Der amerikanische Reporter

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Autor: Max Horwitz
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Titel: Der amerikanische Reporter
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aus: Die Gartenlaube, Heft 48, S. 807–809
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Der amerikanische Reporter.

Von Max Horwitz.

Oft und viel ist über das amerikanische Zeitungswesen geschrieben worden. In gelehrten Abhandlungen hat man seine Vorzüge und Nachtheile hervorgehoben. Als ausgesprochenster Vertreter jener Großmacht, welche man vor der Neugestaltung Italiens als die sechste zu bezeichnen pflegte, der öffentlichen Meinung, hat es sich einen Namen gemacht. Hin und wieder hat man ungläubig den Kopf geschüttelt, wenn man las, daß eine Zeitung aus eigenen Mitteln eine Frage löste, mit der Nationen sich Jahrzehnte vergeblich beschäftigt, wie der „New-York-Herald“ die Auffindung Livingstone’s durch Stanley, aber endlich hat man sich denn doch überzeugt von dem Rechte der Presse, sich eine Großmacht zu nennen. Es soll in diesen Zeilen auf den Unterschied zwischen den Zeitungen diesseits und jenseits des Oceans nicht eingegangen, vielmehr stillschweigend zugegeben werden, daß der tiefe sittliche Gehalt, der die Presse auszeichnen soll, in den Zeitungen Deutschlands stärker ausgeprägt ist, als in denen Amerikas.

Das, was die amerikanische Zeitung sein will, drückt sie ganz genau in ihrem Namen aus: ein news-paper, ein Neuigkeitsblatt. Diesem Generaltitel wird sie nie untreu, unter welchem Namen sie auch erscheinen mag. Der politische Artikel, das Besprechen der Neuigkeit kommt erst in zweiter Reihe – das erste Erforderliche ist die Neuigkeit selbst in möglichster Breite und Tiefe. Das amerikanische Lesepublicum ist von der in ewigem Wettrennen befindlichen Presse verwöhnt – in Amerika giebt es weit mehr Zeitungsleser als in irgend einem anderen Lande der Welt – und zwingt die Presse nun selbst, auf dem einmal betretenen Pfade vorwärts zu gehen; sie befindet sich in der Lage des Zauberlehrlings und wird die Geister nicht wieder los, die sie rief. Ob es sich um welterschütternde Ereignisse oder um die unbedeutendsten, ja gleichzeitig verwerflichsten Dinge handelt, ob auf dem Schlachtfelde von Sedan Germanen und Gallier in heißem Kampfe um die Erleuchtung oder Verfinsterung der Welt ringen, oder ob Jimmy Mac Guire’s Bulldogge und Mike O’Reilley’s Neufundländer in fünfundzwanzig Rundgängen sich zerfleischen, um ihrem Besitzer den Betrag der über den Ausgang des Kampfes gemachten Wette einzubringen, gilt ganz gleich, – der Bericht darüber wird erwartet. Die Aussteuer der Tochter des Präsidenten muß bis auf die geheimsten Gegenstände der weiblichen Toilette eingehend beschrieben sein, aber auch über den Ball, mit dem Miß Castello, Vorsteherin eines unmoralischen Institutes, ihr neues Haus einweiht, erwarten die Leser vieler Blätter eine eingehende Besprechung. Es giebt nichts unter der Sonne, soweit es im Bereiche menschlicher Erforschung liegt, das sich der öffentlichen Besprechung entziehen könnte. Mit derselben Treue werden eine Reise des Präsidenten und ein Picnic der Schusterjungen besprochen. Die Zeitung muß an jedem Morgen ein getreuer Spiegel der Vergnügungen und Ereignisse des vorhergehenden Tages sein. Eine Zeitung, die sich von diesem ersten Erforderniß des ‚news-paper‘ lossagen wollte, dürfte sich ruhig zu den Todten rechnen.

Die absonderliche Blüthe, und zwar specifisch amerikanische Blüthe, welche diese Eigenthümlichkeit der amerikanische Presse getrieben, ist der Reporter oder Berichterstatter. Es müßte interessant sein, ein Exemplar dieser Species, der seinem Berufe eine Reihe von Jahren treu gedient hat, nach dem Ableben anatomisch untersuchen zu lassen. Es würde sich da ganz sicherlich herausstellen, daß drei Theile seines Körpers sich ganz besonders entwickelt haben: die Ohren, welche fast Ungesprochenes hörten, die Augen, welche nahezu durch Mauern sahen und schließlich, und nicht am unwichtigsten, die Beine, – Beine mit unsichtbaren Meilenstiefeln, welche im Fluge die Ohren und Augen bald hierhin, bald dorthin trugen, die unermüdlich und rastlos überall und nirgends waren. Diese drei Dinge bilden das Handwerkszeug des Reporters; mit ihm ausgerüstet, stürzt er sich täglich hinein in den Strudel des öffentlichen Lebens, von welchem er allerdings manchmal auch, wenn er nicht geschickt zu steuern weiß, ergriffen und in den Abgrund gerissen wird. Mancher Bericht fand seinen Abschluß mit dem Begräbnisse des Schreibers – „eine Kugel kommt geflogen“ – –

Nun, mich hat keine getroffen, obwohl eine wenigstens mir sicher zugedacht war, und so kann ich denn aus meinen Erinnerungen und dem, was zu meiner Kenntniß gekommen, Einiges hier anfügen.

Die amerikanische Zeitung – auch die deutsche Zeitung in Amerika – hat ihren eigenen Stab von Reportern. Der Localredacteur – ein literarischer Moltke – sitzt an seinem Pulte und entwirft früh Morgens den Schlachtplan für den ganzen Tag. Auf ein volles Jahr hinaus ist jedes bevorstehende Ereigniß, auch das kleinste, soweit man von seinem Stattfinden Kenntniß erhält, in einen Tageskalender eingetragen, so daß man genau darüber unterrichtet ist, welche Dinge sich abspielen werden. Aus der Reihe seiner Reporter, die sich bei nennenswerthen Blättern englischer Sprache selten unter fünfzehn beziffert, wählt er dann für jede Berichterstattung den ihm am geeignetsten erscheinenden aus. Für die Dinge aber, welche sich nicht angemeldet haben, schickt er eine Anzahl anderer Reporter aus.

Nun ist dem Berichterstatter das Arbeiten im Großen und Ganzen allerdings leicht gemacht. Er steht mit dem Publicum auf dem beste Fuße, denn er ist ein einflußreicher Mann. Wo das, über was er berichten soll, nicht absolut heimlich gehalten werden soll, bringt man es ihm fast entgegen und mit Routine und Arbeitskraft kommt er durch. In Versammlungen findet er einen Tisch und gute Schreibmaterialien neben der Rednerbühne; Beschlüsse überreicht man ihm fast immer in sauberer Abschrift. Bei einem Festessen ist sein Couvert so gelegt, daß er Alles überblicken kann. Seine Karte öffnet ihm unter normalen Verhältnissen jede Thür. Jedes Schloß springt vor ihm auf. Selbst der Präsident läßt sich nicht verleugnen und mancher Bankpräsident ist schon spät Nachts aus dem Schlafe geklingelt worden, um durch den Reporter eine Frage an sich gerichtet zu sehen. Der Allgefürchtete geht durch die städtischen und Staatsbureaux, unterbricht die Beamten in ihrer Arbeit, spricht mit ihnen, liest die auf dem Pulte liegenden Papiere und schnüffelt in den Büchern, wenn sie nicht schnell genug vor ihm versteckt worden. Er ist als kriegführende Macht anerkannt; man weiß, daß er auf Raub aus ist, und man verübelt ihm nicht nur nicht, wenn er alle Mittel in Bewegung setzt, Neuigkeiten zu erhaschen, sondern lobt ihn noch, etwa mit alleiniger Ausnahme Desjenigen, den er überrumpelte. Er ist also schlau und – es sei ein Ausdruck gestattet, der bezeichnend ist – „unverfroren.“

Vor ungefähr drei Jahren, als der damalige Beherrscher New Yorks, Tweed, die ersten Stimmen der über ihn ergangenen Anklagen auszuhalten hatte, die ihn ja auch in’s Zuchthaus brachten, zu jener Zeit, als man ihn beschuldigte, nicht weniger als zwölf Millionen Dollars aus dem Stadtsäckel gestohlen zu haben, war es der Ehrgeiz jeder Zeitung, eine Unterredung mit [808] ihm selbst zu haben. Tweed aber blieb unsichtbar für Alle, die er nicht sehen wollte, und zu ihnen gehörten vor Allem die Reporter. Er wollte den langen Verhören Unberufener aus dem Wege gehen und hatte strenge Ordre gegeben, Niemanden vorzulassen. Aber selbst Tweed hatte die Rechnung ohne den Wirth gemacht. Obwohl ein Reporter nach dem andern den Versuch, zu ihm zu dringen, aufgab, Einer, ein junges Bürschchen, das sich seine Sporen verdienen wollte, hielt aus. Er eröffnete eine förmliche Belagerung. Sein Fuß wich nicht von der Schwelle. Man sagt, daß er selbst mit der Negerköchin eine Liebelei anbandelte, um wenigstens bis in die Küche zu gelangen. Jeden Tag, ja fast jede Stunde wanderte seine Karte hinein: „Der Reporter des ‚Sun‘ bittet um eine Unterredung“. Eine abschlägige Antwort entmuthigte ihn nicht; seine Ordre war, Tweed zu sprechen, und wie ein Soldat hatte er diese Aufgabe zu lösen. Endlich mochte seine Ausdauer Tweed rühren, und als der Reporter sich schließlich mit einer einzigen Frage zu begnügen versprach, öffnete sich ihm die so lange verschlossene Pforte; er stand dem Gewaltigen gegenüber. Aber er durfte nur eine Frage thun. Wie viel hätte der Mann mit den drei Wünschen von ihm lernen können! Auch nicht einen Augenblick war er in Verlegenheit, sondern fragte nach artiger Begrüßung im naivsten Tone:

„Sagen Sie, Herr Tweed, aber auf Ihre Ehre, sind Sie wirklich ein Dieb?“

Und Tweed warf ihn nicht zum Tempel hinaus, sondern lachte herzlich und gestattete ihm weitere Fragen.

Nicht minder heiter ist ein kleiner Vorfall in Chicago. Der Mayor der Stadt, ein von Natur freisinniger, aber schwacher und leicht bestimmbarer Mann, war den Temperenzlern in die Hände gefallen und bedrohte die Sonntagsfreiheit der Deutschen. Darüber entstand ungeheuere Aufregung. Joseph – wir wollen ihn bei seinem Vornamen nennen – wurde von Deputationen der Mucker und ihrer Gegner fast erdrückt. Jede, selbstverständlich am nächsten Morgen gedruckte Meinungsäußerung wurde ihm die Veranlassung zu neuem Aerger. So beschloß er denn, den Reportern gar Nichts mehr zu sagen, und war stumm, wie das Grab. Seine Conferenzen über diesen Gegenstand hielt er bei verschlossenen Thüren, vergaß aber die Schlüssellöcher zu verstopfen. Als er sich in ein Zimmer unter dem Dache flüchtete, wurde die Luftheizungsröhre dienstbar gemacht; sie trug den Schall der Worte weiter. Aus einzelnen Schlagwörtern reimte man sich den ganzen Inhalt des Gesprächs zusammen. Allerdings war Joseph etwas schwerhörig und bediente sich einer Ohrtrompete, sodaß mit ihm gewöhnlich ziemlich laut gesprochen werden mußte; er selbst hatte sich das laute Sprechen angewöhnt. Schließlich, als Tag für Tag ein Bericht über die geheimsten Sitzungen in den Zeitungen stand, entschloß er sich zu einer allergeheimsten Sitzung in dem aus starken, colossalen Mauern und eisernen Thüren bestehenden feuerfesten Gewölbe des Rathhauses. Lächelnd schritt er an den Reportern vorüber; schwer fiel die eiserne Thür hinter ihm in’s Schloß – am nächsten Morgen stand der Bericht in den Zeitungen. Joseph hatte seine Ohrtrompete nicht mit sich genommen, da drinnen durfte ja laut gesprochen werden, und da hatten die Reporter eine Anleihe bei ihm gemacht, hatten die Oeffnung der Ohrtrompete an das Schlüsselloch gelegt und so doch den Inhalt der Verhandlungen aufgefangen. Von dem Augenblicke an gab Joseph seine Heimlichkeiten auf. Er bekannte sich lachend als besiegt. Hatte doch der Reporter des Blattes, dessen Redacteur Joseph gleichzeitig war, den Reigen der Cameraden geführt.

Nicht immer aber steht der Reporter auf so sicherem Posten. Vor wenigen Monaten fand man am Gestade des Michigansees die gebleichten Gebeine des lange vermißten neunzehnjährigen Grimwood. Er war von seinem Localredacteur dazu bestimmt worden, eine Fahrt des Luftschiffers Donaldson zu beschreiben, also war er mit aufgestiegen. Eine halbe Stunde später brach ein orkanartiger Sturm los, der den Ballon zerfetzte. Die Gebeine der Verunglückten wurden nur durch die daneben liegenden Papiere recognoscirt. In Grimwood’s Notizbuch stand mit Bleifeder geschrieben: „Fünftausend Fuß über der Erde. Ich hoffte immer, ich sei zu Höherem geboren. Aber die Aufgeblasenheit regiert auch hier oben.“ In diesem Tone ging es eine Weile weiter. Die letzten Zeilen enthielten eine Andeutung über das Unwetter und eine Todesahnung. Er starb in seinem Berufe.

Wie die Rücksichtslosigkeit gegen Andere, so ist dem Reporter auch die gegen sich selbst in Fleisch und Blut übergegangen. Ich erinnere mich, daß am 14. Juli 1874, als die Stadt Chicago zum zweiten Male mit Vernichtung bedroht wurde, ein ganzer Schwarm von Reportern mit in die Häuser ging, welche wenige Minuten später in die Luft gesprengt werden sollten und in denen Alles zur Sprengung vorbereitet war, während ein wahrer Feuerregen sich schon auf sie ergoß. Mußten sie doch am nächsten Morgen genau beschreiben, wo die Lunte angelegt worden. Ja, als man vor einigen Tagen Schauerdinge über die Verwaltung eines Staatsirrenhauses von New York erzählte, ließ sich ein Reporter Namens Chambers in aller Form Rechtens und von Gerichtswegen für irrsinnig erklären und lieferte nach vier Wochen einen Bericht, der eine Abstellung der Mißstände zur Folge hatte.

Gleichviel welche Motive zu solch außerordentlichen Thaten veranlassen – oft ist es nur die Absicht, „Sensation“ zu machen; oft liegen andere Gründe vor – so viel steht fest, daß durch den Reporter schon sehr viel Gutes geschaffen wurde, neben manchem Bösen, das seine Rücksichtslosigkeit herbeiführte. Zwar deckt er fast immer nur die Schäden und Schwächen der Gegenpartei auf, aber es ist doch immerhin Jemand da, der den Beamten scharf auf die Finger sieht. Jede Ungehörigkeit rügt er. Allgemeine Mißstände werden hervorgehoben, beleuchtet und mit Scherz und Ernst bekämpft, bis sie gehoben sind. Trotz einer erklärlichen leichtfertigen Auffassung des Lebens ist er durchaus gutmüthig. Persönliche Gefahr kennt er nicht. Ich [809] habe Reporter gesehen, die sich kaltblütig ihre Bleifedern spitzten, als in ihrer Gegenwart von erregten Männern der Vorschlag gemacht wurde, sie jämmerlich durchzuprügeln, weil ein von ihnen verfaßter Bericht Mißfallen erregt hatte. Und der echte Reporter ist gewandt. Nicht nur daß er Berichte über Reden in französischer, italienischer, deutscher und skandinavischer Sprache ziemlich getreu anfertigt, obwohl er selbst meisthin nur Englisch versteht, er beschreibt Morgens eine Dampfmaschine, Mittags die Blumenausstellung, berichtet Nachmittags über eine politische Versammlung und kritisirt Abends die italienische Oper. Tief geht sein Wissen natürlich nicht, aber so wenig er auch von dem einen oder andern Dinge versteht, er besitzt doch die Fähigkeit, sich über Alles schnell und leichthin zu informiren.

Der amerikanische Reporter steht mit Jedermann auf gutem Fuße. Er drückt dem Polizeipräsidenten und wenige Minuten darauf dem Spielhöllenbesitzer die Hand. Er wandert direct von der Hinrichtung eines Mörders zur Prüfung in einer höheren Mädchenschule. Er hat ein Herz, sogar ein großes, aber er hat gelernt, es nach Bedarf in Bewegung oder in Ruhe zu versetzen. So lange er im Dienste ist – und er ist immer im Dienst – giebt es für ihn nur das eine Wort: Neuigkeiten. Allerdings setzt ihn die Zeitung, für die er arbeitet, in die Lage, Neuigkeiten zu erhaschen. Vor Kosten, und seien sie noch so bedeutend, ist eine amerikanische Zeitung noch nie zurückgeschreckt, wenn es gilt, etwas Interessantes zu erfahren. Der bedeutendste Vorzug des amerikanischen Reporters aber ist, daß er zu schreiben versteht. Dem unbedeutendsten Dinge weiß er eine interessante Fassung zu geben. In den meisten steckt etwas von Mark Twain oder Bret Hart, eine stark ausgeprägte humoristische Ader, die überall zum Durchbruche kommt. Ein amerikanischer Bericht zeichnet immer gleich den Hintergrund, auf dem sich die Dinge abspielen. Er liefert ein kleines Genrebild, das oft ein längeres Leben verdient, als den Augenblick, für den es ursprünglich bestimmt war.

Daß sich neben so vielem Lichte auch sehr viel Schatten finden muß, liegt auf der Hand. Gesinnung irgend welcher Art wird man bei einem amerikanischen Reporter vergebens suchen, es sei denn, daß er sich schon einen Namen gemacht hat. Gewisse Zeitungen, wie z. B. die „Chicago-Times“, die als der Typus der schmutzigsten Journalistik gelten darf, bilden ihre Reporter zu Spionen aus, die sich in das innerste Familienleben drängen und schon oft unsägliches Unheil angerichtet haben. Die Sucht, es einander zuvorzuthun, hat jene an und für sich ganz hübsche Erfindung der Unterredungen so ausarten lassen, daß sie zu einer wahren Landplage geworden sind.

Was aus dem Reporter wird? Oft ein hervorragender Politiker; häufig arbeitet er sich in der Presse bis zum Sessel des Chefredacteurs hinauf. Man begegnet ihm als dem Geschäftsführer bei Theatergesellschaften, im Circus und bei verwandten Unternehmungen, weil seine Bekanntschaft mit der Presse ihn werthvoll macht. Die Zahl Derer, welche in andere Berufskreise übergehen, ist nicht sehr groß. Nicht gering aber sind Diejenigen vertreten, denen die aufreibende, Körper und Geist ermüdende und anstrengende Thätigkeit ein frühes Grab bereitet. Man macht nicht ungestraft zehn Jahre lang die Nacht zum Tag und den Tag zur Nacht, besonders nicht, wenn einem die Gelegenheit zur Befriedigung der nationalen Neigung zu geistigen Getränken so leicht und so kostenfrei geboten wird, wie dem amerikanischen Reporter.