Diätetisches Recept für Unterleibskranke

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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Diätetisches Recept für Unterleibskranke
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 328–329
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Blätter aus einem diätetischen Recept-Taschenbuche.
III. Diätetisches Recept für Unterleibskranke.

Unter „unterleibskrank“ wollen wir hier den Leidenden verstanden wissen, der, ohne ein langwieriges, unheilbares (chronisches, organisches) Uebel irgend eines der Organe des Unterleibes zu haben, von Beschwerden heimgesucht wird, die ihr Entstehen einer Störung des Blutlaufs innerhalb des Verdauungsapparates, also in den Blutgefäßen des Magens und Darmcanales, sowie in der Milz und Leber, verdanken. Diese Störung beruht vorzugsweise in erschwertem Hinströmen des Blutes vom Magen, Darmcanale und von der Milz nach der Leber, sowie in verlangsamtem Durchflusse des Blutes durch die Leber. Die hierbei vorzugsweise betheiligte Blutröhre heißt die „Pfortader“; diese sammelt nämlich das schlechte Blut der Milz, des Magens und Darmcanales (auch des Mastdarmes), führt es in die Leber und vertheilt es hier so, daß die schlechten Bestandtheile dieses Blutes (als Gallenmaterial) ausgeworfen werden können und nach dieser Entfernung ein gereinigtes Blut aus der Leber (durch die Leberblutadern) zum Herzen strömt.

Der Krankheitszustand, der hier gemeint ist, wird auch als „Pfortaderstockungen, Unterleibsanschoppung, Hämorrhoidal-Leiden, Abdominalplethora“ bezeichnet, und ist derjenige, bei welchem die Mehrzahl der Arztheit Schwefel und Karlsbad verordnet (s. Gartenlaube 1854. Nr. 18). Er findet sich hauptsächlich bei Solchen, die eine sitzende Lebensweise (zumal mit Krummsitzen) bei mangelhafter Bewegung im Freien und reichlicher nahrhafter Kost führen; vorzugsweise tritt er aber dann auf, wenn sich zur sitzenden Lebensweise mit allzureichlicher Kost anstrengende geistige Arbeit, häufiger Genuß spirituöser Getränke, niederdrückende Gemüthseinflusse, geschlechtliche Ausschweifungen und Mißbrauch von Abführmitteln (besonders der starkwirkenden in Pillenform) gesellen. Bei Frauen tragen auch die zu straff gebundenen Unterrocksbänder und das Schnürleibchen durch Druck auf die Leber viel zur Störung des Pfortaderblutlaufes bei (s. Gartenlaube 1855. Nr. 16 und 1853. Nr. 26).

Die Beschwerden, welche der gestörte Unterleibs-Blutlauf veranlaßt, treten am ausgeprägtesten beim Staatshämorrhoidarius und Hypochonder hervor. Sie sind anfangs nur gering und mehr örtlicher Art, wie unangenehme Empfindung von Druck und Völle in der Oberbauchgegend (besonders nach dem Essen) mit Gefühl von Beklommenheit auf der Brust, nicht selten auch mit heftigeren Kolikschmerzen; Appetitsstörungen und unregelmäßiger Stuhlgang (bald Verstopfung, bald Durchfall); Blähungsbeschwerden und Hämorrhoidalleiden (am Ausgange des Mastdarms). – Nach und nach findet sich unter Steigerung der genannten örtlichen Beschwerden und bei immer mehr zunehmender Verdauungsstörung, auch eine Trübung des Allgemeinbefindens ein, die sich durch Unlust zum Arbeiten, Mißmuth, Aergerlichkeit, Traurigkeit (Hypochondrie), Willensschwäche und Kraftlosigkeit zu erkennen gibt. Sie hat ihren Grund ohne Zweifel in einer Verschlechterung der ganzen Blutmasse in Folge der Beimischung des schlechten in der Leber nicht gereinigten Pfortaderblutes. Diese Beimischung kommt aber unten am Mastdarme durch die Hämorrhoidal-Blutadern zu Stande, indem hier mittels der Gefäßverbindungen Pfortaderblut in die Beckenblutader übertritt und so, ohne oben die Leber zu passiren, zum Herzen strömt.

Es ist sonach bei unserm Unterleibsleiden die Aufgabe: den Pfortaderblutlauf nach der Leber hin und durch diese hindurch zu befördern, nicht aber das Pfortaderblut, wie dies viele Heilkünstler durch Blutegel an den After zu erreichen suchen, nach dem Mastdarme hinzuziehen. – Der träge Pfortaderblutlauf läßt sich nun aber recht leicht dadurch flott machen, daß man die Kräfte, von denen dieser Blutlauf abhängig ist, gehörig unterstützt und bethätigt; es sind: die Herzthätigkeit, die Athmungs-, Bauchwand- und Magen-Darm-Bewegungen, der passende Flüssigkeitsgrad des Pfortaderblutes und die unbehinderte Ausdehnung [329] des Bauches. Und sonach würde gegen Unterleibsbeschwerden folgendes diätetische Recept zu verschreiben sein:

Rec. Zweckmäßige Bewegung 1), zumal des Bauches und im Freien. –
Kräftiges Athmen 2), besonders tiefes Einathmen. –
Ordentliche Leibesöffnung 3), aber ohne Beihülfe von Abführmitteln. –
Mäßigkeit und Einfachheit im Essen und Trinken 4), besonders reizlose Kost. –
Reichliches Wassertrinken 5), doch lieber von warmem als kaltem. –
Gehöriger Raum 6) für die Ausdehnung und Bewegung des Magens und Darmcanales. –
S. Zu befolgen wo möglich in einer hübschen, zusagenden und unterhaltenden Gegend und Gesellschaft, bei behaglicher und heiterer Gemüthsstimmung, entfernt von den Berufsgeschäften.

Ad 1) Zweckmäßig wird nun aber die Bewegung für einen Unterleibs-Angeschoppten dann sein, wenn sie eine ebenso allgemeine, alle Theile des Körpers (und dadurch auch das Herz in Thätigkeit versetzende, wie eine örtliche (active und passive), vorzugsweise die Bauchwand und so mittelbar die Verdauungsorgane mit ihren Gefäßen betreffende, natürlich aber keine unmäßig anstrengende ist. Deshalb kann angerathen werden: Turnen, Kegeln, Holzsägen, Gartenarbeiten, Fußtouren, Bergsteigen, zeitweiliges Kneten, Drücken und Pochen des Bauches, Rumpfbewegen (Vor- und Seitwärtsbeugen, Strecken und Drehen, aus dem Liegen zum Sitzen Aufrichten) u. s. w.

Ad 2) Tiefes Einathmen (Ausdehnen des Brustkastens) übt insofern einen großen Einfluß auf den Unterleibsblutlauf aus, als dadurch das Blut (wie durch das Aufziehen einer Spritze) aus der Leber heraus und in die Brust gesogen wird, deshalb aber das ganze Pfortaderblut flotter vorwärts und in die Leber einströmen kann. Man athme deshalb des Tages öfters, und natürlich in guter Luft, langsam und tief ein. Es muß dieses Einathmen aber stets erst durch Uebung gelernt werden.

Ad 3) Eine ordentliche Leibesöffnung darf ja nicht durch Arzneimittel erzwungen werden; nur wenn die Verstopfung hartnäckig ist, sind Klystiere (von warmem Wasser mit etwas Oel) in Gebrauch zu ziehen. Gegen Früchte und Fruchtsäfte, welche den Stuhl erleichtern, wie Pflaumen, Weinbeeren (aber ohne Schale und Kerne), Aepfelwein u. dgl., ist nichts zu sagen. Uebrigens wird beim richtigen Beobachten der hier angegebenen Regeln der Stuhl nach und nach auch ohne andere Hülfsmittel schon regulirt werden.

Ad 4) Die Kost sei nicht zu reichlich und fettreich, nicht zu stark nährend und schwerverdaulich, nicht blähend, erhitzend und erregend, sondern einfach, leicht verdaulich und reizlos, kurz eine gut zubereitete Hausmannskost. Von Getränken sind die spiritusreichen zu meiden; ein leichtes Bier schadet nicht. Mäßigkeit, Einfachheit und Regelmäßigkeit im Essen und Trinken ist die halbe Cur.

Ad 5) Reichliches Wassertrinken unterstützt durch Verdünnen und Flüssigermachen des dicklichen Pfortaderblutes das Strömen desselben durch die Leber nicht unbedeutend. Hierbei heißt’s wirklich: „Viel hilft viel“. Um aber dem Magen durch die Kälte des kalten Wassers nicht zu schaden (einen Katarrh zuzuziehen), ist es rathsam, das Wasser als warmes wie in Karlsbad zu trinken (so warm etwa, wie man den Kaffee und Thee genießt).

Ad 6) Die unbehinderte Ausdehnung des Bauches ist dem Unterleibsblutlaufe sehr förderlich. Deshalb ist jede den Bauch beengende Kleidung (besonders beim weiblichen Geschlechte), sowie anhaltenden Gebückt- und Krummsitzen (zumal bald nach dem Essen) von Nachtheil. Also sorge man für gehörig lockere Bekleidung und für möglichst aufrechtes Sitzen.

Unsere spaßige Feindin, die Homöopathie, die doch sogar gegen unglückliche Liebe mit Weinerlichkeit und Selbstentleibungssucht im Aurum (Gold! vielleicht gemünztes?) ein vorzüglichen Heilmittel besitzt, hat zur Zeit leider kein Hauptmittel, das dem trägen Pfortaderblutlauf auf die Beine helfen könnte, und man ist deshalb gezwungen, gegen die einzelnen beschwerlichen Folgen dieser Trägheit mit verschiedenen Mitteln anzukämpfen. Nux vomica und Sulphur leisten gegen die meisten dieser Beschwerden gute Dienste, doch sollte sich die Hypochondrie bis zum wahren Lebensüberdruß und zu wirklicher Schwermuth steigern, dann geht’s nach Herrn Dr. Clotar Müller ohne Arsen und Aurum nicht, während bei geruchlosen Blähungen Belladonna und Lycopodium, bei lästigem Jucken am Mastdarme außer Schwefel und Nux noch Aconit und Sepia, und bei mehr brennendem oder schründendem Schmerze am After Arsen und Capsicum von ausgezeichnetem Erfolge sind.

Bei Melancholie mit Weinerlichkeit und der Sucht zu beten empfiehlt Herr Dr. Hirschel die Pulsatilla; den Schwefel dagegen bei Melancholie mit großer Gleichgültigkeit, religiöser Stimmung und Verzweiflung; Kupfer bei Mangel an moralischer Kraft und Murrsinn. Und das wäre nicht spaßig?
Bock.