Die Vetterschaft
Wer nicht bei Hof’ ’en Vetter hat,
Hört man sprichwörtlich meinen,
Der steigt nicht hoch in Land und Stadt,
Und bleibt nur unter Kleinen;
So schaff dir einen Vetter an.
Wohl gilt zu Zeiten auch die Kunst,
Doch mehr noch gilt der Vetter.
Der Vetterschaften Kunst und Gunst
Strebt Fleiß und Geist auch kühn empor,
Der Vetter kommt ihm doch zuvor.
Drum vettre dich bei Vettern an,
Nicht minder bei den Muhmen;
Bück’ dich, und streue Blumen;
Ja, gieb zu jedem Dienst dich her,
Und wenn’s der allerletzte wär'.
Man glaubt nicht, wie so gar zu gern
Nenn’ dreist sie Sonne, Mond und Stern,
Lob’ unverschämt sie in’s Gesicht,
Sie merken deine Lügen nicht.
Dann wird der Vetter sorgen.
Der Schmeichler übt die feinste List,
Er sitzt im Rohr geborgen.
Ihm stehn die Vettern zu Gebot,
Er bittet nichts von Gott, als daß
Die reichen Vettern sterben;
Sieht gern sie beißen in das Gras,
Er wird sie ja beerben.
Gehört noch die Erbschleicherei.
Vor allen Dingen strebe drum
Nach Gunst im Vetterstande.
Bist du vervettert, sei auch drumm,
Verlaß dich nicht auf Geist und Kunst,
Es fehlt dir Alles, fehlt dir Gunst.