Der deutsche Tyrtäus
[626] Der deutsche Tyrtäus. Ein Volk ehrt nur sich selbst dadurch, daß es das Andenken seiner großen Todten heilig hält; und darum geziemt es sich wohl, daß wir jetzt, wo die Nachkommen der Helden von 1813, 1814 und 1815 mit einer der Ahnen würdigen Tapferkeit den Erbfeind der deutschen Nation bekämpfen und den frechen Uebermuth des dritten Napoleon ebenso bestrafen, wie die Vorfahren in den glorreichen Freiheitskriegen die Welteroberungspläne des Gründers der Napoleonischen Dynastie zu Schanden machten, jenes Heldenjünglings gedenken, dessen Leben und Dichten, Kämpfen und Sterben ihm die Sympathieen des deutschen Volkes für alle Ewigkeit gewonnen haben, – Theodor Körner’s.
Am 23. September dieses Jahres sind es achtzig Jahre, daß Theodor Körner zu Dresden das Licht der Welt erblickte. Die großen und glänzenden Dichtergestirne von Schiller und Goethe standen über der Wiege des Knaben, der schon in seinem zweiundzwanzigsten Lebensjahre Lieder singen sollte, wie weder Schiller noch Goethe sie in diesem Alter zu dichten vermochten. Die feurige Begeisterung und der kühne Todesmuth, welche durch „Leier und Schwert“ wehen, haben der Muse Körner’s jene Zauberkraft verliehen, die zum Herzen geht, weil sie aus dem Herzen kommt. Und da er sein Streben und sein Dichten mit seinem Herzblut besiegelte, da ein früher Tod ihn von seiner Heldenlaufbahn abrief, so ist sein Name mit dem Reize ewiger Jugend verklärt, und nimmt sein Bild, was auch [627] jene vornehme, sein Dichtertalent geringschätzende Kritik dagegen sagen mag, einen der ersten Plätze in der Ruhmes- und Dichter-Walhalla der deutschen Nation ein. Allgewaltig tönte sein Weckruf, als es galt, die Zwingherrschaft des corsischen Tyrannen zu brechen:
„Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen,
Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht;
Du sollst den Stahl in Feindesherzen tauchen.
Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen,
Die Saat ist reif; ihr Schnitter, zaudert nicht!“
Am 26. August 1813 war es, daß Theodor Körner in dem Gefecht bei Gadebusch in Mecklenburg-Schwerin den Heldentod starb. Wenige Stunden, bevor ihn die tödtliche Kugel traf, dichtete er bekanntlich das „Schwertlied“, das gerade jetzt tausendfach gesungen wird, und dessen letzte beide Strophen lauten:
„Nun drückt den liebeheißen
Bräutlichen Mund von Eisen
An eure Lippen fest.
Fluch, wer die Braut verläßt!
Hurrah!
Frisch! laßt das Liebchen singen,
Daß helle Funken springen! –
Der Hochzeitmorgen graut.
Hurrah, du Eisenbraut!
Hurrah!“
Der Tyrtäus der deutschen Nation wurde zu Grabe bestattet von seinem Kampfgenossen, dem edeln Friesen, der mit Recht „der Achilleus der Lützower“ genannt ist, und der ihm ein halbes Jahr später im Ardenner-Walde in den Tod nachfolgen sollte.
Ein wunderbarer Zufall will es, daß zwar siebenundfünfzig Jahre später, aber gerade in demselben Monate, wo Körner fiel, wo die Schlachten bei Großheeren, an der Katzbach und bei Kulm geschlagen wurden, deutsche Heere auf französischem Boden die blutigsten und glorreichsten Schlachten schlugen, um die Welt für immer von dem Fluche des Bonapartismus zu befreien. Und darum sei es uns vergönnt, hiermit wenigstens im Geiste ein Lorbeerreis auf das Grab des unsterblichen Sängers von „Leier und Schwert“ zu legen. –
Vor kurzer Zeit ist eine etwa neun Fuß hohe Körner-Statue aus der Meisterhand des berühmten Bildhauers Hähnel hervorgegangen und bereits zum Gusse nach Nürnberg gesandt. Sobald der Guß vollendet, wird, wie wir aus guter Quelle vernehmen, die Statue auf dem Dohnaplatze zu Dresden, der Kreuzschule gegenüber, aufgestellt werden; bekanntlich war Körner ein Zögling dieser Schule.