Die polytechnische Lehranstalt in Gmünd
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(Eingesandt.)
Gmünd im Dezember 1823. — Da schon in mehreren öffentlichen Blättern, namentlich im Schwäbischen Merkur und in dem Intelligenz-Blatte des Jaxt-Kreises von der [827] hier eröffneten polytechnischen Lehranstalt die Rede gewesen ist, so kann es dem Publikum nicht uninteressant seyn, nähere, die frühern Bekanntmachungen zum Theil berichtigende Nachrichten von der Entstehung, den Bestrebungen und dem gegenwärtigen Zustande dieses Instituts zu erhalten.
Als die Geburt des Kronprinzen die Herzen aller Wirtemberger mit Dank gegen die Vorsehung und mit inniger patriotischer Freude erfüllte, und diese Empfindungen sich an vielen Orten durch Errichtung bleibender Denkmale aussprachen, brachte der hiesige Advokat Hr Dr. Dangelmaier[1] die Idee in Anregung, daß zur fortdauernd bestehenden Feyer der beglückenden Hoffnung, die Gott dem angebeteten Könige und dem Vaterlande geschenkt, — nach dem Beyspiele von Baiern — ein polytechnischer Verein zur Beförderung der Künste und Gewerbe, besonders durch Herausgabe eines Kunst- und Gewerbsblatts, gebildet, und damit eine polytechnische Lehranstalt, zur Unterweisung aller des Unterrichts Bedürftigen und Verlangenden, in den für die praktischen Richtungen des Gewerblebens interessanten Kenntnissen, vereinigt werden möchte. Als Lehrgegenstände wurden namentlich bezeichnet: Mathematik, Technologie, technische Chemie, Naturlehre und Naturgeschichte, Bierbrauerey und Branntweinbrennerey, Baukunst, Maschinenlehre, Handelswissenschaft, kaufmännische Rechenkunst, Waaren- und Produktenkunde, Geographie und Geschichte, französische und lateinische Sprache, Cameralwissenschaft, Land- und Forstwirthschaft, Thierheilkunde und Landesgesetzgebung.
Der Antrag des Hrn. Dangelmaier fand in einem Kreise patriotischer Männer Beyfall und Unterstützung, indem sie sich nicht nur zu unentgeldlicher Unterrichtsertheilung erboten, sondern auch im Verein mit ihm und dem Obmanne des Bürgerausschusses höchsten Orts, in einer Eingabe, die Erlaubniß zur Errichtung einer polytechnischen [828] Lehranstalt nachsuchte, welche Erlaubniß, unter der Beschränkung auf ein Privatinstitut, ertheilt wurde.
Am 1. July dieses Jahrs erfolgte die Eröffnung des Unterrichts mit 30 Schülern. Die Lehrfächer wurden so vertheilt, daß Hr. Dangelmaier die Landwirthschaft und die Gesetzgebung, Hr. Revierförster Köhle die Forstwirthschaft, Hr. Zeichnungslehrer Baumeister die bürgerliche Baukunst und Maschinenlehre, Hr. Präzeptor Striter die Naturgeschichte, Hr. Sprachlehrer Hönig das Französische, Hr. Taubstummenlehrer Alle die Technologie, Hr. Schullehrer Dreher die Mathematik, Hr. Canonikus Reiß die lateinische Sprache, Hr. Kaufmann und Controlleur Stahl die kaufmännische Rechenkunst und Buchhaltung und Hr. Kaiser die Bierbräuerey übernahm. Hr. Dangelmaier wurde einmüthig zum Vorstande gewühlt, und von ihm auf seine Kosten das erforderliche Lehrzimmer in seinem Hause eingerichtet, und die für den Anfang nöthigen Lehrmittel angeschafft.
Der Unterricht hatte bis in die Mitte des Novembers seinen ununterbrochenen Fortgang, als erst Hr. Dreher und dann Hr. Baumeister, aus verschiedenen Ursachen, sich der Theilnahme an demselben entzogen. Hr. Striter war durch seine Versetzung auf eine Pfarrey früher schon für die Anstalt verloren gegangen; Hr. Alle hatte den von ihm zugesagten Unterricht nicht begonnen. Da mit Hrn. Dreher zugleich 10 Schulincipienten ausgetreten waren, so hörte auch der Unterricht in der Forstwirthschaft auf, den nur einige von ihnen empfangen hatten.
Diese Veränderungen erregten nicht geringe Besorgnisse für den Bestand des Instituts; sie waren aber auch eine Ermunterung für die Theilnehmer, die demselben getreu verblieben waren, ihm desto anhaltender ihren Fleiß zu widmen, und so dauert der Unterricht noch immer fort, den Hr. Dangelmaier in der Gesetzgebung, [829] der Landwirthschaft, der bürgerlichen Baukunst, der Naturgeschichte und im teutschen Styl, — Hr. Hönig in der französischen Sprache und Geometrie, Hr. Stahl in der kaufmännischen Rechenkunst und Buchhandlung und Hr. Kaiser in der Bierbrauerey ertheilt.
Die Zöglinge sind meistens evangelische und auswärtige, unter ihnen ein Sohn des Badeigenthümers in Kannstadt, Dr. Frösner.
Die Centralstelle des landwirthschaftlichen Vereins bewährte der Anstalt ihren Beyfall in einem sehr schmeichelhaften Dekrete und durch unentgeldliche Mittheilung des Correspondenzblatts. Auch der Centralausschuß des polytechnischen Vereins in München sandte dem Hrn. Dangelmaier die sämmtlichen Jahrgänge seines Kunst- und Gewerbsblatts als Geschenk zu und ernannte ihn zum Ehrenmitgliede des Vereins. Nicht weniger haben andere vaterländische Gelehrte ihm Theils schon mehrere für die Zwecke des Instituts förderliche Schriften mitgetheilt, Theils noch weitere ähnliche Unterstützungen zugesagt. Endlich wurde ihm noch von höchster Stelle die Erlaubniß zur Herausgabe eines Kunst- und Gewerbsblatts ertheilt. Das letztere beabsichtigt hauptsächlich den Zweck, die ausgezeichneten Künstler und Gewerbsleute des Vaterlandes und ihre Fabrikate öffentlich bekannt zu machen, und dem Publikum nachzuweisen, welche Produkte der Industrie und wo und um welchen Preis sie zu haben sind. Dadurch hofft man den Absatz der inländischen Fabrikate zu befördern, Wetteifer in ihrer Hervorbringung und Vervollkommnung zu erregen, und nützliche Belehrungen unter ihren Bearbeitern zu verbreiten.
Am nächsten 6. März, als am Geburtsfeste des Kronprinzen, wird die erste öffentliche Prüfung in der Anstalt gehalten, um die öffentlichen Behörden und das theilnehmende Publikum von den Leistungen derselben in Kenntniß zu setzen.
So groß auch die Schwierigkeiten waren, [830] mit denen dieses patriotische Unternehmen in der ersten Periode seines Daseyns zu kämpfen hatte, so werden sie doch, wie bisher, also auch in der Zukunft, durch Beharrlichkeit und treuen Sinn für das Gute überwunden werden können, und jeder Vaterlandsfreund wird wünschen, daß aus diesen Anfängen sich ein Verein für Industrie und Gewerbe, so wie eine Lehranstalt für beyde erheben möchte, welche an Umfang, Thätigkeit und Wirksamkeit den ähnlichen Instituten des Auslandes an die Seite gesetzt zu werden verdienen.