Der Talmud auf der Anklagebank

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Autor: Ignatz (Isaac) Lichtenstein
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Titel: Der Talmud auf der Anklagebank
Untertitel: durch einen begeisterten Verehrer des Judenthums
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Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Buchdruckerei von Victor Hornyánszky
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Erscheinungsort: Budapest
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Quelle: Scans auf Commons (Kopie eines Exemplars aus der Harvard University Library)
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Der


Talmud auf der Anklagebank


durch einen begeisterten Verehrer des Judenthums


von


I. Lichtenstein

Bezirks-Rabbiner zu Tápio-Szele.

„ואמר סלו סלו פנו דרך הרימו (ישעיה נז׳ יד) מכשול מדרך עמי׃ „Und wird sagen: Machet Bahn, machet Bahn, räumet den Weg, hebet die Anstöße aus dem Wege

meines Volkes.“[1]


I. Heft.


Budapest

Buchdruckerei von Victor Hornyánszky

1886.

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Alle Rechte vorbehalten.


Einleitung.

| Es ist höchst an der Zeit, daß wir uns ohne Klügelei, ohne Wortverdreherei, ehrlich, vernünftig und nüchtern verständigen, daß ein ernstes, kühnes, offenes Wort, die zur Liebe und Duldung angelegten menschlichen Herzen wie durch einen Zauberschlag öffne, und der von dem Propheten Jesaia (11, 9.) verheißenen heilvollen Zukunft „Sie verletzen nicht, verderben nicht auf meinem heiligen Berge – denn Erkenntniß Gottes strömet über die ganze Erde, wie Fluthen über Meerestiefen strömen,“ eine Gasse zu machen.

Ehemals hat der blinde Eifer, der Fanatismus den Zepter, in Form einer Geißel, erbarmungslos geschwungen. – Die Christen, – natürlich gibt und gab es zu jeder Zeit Christen im erhabensten, edelsten Sinne des Wortes, diese aber blüheten größtentheils bescheiden wie ein Veilchen im Schatten, den ihre entarteten Brüder auf ihnen warfen, – also, die Scheinchristen bethätigten ihre Glaubensgluth d. h. ihre Glaubenswuth, durch Haß, Verfolgung, Geringschätzung, Verachtung gegen die Juden, und haben in ihrem einfältigen Uebereifer den glorreichen Begründer ihres Glaubens – den Juden, die Grundlage, das Fundament, den edelsten Grundstein ihrer Religion – die Liebe, verdammt, geschändet, bloßgestellt.

Und so wie die Christen nur die Dornen (die aber Rosen brachten und schützten) aus dem Talmud auflösten, also kannten die Juden nur das Christenthum, aus der Flammenschrift der Scheiterhaufen, hörten nur das siebenköpfige Thier der Verleumdung, sahen vom Christenthume nur den Auswurf, den Schlamm,| die trübe Quelle ihrer unverdienten Leiden, und scheuten daher zum großen Theile (auch ich vor geräumiger Zeit) wie vor einer Pest zurück, tiefer aus der krystallisirten Quelle des Evangeliums zu schöpfen, sich mit den erhabnen Lehren Christi vertraut zu machen. Sie wußten nicht, daß zu ihm trat der Schriftgelehrten einer und fragte ihn: Welches ist das vornehmste Gebot von allen? „Jesus aber antwortete ihm: das vornehmste Gebot von allen Geboten ist das שמע ישראל יי אלהינו יי אחד ואהבת את יי אלהיך וגו[WS 1] Höre Israel der Herr unser Gott ist ein einziger Gott. Und du sollst Gott deinen Herrn lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüthe, und von allen deinen Kräften, das ist das vornehmste Gebot. Und das andere ist ihm gleich: „Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst. Es ist kein anderes größeres Gebot, denn diese“ (Ev. Marci 12, 28–31) Sie hörten nicht die Bergpredigt,[2] hatten keinen Begriff von Jesu’s göttlicher Mission, indem er (Matth. 5, 17–18) spricht: „Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn ich sage euch wahrlich: Bis daß Himmel und Erde zergehe, wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe, noch ein Titel vom Gesetz, bis daß es alles geschehe.“ – Möge daher um diesen Bann vorläufig zu mildern, den schwarzen Schleier etwas zu lüften, dieses kleine Heft als Einleitung zu einer weitläufigeren Auseinandersetzung, freundlich entgegengenommen, und aufmerksam gelesen werden.

Tápio-Szele, 1886.

[Hauptteil]

| Es war zu Ende des Jahres 1853, als mir mein gastfreundlicher Wirth Herr J. Deutsch in Jánoshida, einen ehrwürdigen, geistlichen Administrator als Talmudkundigen vorstellte, der gleichsam zur Bestätigung mich mit dem landläufigen, talmudischen Satz begrüßte „טוב שבגוים הרוג‎“ „„den Besten unter den Gojim erschlage.““ – „Belieben den angeführten Satz zu berichtigen und zu ergänzen, erwiederte ich. – „„Wie? rief er, bedarf solch grausamer menschenmörderischer Satz noch einer Ergänzung!““ Ein Werk, Kraft dessen Autorität auch Sie als Rabbiner fungiren, befiehlt, einen der besten Menschen, weil er das Unglück, oder vielmehr das Glück hat, ein Goj zu sein, mit grausamer Vorbedacht, zu erschlagen! lautet nicht das 6-te Gebot „לא תרצח‎“ „du sollst nicht morden!“ „Aber erlauben Ehrwürden, unser freundlicher Wirth hat Sie mir wohl als Talmudisten vorgestellt, doch scheint’s, daß Ihre vielseitige Beschäftigung als Geistlicher und Administrator nur gestattet, höchstens mit einem Auge in den Talmud flüchtig zu blicken.“ – „„Wie!“ „Was!““ wurde ich heftig unterbrochen. „Bitte sich nicht vorzeitig übermäßig zu ereifern und überprüfen vielmehr den betreffenden Satz (Sofrim 13-ter Abschnitt) wo es heißt „הטוב שבעכוּ״ם בשעת מלחמ׳ הרוג‎“ Selbst den Besten unter den Götzendienern – wenn er dir als Mensch noch so geschätzt, noch so theuer ist – schone ihn nicht im Kriege – erschlage ihn. – – Und waltet nicht noch heute dasselbe Kriegesgesetz? Muß nicht selbst Bruder gegen Bruder, Sohn gegen Vater, Freund gegen Freund, wenn sie unglücklicher Weise im feindlichen Lager kämpfen, das kalte verstümmelnde Schwert gegen einander zücken, die blinde verhängnißvolle Kugel losdrücken? Und was zu jeder Zeit jedem einzelnen Soldaten im ehrlichen Kampfe als traurige| Ehrensache geboten war, wollen Ehrw. den Juden im Kriege mit den Nachbarvölkern verboten wissen!“ „„Pardon Herr Rabbiner! Ich habe in der That den Satz, wie Sie ihn eben in seiner Vollkommenheit zitirt, nicht gewußt, sonst hätte wirklich eher ein Wort des Lobes als des Tadels gefunden.““ „Aber das wußten Geistlicher Herr: „der Lutheraner muß verbrannt werden.“ „„Junger Mann, Sie werden sarkastisch; wer, der mit dem heutigen Zeitgeiste denkt und fühlt, würde sich in finstere Jahrhunderte zurückversetzen, die ihre Schandgeschichte mit Blut geschrieben, mit Unduldsamkeit, Bruderzwist, Brudermord besiegelt hat! Fragen sie unsern braven Hausherrn, wie viele angenehme gemüthliche Stunden wir – ich der Weißkuttner, er der fromme Jude – in heiterer Unterhaltung mit einander verleben, auch hätten wir nichts dagegen, wenn ein Lutheraner dabei der Dritte wäre. „יישר כח‎ weise, edel gesprochen Ehrw., dann hätten mich aber nicht mit einem Spruche herausfordernd empfangen sollen, dessen Autor fast vor zwei Jahrtausenden gelebt.“ – –

Von wohlehrwürdiger Seite wurde mir in den letzten Monaten vorigen Jahres ein inhaltsreiches Buch »Nethivoth Olam« oder der wahre Israelit von Rev. A. M’ Caul Dr. der Theologie und Prediger etc. etc. übergeben, worin Seite 697 hervorgehoben wird: „Es ist bereits mehr als ein Jahr verflossen, seitdem die erste Nummer dieser Blätter erschienen ist, und noch ist keine Erwiederung erfolgt.“

Um nicht undankbar zu scheinen, will ich von vornhinein freudigst eingestehen, daß beim Lesen unzähliger Stellen, mein jüdisches Herz warm beglückt, höher geschlagen. Mein von frohen Gefühlen beseeltes Gemüth ward wo möglich noch geläuterter, begeisterter, unerschütterlicher in dem uralten Glauben, vertrauensvoller zu den goldnen Verheißungen unserer Propheten, fester in der Zuversicht einer herrlichen, die gesammte Menschheit beglückenden Zukunft, stolzer, gehobener in dem Bewußtsein, daß Israel nicht umsonst verblutet, daß auf dem Grabhügel jedes einzelnen seiner Märtyrer, die Feuersäule des Herrn leuchtet, vor welcher selbst jeder unbefangene Nicht-Israelite ehrfurchtsvoll stehen| bleibt und ausruft: Sehet! hier ist Gottesfinger, hier die Quelle unserer Veredlung, der Schlüssel der Weltschöpfung, der Ursprung unseres Heiles, hier der Ausfluß des reinsten Glaubens an den einigen Gott, hier das winzige Häuflein, das durch eine wunderbare innere Kraft mächtige welterschütternde Nationen Jahrtausende überlebt hat, hier der Gottesknecht Mose, dessen leuchtendes Gesicht auch unsern Horizont wie eine junge Sonne bestrahlt; hier der königliche Dichter Dawid, dessen Psalmen unsern Gottesdienst verherrlichen, hier der größte erhabenste Menschensohn, der Weltheiland, der berufen war und noch ist, ein Licht der Völker, ein Lehrer der Nationen, ein Wächter und Schatzmeister der sinaischen Offenbarung – der Stellvertreter Gottes auf Erden zu sein.

Aber je höher, göttlicher, erhabener der gelehrte Verfaßer die Offenbarung und ihre Jünger stellt, um so entschiedner verurtheilt, verdammt, erniedrigt er – den Talmud. – Denn, hebt er fast in jedem Hefte hervor: „Das mündliche Gesetz ist anmaßend, legt sich göttliche Autorität bei, es ist tyrannisch, grausam, herzlos gegen Fremde, es erniedrigt das weibliche Geschlecht, befördert den Aberglauben, schwächt die Kraft der moralischen Pflichten, begünstigt äußerliches Gepräge ohne Gemüth, ohne Herz, ohne Weihe, ohne Gott – und bringt scheinbare Belege für seine abstrakten Behauptungen, die nur derjenige für rechtskräftig halten kann, der aus der Rumpelkammer einer einseitigen verblaßten Theorie, nicht aber aus der lebensfrischen Praxis das Seelenleben, Streben, Wirken und Schaffen – das innere Heiligthum eines echten, rechten Talmudjuden, seine Nüchternheit, Mäßigkeit, Geduld, Zähigkeit – sein Häusliches-, sein Familien-, sein Gemeindeleben kennt und zu würdigen verstehet.

Fraget aber die Weiber, sie werden’s euch sagen, wie der Mann ihnen Schätzung, Hochhaltung, unverbrüchliche Treue bis zum letzten Athemzug bewahrt, wie er gestrebt, gekämpft, gerungen, um im Schweiße seines betrübten Angesichtes für das tägliche Brot zu sorgen, wie er jedem Genuße außer dem Hause freiwillig entsagte, jeden Ueberfluß sorgfältigst gemieden, um nur für die Bedürfniße seines Hauses, für die Bequemlichkeit seiner angetrauten| Lebensgefährtin aufzukommen. – Fraget die Kinder, sie sollen’s euch verkünden, mit welcher gewissenhaften Sorgfalt und ängstlicher Umsicht sie von ihren treuen Eltern erzogen, gepflegt, behütet worden, wie mit dem Aufgebote aller Kräfte für ihr leibliches, für ihr geistiges Gedeihen gesorgt wurde. – Und so wie die Eltern zu den Kindern, also fühlten sich auch die Kinder zu den Eltern magnetisch angezogen. – Durch Religion verklärt, durch ernste, sanfte Gespräche gefesselt, war den Kindern das trauliche Elternhaus eine Oase in der Lebenswüste, ein ausreichender Schutz gegen Laster, Verführung und Leichtsinn. – Haltet Umschau in den Gemeinden! Unterrichts-, Wohlthätigkeitsanstalten blühen, den Armen wird mit vollen Händen und mit freundlichem Gesichte gespendet, der Hungerige wird zu Tische geladen, der Fremde mit Händedruck und Friedensgruß bewillkommt, der Irrende zurechtgewiesen, der Unwissende belehrt, der Leichtsinnige gewarnt, der Wankende gestützt. Doch – ihr werdet schlagfertig mit dem Verfaßer (Seite 425.) erwiedern: „Dies war und ist nicht der Ausfluß des Talmuds, sondern der Geist des mosaischen Gesetzes hat eben zu tiefe Wurzel unter dem Volke gefaßt.“ Hier waltet noch der Segen Abraham’s, der Himmelsthau des alten Testamentes, auf welchem wie auf festen Felsen, das neue Testament begründet ist. Nun, warum sehen wir deutlich, unverkennbar mit der Autorität des Talmuds die Elasticität im Unglücke, das idyllische Seelenleben, den antiken häuslichen Sinn, das bescheidene, anspruchslose, stille, zufriedene Streben und Weben, aus den Wohnungen Israels – schwinden? Warum hat das Christenthum – mit seiner erhabnen göttlichen Mission, um die ganze Schöpfung ein Netz von Liebe und Sanftmuth zu schlingen – die alten grausamen Gesetze nicht gemildert? Warum konnte der Edelmann seinen Leibeignen zu Tode martern, der Raubritter den arglosen Wanderer räuberisch überfallen, der Mann sein Weib in übler Laune verstoßen – tödten? Warum konnte das fromme bibelfeste England noch vor verhältnißmäßig kurzer Zeit einen großen Theil seiner edlen Söhne| zum politischen Tode rücksichtslos verdammen? Warum? Warum? Warum?

Doch ich will vernarbte Wunden nicht aufreißen, die Schatten der Nacht nicht heraufbeschwören, und wende mich lieber zur Morgenröthe, zur neuen Zeit, wo die Humanität, die Gleichheit der Menschen vor Gott und dem Gesetze ihren Triumph feiert, wo man den alten Menschen ausziehet und sich bestrebt die entwürdigte Menschheit, die beleidigte Gottheit zu versöhnen.

“אל תזכרו ראשנות וקדמניות אל־תתבננו׃ הנני עשה חדשה עתה תצמח הלוא תדעוה אף אשים במדבר דרך בישימון נהרות.„
„Gedenket nicht an das Alte, erwähnt der vorigen Thaten nimmer: Sehet, ich beginne neue That, schon keimt sie auf – wie! merkt ihr’s nicht? selbst in Wüstneien schaff ich Bahn, Ströme in der Einöde.“ Jes. 43, 18–19.

Aber, will ich die Teufel durch Beelzebub austreiben, eine Ungerechtigkeit durch die andere Ungerechtigkeit beschönigen! will ich entschuldigend eingestehen, daß auch der Talmud im Geiste der alten Zeit, grausame, harte Gesetze sanctionirt hat? Im Namen der ewigen Wahrheit – nein!

Wohl bildet der Talmud eine schrankenlose Gedankenrepublik, einen zwangslosen Meinungsaustausch, wo jeder seine individuellen Ansichten laut eigner Manier und Weise, rücksichtslos zum Ausdrucke bringt. Jeder vertritt seine eigne Meinung, folgert Beschlüße, fröhnt nach belieben Extremen, Absurditäten – doch während noch in viel spätrer Zeit, selbst wohlwollende Könige, einsichtsvolle Fürsten, allmächtige Päpste es nicht gewagt, gegen eine grausame Inquisition, gegen himmelschreiende, rechtsverletzende, blutgetränkte Verordnungen ihre vernichtende Stimme nur schüchtern zu erheben; hören wir sonst bescheidene, stille, sanfte Talmudisten, jede Unzukömmlichkeit mit Donnerstimme bekämpfen, jede Anmaßung kühn tadeln, jeden Uebergriff rücksichtslos brandmarken, Stolz, Eigennutz entschieden verdammen, und die Siegespalme hat gewöhnlich der Mildere, Bescheidenere, Sanftere, obschon bedeutend Schwächere davon getragen.

“מפני מה זכו ב״ה לקבוע הלכ׳ כמותו, מפני שנוחין ועלובין היו„| „Warum wurde die Schule Hillel’s (die in der Minderheit war) gewürdigt, daß man ihr Gesetzeskraft zuerkannte? weil sie bescheidene, sanfte, stille Duldner waren.“ Erubin 15, 2.

Und um bei Gelegenheit zu zeigen, daß Talmudisten mit Evangelisten, wie in allen moralischen Hauptbegriffen, auch bezüglich der Verdammung des Stolzes, der Selbstüberhebung übereinstimmten, mag die Schlußfolgerung des oben angeführten Satzes hier einen Platz finden:

שכל המשפיל עצמו הקדוש ברוך הוא מגביהו וכל המגביה עצמו הקבה משפילו וכל המחזר על הגדול גדולה בורחת ממנו וכל הבורח מן הגדולה גדולה מחזרת אחריו וכל הדוחק את השעה שעה דחקתו וכל הנדחה מפני שעה שעה עומדת לו.‎ „denn wer sich selbst demüthigt,“ den erhebt der Heilige gelobt sei er; wer sich aber selbst stolz überhebt, den erniedrigt der Heilige g. s. e. Wer nach Würden geizt, von dem weicht die Würde, wer aber der Würde ausweicht, dem folgt die Würde. Wer den Zeitgeist gewaltsam unterdrücken, der Zeitströmung trotzen will, der wird vom Schwungrade der Zeit zermalmt, wer aber den Zeitverhältnissen Rechnung trägt, dem stehet die Zeit stets hilfreich, nützlich zur Seite. Gleiches lesen wir, obschon mit andern Worten (Math. 23, 11–12) „Der größeste unter euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöhet, der wird erniedriget, und wer sich selbst erniedrieget, der wird erhöhet.“ Ferner (Römer 12, 10–11) „Die brüderliche Liebe unter einander sei herzlich, Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor. Seid nicht träge, was ihr thun sollt. Seid brünstig im Geiste. Schicket euch in die Zeit.“

Und so möge denn auch der sehr gelehrte Verfasser in brüderlicher Liebe entschuldigen, wenn ich nicht träge bin, und bescheiden, ehrerbietungsvoll mich anschicke, seine Anklagen gegen den Talmud zu widerlegen – umsomehr, da ich nur seine Mittel als unzeitgemäß bekämpfe, mich aber in die Zeit schicke und seinen Zweck bedingungsweise fördere.

Um erschöpfend sein zu können, müßten mir die Mittel und die Erlaubniß zur Verfügung stehen, das in Rede stehende umfangreiche Buch mit Anmerkungen erscheinen zu lassen; ich würde| jeden einzelnen Satz auf seinen Ursprung zurückführen, jede Behauptung entweder widerlegen oder erörtern, so aber bin ich angewiesen, nur einzelne Stellen, die ich als Quintessenz des Ganzen erachte, zu zitiren, was aber im Nothfalle um so eher genügt, nachdem der Autor unzählige Male behauptet: „Wer einmal irrt, kann auf Unfehlbarkeit keinen Anspruch erheben.“

Also überlassen wir endlich dem Verfasser das Wort. Seite 1, 3 lautet: „Das Heil kommt von den Juden. Unter allen bekannten Religionen gibt es nur zwei, die eine besondere Betrachtung verdienen; beide sind jüdischen Ursprunges und waren meist ausschließlich auf das jüdische Volk beschränkt. Sie sind jetzt unter den Namen des Judenthums und Christenthums bekannt; denn letzteres ist eben so sehr jüdisch, als ersteres. Der Stifter des Christenthums war ein Jude; die ersten Prediger desselben waren Juden, die ersten Christen selbst waren lauter Juden, so daß wir bei der Untersuchung, welches von diesen beiden Systemen das wahre sei, nicht eine heidnische Religion der jüdischen entgegensetzen, sondern ein jüdisches Glaubensbekenntniß mit dem andern vergleichen.“

„Weit entfernt, die Rechte des jüdischen Volkes, dadurch, daß wir das Christenthum vertheidigen, auch nur im geringsten schmälern zu wollen, bekennen wir vielmehr offen, daß wir selbst Schüler der Juden sind, uns zur jüdischen Lehre bekennen, theilnehmen an der Hoffnung der Juden und diejenige Wahrheit vertheidigen, welche die Juden uns gelehrt haben. Wir sind vollkommen überzeugt, daß die Juden, denen wir folgen, Recht hatten, daß sie uns gezeigt haben „den alten Pfad“, „den guten Weg“, auf welchem „wir Ruhe gefunden haben für unsere Seele“; u. s. w.“

„Es könnten aber Manche fragen, was ist Judenthum? was ist Christenthum? Diesen antworten wir: das Judenthum ist diejenige Religionslehre, welche in den Gebeten der jüdischen Synagoge, sei diese eine deutsche oder portugiesische, enthalten und ausgesprochen, und von allen denen anerkannt wird, welche sich dieser Gebete als der Form ihres Gottesdienstes bedienen. Das Christenthum dagegen ist die Religionslehre, welche im neuen Testamente| enthalten ist. Oder, mit andern Worten: Das Judenthum ist das alte Testament, erklärt nach den mündlichen Ueberlieferungen תורה שבעל פה‎, das Christenthum ist das alte Testament, erklärt durch das neue. Demgemäß lehren die jüdischen Gebetbücher (im Sinne der Rabbiner) den göttlichen Ursprung des mündlichen Gesetzes“ u. s. w.

Daß die Rabbiner ihren Gesetzen den Gottesstempel aufdrückten, lag im Ideenkreise, in der Ansicht, in dem Innen- und Außenleben jener Zeit. Nur höhere Befehle, nur Worte, die von oben zu kommen schienen, fanden Vertrauen, Beachtung und Gehorsam. Selbst Lykurg, der das größte Ansehen, die höchste Verehrung und Werthschätzung in seiner Vaterstadt Sparta besaß, mußte, um seinen weisen beglückenden Gesetzen Eingang, feste Wurzel zu verschaffen, das Orakel zu Delphi befragen lassen. Daß aber die Rabbiner ihre Verordnungen nicht als unveränderlich, wie die Worte Gottes, die ewiglich bestehen, empfohlen, sondern es den zeitweiligen berufenen Gesetzkundigen überließen, nach Zeit und Verhältnissen, nach Einsicht und Ueberzeugung Gesetze, Verordnungen zu erlassen oder aufzuheben אין לך לילך אלא אצל שופט שבימיך וגו׳ ר״ה כ׳ה א׳ das zeugt eben von dem geklärten, erhabenen, geläuterten Geist, von der liberalen, unparteiischen Auffassung der Talmudisten. „Schicket euch in die Zeit“, war die Devise der Talmudisten wie der Evangelisten.[3]

Nun können wir schon schneller dem Verfasser folgen, indem er Seite 8 fortfährt: „Im Talmud Psachim Seite 8, 2, lesen wir folgendes: אמר רבי אלעזר עם הארץ מותר לנוחרו ביום הכפורים שחל להיות בשבת אמרו לו תלמידיו רבי אמור לשחטו אמר להן זה טעון ברכה וזה אין טעון ברכה „Rabbi Eleasar sagte, es ist erlaubt einem Amhaarez die Nasenlöcher aufzureißen, sogar an einem Versöhnungstage, der auf den Sabbath fällt. Da sagten seine Schüler zu ihm: Rabbi, sage lieber, daß es erlaubt sei, ihn| zu schlachten. Er erwiederte: Dieses würde einen Segenspruch erfordern, der so nicht nöthig ist. Es ist wohl kaum nöthig daran zu erinnern, daß das mosaische Gesetz gebietet: לא תרצח‎ „du sollst nicht morden.“

Was soll aber der verständige Leser bei dieser Erinnerung empfinden? soll er die heilige Einfalt bewundern oder belächeln!? Mich wenigstens erinnerte dies an einen Schwiegersohn, (ich könnte ihn beim Namen nennen) der seinen Schwiegervater anklagte, weil er im Ueberdruße gegen seinen lärmenden Enkel entrüstet rief: „Ich erschlage den Fratz, wenn er nicht schweigt!“ Nein, mit solchen stumpfen, einfältigen Waffen lassen die Heroen des Talmuds sich nicht bekämpfen. Lehrt ja die Erfahrung (so mancher Ehemann macht sie gar zu oft), daß die edelsten, bestmüthigsten Menschen die keinen Wurm zertreten möchten, in ihrer Aufregung am heftigsten drohen, fluchen, zetern.

Wahr ist’s, die Talmudisten hatten grenzenlose Verachtung, tiefen eingewurzelten Haß gegen den Amhaarez (Erdvolk), gegen rohe Weltlinge, gegen die ärgste Sorte Nihilisten, die keine Religion, keine Moral, kein menschliches Rühren, kein Erröthen, kein Sittlichkeitsgefühl, kein Eigenthumsrecht kennen, die Kultur, Wissenschaft verachten, ihr eigenes Leben gefährden, das Leben anderer bedrohen, von Gott sich abwenden, seine Diener, die Träger seiner Lehre hassen, (Brachus 47, 2. Psachim 49, 1. Sanhedrin 70, 2.) und haben oft ihren Abscheu, ihre Verdammung drastisch genug ausgedrückt; aber Lynchjustiz, Morden! — wo findet sich nur die geringste Spur im Talmud, daß wer einen Amhaarez getödtet — straflos ausgegangen sei?? Sonderbar! Sollte denn dem Verfasser, dem großes Wissen, unerschöpfliche Quellen als Scheinanklagen zur beliebigen Verfügung standen, gerade eine einfache Mischna Makus 7, 1. die der böswilligste Scholastiker nicht mißdeuten kann, und die daher einen großen Theil seiner Anklagen gegen den Talmud, überhaupt aber seine Vorurtheile gegen das Synedrium (S. 501) wie Spreu verwehet — vorenthalten geblieben sein? סנהדרין ההורגת אחד בשבוע נקר׳ חובלנ׳ רבי אליעזר בן עזריה אומר אחד לשבעים שנה רבי טרפון ו״ר עקיבא אומרים אילו| היינו בסנהדרין לא נהרג אדם מעולם רשב״ג אומר אף הן מרבין שופכי דמים בישראל”‎ „Ein Synedrialgericht, das einmal in der Woche ein Todesurtheil fällt, wird – ein blutdürstiges Gericht genannt; Rabbi Eliasar Sohn Asarjas spricht: Wenn auch nur einmal in siebzig Jahren ein Todesurtheil ausgesprochen wird, verdient das Gericht diesen verdammenden Schimpfnamen; Rabbi Tarvon und R. Akiba sprachen: Wären wir Mitglieder eines Synedriums gewesen, hätte man nie gegen einen Menschen ein Todesurtheil gefällt. (”ראיתם טריפ׳ הרג וג׳‎) (Wir hätten die Zeugen gefragt, könnt ihr beweisen, ob der Mörder, einen lebensfähigen Menschen, getödtet? u. s. w. — erörtert der Talmud. — Also einen Amhaarez erschlagen zu haben, bildet keinen Vorwand zur Freisprechung. –) R. Simon, Sohn Gamliels erwiedert aber: „Dies hätte eben die Mörder furchtlos gemacht, und hiemit viel Blutvergießen in Israel veranlaßt.“ – Nun, hier habt ihr Replik und Duplik zur Abschaffung der Todesstrafe, womit sich neuerer Zeit alle freien Staaten, die gewiegtesten Juristen befassen. – Ja die Talmudisten haben wohl auf Zeit und Verhältniß gebührende Rücksicht genommen, waren aber demungeachtet in humanitärer, sanitärer Beziehung stets, mit Meilenstiefeln – vorwärts. Nun zur Synagoge. Seite 193 ist zu lesen: „In dem Morgengebet für das Pfingstfest finden wir eine solche Anspielung auf die Legende von Leviathan und Behemoth in folgenden Worten enthalten, welche von den Juden feierlich abgesungen werden: מנת דילן דמלקדמין פרש בארמותא טלולה דלויתן ותור טור רמותא וחד בחד כי סביך ועביד קרבותא בקרנוהי מנגח בהמות ברבותא יקרטע נון לקבליה בציצוי בגבורתא מקרב ליה בריה בחרביה רברבותא ארסטון לצדיקי יתקן ושרותא מסחרין עלי תכי דכדכוד וגומרתא נגידין קמיהון אפרסמו נהרתא ומתפנקין ורוו בכסי רויתא חמר מרת דמבראשית נטיר בי נעותא׃‎ welche Stelle der Herausgeber des Gebetbuches Dr. Levi, so übersetzt: „Er (Gott) wird uns gewiß die Gabe zutheilen, die er uns ehemals versprochen. Das Spiel des Leviathan mit dem Ochsen der hohen Berge, wenn sie sich einander nähern und einen Kampf beginnen werden. Mit seinen Hörnern stößt er die mächtigsten| Thiere, aber der Leviathan wird mit seinen Floßen, mit großer Gewalt auf ihn stürzen. Sein Schöpfer wird sich dann mit seinem großen Schwerte ihm nähern und ihn zu einem Mahle und zu einer köstlichen Speise für die Gerechten bereiten, welche an einem Tische von Jaspis und Karfunkel sitzen werden, während ein balsamischer Strom an ihnen vorbeifließen wird. Dann werden sie sich erquicken und sättigen aus den Kelchen des Weines, der seit der Schöpfung bereitet und in Keltern aufbewahrt ist.“ – „Wir würden uns freuen, wenn wir wüßten, was die meisten Juden dabei denken, wenn sie obigen Lobgesang in der Synagoge hören. Was sie z. B. unter dem Namen Behemoth oder Leviathan verstehen, was das heißt, daß Gott ihn tödten und zu einem Mahle für die Gerechten bereitet“ etc.

Wohl! Ehrw. hat mir in vielen Beziehungen so großen Seelengenuß bereitet, daß ich auch ihm eine Freude schulde und erörtern will, was ich z. B. unter dem Namen Behemoth oder Leviathan verstehe, was das heißt, daß Gott ihn tödten und zu einem Mahle für die Gerechten ihn bereitet. – Es ist dies das Triumphlied der Auserwählten über die Vollziehung des Gottesgerichtes ähnlich der Offenb. Johannis Cap. 19, und gleich dem Chad-Gadje (ein Lämmchen, ein Lämmchen) in der Hagada, daß nämlich die Guten durch die Bösen, die Schwachen von den Starken bekämpft, unterdrückt, angebellt, geschlagen, gebissen werden, und daß endlich die Bösen sich gegenseitig anfeinden, zerfleischen, vernichten, und so eine Zuchtruthe in der Hand Gottes werden, damit niemand seinem Schicksale, wie der verdienten Strafe entgehe.

Es sind eben solche, die auf ihre Stärke, auf ihre Macht pochen, keine andere Kraft neben sich dulden, Luft, Erde, Freiheit, Gewissen ausschließlich für sich in Beschlag nehmen möchten, mit gewaltiger Hand jeden Widerstand niederschlagen, jede Klage verstummen machen. – Für kurze Zeit triumphirt wohl das Faustrecht, und wenn schon ein Tyrann den andern durch größere Kraft oder List besiegt, so hat wohl die Person, aber nicht das System gewechselt, doch wenn der Tyrann glaubt, den höchsten| Gipfel der Macht erklommen zu haben, wenn die Tugend trauert, die Gerechtigkeit seufzt, der unschuldig Verfolgte kein Plätzchen mehr findet, wohin er sein müdes Haupt hinlege – wenn die Noth am größten ist: „Da erhebt sich Gott, daß seine Feinde zerstreuet, flüchtig werden seine Hasser. Vertreibt sie, wie der Rauch vertrieben wird, wie Wachs am Feuer zerschmilzt, vergehen Uebelthäter vor Gott. Die Gerechten aber werden fröhlich sein, frohlocken vor dem Herrn und vollbringen wonnevolle Tage.“ Psalm. (68, 2–4.) Dies sind die Behemoth die thierischwild, ungezähmt nach ihrem unbändigen Instinkte hausen, dies der Leviathan (Riesenhaifisch), der den Raub mit dem Räuber verschlingt: „Aber der im Himmel thront, lachet ihrer, Gott spottet ihrer. Er wird einst zu ihnen reden in seinem Zorne, und mit seinem Grimm wird er sie schrecken.“ Ps. 2, 4–5. Dann gehen die Gottlosen, die unverbesserlichen Bösewichte hoffnungslos unter, die Gerechten aber theilen sich die Beute, den Raub ihrer Räuber, freuen sich des Lebens, erquicken und sättigen sich an dem herrlichen großen gedeckten Tische der balsamischen Natur, den der Allmächtige seit der Schöpfung für seine Lieblingsgeschöpfe bereitet und in ewiger Verjüngung in Kelchen und Keltern aufbewahrt hat. – – – Möglich denken Andere anders, dafür ist ja der Talmud die Schleifmühle des Verstandes, was alle aber gleichmäßig denken – ist, was so mancher erlauchte Kirchenfürst dachte, als er der Unfehlbarkeit des Papstes beistimmte, um die heilige Harmonie nicht zu stören, die Gewissen nicht zu beunruhigen; – was ein biederer Pastor bei der Zweitheilung seiner ohnehin kleinen Gemeinde dachte, weil die großen Reformators wohl in der Hauptsache übereinstimmten, in Nebendingen sich aber heftig, feindlich bekämpften; – was sich ein konservativer Staatsmann denkt, wenn er veraltete, unzeitgemäße Gesetze in Schutz nimmt; – was sich ein eminenter Minister denkt, der einen Theil seiner früheren Grundsätze im rothen Fauteuil verleugnet, um den Staatsgedanken zu retten; – was sich ein hellsehender jüdischer Vorsteher denkt, wenn er ehrwürdige, veraltete, patriarchalische Institutionen in Ehren hält; – was sich ein für| seinen heiligen Beruf begeisterter Rabbiner denkt, wenn er keine einzige Masche von dem sich bewährten mehr als tausendjährigen heiligen Gewebe lockern will, damit das Ganze nicht unversehens auseinander falle; – was endlich Christus (Matth. 13, 29–30) durch den klugen Hausvater, den Knechten auf die Frage: Willst du denn, daß wir hingehen und das Unkraut ausjäten? antworten ließ: – „Nein! auf daß ihr nicht zugleich den Weizen mit ausraufet, so ihr das Unkraut ausjätet. Lasset beides miteinander wachsen, bis zu der Ernte, und um der Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuvor das Unkraut, und bindet es in Bündlein, daß man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheuern.“ Aber das Eine läßt sich nicht bestreiten, daß der Talmud von Amuleten, Beschwörungen, Magie, Dämonen, Heilkünstlern u. s. w. mitunter – fabelt, und somit spricht der Schein zu Gunsten des Anklägers, (22. Abschnitt) daß der Talmud den Aberglauben begünstiget, während aber bei näherer Untersuchung, ein Verehrer Christus in peinlicher Verlegenheit ist – Worte zu finden, die nicht zweischneidig sind – denn wer mit den Parteikämpfen unter den letzten Königen der Hasmonäer, somit in der jüdischen Religionsgeschichte nur halb vertraut ist, weiß es, daß die Essäer (Taucher, Heilkünstler) es waren, die sich fast professionsmäßig mit Wunderkuren, Beschwörungen von Dämonen u. s. w. befaßten, während die Pharisäer (ein R. Simon ben Schetach, ein Hillel an ihrer Spitze) die mit Kraft und Energie dem talmudischen Judenthume ihr Gepräge aufdrückten, ihre entschiedensten Gegner waren, und Psachim 110, 2. den allgemeinen Grundsatz aufstellten „כללא דמילת׳ כל דקפיד קפיד בהדי׳ ודלא קפיד לא קפיד בהדי׳“ „Wer Dämone fürchtet, den belästigen, ängstigen Dämone; wer aber furchtlos ist, bleibt von Dämonen unangefochten.“ d. h. nach Luther „Wenn man nach einem Geist fahndet, so verwundet man sich selbst.“ – Auch waren die Essäer mit ihrem Mysticismus, mit ihrer Vorausverkündigung betreffs des heiligen Geistes und des Himmelreiches, die geeignetsten Bahnbrecher, die eifrigsten Pionniere des Christenthumes und Christus, der die Pharisäer| und Schriftgelehrten bei jeder Gelegenheit rücksichtslos gegeißelt, hat nie ein Wort des Tadels gefunden – gegen Essäer. Seien wir daher nicht christlicher – als Christus.

Jetzt schließen wir mit Sabbath, den wir in der That als Himmelsbraut, als Gnadengeschenk, als theueres unverlöschbares Zeichen unseres Menschenadels, unserer Gottesnähe, festlich empfangen, und feierlichst besingen. Seite 339. heißt es: „Ganz dieselbe Tendenz, das Gemüth auf die bloß äußerliche Handlung zu richten, hat auch ein anderer Akt der rabbinischen Sabbath-Beobachtung, nämlich die Zubereitung des Sabbath-Tisches. In dieser Beziehung heißt es: ויסדר שלחנו ויציע המטות ויתקן כל עניני הבית כדי שימצאנו ערוך ומסודר בבואו מבית הכנסת דא״ר י״ס׳ ב״ח שני מלאכי השרת מלוין לו לאדם בע״ש מבית הכנסת לביתו אחד טוב ואחד רע כשבא לביתו מצא נר דלוק ושלחן ערוך ומטה מוצעת מלאך טוב אומר יהי רצון שיהא כן לשבת הבאה ומלאך רע עונה אמן בעל כרחו ואם לאו מלאך רע אומר יהי רצון שיהא כן לשבת הבאה ומלאך טוב עונה אמן בעל כרחו׃‎ „Jeder decke seinen Tisch, bereite sein Lager und besorge alle Geschäfte des Hauses, damit er dasselbe, wenn er aus der Synagoge zurückkehrt, wohl geordnet und eingerichtet finde. Denn Rabbi Jose Sohn des Rabbi Chanina sagt: Am Sabbath-Abend wird Jedermann, wenn er aus der Synagoge heimkehrt, von zwei Engeln begleitet, einem guten und einem bösen. Wenn er nun nach Hause kommt und die Lampe angezündet, den Tisch gedeckt und das Lager bereitet findet, so sagt der gute Engel: Gott gebe, daß dies auch am nächsten Sabbath so sei, und der böse Engel muß dann wider seinen Willen Amen sagen. Wenn er es aber nicht so findet, so sagt der böse Engel: Gott gebe, daß es am nächsten Sabbath auch so sein, und der gute Engel muß dann wider seinen Willen Amen sagen (Orach Chajim 262) u. s. w. Diese Geschichte mit den Engeln ist offenbar eine Fabel und wieder ein Beweis, wie sehr das mündliche Gesetz sich in Erdichtungen gefällt; aber sie zeigt uns außerdem, wie die Rabbinen von dem Wesen der Religion abgingen und sich dem bloßen Schatten äußerer Gebräuche zuwandten.“

| Von derselben Art ist auch das, was von der hier erwähnten Sabbath-Lampe gesagt wird u. s. w. Merkwürdig! der Verfasser hat sich so in bloße Schatten äußerer Gebräuche hineingeträumt, daß es ihm gar nicht mehr der Mühe werth scheint, die äußere Schale zu öffnen, die Hülsen zu entfernen, um den eigentlichen Kern fachmännisch zu untersuchen. Möge er mich wenigstens ausnahmsweise am Sabbath-Abend in ein echt jüdisches Haus, zu einem ehrlichen Talmudjuden von echtem Schrot und Korn begleiten, um sich gründlich zu überzeugen, daß die Sabbath-Lichter nicht nur äußerlich brennen, sondern auch nach innen beleuchten, daß auf dem gedeckten Tische nicht nur irdische Kost, sondern auch Himmels-Manna, der Körper und Seele erfrischet – geordnet ist, daß das gezierte Bett ihn gleichsam einladet, den Schweiß von der Stirne zu trocknen, an die Lebensmühen und Plagen zu vergessen und sich der Seelenlust, der Seelenfreude, der Seelenruhe ungetrübt, ungestört zu überlassen, daß mit dem alten Gewande zugleich der alte Mensch ausgezogen wird.

Vergessen sind Thränen, Armuth, Noth und Elend, vergessen alle Sorgen, alle Lasten, alle Bitterkeiten des Lebens. Die höhere Lebensweihe, die er am Sabbath empfindet, ist ihm ein Vorgeschmack höherer Seligkeit, eine Offenbarung der Geheimnisse himmlischer Freuden.

Heiliger Schauer durchbebt sein Innerstes, wenn Weib und Kind verklärt, wonnevoll bei seiner Nachhausekunft vom Tempel, im glänzenden Lichtkranze, bei der Sabbath-Lampe mit offenen Armen ihm liebevoll entgegen eilen. – Vergessen ist Zank und Streit, vergessen Zwist und Hader, – der Engel des Friedens, der gute Hausengel, der ihn über seine Schwelle begleitet, feiert seinen schönsten Sieg, so daß Liebe, Versöhnung, Eintracht mit ihm einziehen und ihre bleibende Stätte aufschlagen; denn der böse Engel des Hauses – Ueberdruß, Mißgunst, Unzufriedenheit, Streitsucht, wird durch die Sabbathweihe entwaffnet, bezwungen, so daß er Amen sagen muß. Oder glaubt der Verfasser, daß eine solche höhere Weihe in das Haus einziehen kann ohne Äußerlichkeiten?! Nun so möge er an der Thüre eines solchen horchen| (ich begleite ihn dahin nicht), dem ein Tag wie der andere ist, der mit Staub bedeckt, mit Stock und Tornister in seine finstere öde Wohnung am Sabbathabend einkehrt. – Finster ist die Wohnung, noch finsterer die Gemüther; Trotz, Ueberdruß, Schmutz und Ekel lassen keine frohe Stimmung aufkommen. – Unfreundlich ist der Gruß, feindlich der Empfang, die schwarze Sorge beherrscht den Mann, Unbehaglichkeit Weib und Kind, der böse Hausengel, Zank, Streit, Gepolter führen den Scepter, und der gute Hausengel, der Engel des Friedens verhüllt sein gebeugtes Haupt und muß seufzend antworten: Amen.

Äußerlichkeiten! Ist der Ofen keine Äußerlichkeit, ist das Holz nicht steif, kalt – ein Klotz! und dennoch lodert es, wenn sich Glut dazu gesellt, lustig auf, erwärmt das Gemach und bringt neues frohes Leben ins Haus.

Äußerlichkeiten! Empfangen wir nicht einen geliebten König mit Triumphbogen, Flaggenzierde, Häuserschmuck, bunten Fahnen und Blumen, um unsere Begeisterung für Thron und Vaterland zu bekunden, und dringt diese Begeisterung nicht von Außen nach Innen, so daß der Kalte warm, der Stumpfe belebt, der Schwerfällige bewegt, in höhere Regionen gehoben wird und frohe Hymnen anstimmt? – Harret die Braut nicht dem Bräutigam mit Kranz, Schleier und Myrthen geschmückt entgegen? oder sollte sie im Alltagsgewande – ohne Zier und Schmuck – seiner warten? Und wenn der gelehrte Verfasser, indem er über Äußerlichkeiten der Rabbinen den Stab bricht, selbstgefällig fortfährt: „Von derselben Art ist auch das, was von der hiererwähnten Sabbath-Lampe gesagt wird;“ muß ich – ein jüdischer Rabbiner, ihm – dem Doktor der Theologie und Prediger etc. etc. in London, eine alte Geschichte aus dem neuen Testamente (Matth. 25, 1–12.) erzählen!! Nun so sei es denn – so sei es in Gottes Namen: „Zehn Jungfrauen nahmen ihre Lampen, und gingen aus, dem Bräutigam entgegen. Aber fünf unter ihnen waren thöricht, und fünf waren klug. Die thörichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen nicht Oel mit sich. Die klugen aber nahmen Oel in ihren Gefäßen, sammt ihren Lampen. Da nun der Bräutigam verzog,| wurden sie alle schläfrig, und entschliefen. Zur Mitternacht ward ein Geschrei: Siehe der Bräutigam kommt; gehet aus, ihm entgegen. Da standen die Jungfrauen alle auf, und schmückten ihre Lampen. Die Thörichten aber sprachen zu den Klugen: Gebt uns von eurem Oel, denn unsere Lampen verlöschen. Da antworteten die Klugen, und sprachen: Nicht also; auf daß nicht uns und euch gebreche. Gehet aber hin zu den Krämern, und kauft für euch selbst. Und da sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und welche bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit; und die Thür ward verschlossen. Zuletzt kamen auch die andern Jungfrauen, und sprachen: Herr, Herr, thue uns auf. Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich kenne euch nicht.“ Und ich füge noch hinzu, daß der Evangelist sich schließlich beziehet auf Ps. 1, 6. „Denn der Herr kennt den Weg der Gerechten, aber der Gottlosen Weg vergehet.“ Ich könnte die Polemik weiter führen; doch wozu die Geduld der geehrten Leser länger auf die Probe stellen? Der Zweck des ehrwürdigen Verfassers ist ja, wie er es oft wiederholt, nicht den Talmud herabzusetzen; sondern das ganze umfangreiche Buch soll blos ein Echo seines großen Meisters sein (Math, 11, 28–30.) „Kommet her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Nehmet auf euch mein Joch, und lernet von mir; denn ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“ Nun möge er mich ohne Vorurtheil nüchtern, unparteiisch begleiten, ich will ihn zu einem solchen fünffachen Echo aus dem Weltmeere des Talmuds (Makus 23, 2. 24, 1.) führen: „דרש רבי שמלאי שש מאות ושלש עשר׳ מצות נאמרו לו למשה בא דוד והעמידן על אחת עשר (והמידן על אחת עשר שבתחיל היו צדיקים יהיו יכולים לקבל עול מצות הרב׳ אבל דורות האחרנים לא היו צדיקים כל כך ואם באו לשמור כולן אין לך אדם שזוכה ובא דוד והעמידן כו׳ כדי שיזכו אם יקיימו י״א מצות הללו וכן כל שעה דורות של מטה הולכין ומתמעטין אותו, רשי) דכתי׳ מזמו׳ לדוד ד׳ מי יגור באהליך ומי ישכון בהר קדשיך הולך תמים ופועל צדק ודובר אמת בלבבו לא רגל על לשונו לא| עשה לרעהו רעה וחרפה לא נשא על קרובו נבזה בעניו נמאס ואת ירא ד׳ יכבד נשבע להרע ולא ימיר כספו לא נתן בנשך ושוחד על נקי לא לקח עשה אלה לא ימוט לעולם. בא ישעיהו והעמידן על שש דכתי׳ הולך צדקות ודובר מישרים מואס בבצע מעשקו׳ נוער כפיו מתמך בשחד אוטם אזנו משמוע דמי׳ ועוצם עיניו מראות ברע הוא מרומים ישכון (וגו׳) בא מיכה והעמידן על שלש דכתיב הגיד לך אדם מה טוב ומה ה׳ דורש ממך כי אם עשו משפט ואהבת חסד והצנע לכת עם ה׳ אלהיך חזר ישעיהו והעמידן על שתים שנאמר כה אמר ה׳ לבית ישראל דרשונו וחיו מתקיף לה רב נחמן בר יצחק אימא דרשוני בכל התורה כולה אלא בא חבקוק והעמידן על אחת שנ׳ וצדיק באמונתו יחי׳„‎ „Rabbi Simlui lehrte: Sechshundert und dreizehn Gebote wurden Moses aufgetragen, (denn dazumal waren jene, die am Fuße des rauchenden Sinai, staunend, bebend, voll heiliger Scheu, voll Glauben und Hingebung standen, fromm, eifrig, ausgerüstet mit heroischer Kraft, mit Willensstärke und unerschütterlichem Entschluße, so daß sie mit Resignation, mit Seelenruhe das Joch der vielen Gebote auf sich nehmen, und sprechen durften: „Alles was der Ewige gesprochen, wollen wir thun.“) Nachdem aber die spätern Generationen an Frömmigkeit, an Widerstandsfähigkeit, an freudiger Opferwilligkeit abnahmen, so daß zu besorgen war, es wird bald keinen Menschen geben, der den vielen, schweren, entsagungsvollen Gesetzen entsprechen wird: (Raschi) da sah David sich veranlaßt, die Gebote auf eilf zu beschränken, (damit Israel seiner Pflicht, seinem religiösen Bewußtsein mit der gewissenhaften Ausübung derselben genüge. Raschi) wie es Psalm 15 heißt: Wer darf o Herr! in deinem Zelte wohnen, wer auf deinem heiligen Berge ruhen? der redlich wandelt, Recht ausübt, vom Herzen Wahrheit redet. Mit seiner Zunge nie verleumdet, nie seinem Nebenmenschen Böses thut, seinen Nächsten nie schmähet. Verächtliche nicht achtet, die Gottesfürchtigen ehrt, zu seinem Schaden schwöret und es hält. Wer ohne Wucher (selbst einem Götzendiener אפי׳ בריבית עכום‎ Erklärung des Talmuds) Geld verleihet, Unschuld unbestechlich schützt; wer dieses thut, wird nie wanken. (Da es aber demungeachtet mit der Frömmigkeit bei jedem nachfolgenden| Geschlechte abwärts ging, so daß die Widerstandsfähigkeit gegen Verlockung und Lebenslust, die stoische Spannkraft sich erschöpfte, und das Joch der Gebote anstatt einer süßen Bürde, einer theuern Last, eine drückende geworden ist, Raschi) reduzirte Jesaia die Gebote auf sechs, wie es Jes. 33. geschrieben steht. „Wer in Gerechtigkeit wandelt und redet was recht ist, wer Unrecht scheuet, die Hände rein hält von Bestechung; sein Ohr verschließt, daß er nicht Blutschuld höre, und sein Auge zudrückt, daß er nicht sehe das Laster; der wohnt auf sicheren Höhen, Felsen werden seine Burg sein, ergiebig ist sein Brot, sein Wasser treu.“ – Micha konnte schon nur mit drei Geboten reussiren und sprach (6) „O Mensch, es ist dir gesagt, was gut ist, was der Ewige von dir fordert: Nur Recht ausüben, Liebe pflegen, und in bescheidener Demuth vor deinem Gotte wandeln.“ Jesaia machte noch am Ende seiner profetischen Laufbahn die traurige Wahrnehmung eines rapiden moralischen Rückschrittes und setzte die Gebote auf zwei herab, indem er rief: (56) So spricht Gott: „Haltet nur auf Recht und übt Tugend aus, mein Heil nahet bald heran, bald offenbart meine Allgüte sich.“ Amos (5) erwähnt schon nur Ein Gebot: „Darum, so spricht Gott zum Hause Israel: Forschet nach mir, so werdet ihr leben.“ – Darauf machte aber Rav Nachmon, Sohn Jizchoks, die Bemerkung: „Man kann ja unter דרשוני‎ Forschen, Bestreben, eben das ganze Gesetz, die ganze Torah verstehen, sondern Habakuk (2) hat klar und bündig mit einem Gebote, ein ganzes Religionssystem aufgestellt: „Der Fromme lebt in seinem Glauben glücklich.“

[Fußnoten und Erläuterungen]

  1. [Jesaja 57, 14. Fehlende Worttrennung zwischen Jesaja und 57 im Hebräischen ergänzt.]
  2. Die jeder moralische fromme Jude unterschreiben und Kraft des Talmuds besiegeln muß.
  3. Auch Christus hatte eine Antipathie gegen Zeichen, (Matth. 12, 39,) und dennoch war er als Kind seiner Zeit, als Menschensohn zu seinen Zeitgenoßen herabgestiegen, um sie, als Gottessohn, zu sich emporzuheben.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Deuteronomium 6 ,4f. Im Original fälschlich ואחבת‎ statt ואהבת‎.