Der Türkenkrieg

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Titel: Der Türkenkrieg
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aus: Das Ausland, Nr. 97-99; 101-104. S. 385–386; 392; 395–396; 401–402; 406–408; 410–412; 414–416
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Der Türkenkrieg[1].


In dem Augenblick, wo wir dem Ausbruch eines Türkenkriegs entgegensehen, entlehnen wir aus der trefflichen österreichischen militärischen Zeitschrift im Auszuge die folgende als Beurtheilung, Berichtigung und Ergänzung des Valentinischen Werks zu betrachtende Abhandlung; da wir überzeugt sind, daß Oesterreich dasjenige Land ist, welches uns wegen seiner alten Berührungen mit der Türkei die besten Aufschlüsse über jenen Gegenstand geben kann.


Die Einführung der Janitscharen (unter Murad I 1362) als Grundstock eines stehenden Heeres gab dem osmanischen Reiche das Mittel, ohne große Last im Frieden, ein zahlreiches Heer für den Krieg vorzubereiten. Sie bildeten überdieß einen fortpflanzenden Stamm für die Ergänzung und den kriegerischen Geist des Heeres; denn die Knaben der Janitscharen folgten der Bestimmung ihrer Väter. Mit dem Beruf ihres Lebens vertraut, wurden sie in früher Jugend zum Kriege erzogen. Fertigkeit, aller Waffen sich richtig zu bedienen, Gewandtheit des Einzelnen in der Bewegung eines stürmenden, zahlreichen Schwarms, war der Zweck ihrer Bildung. Als sie heranwuchsen und eingetheilt wurden unter die Truppen – Fußvolk, Reiterei, Kanoniere, Bombardire, Minengräber, Waffenschmiede und Fuhrleute – besoldete man sie, oder sie erhielten Lehen. Die Hülfsvölker, die Bosnier, Albanier, Moldauer, Wallachen und Tataren, wies man an die Beute. In den größern Städten des Reichs hatte jeder Eingeborne das Recht, gegen Erlegung einer kleinen Geldsumme, irgend einer Janitscharen-Oda (von 400 Mann) beizutreten. Er kehrte sodann zu seiner bürgerlichen Beschäftigung zurück, und genoß den Vortheil eines geringen Solds, der in etwas Geld und einer täglichen Portion Reis bestand. Lehen (Timars und Zaims) wurden vorzüglich an den Kern der Reiterei, an die Spahi, vergeben, obgleich es auch belehnte Janitscharen gab.

Durch Einrichtungen solcher Art war es den Sultanen nicht schwer, Kriege zu führen. Kriege waren sogar nöthig für die innere Ruhe des Staats, um Tausende von Kampflustigen zu beschäftigen, die der Müßiggang im Frieden zu Empörungen geneigt machte. Die Türken zogen daher immer zahlreich zu Feld, und was zu verwundern ist, ihre wilden Schaaren kannten einst doch auch die Nothwendigkeit der Mannszucht. Sie waren zwar grausam durch Religionsbegriffe, sie lebten vom Kriege wie von einem friedlichen Erwerb, und waren dennoch gehorsam. Erschreckliche Strafen; Belohnungen, die man auf fremdem Boden leicht geben konnte; beherzte erfahrene Führer mit unbedingter Vollmacht; der Großherr meist selbst an der Spitze, waren starke Hebel, um die Ordnung des Heeres unverletzlich zu bewahren. Der Türke ist gesund, stark und tapfer; sein Kriegstalent bewährt sich dadurch, daß er Fußsoldat und Reiter zugleich ist[2]. Ohne Furcht an ein unvermeidliches Verhängniß glaubend, beobachtet er streng die Gesetze seiner Religion und kennt für die ewige Zukunft nichts verdienstlicheres, als vor dem Feind zu fallen.

Am Material gebrach es den türkischen Heeren nie. Was dabei an Kunst abging, ersetzte die Quantität. Ihr plumpes, schwerbewegliches Feldgeschütz war äußerst zahlreich, und eben so zog eine große Menge Handwerker und Schanzgräber mit. Aber nicht genug – auch die belehnte Reiterei war verpflichtet, bei Belagerungsarbeiten mitzuwirken, Faschinen zu erzeugen und mit diesen vor dem Sturme die Gräben zu füllen. Mit gleicher Sorgfalt hatten die Türken das Bedürfniß an Pulver, Kugeln und Arbeitswerkzeugen gedeckt. Die langwierigen Belagerungen, die sie auszuhalten hatten; Die Verschwendung, mit welcher sie jede Gelegenheit nützten, ihr Geschütz, und sey es auch nur des Knalls wegen, in Wirkung zu setzen, und endlich die Vorräthe, die man in jedem eroberten Orte fand, sind Beweise, wie wenig sie sich der Gefahr unterziehen wollten, einen Platz aus Mangel an Kriegsbedarf zu übergeben.

An ein regelmäßiges Verpflegungswesen war nicht zu denken: schon der ungeheure Troß machte es beinahe unmöglich. Man zog in’s Feld, wenn Getreide und Gras der Fächsung nahten, und begab sich in die Winterquartiere, wenn die Natur im Herbste nichts mehr darbot. Die Stätte, welche die Türken im Sommer durchzogen hatten, [386] glich dann der ödesten Wüste; der Mangel zwang sie daher in ihre Heimath zurück. Wenn jedoch die Reiterei in Bezug auf den Unterhalt ihrer Pferde größtentheils auf das Land angewiesen war, wo sich eben der Kriegsschauplatz befand, so zeigte sich dagegen in den Verpflegungsanstalten für die Mannschaft, die freilich fast immer auf Privatrechnung kamen, nicht selten der größte Luxus. Pferde, Kameele und Büffel folgten mit Kriegsbedarf, Lebensmitteln und Schätzen beladen. Für zwanzig Janitscharen trug ein Kameel die Zelte, Kochkessel, Kaffeekannen und Wasserschläuche; zehn Janitscharen hatten ein Packpferd, fünf Spahi desgleichen, und jeder Tatar durfte so viele Pferde halten, als er nur mochte; aber drei bis vier waren bei jedem die gewöhnliche Zahl. In dieser schwerfälligen Verfassung legten die Türken ihre Märsche, nach Bequemlichkeit, in einzelnen Haufen zurück, wenn nicht die Nähe der Feinde sie zur geschlossenen Ordnung zwang. In diesem Fall marschirten sie unter dem Schutz eines sehr großen Vortrabes, und wollten sie eilen, so nahm die Reiterei einen Theil des Fußvolks auf die Krupe der Pferde.

Die Lagerplätze wählten sie immer an Flüssen, weil Reiterei und Troß ausgedehnte Tränkplätze bedurften. Im Gefühl ihrer Macht sicherten sie bis zur Zeit Montecuculi’s niemals durch Befestigung ihre Lager. Seitdem aber die deutschen Heere sie allenthalben drängten, seitdem der Halbmond nicht mehr auf Ofen’s Wällen prangte, umgaben sie im Jahr 1687 ihr Lager zwischen Mohacs und Epegg zum erstenmale mit Gräben, Wällen und Pallisaden. Auch ihre festen Plätze zeigten Geringschätzung der Kunst. Ein Graben, ein Wall mit kurzen Gesichtslinien, umgab Häuser von Holz in engen Gassen. In der Besatzung lag das unüberwindliche Bollwerk, und die Nothwendigkeit eines Ersatzes, welcher dem Belagerer immerwährenden Abbruch that, war und blieb bei ihnen eine Regel des Kriegs.

Am Tage der Schlacht entwickelten sie die einfachsten Grundzüge der Kriegskunst. Sie suchten die Ebenen zum Wahlplatz, um ihrer zahllosen Reiterei die Entscheidung des Treffens zu erleichtern. Sie hielten das Fußvolk zurückgezogen in der Mitte, schoben die Reiterei auf beiden Flügeln vor, um die Stellung ihres Gegners zu umklammern, und hatten angemessene Haufen in Bereitschaft, um jede Blöße, die sich ihnen darbot, kräftig zu benützen. Zahl, Muth, Standhaftigkeit und eine überraschende Schnelligkeit waren auf ihrer Seite, und also der Erfolg fast immer gewiß.

[392] In den Ebenen Ungarns, bei dem entschiedenen Uebergewicht der osmanischen Reiterei, bei dem fanatischen Geiste der Janitscharen mußten die christlichen Heere gegen die ungestümen Anfälle ihrer Gegner sich verwahren, und sie kannten kein besseres Schutzmittel als die Vermischung aller Waffen, in kleinen Abtheilungen neben einander gestellt: eine Maßregel, die zugleich den Zweck hatte, das gesunkene Vertrauen der verschiedenen Waffengattungen zu einander aufs Neue zu beleben. Man darf nur Montecuculi’s Entwurf zur Schlacht von St. Gotthard am 1ten Aug. 1664 sehen, um den glänzenden Erfolg des Sieges bloß ähnlichen weisen Anordnungen des Feldherrn zuzuschreiben. Die Bataillone standen sechs Mann hoch und jeder Reiterschwadron wurden Musketierhaufen von vierundzwanzig bis dreißig Mann beigegeben. Neben jedem Regiment zu Fuß stand immer ein Reiterregiment im Treffen. Vortrab und Reserve waren eben so gemischt. Sechzigtausend Deutsche und Franzosen schlugen auf diese Art hundert und sechs und dreißig tausend Türken.

Am Ende des siebenzehnten Jahrhunderts kamen die spanischen Reiter, mit welchen sich die deutschen Heere deckten, in Gebrauch: denn man sieht zum ersten Male die Stellung des Herzogs von Lothringen vor Eßegg 1687 mit diesem Hinderniß umgeben, und zwei Jahre später in der Schlacht bei Batuschina an der Morawa suchten die Janitscharen des Seraskiers Arap Pascha umsonst die spanischen Reiter vor der Stellung der Oesterreicher unter dem Prinzen Ludwig von Baden mit Aexten zu durchhauen.

In seinen vortrefflichen „Verhaltungen vor, während und nach der Schlacht“ empfiehlt der tapfere Markgraf die Aufstellung von Plänklern, die aus den Bataillonen herausgezogen würden, um bis zu dem erwarteten Anfall den Feind mit einzelnen Schüssen zu beschäftigen. In der That, was konnte den Muth des Fußvolks in jener Zeit mehr erhöhen als die selbstständige Fechtart des Einzelnen in zerstreuter Ordnung gegen einen Gegner, vor dem man sich in enggeschlossenen Reihen nicht mehr sicher hielt und spanische Reiter vorschob? Indessen dürfte der Gebrauch der Plänkler doch nicht ganz rathsam seyn gegenüber einer Reiterei, deren Schnelligkeit und Verwegenheit an das Unglaubliche grenzt, die es wohl auch versteht, ihrem Gegner vor dem eigentlichen Anfall das Feuer des Gewehrs zu entlocken, ist jeder einzelne Streiter verloren. Ohne Zweifel würden geübte Schützen hinter den Chargen des ersten Glieds von mehr Nutzen seyn, besonders aber die bei der österreichischen Armee schon erprobten Windbüchsenschützen, welche auf den Ecken des Vierecks hinter dem Geschütze aufgestellt wurden, damit sie die vorauseilenden Waghälse der Spahi vom Pferde schössen.

Das große Viereck der christlichen Heere, ein Beweis für die Ueberlegenheit der Osmanen, war eine Folge der Nothwendigkeit, die Stellung auf den Seiten zu schließen, um der türkischen Reiterei, welche jede Linie im Rücken umschwärmt, das Eindringen zwischen die Treffen zu verwehren.

Ueber Buschwerk, Berge, Felsen, sagt ein erfahrner Augenzeuge, sprengt die türkische Reiterei hinweg. Durch die engsten Fußsteige kommt sie unvermuthet hervor und fürchtet keine Unordnung, weil sie der Ordnung nicht gewohnt ist. Zwei bis drei Mann sind voraus, dann sind auf einmal 5 – 600 da, und wehe dem Bataillon oder Quarrée, das in Unordnung geräth. Der erste Gebrauch der Vierecke fällt gegen das Ende des siebenzehnten Jahrhunderts. Montecuculi, Ludwig von Baden, Eugen waren nicht geneigt, die Beweglichkeit ihrer Heere durch eine Stellung zu lähmen, welche nur für den Zustand der Vertheidigung paßt; sie schlugen die Türken, weil sie Meister beweglicher Kräfte waren. Des einen großen Vierecks bediente sich der 1711 bei Stanilestie, unterhalb Jassy, auf dem rechten Ufer des Pruth in die Enge getriebene Czar, und noch 1736 Marschall Münich. Bald fanden sich jedoch die Russen durch Hindernisse der Lokalitäten, um den im durchschnittenen Terrain so furchtbaren Janitscharen zu begegnen, veranlaßt, die Vierecke zu vermehren. Schon im Feldzug des folgenden Jahrs hatten sie deren drei; drei und dreißig Jahre später in der Schlacht bei Kagul fünf, und im Gefecht bei Schumla 1774 bildeten sie Vierecke aus vier oder sechs Bataillonen. In dieser Verbesserung der Taktik waren ihnen die Oesterreicher vorangegangen. Die Armee des Herzogs von Lothringen zerfiel auf ihrem Marsch von Slatina nach Fönisch 1738 in Vierecke von acht und zwölf Bataillonen. Im vorletzten Krieg gegen die Pforte von 1787 bis 1791 blieben die russischen und österreichischen Heere bei der quadrirten Stellung: die Vierecke bestanden aus zehen, sechs, vier und auch aus einem Bataillon. Namentlich erprobten sich damals die Vorzüge des letztern Vierecks: denn es steht nicht nur in der schnellsten Zeit fertig da, es zieht nicht nur am leichtesten zwischen Terrainschwierigkeiten hindurch, sondern sein Verlust ist mehr ein individueller und ohne bedeutende Folgen für den Gang des Gefechts.

[395] In den Kriegen des achtzehnten Jahrhunderts[3] was sieht man? Daß die Türken nicht immer im Felde geschlagen werden, daß sie auch ihre Gegner besiegen und feste Plätze rühmlich vertheidigen. Und was nicht zu übersehen ist, wir urtheilen nicht zugleich auch nach türkischen Berichten, weil es keine gibt, oder weil sie wenigstens uns nicht bekannt werden. Ein Volk ohne Geschichte ist aller Rechtfertigung beraubt; daß aber die Türken im Stande wären, ihre Kriege zu beschreiben, beweist die Geschichte der Feldzuüge in Bosnien 1737, 38, 39 von Kadi Omer Effendi, übersetzt von Dubsky, ein Werk, das, abgesehen von der bilderreichen Sprache des Orients, das Gesetz der historischen Treue beobachtet.

Die ausgezeichnete Vertheidigung fester Plätze ist ein Vorzug türkischer Heere, mit dem sie in’s Gleichgewicht treten gegen die Ueberlegenheit europäischer Heere am Tage der Schlacht.

Der Türke vertheidigt in dem Platze, in welchem er eingeschlossen ist, nicht den ihm anvertrauten Posten allein; er kämpft hartnäckig für sein Eigenthum, für Wehrlose, für Weiber und Kinder. Ihm ist jeder Ort fest genug, sobald dieser nur ein Pfand seines Vermögens oder seiner Neigung bewahrt. In christlichen Staaten sucht der Bürger den Befestigungsentwurf seines Wohnorts abzulehnen; von Seiten der Pforte bedarf es keiner Anstalt, Festen zu [396] bauen; jeder Ort befestigt sich ohne Frage. Der Türke will keiner Brandschatzung, keiner Plünderung unterliegen; er will in offenen Orten keine Hülfsquellen seinem Gegner überlassen und will auch nicht, daß die Seinigen sich mit dem Feinde vermischen. Er umgiebt daher seinen Platz mindestens mit einem Graben und einer Pallisadenreihe. Hierunter sind aber nicht Pfähle von bekanntem Maß zu verstehen; der Türke nimmt Eichbäume vom stärksten Durchmesser dazu. Das schwerste Geschütz vermag nichts dagegen, die vierundzwanzigpfündigen Kugeln bleiben in diesem Gebälke stecken. Dieß ist der Ursprung der unzähligen Palanken; denn ein fortschreitendes verbessertes System der Befestigung kennen die Türken nicht. Plätze, die einst in den Händen gebildeter Nationen sich befanden, tragen zwar heute noch die Spuren ihrer Erbauer; sonst sind sie im einfachsten Umriß, bloß durch Wall und Graben geschützt. Während man allenthalben nach theoretischen Ansichten feste Plätze unbezwingbar zu machen suchte, und dafür Millionen verschwendet, gab die Pforte allein für solchen Zweck keinen Piaster aus. Sie hatte Recht. Ihre Besatzungen bedurften dessen nicht.

[401] Der letzte russisch-türkische Krieg [4] war im Grunde ein fortlaufender Belagerungskrieg. Die Engländer, welche Anfangs als Verbündete [5] Rußlands auftraten, erkannten bald ihren Irrthum und zogen sich zurück. Bessere Verbündete hatten die Russen an den Serviern, die unter Czerni Georg eine Kriegsmacht geworden waren. In den beiden ersten Jahren wurde indessen der Krieg mit wenig Nachdruck geführt, da einer Seits die Pforte durch die Gährungen im Innern des Reichs, die (am 29 Jun. 1807) mit einer Thronrevolution endeten, anderer Seits Rußland durch seine Verwickelung in die Ereignisse, welche dem Tilsiter Frieden (vom 7 Jul. 1807) vorangingen, in Anspruch genommen wurde. Zuletzt war noch unter französischer Vermittelung ein Waffenstillstand zu Stande gekommen. Im Frühling 1809 brachen die Feindseligkeiten ernstlicher aus: etwas entscheidendes geschah jedoch nicht. Die Türken schienen ihr Hauptaugenmerk auf Servien [6] zu richten, um Belgrad wieder zu bekommen. Die Russen lieferten [7] ein paar Gefechte, die zu ihrem Vortheil ausfielen, gingen im Anfang Augusts ober der Pruthmündung bei Galacz über die Donau, nahmen einige Plätze weg und kehrten am 3 Nov. bei Hirsova, welches sie besetzt hielten, auf´s linke Ufer zurück. Das wichtigste Ereigniß des Feldzuges war der Fall von Brailow, das sie nach einer langen Blockade, nach großem Verlust der Russen — bei einem einzigen abgeschlagenen Sturm 7,000 Mann — am 3 Dec. ergab.

Der Feldzug von 1810 ist äußerst reich an tapfern Thaten und — man darf es wohl sagen — für beide Theile gleich ehrenvoll. Die Russen eroberten Tertukay, Bazardsjik, Silistria, Rasgrad, Nikopel, Ternov, Szistov, Giurgevo und Rustschuk, sie siegten über die 30,000 Mann starke Armee des Großveziers bei Tschesmelá und gewannen die Schlacht bei Battin, in welcher 10,000 Türken blieben. Aber ihre Angriffe auf Varna am schwarzen Meer, auf das verschanzte Lager bei Schumla [8] am Balkan scheiterten, und des kühnen Bosniak Aga’s vier Monat lange Vertheidigung von Rustschk kostete nicht nur 12,000 Mann, das Leben, sondern verdarb eigentlich den Russen den ganzen Feldzug; denn sie waren am Ende des Jahres so geschwächt, daß sie sich nicht im Stande befanden, ihre Eroberungen zu behaupten.

Am 23 Jun. erschienen die Russen unter ihrem Oberfeldherrn Grafen Kaminsky vor Schumla und nahmen eine Stellung längs dem linken Ufer des Tekiebaches. Das Gefecht begann und drückte die Türken unter die Batterien der Stadt.

Der gewöhnliche Weg der Kuriere nach Konstantinopel (es sind dahin drei und vierzig Meilen) führt über Schumla, welches man als die Pforte des Balkans betrachtet. Die Lage dieses Orts ist wichtig und vortheilhaft. Er ist von einem Vorgebirge des Balkans, mit steilen Abhängen und dichtem Dorngestrüppe umgeben. Er hat einen Graben und einen Erdwall mit kleinen Thürmen für Schützen. Schumla, mit 30,000 Einwohnern, ist der Kern eines verschanzten Lagers längs dem Kamme der umgebenden Höhen; innerhalb derselben ist hinlänglicher Raum für alle Bedürfnisse des Heers.

Eine Umgehung, welche die Russen mit tausend Jägern auf dem rechten Flügel jenseits des Bachs gegen die Höhe der Grotten wagten, von welcher man Schumla übersieht, mißlang bei dem ersten Versuche. Später, als die Türken die Vertheidigung dieses Punkts aufgegeben hatten, ward er von den Russen besetzt. Obgleich aber letztere sich noch mit 5000 Mann und 2 Kanonen verstärkten, konnten sie doch den wiederholten Angriffen der Türken nicht widerstehen. Sie zogen sich zurück. Am 24 wurde der Streit um den Besitz der Grotten fortgesetzt. Seit der entwichenen Nacht waren die Russen wieder Meister derselben und sicherten ihre Stellung durch ein wirksames Feuer der Geschütze. Vergebens wagten die Türken einen Sturm auf die Batterien bei Straza. Schon waren 1800 Russen vor Schumla gefallen, als ihr Oberbefehlshaber die blutig behauptete Höhe zu verlassen befahl und den Großvezier auszuhungern beschloß. Bei Anbruch des 25 standen keine Russen mehr auf der Höhe der Grotten, und am 26 waren sie wieder auf dem linken Ufer des Tekiebachs. Sie begnügten sich, indem sie die Straße nach Konstantinopel bei dem Dorfe Tschenguel-Kevy besetzt hielten, mit einer weitläuftigen Blockade des türkischen Lagers. Es gelangten jedoch am 7 Juli hundert mit Vorräthen [402] aller Art beladene Kameele nach Schumla und nachdem dieses drei Wochen vergeblich eingeschlossen war, zog der größte Theil des russischen Heers am 18 zur Belagerung von Rustschuk; nur ein Beobachtungskorps blieb bei Tschesmelá auf der Straße nach Silistria stehen, das aber, ungeachtet seines Siege am 2 Aug., nach eingetretenem Mangel der Lebensbedürfnisse, auf Aflotar zurückging.

Bei Rustschuk hatte General Saß noch immer keine vollständige Einschließung bewirkt. Auch begann er den Angriff am 1 Juli fehlerhaft gegen die stärkere Seite des Platzes und in zu großer Entfernung von demselben. Nach zwanzig Tagen waren die äußersten Annäherungswerke noch zweihundert Schritt vom Graben des Platzes entfernt. Nichts desto weniger wagte General Saß am 21 einen Sturm, bei welchem er 900 Mann verlor.

Durch die Verstärkung, welche der russische Oberfeldherr so eben herbeigeführt, war die Belagerungsarmee nunmehr auf 20,000 Mann gebracht worden. Die türkische Besatzung bestand mindestens aus 10,000 Mann; der Platz, von hohen starken Mauern oder von Erdwällen umgeben, schloß größtentheils abgesonderte Häuser in sich. Auch einige ansehnliche Gebäude, viele Moscheen und ein festes Schloß konnten für den fanatischen Muselmann, welcher aus seiner Wohnung eine Citadelle macht, zu festen Haltungspunkten dienen. Der Befehlshaber eines Orts, wenn er kapitulirt, findet weder gütige noch billige Richter: denn die hohe Pforte pflegt das Ungeschick wie das Mißgeschick zu strafen. Nimmt man noch in Betracht, daß kein Türke zu Felde zieht, ohne sich mit dem größten Luxus auszurüsten, so ist, da jeder Befehlshaber für sein Leben und seine Schätze ficht, die Hartnäckigkeit ihrer Städtevertheidigung begreiflich.

Indessen war doch ein großer Theil der russischen Armee in Bezug auf den bevorstehenden Sturm von frohen Hoffnungen beseelt, und am Tage vor dem Sturm, am 2 Aug., beritt Graf Kaminsky das Lager und mahnte zur Besonnenheit und Ordnung. Morgens um vier Uhr begann der Sturm in fünf Kolonnen. Einige derselben drangen wirklich mittelst Leitern in die Stadt. Aber weislich hatte Bosniak Aga seine Kräfte für den entscheidenden Moment gespart. Theils hinter dem Wall in Massen, theils einzeln versteckt, lauerten die Türken und widerstanden dem Angriff. Unberührt wehten die Feldzeichen von den Zinnen, und um sieben Uhr zogen sich die Stürmenden zurück. Sie hatten 8,000 Mann, worunter General Graf Sievers mit 334 Offizieren, verloren.

Während dieser Ereignisse sammelte sich eine türkische Macht an der Jantra. Bei Operationen wählen die Türken auf der Linie ihres Zugs einen vortheilhaften Posten, verschanzen sich und erwarten den Angriff. Erfolgt dieser nicht, dann rücken sie wieder vor und verschanzen sich aufs neue. So hatten sie sich dem Dorfe Battin, vier Meilen oberhalb Rustschuk genähert. Ihr Lager auf den Höhen vorwärts Battin, eine eng verbundene Masse von Verschanzungen, gliech einer Festung. [9]

Nach einem mißlungenen Angriff am 28 Aug. brachen die Russen, 19,000 Mann stark, mit 62 Kanonen, gegen Battin auf; die Türken zählten, seit Muktar Pascha mit seinen Albaniern zu ihnen gestoßen war, 30,000 Streiter. Morgens sieben Uhr begann der Angriff. Während die Kolonne des Generals Kulnef die feindlichen Verschanzungen auf ihrem rechten Flügel umgieng, sie in Rücken nahm und die entgegengekommene Reiterei warf, rückte der Oberfeldherr mit Vierecken des Fußvolks und mit 30 Kanonen gerade auf den rechten Flügel der Verschanzungen los und ließ die Kanonade eröffnen. Der Feind antwortete ebenso lebhaft mit Geschütz und hatte nicht nur die Brustwehr, sondern auch den Graben seiner Werke mit Truppen besetzt. Gleichzeitig mit dem Angriff des Oberfeldherrn war jener seines ältern Bruders auf dem linken Flügel erfolgt. Drei kleinere Verschanzungen auf dem Abhang gegen die Donau hatte er im Sturm genommen, aber eine der größern war unbezwingbar. Kulnefs Abtheilung nützte indessen den errungenen Vortheil ihrer Stellung. Sie griff einen Reiterschwarm im Donauthal an und trieb ihn in die Flucht. Dagegen mißlang ihr Angriff auf eines der zwei noch uneroberten Lager; bereits eingedrungen wurde sie durch die Türken zurückgeworfen.

So trat in der vierten Nachmittagsstunde bei dem russischen Heere ein plötzlicher Stillstand ein, welchen einzelne Türken zu Wagnissen nützten. Da befahl der Oberfeldherr um halb sechs Uhr einen allgemeinen Sturm. Die Rückseite, vom Ansehen nach die stärkste, wurde zum Hauptangriffspunkt, wo das Lager erstiegen werden sollte, gewählt. General Sabanejew führte vier Kolonnen die steilen Höhen von Battin gegen das große Lager hinauf; zwei andere Kolonnen vom äußersten rechten Flügel setzten sich gegen das kleinere Lager in Bewegung und ein wohlunterhaltenes Kanonenfeuer unterstützte das Gefecht. Vor dem kleinen Lager wurde der Sturm abgeschlagen; das größere aber von Sabanejew erobert und der Sohn Ali’s von Janina mit seinen Albaniern in die Flucht getrieben. Zwei Reiterregimenter folgten den Fliehenden und ließen vom Fußvolk fast gar nichts entrinnen. Der Tag neigte sich seinem Ende und noch war ein Lager zu nehmen. Man beschloß dasselbe am folgenden Tag bloß durch Geschütze zur Uebergabe zu zwingen. Aber noch ehe der Morgen anbrach, gab Achmet Pascha sich und 4,000 Türken zu Gefangenen. Die Beute der Sieger war groß; jede Lagerhütte enthielt Ueberfluß an Proviant, Kleidern, Waffen und Saumthieren. Auch eine Heerde von Kameelen blieb zurück. Sie eroberten 14 Kanonen, 178 Fahnen (jeder selbst unbedeutende Haufe des türkische Kriegsvolks führt nehmlich eine Fahne als Feldzeichen), einen Theil der Flottille und verloren nur 1,500 Mann, während die Türken ihren Seraskier, Kuschang-Ali mit 10,000 Streitern auf der Wahlstatt ließen.

[406] Von dem Battiner Schlachtfelde begab sich die siegreiche Armee zur Belagerung Rustschuks zurück. Durch die russische Flotille und die Erbauung eines Brückenkopfs auf dem linken Ufer der Donau wurde die bis dahin ununterbrochene Gemeinschaft zwischen Rustschuk und dem gegenüber liegenden Giurgevo gehemmt. Letzterer Platz wurde zur Uebergabe aufgefordert: „Giurgevo schwimmt noch nicht im Blute,“ erwiederte der kommandirende Pascha. Dagegen machte Bosniak Aga einen Schritt zur Näherung, welche jedoch der Sieger von Battin mit Stolz zurückstieß. Weit entfernt, schimpfliche Bedingungen einzugehen, war Bosniak nunmehr entschlossen , das Aeußerste zu wagen.

Das Blatt wendete sich: die Reihe, Vorschläge zu machen, kam an den russischen Oberfeldherrn selbst. Nachrichten aus dem westlichen und nördlichen Europa ließen ihn glauben, daß er den Frieden auf dieser Grenze seines Vaterlandes beschleunigen müsse, und so ließ er ungesäumt [407] dem Großvezier Friedensanträge bringen. Dafür brachten die russischen Abgeordneten ihrem Feldherrn nur Besorgnisse über die wachsende Macht des Feindes zurück. Graf Kaminsky wollte mit Bosniak jetzt auf jede Bedingung zum Abschluß kommen. Eine der Frauen des Aga, welche in Szistova gefangen worden, schien hiezu Gelegenheit zu bieten; aber der Türke erwiederte, daß es sich nicht zieme, Weiberangelegenheiten einzumischen. Erst am 26ten Sept. kam eine Kapitulation, mit den vortheilhaftesten Bedingungen für die Vertheidiger von Rustschuk und Giurgevo, zu Stande. Am 6 Nov. begann der Marsch der russischen Armee von Nikopel nach den Winterquartieren dießseits der Donau. Die Russen hatten vor ihrem Abzug alle Städte und Ortschaften, welche sie erreichen konnten, verbrannt [10] und behielten nur die drei Festungen Nikopel, Rustschuk und Silistria, jede mit einer Division, besetzt, über welche General Essen in Rustschuk den Oberbefehl führte.

Am Anfang des Jahres 1811 (von der Möglichkeit, das rechte Donauufer zu behaupten, war keine Frage mehr,) wurde Nikopel und Silistria geschleift, Rustschuk als Brückenkopf behalten. Im März hatte Kutusow den Oberbefehl übernommen; anfangs Mai rückte er ins Feld. Der rechte Flügel unter Saß lagerte bei Crajova; das beträchtlichste Corps unter Langeron versammelte sich bei Senteschti am Saborafluß und der linke Flügel unter Woinow bei Obileschte. In Servien standen 3,000 Mann unter Graf Orurk.

Im Juni zog der neue Großvezier Achmet mit 60,000 Mann und 78 Geschützen gegen Rustschuk. Kutusow ließ das Corps Langeron am 22 bei Giurgevo eine Stellung nehmen und entsendete ein Cavalleriekorps unter Woinow, um die Bewegungen des Feindes, der über Rasgrad kam und sich 1½ Meilen von Rustschuk, vor Kadikiri, verschanzte, zu beobachten. Endlich ging er, um Rustschuk zu schützen, welches überlegenen Kräften nicht gewachsen war, am 1 Juli selbst über die Donau und stellte in der Nacht zum 2ten eine gute Stunde vorwärts der Festung, seine 14,000 Mann starke Armee in Schlachtordnung.

Unter Begünstigung eines dichten Nebels drangen die Türken am Morgen des 2 Juli vor, und Woinow vermochte erst nach einem zweifelhaften Reitergefechte sie zurückzutreiben. In der Absicht, das russische Corps zu umgehen, machte der Großvezier am Morgen des 4 einen neuen Angriff. Mit vieler Geschicklichkeit deckte er, durch ungestüme Anfälle gegen die Mitte und den rechten Flügel, den Hauptangriff gegen den linken. Mit Blitzesschnelle ward die russische Reiterei in die Flanke genommen und geworfen. Sie litt bedeutenden Verlust und verlor eine Kanone. Da brachte Kutusow durch das 7te Jägerregiment und die Tschauganewskischen Uhlanen das ungünstige Gefecht zum Stillstand. Der Angriff, welcher nun allenthalben gegen die Türken erfolgte, war so heftig, daß sie in Verwirrung ihr verschanztes Lager zu erreichen eilten und 600 Todte, 900 Verwundete nebst 6 Pulverwägen auf dem Platz ließen. Die Russen hatten 800 Mann verloren.

Kutusow hielt sich für zu schwach, um den mehr als dreimal stärkern Gegner in seiner festen Stellung anzugreifen und fürchtete für Rustschuk, welches eine Besatzung von 10,000 Mann erforderte. Er faßte also den Entschluß, über die Donau zurückzugehen. Schon um Mitternacht des 4ten begann der Rückzug; am 5 war Rustschuk geräumt und ein Raub der Flammen, wobei man sich nicht einmal Zeit nahm, die Festungswerke zu zerstören, sondern dem Feind eine Festung in verbesserter Form überließ. Die Türken bezogen ein Lager auf den Höhen unterhalb Rustschuk, welches Bosniak Aga wieder besetzte; die Russen eines der verlassenen Feste gegenüber, Giurgevo zur Linken, wo das Hauptquartier war. Abtheilungen setzten sich in Obileste, Slobodzin und Turnov fest.

Bei Widdin war indessen am 3 August Ismael- Bey mit 20,000 Türken über die Donau gegangen; aber weitere Fortschritte derselben wußte General Saß zu vereiteln. Auch der Großvezier machte Anstalten zum Uebergang. In der Nacht des 6 Sept. landete ein Corps Türken, eine Stunde oberhalb Giurgevo. Während man diese zwang, sich wieder einzuschiffen, geschah der eigentliche Uebergang noch höher am Strome und gelang, Am Mittag des 10 waren bereits 6,000 Mann mit 6 Kanonen am linken Ufer unbezwingbar verschanzt. Drei Angriffe der Russen gegen sie mißlangen mit einem Verlust von 500 Todten, 1,600 Verwundeten, einer Fahne und einer Kanone.

General Sabanejew schlug vor, im Schilf und Gesträuch oberhalb des feindlichen Lagers einen Punkt, den er bereits erforscht hatte, zu verschanzen und von hier mittelst Geschütz die Verbindung des Feindes mit dem rechten Ufer zu hemmen. Kutusow wollte dagegen in der Nacht des 11ten durch seine Flotille die Verbauung der Türken am linken Ufer zerstören. Es gelang nicht. Ungehindert mehrten und befestigten sich die Türken, so daß es ihrer am 18ten schon 30,000 Mann mit 50 Kanonen waren. Die Ausfälle des Großveziers, die nun erfolgten, hatten zwar keinen Erfolg, aber die fortwährende Befestigung des Lagers durch vorgeschobene Redouten konnten die Russen nicht hindern, und seit sie wußten, daß ihr Gegner ihren rechten Flügel zu durchbrechen beabsichtigte, erkannten sie das Bedürfniß auch ihre Stellung zu verschanzen. In der Nacht des 29ten deckten sie den bedrohten Punkt mit 4 Redouten. Wirklich erfolgte hier der Angriff der Türken am 2 Okt. mit Ungestüm, doch wurden sie genöthigt, sich zurückzuziehen; dagegen erstürmten am folgenden Tag die Russen eine Redoute auf dem äußersten rechten Flügel der Türken.

Durch seine Generale aufgefordert, beschloß Kutusow, ein Corps nach dem jenseitigen Ufer zu senden, die dort befindlichen Türken zu verjagen; das entblößte Rustschuk durch Ueberfall zu nehmen und so dem Großvezier alle Verbindung rückwärts abzuschneiden. General Markow, mit 8000 Mann zu dieser Unternehmung bestimmt, zog [408] in der Nacht des 11ten aus dem Lager. Als der Tag anbrach, waren die leichten Truppen zwei Meilen oberhalb Rustschuk schon übergeschifft, und die Kosaken durch die Donau geschwommen. Den Uebergang des größern Theils des Corps jedoch verzögerte die späte Ankunft der Flotille von Turnov bis zum 13ten. Die Türken auf dem rechten Ufer ahnten nichts von einem Angriff; um so größer war die Bestürzung bei dem Anmarsch der Russen. Beinahe ohne Widerstand eroberte Markow das mit Reichthümern angefüllte Lager, aus welchem die Türken nach Rustschuk und gegen Rasgrad flohen. Theils aus dem eroberten (10 Kanonen und 3 Mörsern) theils aus eigenem Geschütze ließ nun der General vom rechten Ufer das Lager des Großveziers am linken beschießen, welches auch durch 80 Geschütze aus der Stellung des Oberfeldherrn geschah. Der Großvezier ließ am Nachmittag um einen Waffenstillstand unterhandeln, bis die dunkle Nacht seine Flucht nach Rustschuk barg. Das verschanzte Lager wurde deßwegen aber nicht aufgegeben, und Tschappan-Oglu Pascha übernahm den Befehl. Er erwarb sich durch seine Standhaftigkeit den größten Ruhm. Von allen Seiten beengt, auf Pferdefleisch beschränkt, ohne Holz in kalten Nächten, und täglich aus 200 Geschützen von beiden Ufern und von der Flotille beschossen, lehnte Tschappan-Oglu die vortheilhaftesten Anerbietungen ab. Schon hatte er den Plan gefaßt, sich auf dem linken Flügel der Russen durchzuschlagen und Rustschuk gegenüber aufs neue zu verschanzen, als die am 28ten geschlossene Uebereinkunft, einen Friedenscongreß in Giurgevo zu eröffnen, dem Elende der 4000 Tapfern ein Ziel setzte. Sie wurden im Laufe der Unterhandlungen mit Brod und Holz und auch mit russischen Aerzten versehen. Ein am 28 Dec. zwischen Kutusow und dem Großvezier unterzeichneter Vertrag wies ihnen, ohne Waffen, Quartier an der Aluta an, und, sollte der Friede zu Stande kommen, so hatten sie Anspruch auf ihre Waffen, auf 51 Kanonen und 22 Pulverwagen, welche die Russen in dem verschanzten Lager gefunden hatten.

Am 28 Mai 1812, nachdem Admiral Tschitschagow die Donauarmee übernommen, erfolgte der Friede zu Bukarest.

[410] Wie kommt es nun, könnte man fragen, daß bei der anerkannten Ueberlegenheit [11] der russischen Waffen die Resultate [411] der letzten Feldzüge nicht bedeutender waren? Es sind aber bei diesen mehr als bei irgend einem andern Krieg Schwierigkeiten des Klimas und des Terrains zu überwinden, die oft ganz außer dem Calcul des Feldherrn liegen. Brennende Dürre am Tag, kühle Nächte, Mangel an frischem Wasser, schnelle Temperaturveränderungen erzeugen an der untern Donau Ruhren, Wechsel- und Faulfieber, Krankheiten, die durch unmäßigen Genuß des Obsts, besonders der Melonen, durch leichte Bekleidung, lange Standlager, forcirte Märsche, unzweckmäßige Waffenübungen gefördert, hingegen durch saure Speisen, geistige Getränke, gute Bekleidung und angemessene Thätigkeit gehemmt werden.

Für zweckmäßige Nahrung [12] des Soldaten läßt sich sorgen: das Schädliche kann man verbieten, das Zuträgliche vorschreiben und geben. So wie an Ordnung, kann man auch an Mäßigkeit gewöhnen; dem Mangel muß man vorzubeugen wissen. Nicht so leicht geht es mit der Bekleidung. Wenn der Mann in einer glühenden Atmosphäre, unter der Last seiner Waffen und seines Gepäcks frei athmen, frei gehen soll, so soll er Abends plötzlich gegen Nässe und Kühle des Bodens, gegen schädliche Luft verwahrt seyn. Alles, dessen er sich entledigt, um durch die Sandwellen bei Allibunar ungehindert zu schreiten, bedarf er augenblicklich bei dem letzten Strahle der untergehenden Sonne. Der Bewohner an der Theiß ist im Sommer, während der Feldarbeit, blos in Leinen gehüllt; am Abend deckt ihn der Pelz.

Im Allgemeinen haben die russischen Heere nie [13] in dem Maße wie die österreichischen durch die klimatischen Einflüsse gelitten. Großentheils ohne Zweifel erklärt sich diese Erscheinung aus der angemesseneren Bekleidung der russischen Soldaten, der bei weniger Paradeprunk, mit Zelten und Mänteln richtig versehen ist. Freilich werden die Schutzmittel für die Gesundheit, die Nachfuhr der Vorräthe in unfruchtbaren Strecken und die vermehrte Geschützzahl, deren man zur Bezwingung vieler Befestigungen bedarf, ein unendliches Fuhrwerk erfordern; zum Glück aber kann man auf diesem Schauplatze Zug- und Lastthiere eines unzähligen Trosses ohne Verlegenheit ernähren. Es grenzt an das Unglaubliche und doch ist es wahr, daB Münichs Armee 1736 in der Krym neunzigtausend Wagen in ihrem Gefolge zählte, worauf sie nicht nur Mehl und Brod, sondern alles, was die Natur den Steppen versagt, namentlich Wasser und Holz mit sich führte. Wasserfässer bedienten sich nachher die Russen statt der Bruckschiffe.

Werfen wir nun, um uns das Bild des Türkkenkriegs zu vervollständigen, einen Blick[14] auf die Lage der Donaulandschaften und der sonst hier in Frage stehenden Provinzen des türkischen Reichs. Wenn ber Reisende von Hermannstadt durch den Rothenthurmpaß, das enge Waldthal hinab an dem Städtchen und Kloster Argisch vorbei, nach Pitesti gekommen ist und das mit Reben bebaute Vorgebirg erstiegen hat, so liegt die steppenartige Ebene der Mallachei vor ihm. Viele Flüsse und Bäche strömen aus dem Hochgebirg der Donau zu: bei trockener Zeit größten Theils durchwatbar, bei jedem Regengusse aber aus den Ufern tretend. Die Gemeinschaft, durch schlechte Brücken und Furten unterhalten, ist daher Zufällen unterworfen, und die Wege auf fettem Boden sind im der Nässe grundlos.

Die ganze Ebene, mit kurzem Eichengestrüpp bewachsen, ist der Auswuchs jener Wälder, die man der Viehzucht wegen verbrannte. Diese ist in der Wallachei, sowie in der Moldau und in Bessarabien, der Hauptnahrungszweig der Bewohner. In den beiden letztern Provinzen aber, denen Galizien und die Bukowina ihre Gewässer, den Sereth, Pruth und Dniester, zusenden, erscheint der mit tiefen, von Norden nach Süden parallel laufenden Thälern durchschnittene Boden als eine große Waide ohne Strauchwerk, Hier leben die Bewohner herumschweifend in tragbaren Hütten, so wie die Wallachen in Hütten unter der Erde, die sie jedoch, als halbe Nomaden, auch öfter wechseln.

Die Moldau, weil sie europäischer Kultur am nächsten liegt, weist noch die meisten festen Wohnsitze auf; sonst gelten auf Karten von der Wallachei nur diejenigen Orte wirklich‚ die eine Kirche oder ein Kloster zum Kerne besitzen. Der Ackerbau beschränkt sich auf die Pflanzung des türkischen Waizen. Der üppige Graswuchs [412] bringt dagegen Ueberfluß an Heu hervor, welches man in großen Haufen auf den Feldern findet.

Die Donau [15] welche die beiden Fürstenthümer von Bulgarien scheidet, macht es durch Strömung und viele Inseln nicht nur äußerst schwierig, Schiffbrücken bleibend zu errichten, sondern ein noch wichtigeres Hinderniß sind die Festungen [16], welche den Türken die Behauptung des Stroms erleichtern.

Am bulgarischen Ufer wechselt ödes Land mit dem üppigsten Weinbau, dessen Ertrag unverwüstbar ist. Aber minder begünstigt ist das bulgarische Hochland, das im Sommer Mangel an Trinkwasser leidet; oft ist da der Boden wie abgesengt, nicht ein Grashalm sproßt hervor, und in den Thälern trocknen selbst namhafte Bäche aus. Die Kälte im Winter hält zwar nicht an, übertrifft aber doch oft augenblicklich jene der nördlichen Klimate. Die Dörfer sind dann wüste [17] Stellen und auf keine Weise zu Marsch- und Kantonirungsquartieren geeignet; die Thäler verschneit oder überschwemmt und alle Wege unbrauchbar.

„Zwei große Gebirge, sagt Mannert [18] durchziehen mit mehreren Aesten das innere Land von Thrazien. Die Hauptkette derselben erstreckt sich aus dem südlichen Krain gegen Südosten, trennt Dalmatien von den Gegenden des innern Landes, zieht sich dann in die nordöstlicheren Gegenden, und heißt längs der Gränze zwischen dem westlichen Thrazien und Illyrien das sardische Gebirg. Die größte Höhe und Ausbreitung erreicht es weiter östlich (südlich dem heutigen Sophia) und heißt der Berg Skomius. Er ist hoch. Der Reisende sieht seine mit immerwährendem Schnee bedeckten erhabensten Spitzen zwischen Sophia und Philippopolis sich zur Seite, unter dem Namen Mitoscha-Berg und Rulla-Gebirg. Etwas weiter östlich fängt er an sich in zwei Hauptäste, in den Hämus und die Rhodope, zu spalten. Der Hämus ist die nordöstliche Fortsetzung des (Orbelus) Skomius; wahres Alpengebirg, hoch und felsig.“ [414] Der Hämus – die Türken nennen ihn den großen Balkan (Berg) – erhebt sich an den Ursprüngen des Ister, der Maritza, des Karassu und des Strymon. Am Orbelus hat das Gebirg seine höchste Höhe erreicht und fällt fort und fort bis zum Cap Emineh am schwarzen Meer. Der Orbelus sendet Zweige zwischen die Drina und Morava zur Donau, zwischen das adriatische und ägeische Meer zur Südspitze von Morea hinab. Der Hämus verzweigt sich zwischen der Morava und dem schwarzen Meer gegen die Donau, und zwischen diesem Meer und dem Stryamon an den Archipel und das Meer von Marmora.

Nach dieser Darstellung des Höhenzugs, über den man nach Rumili gelangt, betrachten wir die Wege dahin. Es sind deren hauptsächlich drei.

1) Die Straße über Nizza, [19] Sophia, Philippopel. Der Weg von Nizza bis Dragoman, vor Sophia, ist von so schlechter Beschaffenheit, daß er selbst nach geschehener Verbesserung für Geschütze kaum fahrbar wird. Drei Pässe finden sich auf dieser Strecke, bei welchen der Zug eines Heeres ohne Mühe angehalten werden kann.

Von Dragoman nach Sophia fährt man leicht, und erblickt hier zur Rechten den hohen Witoscha. Zwei warme Bäder liegen an seinem Fuß; seinen Scheitel deckt zwischen Flesenbrocken ewiger Schnee. Der Weg bis Ichteman, streckenweise über felsigen Boden, ist gefährlich. Gewitter und Stürme sind in dieseer Gegend zu Haus und von entsetzlicher Art.

Von Ichteman zieht der Weg über zahlreiche Gewässer immer aufwärts vor das Trajanische Thor (Demir-Capi, [415] das eiserne). Er theilt sich am Fuß des Bergs. In Felsen gehauen führt links eine Bahn zum Thor und ist in ihrer Fortsetzung nur Saumweg; rechts führt eine andere in tiefer Schlucht zwischen Felsen, nur für einen Wagen breit, mit schroffen Wendungen in die Ebene der Maritza hinab, wo man zur rechten das mit Schnee bedeckte Rillogebirge erblickt.

Obgleich man den Hauptrücken bereits überschritten hat, so sind doch keineswegs alle Hindernisse überwunden: das beschwerlichste und in militärischer Hinsicht wichtigste Hinderniß liegt zwischen Jabrovitz und Kisderven vor Bazardsjik. Ueber zwei Stunden zieht der Weg mühsam zwischen Marmorfelsen am rechten Ufer der Maritza hinab und führt mittelst gefährlicher hölzerner Hangbrücken an steiler Felsenwand vorüber. Bei Saram Beik endlich, drei Stunden vor Bazardsjik, hat man die Ebene erreicht, in welcher der Saumweg vom trajanischen Thor mit dem beschriebenen Weg sich vereinigt. Minder schwierig zwar, aber doch in schlechtem Zustande, führt der weitere Weg bis Adrianopel, durch die sumpfige ungesunde Ebene der Reisfelder bei Philippopel, über unzählige tief eingewaschene Gewässer, durch Gestrüpp, und über ein sehr beschwerliches Terrain bei Hermanli. Die Strecke zwischen Philippopel und Adrianopel ist volkreich und fruchtbar; arm die zwischen Sophia und Bazardsjik.

2) Die Straße aus der Gegend zwischen Nikopel und Rustschuk über Tyrnova nach Adrianopel.

Auch auf dieser Strecke finden sich Spuren der großartigen Werke der Römer. Zwei Stunden vor Tyrnova bis in diese Stadt und zwischen Drenova und Zablova verfolgt man die ehemalige Bahn einer römischen Straße. Für Wagen und leichtes Geschütz ist der Weg von Rustschuk bis Gablova fahrbar; von hier über das Gebirg bis Kasanlik hinab bedarf er einer Herstellung; aber weiter über Sara bis Hebübsche an der Maritza, wo er mit dem von Sophia zusammentrifft, hat er keine besondere Schwierigkeiten mehr. Bleibt auch über seine Beschaffenheit noch mancher Wunsch übrige, so sind dagegen seine Umgebungen überall bewohnt, und der lachende Anblick der Landschaft zeugt von großer Fruchtbarkeit. Bei Nikobi steht man in der Mitte großer, zum Theil wohlgebauter Dörfer in einer fleißig bebauten Gegend. Noch jenseits Tyrnova wächst die Rebe, und bis Gablova hinauf ist jedes Stück des fetten ergiebigen Bodens benützt. Nur drei Stunden bedarf man um die Höhe vollends zu erreichen; nur drei andere, um bei Kasanlik wieder in einem großen, mit Ortschaften besäten, fruchtbaren Thale zu sey und sofort durch eine gesegnete Landstrecke Adrianopel zu erreichen.

3) Die Straße von Rustschuk nach Konstantinopel. Sie geht über Rasgrad nach Schumla. Hier theilt sie sich in zwei Aeste, von denen der eine über Tschali-Kavak, Karnabad, der andere, näher gegen das schwarze Meer hin, über Pravadis, Aidos nach Umur-Fakih führt, von wo aus man über Kirk-Kilise, Luegas, ohne Adrianopel zu berühren, nach der Hauptstadt gelangt. Reisende, die der Wagen sich bedienen – die dort üblichen Lehnwagen sind mit Büffeln bespannt – und was noch mehr ist, das türkische schwere Geschütz, welches nach den Donaufestungen geht, zieht diese Straße jeder andern vor, ohne Zweifel weil sie die beste ist. Bedenkt man aber, daß selbst in dieser Richtung die sehr beschwerliche Strecke von Karnabad über Fakih gegen Kirk-Kilise zu passiren ist, wo man über steile Höhen und Felsentrümmer hinweg muß, und nach Versicherung eines Augenzeugen, ein leichter Frachtkarren mit acht Büffeln bespannt wird, so kann man sehr leicht die Hindernisse ermessen, die auf den beiden andern, schlechtern Wegen über den Hämus anzutreffen sind.

Allein die Schwierigkeiten eines Zugs gegen Konstantinopel sind, wenn man den Hämus zurückgelegt hat, keineswegs zu Ende. Die Noth, kann man fast sagen, beginnt erst bei Adrianopel. Zwischen hier und Konstantinopel verwandelt sich das Land in wüste Steppen; der Weg führt durch sandigen Boden, über unzählige Höhen, die leicht zu vertheidigen sind, über fünf und siebenzig, im Sommer meist trockene tief eingewaschene Bäche – also kein Wasser; – durch Gegenden, in welchen man keinen Strauch erblickt, — also kein Holz — bis Bujuk- Tschekmedsche (Ponte grande). Hier geht eine fünfhundert Schritt lange, prächtige steinerne Brücke über die Mündung eines durch den Karassu (das schwarze Wasser) gebildeten süßen Sees: in einer Gegend, die noch Jedem, der sie sah, unbezwinglich geschienen hat. Ganz Thrazien hatte Attila im Jahr 450 erobert; die Hauptstadt war allein noch übrig. Da entsank ihm bei Bujut-Tschekmedsche die Ruthe, und er bot die Rechte zum Vergleich. Ein Jahrhundert später schlug der greise Belisar auf derselben Stelle die eingedrungenen Barbaren in die Flucht.

Und stünde man endlich unter den Mauern von Konstantinopel, so darf man nicht vergessen, daß es eine Stadt ist, die schon von den Zeiten der griechischen Kaiser her alte Anstalten für den Fall einer Belagerung, namentlich Zisternen, im großartigsten Maßstabe besitzt.

„Keine Stadt der Welt, sagt Joseph v. Hammer [20] hat so vielfache und so berühmte Belagerungen erlitten; zweimal durch alte Griechen (Alcibiades und Philipp), dreimal durch römische Kaiser (Severus, Maximius, Constantinus), einmal durch die Lateiner (Graf Balduin und der Doge Dandolo 1204), die Perser, die Avaren, die Slaven und die Griechen selber (Michael der Paläologe), zweimal durch die Bulgaren und durch die Rebellen, siebenmal durch die Araber und dreimal durch die Osmanen belagert, sah Konstantinopel, wie keine Stadt der Welt, altgriechische Feldherrn und, altrömische Imperatoren , neurömische Cäsaren und neugriechische Autokratoren, persische Chosroes und arabische Chatifen, bulgarische Krain und flavische Despoten, venetianische Dogen und französische Grafen, avarische Chakane und osmanische Sultane vor ihren Mauern liegen, und vier und zwanzigmal belagert, wurden sie nur sechsmal, durch Alcibiades, Severus, Constantin, Dandalo, Michael den Paläologen und Mahommed II erobert.“ [416] Mahommed II, der es mit den Angriffsmitteln in’s abentheuerliche trieb, und mit 250,000 Türken gegen 5,000 Verteidiger kämpfte, nahm Konstantinopel nach einer Belagerung von drei und fünfzig Tagen.

  1. Die Lehre vom Krieg. Dritter Theil. Der Türkenkrieg.
    Von dem Generalmajor Freiherrn v. Valentini. Mit vier Planen. Berlin 1822.
         Militärische Blätter. Eine Zeitschrift. Herausgegeben von F.-W. v. Mauvillon. Erster Band. Jahrgang 1822. Essen und Duisburg.
         Stato Militare dell’ imperio ottomano etc. del signore Conte die Marsigli
         Histoire de la guerre des Russes et des Impériaux etc. par M. de Keralio.
  2. Verliert der Spahi sein Pferd, so geht er einstweilen zum Fußvolk über, und eben so setzte sich der Janitschar auf das Pferd, welches ihm der Zufall bot.
  3. Es sind deren fünf:
    1) 1711 russisch-türkischer Krieg. Peter I wäre fast in Gefangenschaft gerathen.
    2) 1716–17 österreichisch-türkischer Krieg. Eugen’s Siege bei Peterwardein (5 Aug. 1716) und bei Belgrad (16 Aug. 1717). Einnahme von Belgrad
    3) 1736–39 Oesterreicher und Russen gegen die Türken
         1736 Marschall Münich erstürmt die Linien von Perekop (31 Mai). Die Russen (16 Jun.) in Koslov, (28 Jun.) in der Residenz der Krym’schen Chane, Bachtschi-Sarai. Kinburn, Azof fiel (1 Jul.).
         1737 Otschakow erobert. Oesterreichs Fahnen flieht das Glück in Servien. Die Türken räumen Nissa, aber schlagen die Oesterreicher (28 Sept.) am Ausfluß des Timok und besetzen Nissa wieder (18 Oct.). Dadurch geht für Oesterreich Servien, und durch die Niederlage bei Banialuka (4 Aug.) Bosnien verloren.
         1738. Die Türken erobern (Ende März) Mehadia, verlieren es wieder nach dem Sieg des Herzogs von Lothringen bei Cornia (4 Jul.); Münich siegt 11 und 19 Jul. bei Kodima und Sofran; er geht 1 Sept. über den Bog zurück.
         1739. Münich geht (30 Jul.) bei Sinkozcze über den Dniester, dringt durch die berüchtigten Pässe bei Tschernauka (Perekop), siegt bei Stavcsany (28 Aug.) und nimmt (31 Aug.) Chotym. Die Türken schlagen (23 Jul.) die Oesterreicher bei Groczka, belagern Belgrad. Friede geschlossen im Lager des Großveziers (1 Sept.)
    4) 1769–1774 russisch-türkischer Krieg.
         1769. Gallizin erobert (30 Apr.) die Linien von Chotym, geht aber über den Dniester zurück (14 Jul.); Sieg bei Baskifcze (12 Aug.). Rückzug bei Okopi über den Dniester. Der Großvezier Moldavangi setzt den Russen über den Fluß nach, reißende Fluthen zerstören die Brücke, er wird bei Chotym geschlagen; die Russen besetzen Chotym, Jassy, Bukarest.
         1770 weichen die Russen bis unter die Wälle von Chotym zurück. Romanzof schlägt (Ende Jun.) die Türken am Ausfluß des Kalmazuibachs in den Pruth, gegenüber von Husch, und bald darauf am Largafluß bei dem Dorfe Kotupaikuli, vertreibt (1 Aug.) mit 25,000 Mann 150,000 Türken aus ihrem verschanzten Lager an der Mündung des Kagul zwischen Waidu und Bulboka. Bender und Brailow genommen, Moldau und Wallachei besetzt.
         1771. Giurgevo (7 März) genommen; geräth durch einen kühnen Ueberfall bald wieder in türkische Gewalt. Spätere Gefechte unbedeutend. Unternehmungsgeist, Gewandtheit und Plan diesmal auf Seiten der Türken. Fürst Olgoruczky indeß nimmt (14 Jun.) die Linien von Perekov und erobert mit Kaffa die Krym.
         1772. Friedensunterhandlungen zu Fokschan und Bukarest ohne Erfolg.
         1773. Romanzof (24 Jun.) geht über die Donau bei Brailow; sein Versuch auf Silistria mißlingt. Die Russen müssen ihren Rückzug durch einen Engweg bei Kainardgi mit großem Verlust erkaufen (1 Jul.); sie setzen (Mitte Oct.) wieder über die Donau, schlagen die Türken, bemächtigen sich Bazardsjiks und rücken vor Varna. Hier werden sie geschlagen und kehren über den Strom zurück.
         1774 (17 Jun.) Romanzof geht über die Donau bei Totorkan – glückliche Gefechte bei Schumla; Friede von Kainardgi (21 Jul.).
    5) 1787–1792. Oesterreichisch-russischer Krieg gegen die Türken.
         1787. Vortheile der Russen vor Kinburn.
         1788. Oczakow vom 9 Jul. bis 17 Dec. belagert, erobert. Oesterreich tritt auf. Sabacz (23 Apr.) Dubitza (26 Aug.), Novi (3 Okt.) fallen in Laudons Hände; Prinz Koburg erobert (19 Sept.) gemeinschaftlich mit den Russen Chotym. Häufige Gefechte in der Moldau, Wallachei und Kroatien, wo die Türken nicht selten die Oberhand behielten; sie siegen (7 Aug.) im Thale von Mehadia; ebendaselbst siegt 1789 Clerfayt (28 Aug.), Galacz (1 May). Berbir (9 Jul.), Bender (15 Nov.) erobert. Neuorsowa hält sich.
         Niederlage der Türken bei Fokschan (31 Jul.) und bei Martinestie (22 Sept.) gegen Koburg und Suwarow.
         
         1790 (16 Apr.) ergibt sich Neuorsowa; Giurgevo wird umsonst angegriffen. Die Oesterreicher besiegen die Türken bei Calefat, im Angesichte Widdins (25 Jun.) und erobern (20 Jul.) Czettin an Croatiens Grenze. Congreß zu Reichenbach, Waffenstillstand zwischen der Pforte und Oesterreich, worauf am 4 Aug. des folgenden Jahres der Friede von Szistov folgt.
         Die Russen schlagen die Türken am Kuban, nehmen Kilianowa und 22 Dec. erstürmt Suwarow Ismaël.
         1791. Siegreiche Gefechte der Russen bei Matschin, bei Babatag; die Schlacht bei Matschin (10 Jul.) gewinnen sie mit 27,000 Mann gegen 100,000. Anapa am schwarzen Meere erstürmt. Friede von Jassy 9 Jan. 1792.
  4. Er wurde von den Russen am 27 Dec. 1806 durch die Besetzung von Bukarest eröffnet und am 28 Mai 1812 durch den Frieden von Bukarest geendet.
  5. Admiral Dukworth erschien am 20. Febr. 1807 vor Konstantinopel, kehrte aber nach acht Tagen unverrichteter Dinge ans Mittelmeer zurück.
  6. 80,000 Mann rückten vor dieser Festung, deren sich die Servier noch vor dem förmlichen Ausbruch des Krieges (13. Dec. 1806) bemächtigt hatten
  7. Bei Slobosea und Tataricze, Isakscha, Tulscha, Matschin, Ismaël, letzteres nach einer Belagerung von mehreren Wochen, fielen in ihre Gewalt, Silistria widerstand.
  8. Die östlichsten Punkte, welche die Russen erreichten
  9. In der Offensive behandeln sie feindliche Lager nicht selten als wirkliche Festungen, indem sie Laufgräben eröffnen.
  10. Diese barbarische Maßregel beweist einerseits, daß die Russen damals noch nicht daran dachten, bleibende Eroberungen jenseits der Donau zu machen, andererseits kann sie nur darin Entschuldigung finden, daß fast jeder Ort, mit Wall und Pallisaden umgeben, eine Belagerung erfordert, wenn türkischen Haufen denseelben besetzen.
  11. Ob sich diese Ueberlegenheit selbst auf die Kosaken, den Spahi gegenüber, erstreckt, dürfte noch zweifelhaft seyn. In der Art der Bewaffnung haben sie zwar sehr große Aehnlichkeit mit einander, in den wüsten steppenähnlichen Gegenden haben die erstern wegen ihrer scharfen Sinne , womit sie zum Theil die Stelle der Karten ersetzen, vor den letztern vielleicht einen Vorzug; allein, was persönliche Tapferkeit, Schönheit und Geschwindigkeit der Pferde betrifft, so dürfen sich die Kosaken mit den Spahi keineswegs messen, und gewiß ist, dass sie sich vor keiner Reiterei so sehr fürchten, als vor dieser türkischen. Die Spahi, sagt Marsigli, führen acht bis zehen Schuh lange Lanzen, das heißt dreischneidige, einen Schuh lange und einen Zoll dicke Spitzen an Stangen, die nur einen Zoll dick und also leicht zu durchhauen sind, einen krummen Säbel, und ein, auch zwei Paar Pistolen. Einige haben sehr lange und breite Schwerter und Karabiner, andere Wurfspieße, Wurfpfeile, Streitäxte, Keulen u. dgl.; bei den Asiaten sieht man noch häufig Bogen und Pfeile. Besitzen aber die Spahi vielleicht nicht ganz die Wachsamkeit der Kosaken, so haben dafür die Türken ganze Heerden von Wachthunden, die ihnen treffliche Dienste leisten.
  12. Eine Hauptursache von Krankheiten bei russischen Heeren ist das Fasten, welches der Soldat nach griechischem Brauch beinahe drei Viertheile des Jahres zu beobachten hat. Oesterreichische Feldärzte bestätigen dieß. Nach vielfachen Erfahrungen scheinen ihnen wenige Nahrungsmittel so schädlich als Fische aus den Sumpfgewässern des Banats, und heute noch greifen an der österreichischen Militärgrenze während der griechischen Fastenzeit die Krankheiten mehr als sonst um sich.
  13. Uebrigens starben von dem 54,000 Mann starken Heere Münichs 1736, zwar nicht durch klimatische Einflüsse allein, sondern auch als Folge des Mangels und unnützer Anstrengungen, 30,000 Mann. Dagegen bei dem österreichischen Heere im Banate, welches im August 1788 bei 36,000 Streiter zählte, erkrankten vom 4 bis 12 d. M. 2661. Verminderung der Tageshitze wirkte im Spätjahr vortheilhaft auf die Gesundheit. Weniger litten die Oesterreicher in Kroatien, Siebenbürgen und der Moldau.
  14. Die Mehrzahl der Karten ist unbrauchhar. Eine Ausnahme machen: Der europäische Theil des türkischen Reichs von E. G. Reichard. Nürnb: 1823. Carte générale de la Turquie d’Europe par Guillaume de Vaudoncourt 1818. Carte générale de la Turquie d’Europe en XV feuilles dressée sur les matériaux rassemblés par M. le Lieutenant- Général Comte Guilleminot etc. Par. 1822.
  15. Silistria und Turtukey, wo der Strom nur tausend Schritte breit ist, wären allenfalls Punkte zu stehenden Brücken; aber der Umstand, daß das rechte Ufer das linke überragt, würde die Vertheidigung einer solchen Brücke äußerst mißlich machen. Es handelt sich also mehr um die Kenntniß brauchbarer Uebergangspunkte. Von Neuorsova herab, wo die Donau das österreichische Gebiet verläßt, kennt man die folgenden mit Verläßigkeit: 1) bei Braova oberhalb der Mündung des Timok; 2) eine Stunde ober- und unterhalb Widdin; 3) die Furt bei Arcer - Palanka; 4) gleich unterhalb des Jibra - Palanka; 5) ober der Mündung des Schylflusses; 6) bei Islas ober der Aluta-Mündung; 7) bei Flamunda unterhalb Nikopel; 8) unterhalb Giurgevo; 9) zwischen Tataritza und Silistria; 10) zwei deutsche Meilen unter Hirsova; 11) bei Brailow; 12) unterhalb Galacz; 13) bei Isakesi (welches Hadschi-Chalfa als einen vorzüglichen Punkt für diesen Zweck bezeichnet. Man sehe Rumili und Bosna, geographisch beschrieben von Mustapha-ben-Abdallah-Hadschi-Chalfa. Aus dem Türkischen von Joseph von Hammer. Wien 1812), Ismael und Kilia.
  16. Zahlreiche Palanken abgerechnet, sind von Wichtigkeit: 1) die Inselfeste Neuorsova, mit dem Schlosse Elisabeth auf dem rechten Donauufer; 2) das Schloß Florentin: 3) die Festung Widdin mit zehn Bollwerken gegen die Landseite; 4) die casemattirte Redoute Tournul auf dem linken in Nolindung mit dem Schlosse zu Nikopel auf dem rechten Ufer; 5) das Schloß Szistov; 6) Giurgevo am linken, in Verbindung mit Rustschuk am rechten Ufer; 7) das Schloß Silistria; 8) das zu Hirsova: 9) das zu Brailow.
  17. Ein Winterfeldzug ist beinahe unmöglich und ein Donauübergang erst rathsam, wenn die Hochgewässer abgelaufen sind. Dieß geschieht aber selten vor der Mitte des Junius. Die Russen giengen 1773 am 24 Juni, 1774 am 17 Juni, 1810 Ende des Mai, 1811 am 1 Juli über die Donau.
  18. Geographie der Griechen und Römer. Th. 7. Landsh. 1812.
  19. Nach dem Sieg der Oesterreicher bei Nizza am 24 Sept. 1689 unternahm Generallieutenant Piccolomini im Oct. einen merkwürdigen Zug gegen Uskup (Skopia), also über das skardische Gebirg in der Nähe des Orbelus. Er zog über Prokopia (Orkup) durch rauhe Gegenden nach Pristina, wo er am 21 Oct. eintraf. Nach wenigen Tagen gelangte er durch den beschwerlichen Paß an dem Schloß Haisanik vorüber nach Uskup. Viel zu schwach, um die ausgebreitete Stadt, deren Ausdehnung man mit Prag verglich, zu behaupten, ließ der österreichische General dieselbe einäschern. Was die Zeit an prächtigen Denkmälern der einstigen Justiniana prima bis jetzt noch bewahrte, ging in Flammen auf; zwei Tage lang verhüllte der Rauch die Sonne. „Ich unternahm, sagt Fürst Piccolomini in seinem Bericht an den Kaiser, das schreckliche acht Stunden lange, steile Felsendefilée bei Haisanik zu passiren; ich zweifle, daß die Alpen rauher und beschwerlicher waren, als Hannibal nach Italien vordrang.“ „Und Gott sey Dank,“ sagt der Verfasser des Tagebuchs über diesen Streifzug, „am 25 kam der General aus dem Gebirge heraus.“ Im Anfang des Jahrs 1690 wurde auch die Umgegend von Sophia durchstreift. Am 25 März gieng aus der Gegend von Pirot der Hauptmann Sebenfossa mit zweihundert Raitzen nach Philippopel und nahm am 29 den Kadi dieser Stadt mit vielen andern vornehmen Einwohnern gefangen.
  20. Constantinopolis und der Bosporos örtlich und geschichtlich beschrieben von Joseph v. Hammer. Pesth 1822.