Der Meraner Saltner

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Autor: Karl Wolf
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Titel: Der Meraner Saltner
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aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 682–684
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Der Meraner Saltner.

Von Karl Wolf in Meran.

In erster Linie ist es allerdings der Burggräfler Bauer selbst, welcher bei andauerndem Sommerregen besorgt durch die Laubengänge der Weinberge schreitet. Die Trauben fangen an unter der sogenannten Rostkrankheit zu leiden, und so herrliche Aussichten der Frühling für die Ernte bot, der nun herrschende Regen scheint sie zerstören zu wollen.

Aber es ist noch jemand da, der über das Regenwetter murrt und brummt, der „Saltner“.

Der „Saltner“, wie in der Meraner Umgebung der Weinhüter, oder besser gesagt, der Flurwächter genannt wird, ist eine so merkwürdige Erscheinung, daß er wirklich der Beachtung wert ist.

Ich habe in den verschiedenen Gemeindeämtern ringsum von Meran Saltnerordnnngen selbst noch aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts gefunden, und beim Durchsehen dieser Dokumente wurde ich belehrt, daß das alte „Reglement“ für die Saltner in den Grundzügen sich bis auf die Gegenwart erhalten hat. Dies ist ein Zeichen, mit welcher Zähigkeit der Burggräfler Bauer an seinen alten Sitten festhält.

Um so bewunderungswürdiger ist es, als im Winter Meran als Centrum des Fremdenverkehrs angesehen werden kann, als sich viele fremde Gäste im Laufe der Zeit hier angekauft haben und mitten unter den Bauern leben. Diese fremden Leute bringen viel fremde Sitten in das Land. Und dennoch hat sich die alte, schöne Tiroler Nationaltracht gerade im Burggrafenamte erhalten und ebenso treu die alten Sitten und Gebräuche.

In letzterer Beziehung haben erst heuer Mitglieder der deutschen Südmark bittere Erfahrungen gemacht, als sie versuchen wollten, die Sonnenwendfeier bei uns einzuführen. Hier hat man am ersten Sonntag in der Fastenzeit die sogenannten „Holapfandfeuer“ veranstaltet, aber die Bauern zogen mit Knitteln bewaffnet gegen „den neumodischen Brauch“ aus.

Schon in seiner Erscheinung ist der Saltner ebenso originell wie auffallend. Die Tracht und Ausrüstung ist dieselbe, wie ich sie auf einem alten Bilde mit der Jahreszahl 1735 im Schlosse Lebenberg gesehen habe. Ein gewöhnlicher breitkrempiger Bauernhut wird so zusammengebogen, daß er aussieht wie ein Dreispitz. Dann wird dieser Hut über und über mit Hahnen- und Nachteulenfedern besteckt. Vorgezogen werden die Federn des schwarzen Haushahnes, da dieselben eine ganz besondere Kraft gegen alle Ränke und Anschläge der Hexen besitzen sollen. Vorne am Hut werden sehr häufig zwei Eichhörnchenbälge als Symbol der Gewandtheit befestigt, und von den Ecken baumeln zwei Fuchsschwänze hernieder als Symbol der Schlauheit. Sonst werden wie gewöhnlich die rote Weste, die kurzen ledernen Hosen, welche das Knie freilassen, und weiße Strümpfe sowie der mit Pfauenfederstreifen gestickte breite Lendengurt, „die Bind“, getragen. Anstatt der braunen Lodenjoppe kommt nun aber ein Lederkoller, dessen Unterärmel mit schmalen Riemen an der Schulter befestigt sind. Auf der Brust des Saltners hängen an feinen Kettchen große Eberzähne, welche als Pfeifchen hergerichtet zu Warnungssignalen verwendet werden. Starke, lederne Gamaschen schützen die Unterschenkel. In der Seitentasche der Hosen trägt der Saltner das breite, halbmondförmige Rebmesser; eine Hellebarde, oft ein wahres Museumsstück, ist seine unmittelbare Waffe, während er die hinter der „Bind“ steckende Pistole nur zu Schreck- oder Warnungsschüssen benutzt.

Die Saltner bewachen die Weinberge einer bestimmten Anzahl von Höfen und ein solcher Bezirk wird „die Hut“ genannt. Jeder Hof ist Eigentümer irgend eines Stückes der [683] Saltnerausrüstung, um so die Zusammengehörigkeit der „Hut“ zu bezeichnen. Im Haupthause der „Hut“ befindet sich die „Rungel“. Das ist ein schweres vierzig Centimeter langes und zehn Centimeter breites Messer, mit allerlei Zeichen versehen. Mond und Sterne sind darauf eingeschlagen, zum Zeichen, daß der Saltner die Nacht wachsam sein soll, oft auch ein mit dem Saltner ringender Teufel, und nie fehlt das Drudenkreuz, das gegen die Druden, d. h. Nachtgeister, schützen soll und folgende Gestalt hat (Pentagramm). Die Rungel führt auch den Kosenamen „’s Greatele“ (Gretchen) und der Bauer, der sie aufbewahrt, heißt darum der „Gretlbauer“.

Ist ein Bursche von den „Hutbauern“ zum Saltner erwählt, und dies ist eine große Ehre, denn er muß ein tadelloses Vorleben haben und wird von der politischen Behörde in Pflicht genommen, so stellt er sich beim „Gretlbauer“ und spricht: „Die Ehr zu danken kumm i, daß mi die Wahl troffen hat, und wenn a Wein im kühlen Keller wär, den Antrunk machet i zur gerechtsamen Hut.“ Der „Gretlbauer“ bringt nun einen Krug Wein, trinkt davon mit dem Spruche: „’s Vertrauen hat schon in Richtig’n troff’n. Beschütz es und ehr’s.“ Hierauf reicht er dem Burschen den Krug, welcher bedächtig leergetrunken wird. Dann wird dem Saltner die Rungel übergeben, welche er an der rechten Hüfte befestigt, und er beginnt seinen Rundgang auf den betreffenden „Huthöfen“, um die einzelnen Stücke seiner Ausrüstung zu sammeln. Ueberall wird der obligate Krug Wein getrunken, und wenn der Saltner sich vom letzten Hofe seiner Hut entfernt, so schaut ihm wohl der Bauer schmunzelnd nach. „Dös werd a saggrischer Saltner,“ sagt er, „den reißt’s nit glei um.“ Diese Bemerkung ist bedeutungsvoll, wenn man bedenkt, daß der Bursche im Laufe des Nachmittags vielleicht fünf Liter Rotwein getrunken hat.

Auch die „Diandlen“ schauen dem Saltner mit freundlichen Blicken nach. Wird er doch für die Zeit seiner Hut wenigstens einen Tag in der Woche Hausgenosse; denn der Saltner hat während seiner Dienstzeit die Kost abwechselnd in jenen Bauernhöfen, deren Weingärten er überwachen soll. Seine Kammer giebt er für diese Zeit auf und bereitet sich da und dort in den Häusern, in irgend einem Winkel der Scheune eine Lagerstätte. „Ma soll nit wiss’n, wo a Saltner schlaft,“ sagt man im Burggrafenamte. „Ma soll nit wiss’n, wo a Saltner fensterlt,“ sagt dieser.

Um Jacobi beginnt der Dienst der Saltner. Durch die Weingärten führt eine Menge gern erlaubter und der Abkürzung und des Schattens wegen viel benützter Wege. Von diesem Tage an werden sie aber „Pfandwege“. Der Saltner stellt bei der Einmündung derselben einen Pfahl auf mit einer roh aus einem Brette geschnittenen Hand, die mit Dornenzweigen geziert ist: „Die Saltnertatz“. Der Weg ist nun nicht gerade verboten, aber wer auf einem solchen vom Saltner getroffen wird, zahlt ein „Pfandgeld“ von fünf Kreuzern. Auch auf offenen Wegen pflegt der Saltner den „Stadtlinger“ um einen Tabakkreuzer anzusprechen.

Da und dort errichtet der Saltner zumeist aus Maisstengeln Schutzwände, hinter welchen er auf Diebe lauert, oder er baut sich einen Auslug auf einem hohen Baum. Das Gerichtsverfahren ist zumeist ein sehr einfaches. Traubenstehlende Kinder stäubt er einfach mit einer Rute durch. Erwachsene Personen führt er auf jenen Hof, zu welchem der Weingarten gehört, in dem gestohlen wurde, und da kann sich der Ertappte mit Geld abfinden. Bei einem größeren Diebstahl wird der Gefangene aufs Gemeindeamt geführt.

Ich begegne nun der Frage, auf welche Weise die Weingartenbesitzer sich die Ueberzeugung verschaffen, daß der Saltner seinen ganzen Bezirk auch fleißig abstreift. Sehr einfach. Der Saltner hat auch die Obliegenheit, um die Weingärten gegen Eindringen des Viehes zu schützen, die Sperrzäune in Ordnung zu halten und etwa losgegangene Latten mit den überall wachsenden Weiden festzubinden. Der Saltner streift nun, zum Zeichen, daß die Reparatur frisch gemacht ist, vom Weidenzweig das Laub nicht ab; der Bauer hingegen reißt, um die Wachsamkeit desselben zu prüfen, nicht ungern da und dort einmal eine Latte los. Ist die Stelle dann einige Tage nicht repariert, so muß sich der Saltner viel Sticheleien gefallen lassen.

Der Saltner hingegen findet in dieser Sache wieder fleißige Bundesgenossinnen. Wenn er bei einem Diandl zum Fensterln geht, versäumt er gewiß nie die Bitte: „Gelt du Herzsüße, a brochns Zäundl, wenn d’ findest, selb bindest auf mit einer Laubrute. Es wachsen eh Röserln drauf, wenn du’s thust.“

Die schöne Leserin wird nun meinen, das ist allerdings gute Aushilfe im Weingarten des einen Hofes. Der Saltner hat aber viele Höfe in seiner Hut. Da will ich nun ein Saltnerliedlein bekanntgeben, welches sagt:

„Zwei Diandlen z’ liaben,
Sell macht miar nit hoaß,
Der oan muaß ma schönthuan,
Daß die andre nix woaß.“

Der Saltner schleicht auch die Nacht an das Haus des Weinbergbesitzers, um zu „wetzen“. Dies geschieht, indem er mit seiner Hellebarde in Bogenlinien unter dem Fenster der Schlafkammer des Bauern fest an der Mauer so lange hin und her streicht, bis derselbe durch Klopfen an das Fenster anzeigt, daß er seinen diensteifrigen Saltner gehört habe. Daß ein Mann, welcher so viel in der Nacht herumstreifen muß, welchem sogar der Besuch der Kirche für die Zeit der Hutdauer geschenkt ist, im hohen Grade den Nachstellungen der Hexen und der Geister ausgesetzt ist, gilt als selbstverständlich.

Aber da hat er auch seine Gegenmittel. Er trägt an einer Schnur um den Hals geweihte Pfennige von Maria Einsiedel, dann einen geweihten Rosenkranz in der Hosentasche und noch einige geweihte Pfennige im ledernen Geldbeutel.

Die Hauptsache aber ist das „Kreuzeisen“. Dieses hat die Form des Eisernen Kreuzes, nur ist es vielleicht zweimal so groß. Es sind auf ihm alle möglichen Zeichen eingeschlagen, deren Bedeutung niemand mehr kennt, welche aber auf allen Kreuzeisen vorkommen. Das Drudenzeichen bildet die Mitte.

Der Träger dieses Kreuzeisens kann ruhig zuschauen, wenn die Hexen in der Au tanzen, oder wenn die Saligen Fräulein durch die Lüfte ziehen, oder wenn der Teufel zur Nachtzeit durch die Rauchfänge der Häuser späht, ob nicht eine arme Seele abzufangen wäre. Ihm können all diese finstern Mächte nichts anhaben. Die Hexen haben sich in früherer Zeit auch oft Mühe gegeben, ein solches Kreuzeisen einem Saltner abzuschmeicheln.

So geschah es auf der alten Vintschgauer Straße, wo die Etsch sich über das starke Gefälle der Töll in den Thalkessel von Meran stürzt. Da war einmal ein Saltner. Ein junger, schwarzlockiger Bursche mit treuherzigen, blauen Augen, wie man es nicht selten sieht bei den Leuten des oberen Etschthales. Die Mädchen aus dem Dorfe Algund, wo er als Knecht bedienstet war, schauten ihn gern an und lächelten ihm ermunternd zu. Ja sogar die reichen, stolzen Bauerntöchter verschmähten es nicht, an Sonntagen seinen Hut mit roten Nelken zu schmücken. Und rote Nelken bedeuten Liebe in Tirol. Er aber nahm die Blumen freundlich entgegen, kamen sie nun von der Anna, oder der Marie, von der erbgesessenen Tochter, oder von der Magd. Auf dem Thalerhofe lebte ein Witwer mit seiner einzigen Tochter. Diese war sehr schön, aber die jungen Burschen fürchteten sich, ihr zu nahen, denn ihre verstorbene Mutter stand im Rufe einer Hexe, und man flüsterte sich zu, sie habe solch’ unheimliche Kunst auch ihrer Tochter vererbt. Die Thaler Kundi stellte nun dem jungen, schönen Knechte nach auf jede mögliche Weise. Er aber schien es nicht zu bemerken und nahm ihre Aufmerksamkeiten mit derselben Ruhe und Kälte entgegen wie von den anderen Mädchen. Er wurde oft und oft gewarnt vor der Thaler Kundi. Aber er lachte dazu und meinte: „Mir kann nix ankommen, i hab allwegs a Kreuzeisen bei mir.“ Das wurde einmal der Kundi hinterbracht, und diese nahm sich fest vor, dem Burschen das Kreuzeisen abzulocken, um ihn in ihre Gewalt zu bekommen.

Sie hatte noch nie von der „schwarzen Kunst“ Gebrauch gemacht, von der sie thatsächlich einiges verstand.

Es kam die Zeit der Saltnerhut heran und der junge Bursche trat seinen Dienst an. In einer herrlichen, mondhellen Nacht war es, da vernahm er oben auf dem Plarschersegg einen wunderherrlichen Gesang, der ihn mit fast unwiderstehlicher Gewalt anzog. Da fand er eine Mädchengestalt auf einem großen Felsen sitzend, wie er sie noch nie geschaut. In herrlichen, langen, schwarzen Locken wallte das Haar um die Schultern der Singenden. Sie war in ein silberschimmerndes Gewand gehüllt und in ihren [684] Haaren leuchtete es wie Johanniswürmchen. Das waren purlautere Diamanten. Mit ihren feinen Fingern strich sie leise über die Saiten einer goldenen Zither und sang:

Dandaradei! Dandaradei!
Wo weilst du, mein liebster Knabe?
Dandaradei! Dandaradei!
Weißt du nicht, daß ich mich nach dir sehne?
Dandaradei! o komm! o komm!
Dandaradei!

Furchtlos näherte sich der Saltner der Sängerin.

„Wer bist denn du?“

„Ich bin die blühende Rose aus dem Kranz der Saligen Fräulein. Fürchtest du dich?“

„O na,“ sagte der Saltner. „Ja wenn d’ a schiache (häßliche) Hex g’wes’n wärst, zelm könnt’s sein. Aber vor so was Schöns fürchten, thät mi närrisch teuch’n.“

„Komm, setze dich an meine Seite, ich will dir die schönsten Lieder spielen.“

Der Saltner wußte nicht, wie ihm geschah. Er mußte der Einladung Folge leisten, und alsbald saß er an ihrer Seite.

Solche Melodien hatte er freilich nie gehört, wie sie das Salige Fräulein spielte. Es zog wie ein lieblicher Traum durch seine Seele und alsbald sank sein Kopf schlafmüde in den Schoß der Hexe.

Durch einen fürchterlichen Schrei wurde er aus dem Schlummer geweckt. Das Salige Fräulein war verschwunden und wo sie gesessen, lag rotglühend das Kreuzeisen, welches sie dem träumenden Burschen entwenden wollte.

Das Kreuzeisen war aber rotglühend geworden, eine solche Zauberkraft hatte es, und die Thaler Kundi hatte am anderen Tag eine häßlich verbrannte Hand. Von einem Pfannenstiel sagte sie. Der Saltner aber wußte das besser. –

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Meraner Saltner.
Nach einer Aufnahme des Photographen H. Breßlmaier in Meran.

In manchen Bezirken darf der Saltner nie in einem Hause schlafen, sondern es sind sogenannte „Saltnerhütten“ errichtet, in welchen eine Bürde Stroh, eine Wolldecke und ein mit Heu gefüllter Sack das Lager bilden. Der Saltner soll nie die ganze Nacht durchschlafen, sondern seinen ganzen Bezirk abwandern und nur hier und da in einer der Hütten eine Stunde der Ruhe pflegen.

In einer alten Saltnerordnung, die ich besitze, und welche aus den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammen dürfte, wird folgende Bestimmung erlassen, deren Zweck war, die Wachsamkeit des Saltners zu kontrollieren: „Ain jede Herrschaft soll ain knecht oder zween dray nächt vor dem wymat (wimmen, Weinernte) hinaus den saltner schiken und sollen bay jeder hütt drai zimlich schrey tun und ist kain saltner bei der hütt sollen sie sain pettgewandt nehmen und beim Wirt trauf trinken zimblich.“

Diese Worte dürften einer Saltnerordnung des Schlosses Schöna bei Meran aus der Zeit um das Jahr 1500 entnommen sein.

Es geschieht noch heute nicht selten, daß kecke Burschen dem schlafenden Saltner Hut und Hellebarde stehlen und beim Wirt gegen einige Liter Wein versetzen. Der Saltner findet dann an einer auffallenden Stelle einen Zettel mit der Inschrift:

„Saltner haun haun![1]
Die Kästn[2] sein braun,
Die Weimer[3] sein süaß,
Beim … Wirt haben mir versoffen Huat und Spiaß.“

Der arme Teufel muß dann eben schauen, wie er seine Sachen wieder bekommt. Dafür aber nimmt er Rache. Er treibt allerlei Schabernack, wenn er Burschen findet, welche „Gaßlen“ oder „Fensterln“ laufen. Wenn er meint, jene herausgefunden zu haben, welche ihm „Huat und Spiaß versoffen“, dann ruht er nicht eher, bis er weiß, mit welchem Diandl die Betreffenden Liebschaften unterhalten.

Dann ruft er heimlich alle Freunde zusammen und vor den Fenstern der Diandlen wie vor jenen der Burschen werden aus Sägespänen auf dem Boden große Herzen gezeichnet und diese mit einem etwa zehn Centimeter breiten Streifen Sägespäne den ganzen Weg entlang, oft eine Stunde weit, verbunden, zum Gaudium der ganzen Gemeinde – aber nicht immer zum Vorteile der zu bewachenden Weingärten.

Wenn das Winzern beginnt, so steckt sich der Saltner einen Wetzstein in die Tasche und geht herum, die Rebmesser zu schärfen, mit den Bauerndiandlen zu scherzen und herzhafte Züge aus dem „Bitterich“ (Kürbisflasche) zu machen, denn beim Winzern muß Wein zu beliebigem Zuspruch genügend da sein.

Ist die Wein- und die Kastanienernte vorbei, dann versammeln sich die Bauern der gemeinsamen Hut „zur Roatung“ (Abrechnung) beim Dorfwirt. Der Saltner hat sich seiner Amtstracht entledigt, fein sauber rasiert, was er während der Dienstzeit nicht thun darf, und aus dem Fenster der Gaststube steckt er eine Stange; daran hängt, mit roten Bändern geschmückt, „die Rungel“, zum Zeichen, daß in diesem Hause „Saltner Tinzltag“ (Ehrentag, Tanztag) sei. Es wird ein ordentlicher Schmaus, bestehend aus Kalbsbraten mit Zwetschgen und Schweinebraten mit Kraut, gehalten, die Bauern zahlen je nach der Größe ihrer Grundstücke dem Saltner „’s Huatgeld“ aus, und für den jungen Burschen beginnt wieder das Alltagsleben, allerdings nicht so einförmig, wie in manchen Ländern das Leben eines Bauernknechtes ist.

Jedes kirchliche und weltliche Fest in den verschiedenen Thälern Südtirols bringt eine Menge oft sehr origineller Bräuche mit sich, welche heute alle noch eingehalten werden. Dann haben die jungen Leute allerlei „Kurzweil“ und sind unerschöpflich im Ersinnen lustiger Streiche.



  1. haun haun! = verhöhnender Zuruf.
  2. Kastanien.
  3. Trauben.