Der Kaiser „Unter den Linden“

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Textdaten
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Autor: H. H.
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Titel: Der Kaiser „Unter den Linden“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 213, 215
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[213]

Der Kaiser „Unter den Linden“.
Nach einer Moment-Photographie von M. Ziesler in Berlin.

[215] Der Kaiser „Unter den Linden“. (Mit Illustration S. 213.) Wenn die Vorträge und Audienzen beim Kaiser Wilhelm Vormittags beendet sind, pflegt der Monarch täglich bei nur einigermaßen gutem Wetter, begleitet vom dienstthuenden Flügel-Adjutanten, vor dem Diner eine Spazierfahrt im offenen Wagen zu unternehmen.

Gewöhnlich ist es die Zeit zwischen ein und drei Uhr, in der sich der greise Herrscher eine kurze Erholung in frischer Luft gönnt, und nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter, oft bei strenger Kälte sieht man die wohlbekannte offene zweispännige Equipage, deren Nahen durch berittene, die Bahn freimachende Schutzleute verkündet wird, „Unter den Linden“ vorübereilen. Weithin schon ist der in der Luft flatternde weiße Federbusch des neben dem Kutscher sitzenden Leibjägers sichtbar, man hört den festen Hufschlag der Rappen, und unter den zahlreichen Passanten giebt sich eine ungewöhnliche Bewegung kund: „Der Kaiser kommt!“

Die Berliner kennen die Zeit genau, in welcher der hohe Herr auszufahren pflegt, und es ist um diese Zeit „Unter den Linden“ in der Regel lebhafter als zu anderen Tageszeiten.

Auf unserem Bilde ist der Moment aufgefaßt, wo der Kaiser, vom Brandenburger Thore her von einer solchen Ausfahrt zurückkehrend, die Südseite der Linden entlang fährt. Der Monarch liebt es, als Kopfbedeckung stets den Helm zu trageu; nur selten sieht man ihn in der Mütze. Um die Schultern liegt lose der hellgraue Militärmantel, den er selbst im Sommer nicht abzulegen pflegt. Neben ihm zur Linken sitzt der Flügel-Adjutant, mit dem der Herrscher sich oft sehr lebhaft unterhält, wobei man ihn häufig lächeln sieht.

Wo die Equipage passirt, macht das promenirende Publikum ehrfurchtsvoll Front – Hüte und Mützen fliegen von den Häuptern, und die Damen verneigen sich tief oder winken mit den Taschentüchern. Die Kinder des Volkes aber lassen häufig ein kräftiges „Hurrah!“ ertönen, das sich wellenförmig fortpflanzt, bis der Wagen in das Palais einbiegt. Jeder, Jung und Alt, drängt sich herbei, um den Monarchen so nahe als möglich zu sehen und einen Gruß zu erhaschen. Und der wird Vielen zu Theil. Nach allen Seiten hin grüßt der Kaiser freundlich, auch öfter leicht den Kopf neigend. Er ist es gewöhnt, die aufrichtige, von Herzen kommende Huldigung des Volkes überall entgegenzunehmen, wo er sich auch zeigt. Am 22. März, Kaisers Geburtstag, sieht es allerdiugs feierlicher aus „Unter den Linden“; lebhafter rollen die zahllosen Wagen zum kaiserlichen Palais, fluthet die Menschenwoge zwischen den breiten Baumreihen, denn jener Tag ist der Festtag des ganzen Volkes, dessen feierliche Stimmung in der Kaiserstadt am offensten zum Ausdruck gelangt.

Wenn aber einmal die kaiserliche Equipage „Unter den Linden“ ausbleibt, wenn es heißt: „Der Kaiser fährt heut nicht aus“, dann zeigt sich sogleich eine lebhafte Besorgniß in der Bevölkerung. Dann drängt man zum Palais, um Erkundigungen einzuziehen, bis das ehrwürdige Haupt des Monarchen sich am Eckfenster zeigt und jeder beruhigt seines Weges zieht.

Ist aber der hohe Herr wirklich genöthigt, das Zimmer zu hüten, und zeigt er sich nicht am Fenster, wie das leider in letzter Zeit öfters der Fall war, dann ist die erste Ausfahrt jedesmal ein Fest für die Berliner Bevölkerung und der Enthusiasmus ein erhöhter. H. H.