinem Ansatz schleunigst dann,
Und zwischen Leber drauf und Niere
Das Zwerchfell man noch disseciere.
Der linke Thorax nimmt hierauf
Die Leber provisorisch auf.

Nicht gänzlich aus dem Aug’ verliere
Ureter[73] man und Nebenniere.
Das Uebrige wird ausgeführt
Wie linkerseits ist demonstriert.


Duodenum, Magen, Oesophagus,
     Ductus choledochus.

Dem Duodenum[74] und dem Magen
Geht es des Weitern an den Kragen,
Nachdem die Leber wohlbedacht
An ihren Platz zurückgebracht.
Die Därme lag’re man dabei,
Dass jene beiden möglichst frei.
Am untern End’ wird angeschnitten
Das Duodenum, und inmitten

[34]

Der Vorderfläche längs hinan
Geht es bis zu dem Magen dann.
Da aber hält die Darmscheer nur
Sich an die grosse Kurvatur,
Bis sie an dem Oesophagus
Sich wieder vorlängs halten muss.
Dann wird es durch ein leichtes Drücken
Der Gallenblase meistens glücken,
Den wicht’gen choledoch’schen Gang[75]
Zu finden und auch ihm entlang.
Er wird – ist’s grade indiciert –
Mit flacher Klinge präpariert,
Und, wenn aus Gründen dran zu halten,
Mit einer Scheere noch gespalten.
Ist alles darauf wohl besehen,
Kann’s wieder etwas weiter gehen.
So mancher Magen knurrt schon lang
Und ist für etwas schnellern Gang!

[35]
Leber und Gallenblase.

Willst einen Fehler du vermeiden
Musst du das Duodenum schneiden
Jetzt von der Leber – umgekehrt
Ist es dir wohlgemerkt verwehrt!
Dann aber holt die Leber man
Und lässt ein Stück vom Zwerchfell dran,
Um bei dem folgenden Tranchieren
Mit ihr bequemer zu hantiren.
Und ehe sie noch wird gewogen,
Vom Hilus aus wird abgezogen
Meist ohne Müh’ die Gallenblase,
Eröffnet über einem Glase.
Dann schau dir ihre Schleimhaut an,
Ob nicht etwas besondres dran.
Merk: hierzuland der Gallenstein
Ist laut Statistik ganz gemein,
Was nebenbei auch draus erhellt,
Wie oft Naunyn[76] ihn vorgestellt.
Oft bei der Leber ist genug
Von rechts nach links ein Messerzug,
Ein Schnitt noch, der drauf senkrecht liegt,
Und weg das Messer! Das genügt!

[36]

Der Meister wenig Freud’ entwickelt,
Wenn man sein Material zerstückelt.
Und stets behalt man’s in den Augen:
Nur grosse Schnitte etwas taugen! –
Ist hier gestellt die Diagnos’,
Geht gleich die Darmablösung los.


     Die Darmablösung.

Jetzt liegt der Blinddarm schlechterdings
Am weit’sten neben draussen links.
Wer an die Regel sich will binden,
Der kann ihn blindlings sicher finden.
Charakteristisch ist der Griff!
Man merke sich den kleinen Kniff.
Nun steche man am Coecum[77] ein,
Doch schneide man ja nicht hinein!
Leichtsinnig gar es zu durchtrennen
Hiess’ seine Nachsicht arg verkennen!
Nein: darauf steht die Todesstrafe,
Das merk’ sich weislich jeder Brave!
Es wird nun wie ein Fidelbogen
Das Messer hin- und hergezogen;

[37]

Dabei soll das Guirlandenschneiden
Durch flottes Ziehen man vermeiden.
Mit Fug und Recht in Staunen setzt,
Wer nirgendswo den Darm verletzt.
Oft wird um Unterbindungsfäden
Dabei per Telegramm gebeten,
Die auch, darauf schon eindressiert,
Der Diener schleunigst präsentiert.
Gieng’s bis zum Duodenum prächtig,
Bleibt doch der Zweifel billig mächtig,
Ob nicht bis an des Rectums[78] Tiefen
Noch ein’ge Löcher unterliefen!
Denn wahrlich, eh’ man sich’s versah,
Ist irgendwo ein solches da,
Durch das, als wär’s für ihn gerichtet,
Sich gleich ein Ascaride[79] flüchtet.
Doch endlich kommt man das End’;
Am Rectum wird nun auch durchtrennt.

Der Darm wird jetzt bei Seit’ gelegt,
Denn seine Stunde noch nicht schlägt,
Fein hübsch gesondert jedes Ende,
Sonst schaue einer, wie er’s fände!

[38]

Sofern „er“ an das Essen denkt,
Wird dir der Darm wohl gar geschenkt.
Doch denkt er daran furchtbar selten:
Die Regel bleibt als Regel gelten!


          Die Blase.

Der Blase geht es jetzt zu Leibe,
Die hier von feuchtem Zeitvertreibe,
Der oft zum Platzen sie gespannt,
Die allzufrühe Ruhe fand.
Du spannest ihre Vorderwand
Ein wenig mit der linken Hand
Und schneidest mit der Rechten quer,
Drauf machst du sie von Inhalt leer.
Riecht dieser ammoniakalisch,
So ist das meistens postmortalisch[80]!
Ist trüb beim Mann er oder Weibe
Sag’ von Cystitis[81] nichts bei Leibe,
Es sei denn, dass dazu sich finde
Noch eine Reihe andrer Gründe;
Und ausserdem die Diagnos
Sollst du am Ende geben bloss!

[39]

Der Schleimhaut Farb’, der Wandung Dicke
Sind viel mehr wesentliche Stücke.
Findst du die hypertropisch[82] sehr,
So ist das meist trabekulär[83]!


Die Geschlechtsorgane.

Jetzt fragt es sich, ob dein Objekt
In Hosen oder Rock gesteckt; –
Im Leben meine ich natürlich,
Und übersehe, dass figürlich
Man oft im Leben sagen kann,
Es hab’ das Weib die Hosen an.
  
Ist es ein „Er“, kann’s int’ressieren
Die Hoden ihm zu inspicieren.
Sie werden beide ihm luxiert,
Sofern das Paar noch existiert.
Dann forscht man auf Halbierungsschnitten,
Ob er hier irgendwie gelitten.

„Ihr“ Apparat ist compliciert,
Er wird in toto[84] exstirpiert.

[40]

Auf Beifall kannst du hier nur pochen,
Hältst du dich an die Beckenknochen;
Ringsum von oben geht der Schnitt,
So nimmt er gleich das Rektum mit,
Die Blase hart an der Symphyse,
So hast du damit gleich auch diese.
Mit Labien[85], Damm und Anus hat
Man ein completes Präparat.
Leg’s auf dem Teller dir zurecht, –
Du denkst wohl selbst: Das ist nicht schlecht;
Wenn’s auch entfernt nicht schön zu nennen!
Ein Mediziner weiss zu trennen
Den Eindruck toten Materials
Und wie’s im Leben allenfalls. –

Zum bessern Überblicke schneide
Jetzt seitlich auf die ganze Scheide,
Den Uterus[86] vorn medial,
– So wenigstens ist es normal, –
Dann oben nach den Tubenecken[87],
Ob nichts im Fundus[88] zu entdecken.
Was alles hier ist bei den Frauen
Abnormes nur zu oft zu schauen,

[41]

Das überschreitet meine Grenzen,
Kannst dir’s bei „Ziegler“[89] leicht ergänzen. –
Beim Rektum pflegt man’s so zu halten,
Dass es von hinten wird gespalten.
(Anmerkung: Klar ist, dass beim Mann
Man’s gleichfalls exstirpieren[90] kann!)


     Die Darmeröffnung.

Nachdem du hieran Dich ergetzt,
Kommt noch der Darm zu guter Letzt.
So direkt vor dem Mittagsmahl,
Ist zwar die Arbeit sehr fatal.
 
‘s ist eine Wohlthat, wenn man grad’
Dermalen einen Schnupfen hat,
Wenn’s dabei einem auch passiert,
Dass man ein Nasentröpfchen spürt,
Das peinlich baumelt an der Spitze, –
Kein Schnauben treibt’s von seinem Sitze.
 
Wenn ich dir gut zu Rate bin
Am dünnen End’ des Darms beginn’;

[42]

Denn wenn du folgest der Belehrung,
Sparst du zum Schluss die Hauptbescheerung.
An des Gekröses Ansatz schneide,
Und flott dir auf der Scheere gleite
Der ganze Darm grad wie geschmiert: –
Die Schmiere meist zur Wahrheit wird.
Was aufgeschnitten, sollst Du stecken
Zum Waschen in das Kupferbecken.
Thätst nun das Schlitzen Du beenden,
Hat’s damit noch nicht sein Bewenden:
Jetzt kommt zu deiner Peinigung
Erst noch die grosse Reinigung.
Noch einmal nimm des Dünndarms Ende
In deine sonst so reinen Hände,
Nachdem im Becken du gewühlt,
Vom Darm das Gröbste abgespült.
Ward auch der Schmutz nicht viel geringer,
Lass zwischen Daumen, Zeigefinger
Der linken Hand doch fröhlich gleiten
Den Darm, ihn sauber auszubreiten.
Mit einem Wasserstrahl von oben
Wird, was noch dransitzt, abgehoben,
Und rein, wenn gründlich es geschah,
Liegt deine Arbeit fertig da!

[43]

Diktiere schnell, was noch zu sagen,
Es wird in Bälde zwei Uhr schlagen;
Dann wasch befriedigt Deine Hände,
Gottlob, nun sind wir ja zu Ende!
Wohlthätig wirkt die frische Luft,
Wohlthät’ger des Carboles[91] Duft;
Dess freuet sich der Medicus –
Und speist zu Mittag mit Genuss!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. http://web.archive.org/web/20041221044537/http://www.uni-wuerzburg.de/pathologie/Virchow/v2/verseinleit.htm
  2. Anämie: Die Blutarmut
  3. Polyglobulie: Eine Zunahme der roten Blutkörperchen
  4. Zyanose: Die Blausucht
  5. Ikterus: Die Gelbsucht
  6. Thorax: Der Brustkorb
  7. puncto puncti: In Betreff einer Sache
  8. Ödem: Die Wassereinlagerung
  9. Amphitheater: Das Rundtheater, hier vergleichbar dem Anatomischen Theater
  10. Orbita: Die Augenhöhle
  11. Squama: Bezeichnung für die platten Anteile der Hirnschädelknochen
  12. Occiput: Das Hinterhauptsbein
  13. Lambdawinkel: Die λ-förmige Schädelnaht zwischen den zwei Scheitelbeinen und dem Hinterhauptsbein, beim Säugling findet sich hier die kleine Fontanelle
  14. Dura mater: Die harte Hirnhaut
  15. Crista galli: Der „Hahnenkamm“, eine senkrecht stehende Knochenkante am Siebbein auf dem Nasendach, an dem die Großhirnsichel (Falx cerebri) befestigt ist
  16. Falx: Die Sichel, gemeint ist die Falx cerebri, die Großhirnsichel, eine Duplikatur der Dura mater, die sich von oben zwischen die Großhirnhemisphären hinabsenkt
  17. Suturen: Knochennähte
  18. Sinus: Hier die in die Dura eingelassenen venösen Blutleiter, die das sauerstoffarme Blut vom Gehirn ableiten
  19. in toto: im Ganzen
  20. Gyri cerebri: Die Hirnwindungen
  21. Karotiden: Hier der im Hirnschädel zum Gehirn ziehende Anteil der zwei inneren Halsschlagadern (Arteriae carotis internae)
  22. Tentorium cerbelli: Das Kleinhirnzelt, eine Duplikatur der Dura mater, die das Kleinhirn überdeckt
  23. Foramen jugulare: Das „Drosselloch“, hier geht der Sinus sigmoideus, ein venöser Blutleiter, in die außerhalb des Schädels gelegene Vena jugularis (Drosselvene) über, die das venöse Blut aus dem Schädelinneren Richtung Herz abtransportiert
  24. Medulla oblongata: Das verlängerte Mark, der untere Teil des Hirnstamms
  25. Arteriae vertebrales: Die zwei Wirbelarterien, die neben den zwei Arteriae carotis internae das Gehirn mit Blut versorgen
  26. Fissuren: Furchen, Spalten
  27. Fissura Silvii: Die große waagerechte Furche an der Großhirnaußenseite zwischen Stirn- und Schläfenlappen
  28. Pia mater: Die weiche Hirnhaut
  29. Ventrikel: Die Kammer (Hirnkammer, Herzkammer)
  30. Hemisphäre: Die Großhirnhälfte
  31. Balken: Die größte Verbindung zwischen den beiden Hirnhälften
  32. Basalganglien: Die grauen Kerngebiete im Großhirn
  33. Ependym: Das Oberflächengewebe, das die Ventrikel und den Rückenmarkskanal auskleidet
  34. Monro’sche Loch: Das Foramen Monroi verbindet die Seitenventrikel mit dem 3. Ventrikel
  35. Plexus choroideus: Das Hirnwasser produzierende Aderngeflecht
  36. Velum medullare inferius und superius: Die Kleinhirnsegel, Teil des Dachs vom 4. Ventrikel
  37. Vierhügelplatte: Ein Teil des Mittelhirns (oberer Teil des Hirnstamms)
  38. Zirbeldrüse: Die Melatoninproduzierende Hirnanhangsdrüse
  39. Kleinhirnwurm (Vermis cerebelli): Der mediale Anteil des Kleinhirns
  40. perpendiculär: senkrecht
  41. tranchieren: etw. in Scheiben schneiden
  42. Pons: Die Brücke, der mittlere Anteil des Stammhirns
  43. cerebrospinal: Gehirn und Rückenmark betreffend
  44. Liquor cerebrospinalis: Das Hirn- und Rückenmarkswasser, das u.a. die Hirnventrikel füllt
  45. Symphyse: Die Schambeinfuge
  46. Musculus rectus abdominis: Die geraden Bauchmuskeln
  47. Pneumothorax: Die pathologische Luftansammlung im Brustraum zwischen Lungenfell und Brustfell, die auf der betroffenen Seite zum Kollaps der Lunge führt
  48. Sternum: Das Brustbein
  49. Pleura: Das Lungen- und Brustfell
  50. Tuberkel: hier die Tuberkuloseherde
  51. Perikard: Der Herzbeutel
  52. Venae pulmonales: die Lungenvenen
  53. Situs: Sitz, hier die anatomische Anordnung von Brust- und Baucheingeweiden betreffend
  54. Mitralklappe: Die Segelklappe zwischen Vorhof und Kammer des linken Herzens
  55. Trikuspidalklappe, die Segelklappe zwischen Vorhof und Kammer des rechten Herzen
  56. Septum cordis: Die Herzscheidewand
  57. Index: Der Zeigefinger
  58. Arteria pulmonalis: Die Lungenarterie
  59. Papillarmuskulatur: Muskelbalken mit Sehnenfäden, an denen die Zipfel der Segelklappen befestigt sind
  60. Herzohren: Muskelarme Ausstülpungen der Herzvorhöfe
  61. Hilus: Die Organpforte
  62. Atelektase: Kollabierte, luftleere Lungenabschnitte
  63. Hypostase: Unterdurchblutung (?)
  64. Hepatisation: Leberähnliche Konsistenzänderung bei Lungenentzündung
  65. Käse: Abgestorbenes Gewebe (käsige Nekrose) im Zentrum von Tuberkuloseherden
  66. Bronchiektasen: Krankhaft erweiterte Bronchien
  67. Kaverne: Nach Aushusten des zerstörten Lungengewebes zurückbleibende Hohlräume bei Tuberkulose
  68. Ösophagus: Die Speiseröhre
  69. Pankreas: Die Bauchspeicheldrüse
  70. Mesenterium: Die Aufhängung des Darms im Bauchraum
  71. Hypochondrium: Der seitliche Oberbauch
  72. Amyloid: Pathologische Eiweissablagerungen
  73. Ureter: Der Harnleiter
  74. Duodenum: Der Zwölffingerdarm
  75. Ductus choledochus: Der Lebergallengang
  76. wahrscheinlich Bernhard Naunyn
  77. Zökum: Der Blinddarm, das Anfangsteil des Dickdarms
  78. Rektum: Der Enddarm
  79. Ascaris lumbricoides: Der Spulwurm
  80. post mortem: nach Eintritt des Todes
  81. Zystitis: Blasenentzündung
  82. Hypertrophie: Verdickung durch Zunahme der Zellgröße
  83. trabekulär: balkenartig
  84. in toto: im Ganzen
  85. Labien: Die (Scham-)Lippen
  86. Uterus: Die Gebärmutter
  87. Tubenecken: Übergang vom Uterus in die Tube (Eilleiter)
  88. Fundus uteri: Der obere Teil der Gebärmutterhöhle
  89. „Ziegler“: evtl. Lehrbuch der allgemeinen und speziellen pathologischen Anatomie von Ernst Ziegler
  90. exstirpieren: herausschneiden
  91. Karbol: Ein früher verwendetes Desinfektionsmittel


Empfohlene Zitierweise:

Heinrich Imbecillus: Der Prosector in der Westentasche. Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Der_Prosector_in_der_Westentasche&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 18:20 Uhr UTC)