Der junge Seemann

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Autor: Heims
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Titel: Der junge Seemann
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 621, 643
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[621]
Datei:Die Gartenlaube (1898) b 0621.jpg

Der junge Seemann.
Nach dem Gemälde von O. Kirberg.

[643] Der junge Seemann. (Zu dem Bilde S. 621.) Klas Dierks hatte „die Welt und sieben Dörfer“ kennengelernt, und nun in seinen alten Tagen that er noch Dienste als Lotse. Und zwar als Lotsenältester. Unbegrenzt war das Ansehen des Alten bei seinen Standesgenossen, und ohne seinen Rat und seine Einwilligung geschah gewiß nichts von Bedeutung. Blitzblank sah es aus im Hause des alten Oberlotsen. Es war kein Herrenhaus, aber so wie es sein sollte und für ihn paßte, ohne Flitter und Verputz und Verblendung; alles echt und stark, wie es für einen alten Seemann sich schickt, der sein Schäfchen mit Ehren ins Trockene gebracht hat. Der große Eichenschrank im Wohn- und Herdzimmer glänzte nur so in dunklem Braun, wie er jeden Samstag fein säuberlich gewachst und mit Wolle abgerieben wurde. Der Herd und die Herdwand waren sauber mit bunten, blanken kacheln ausgelegt, und auf dem Herd selbst und auf dem Bort über ihm gleißte und funkelte das Geschirr aus Kupfer, Zinn und Messing, wenn die helle Sonne so recht in das trauliche Stübchen von der See her hineinschien, die draußen vor dem Häuschen am Strande rauschte und brandete. Bunte Matten aus Stabgeflecht schützten die Fliesen des Fußbodens, und der alte Klas achtete sehr darauf, wenn er von draußen kam, die Seestiefel abzuwischen und zu säubern, ehe er eintrat. Neben der Thür stand in ihrem schwereichenen Gehäuse die alte Uhr mit den blanken Gewichten und dem metallglänzenden Zifferblatt, und daneben hing der Kalender mit manchem frommen Spruch und Bild. Denn Klas Dierks war ein alter gottesfürchtiger Herr. Und so saß er oft, wenn er seine ruhigen Tage hatte, auf dem alten strohgeflochtenen Stuhle, wie sie von je Sitte gewesen waren in seinem Haus – das Neue liebte er nicht –, sah nachdenklich zu, wie der Perpendikel langsam hin und her schwang mit lautem Tick-tack. und dachte au die Zeit, die hinter ihm lag, und wie er übers Meer gefahren war in jungen Jahren, und dachte wohl auch an die letzte, lange Reise, die noch vor ihm lag. Neben seinem Stuhl saß, nachdenklich wie sein Herr, der gute weiße Spitz und hatte die Schnauze auf sein Knie gelegt und blinzelte ihn an.

Und durch den Kopf des alten Mannes geht mancherlei. Frohes und Trauriges. Auch daran hatte es nicht gefehlt und nicht an den Sorgen. Das Schwerste war aber doch gewesen, als sie damals ihm die Kunde gebracht, daß sein Sohn Volker in Bahia am gelben Fieber gestorben. Da galt’s stark sein und die Schwiegertochter trösten und aufrecht halten und für die Enkelkinder sorgen, den Pieter und die Antje. Und er hatte es rechtschaffen gethan und gut hatten sie’s alle drei bei ihm gehabt: aber auch auf Zucht und Ordnung hatte er gehalten, wie sich’s gehört. – Sein Wille galt.

Und nun war der Pieter eingesegnet worden. „Junge, was willst du werden?“ hatte Klas ihn um Weihnachten gefragt. Da hatte der Schlingel gelacht und geantwortet: „Na, was anders als Seemann?“ Und der Alte hatte dazu genickt und die Mutter, die Wiebke, war hinausgegangen und hatte heimlich geweint. Aber sie wußte es: gegen den Alten und ihren Jungen zusammen kam sie nicht auf. Sie mußte sich drein geben.

So war der Tag der Abreise gekommen, früh im April. Die Bark „Marie Sandow“ lag seeklar draußen auf der Reede, und geschieden mußte sein, wie weh es der Mutter auch ums Herz war. Pieter war weniger gerührt. Er freute sich eigentlich über die Maßen auf die große weite Welt mit dem vielen Salzwasser auf ihr, und die Thränen wollten gar nicht kommen. Aber als die Mutter ihn zum letztenmal umarmte und ihm sagte: „Min leev oll Jung, nu vergeet ok nich, dat du ut ’n Christenhuus büst un wohr di vör all de Slüngels uu Verführers, un komm mi ok mit ’n gude Gewissen un blanke Ogen torügg!“ da hatte er sie groß angesehen und nur gesagt: „Darup verlaat di man, Mudder!“ – Dann hatte er Antje flüchtig die Hand gegeben: „Lütt Deern, holl di munter: ick bring di ok ’n lüttje Negerpopp mit!“, hatte seinen Kleidersack aufgeladen und war hinter dem Großvater hergetrottet, der still und bedächtig den Weg zum Strande, wo das Boot lag, hinunterging. Den Jungen wollt’ er an Bord bringen und dann draußen kreuzen, ob’s was zu thun gebe. Vom Fenster winkte die Mutter mit ihrem Tuch; aber Pieter sah es nicht vor dem großen Sack, den er auf der Schulter trug: und in der Thür stand Spitz und bellte. Von der See her wehte kräftige Brise, und die Brandung lief donnernd und rauschend auf den Strand – – Leb’ wohl!“ Heims.