Die Eisenschmieden im Stubaithale

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Autor: Ludwig Hörmann von Hörbach
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Titel: Die Eisenschmieden im Stubaithale
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 27-31
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1870
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Eisenschmieden im Stubaithale.
Von Dr. Ludw. v. Hörmann.


Vom Wippthal, an dessen steil abfallenden Lehnen sich nun die großartige Brennerbahn hinwindet, zweigt wenige Stunden von Innsbruck gegen Südwest ein Querthal ab, das wegen seines landschaftlichen Reizes, wie wegen seiner Bewohner dem Touristen und Culturhistoriker ein erhöhtes Interesse bietet. Es ist Stubai, nächst dem Oetzthal wohl das schönste der nordtirolischen Seitenthäler. Besonders der Einblick in dasselbe ist überraschend. Man genießt ihn am besten unweit der Höhe des sog. alten Schönberges, über dessen streng ansteigenden Rücken die frühere Brennerstraße führte und so dem Reisenden Gelegenheit bot, neben den keuchenden Postgäulen mit Muße das herrliche Bild zu betrachten. Denn gerade hier beim aufgelassenen Zollhäuschen, wo die von Goethe erwähnte majestätische Zirbel steht, sieht man das Thal wie eine natürliche Schaubühne offen ausgebreitet. Zwei gewaltige Felsenthürme, der Sonnenstein und die hohe Säule, bewachen den Eingang desselben. An sie schließen sich als Fortsetzung beiderseits mächtige, unten bewachsene, oben kahle Bergkolosse, die sich wie riesige Coulissen, das Thal allmählich verengend, hintereinanderschieben. Den Hintergrund bildet über duftigen Vorbergen die Eiswelt der Stubaier und Ridnauner Gletscher mit ihren scharfgeschliffenen Hörnern und blendenden Schneefeldern, ein prachtvoller Gegensatz zu der untenliegenden grünen Thalsohle voll blühender Wiesen und Felder, heller und dunkler Waldpartien, freundlicher Weiler und niedlich zerstreuter Einzelhöfe.

Mitten in dieser Idylle hat sich der wilde Rutzbach in tiefer Schlucht sein Bett ausgegraben und theilt Stubai in zwei ziemlich breite Mittelgebirge, die sich erst weiter innen zum eigentlichen Thalgrunde verflachen. Auf dieser Mittelebene zu beiden Seiten des Bachbettes liegen die Dörfer Schönberg, Mieders, Telfes, Vulpmes und Neustift; dieses blickt noch mit seiner großen Kirche wie ein weißer Punkt aus dem innersten Thalwinkel heraus. Dahinter beginnt die Enge des Bergthales. Doch ist diese innere Hälfte durchaus nicht unbewohnt; zahlreiche Weiler mit seltsam klingenden Namen, Mühlen und Hammerwerke beleben die wilde Bergeinsamkeit bis zur letzten Häusergruppe Ranalt. Von dort erst tritt man über Bergwiesen und saftige Almen in die Region des ewigen Eises mit allen ihren Schrecken und Schönheiten.

Unser Weg führt heute blos bis Vulpmes, dem Hauptorte

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Schmiede in Vulpmes.
Nach der Natur aufgenommen von R. Püttner.

des Thales, berühmt durch seine Eisengeschmeidefabrikation. Da es etwas vertieft an das Bett des wilden Schlickbaches hingebaut ist, der seine Hammerwerke treiben muß, so kann man es von unserm Standpunkte beim Zollhäuschen, von dem wir gerade den Ueberblick des Thales genossen haben, nicht erschauen. Nur der rothe Kuppelthurm guckt vorwitzig über den vorliegenden Hügelrand. Vulpmes ist der Mittelpunkt des geselligen und gewerbthätigen Lebens in Stubai, und es verlohnt sich schon der Mühe, ihm einen Besuch abzustatten; zugleich giebt uns der Weg dahin Gelegenheit, Land und Leute etwas mehr anzuschauen. Wir steigen also noch die hundert Schritte bis zum Plateau des Schönberges; von dort gelangt man dann auf bequemer Straße in das Thal.

Auf der Höhe steht außerordentlich schön gelegen das alte Wirthshaus „Zum Domanig“ mit prachtvoller Aussicht in’s Wipp- und Innthal. Es hat einst bessere Tage gesehen, als noch der Verkehr diese Route einhielt und Tausende von Postchaisen und schweren Frachtwagen, die dem Brenner zufuhren, hier Halt machten, dem guten Tropfen des bewährten Gasthauses zu Ehren, und wir nehmen es auch dem wackeren Herrn Wirth nicht übel, wenn er etwas scheelsüchtig auf die Eisenbahn hinabschaut, die sich tief unten an der jenseitigen Berglehne des Sillthales hinwendet und ihn täglich drei- bis viermal an die gute alte Zeit mahnt. Auch von trüben Tagen weiß der gesprächige Wirth zu erzählen, als hier der Sandwirth Quartier hielt, und er erinnert sich noch ganz gut, wie dieser Bauernführer im „Herrenstübele“ mit seinen

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Dorf Vulpmes im Stubaithale. Nach der Natur aufgenommen von R. Püttner.

[30] Leuten zu Mittag speiste und ihm zurief. „Geh’ herein, Büebel, und iß a an Knödel, daß d’ stark wirst!“

Das war am 11. April 1809, ehe es zum Sturm auf Innsbruck ging, das die Baiern besetzt hielten. Da waren die Stubaier auch nicht die Letzten, sondern stellten ihr Kontingent, dreihundertundfünfzig verwegene Schützen; die der alte Pfurtscheller Michele von Vulpmes anführte. Stubaier Waghälse waren es auch, die – ihrer Sechs – Tags darauf vom Berg Isel herab in’s Dorf Wilten drangen und die bairischen Dragoner angriffen; sie büßten ihre Tollkühnheit mit dem Leben. Doch weg von diesem traurigen Bilde, wo Tirol auf seine deutschen Brüder feuerte, eine Zeit, von der unser Hermann von Gilm singt:

„Mit dem Eisen eurer Pflüge,
Wo der Grund am tiefsten ist,
Grabt sie ein die alte Lüge
Von dem deutschen Bruderzwist.“

Wir drücken also dem wackern Wirth die Hand und wenden uns thaleinwärts gegen das nächste Dorf Mieders. Kühl und prickelnd weht uns die herrliche Gletscherluft entgegen, Nerven und Lunge stärkend, aber nicht so günstig der Vegetation, die unter diesem scharfen Anhauch leidet; daher kommt auch nur an sonnigen gesicherten Stellen des äußeren Thalgrundes Weizen und sparsamer Mais zur Reife und der übrige Getreidebau besteht in Roggen, Gerste, Hafer und Erdäpfeln, ohne den Bedarf der Thalbewohner zu decken. Bei Gasteig hört er ganz auf und macht den Heimwiesen Platz. Desto reicher und ausgedehnter sind die Alpen Stubais, die Elemente einer blühenden Viehzucht. Die Zahl der jährlich veräußerten Rinder steigt auf zweihundert; nicht minder steht die Zucht der Schweine und Schafe in Blüthe, die durch ihre Ausfuhr dem Thale manchen Gulden eintragen, wozu noch der „Grasvergelt“ kommt, den fremdes Vieh den Weidenbesitzern abwirft. Daher trübt kein grelles Bild der Armuth den ländlichen Frieden dieses reizenden Thales, das besonders in Mieders, in das wir jetzt treten, den Eindruck des Wohlstandes und der ländlichen Behäbigkeit macht. Die Häuser sind größentheils aus Stein gebaut, die Gassen sauber und freundlich. Es ist einer der beliebtesten Sommerfrischorte, zu dem es die reine Luft, das frische Quellwasser und die entzückende Lage wie geschaffen haben. Dahinter erhebt sich die gewaltige Dolomitpyramide des Sonnensteins. Gegenüber, jenseits des Rutzbaches, leitet von Kreith aus ein lachendes Gelände den Berg entlang zum höchst malerisch gelegenen Pfarrdorfe Telfes. Es liegt hoch oben am Sonnenhange des Thales mitten in schönen Aeckern und Wiesen, höher hinauf ziehen sich grüne von Lärchstämmen unterbrochene Bergmähder.

Eine grauenvolle Schlucht, durch die der Rutzbach sein wildes Wasser zwängt, trennt die beiden Ufer. Durch die wüste Tiefe gelangt man auf rauhem Weg hinüber zum genannten Orte, wenn nicht etwa die Fluthen, wie es öfter bei Regengüssen oder Hochgewittern geschieht, die Holzbrücke fortgerissen haben. Denn die entfesselten Elemente hausen hier furchtbar, wie zahlreiche Spuren der Zerstörung beweisen. Den Boden bedeckt hergeschwemmtes Gerölle, dazwischen liegen mächtige Felsblöcke, die die Gewalt des Wassers mit sich geführt, riesige Fichtenstämme, wie Halme geknickt, und Ruinen von Häusern, die einst hier gestanden, vollenden das schaurige Bild, das durch das Dunkel der es umgebenden Fichtenwaldungen nur noch mehr hervorgehoben wird.

Etwa eine Viertelstunde nach Mieders kommen wir durch das liebliche Mühlthal. Am rauschenden Waldraster Bache stehen einige Mühlen und Sägen, zwischen Obstbäumen und Gebüsch gar anmuthig gruppirt. Von hier aus geht es durch einen wunderschönen Lärchenwald. Allmählich steigt das Flußbett an und wird mit den beiden Mittelebenen zu einer ziemlich breiten Thalsohle vereinigt. Hart neben uns schäumt in breitem Bette die Rutz. Jetzt nahen wir uns der Holzbrücke, die uns auf das linke Ufer führt, an dem die ersten Vorposten von Vulpmes sichtbar werden. Schon von weitem kündet sich der Fabrikort durch die rauchenden Schlote und durch das dumpfe Gepolter der Hammerwerke an. Je näher wir kommen, desto geschäftiger wird das Treiben und der Lärm; das Wasser braust, die Räder knarren; aus siebenundsechszig Gewerken tönt der Hammer, der zweihundert rüstige Gesellen in Athem hält. Freilich gegen die Regsamkeit einer bevölkerten Fabrikstadt verschwindet das Getreibe dieser arbeitenden Schmiede, aber in unserem abgeschiedenen Thale ist dieser Anblick ungewohnt und contrastirt mit dem Frieden der Umgebung.

Vulpmes liegt eng am Bette des wildfluthenden Schlickbaches, der quer von den Kalkwänden des hohen Burgstall herabstürmt und die Gewerke dieses Ortes belebt. Die Häuser sind fast durchgängig von Stein und zeichnen sich durch viele Gewölbe und alterthümliche Bauart aus, besonders ist dies in der „Herrengasse“ der Fall, welche deutlich die Spuren einstiger Bergwerksgebäude verräth. Gewiß ist, daß vor Jahrhunderten die Eisengruben des Schlickthales in Betrieb waren, bis der Sage nach ein Elementarereigniß den Eisenbau plötzlich beendete. Diesem Umstande verdankt die Eisenindustrie von Vulpmes ihre Entstehung, die sich bis in’s sechszehnte Jahrhundert zurückführen läßt. Die Haupterzeugnisse sind Kunstpfannen, Stemmeisen, Bügeleisen, Hacken, kurz, alle Arten von Küchen- und Ackerbaugeräthschaften; besonders die Messer, Wein- und Raupenscheeren und Fußeisen erfreuen sich noch jetzt eines weit verbreiteten Rufes. Nur optische und musikalische Instrumente sind ausgeschlossen. Anfänglich bestimmt, die Bedürfnisse des Thales zu decken, überschritt bald der Handel mit Eisenwaaren die Grenzen Stubais und Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts wurden die Fabrikate schon durch kräftige Burschen auf Kraxen außerthals von Ort zu Ort getragen. Man zog nach Oesterreich, Ungarn, Böhmen, Polen, Baiern, Baden, Würtemberg, in die Lombardei, ja bis in die Levante. Dazu gehörten allerdings die eisenfesten Schultern eines Stubaier Bauern, um solche Lasten Land aus, Land ein zu schleppen. Die Volkssage spricht von drei baumstarken Brüdern Tanzer aus Neustift, von denen einer – der Georg – einmal mit acht Centnern Eisenwaaren auf dem Rücken beim Mauthhause von Schaffhausen angekommen sein soll. Bald sah man jedoch ein, daß der Waarentransport zu Wagen sich besser rentire als das Hausiren, und in den letzten zwei Decennien des siebenzehnten Jahrhunderts waren schon sechszehnhundertachtzig Fuhren jährlich in Bewegung.

Da sich der Handel durch wohlberechnete Speculation immer mehr erweiterte und in Folge der gesteigerten Anforderungen die Capitalien des Einzelnen nicht mehr hinreichten, so entstanden Handlungscompagnien und wurden Niederlagen im In- und Auslande etablirt, die von den Mitgliedern der Gesellschaft von Zeit zu Zeit besucht wurden. Diese trugen dann einen langen Rock von feinem blauen Tuche, Beinkleider aus feinem Manchester mit grünen Hosenträgern, schwarzseidene Halstücher und grüne Hüte. Kamen sie wieder in ihr Thal, so ward die Kleidung gleich wieder mit der schönen einheimischen Tracht vertauscht: violette Joppe, hochrothe Weste mit goldübersponnenen Knöpfen und Zwickeln, schwarze Lederhosen mit grünen Tragbändern, auf dem Kopfe der gelbe mit grüner Seide ausgeschlagene breitschattige Hut.

Den größten Aufschwung nahm Fabrikation und Geschäft der Stubaier, als das Jahr 1804 den Commissionshandel in’s Leben rief, und an die Stelle der Reisen die Correspondenz trat. Doch ging der Hausirhandel lebhaft nebenher. Der alljährlich consumirte Rohstoff von Eisen, Blech und Draht stieg gegen viertausend Centner, den neunundzwanzig Groß- und Hammermeister und gegen sechszig Kleinmeister mit ihren Gesellen verarbeiteten. Man bezieht den Bedarf fast nur aus Kärnthen und Steiermark, kaum ein Neuntel aus Tirol, da das Eisen aus letzterem einestheils zu grob, anderseits zu theuer ist. Messing, Kupfer und Tomback liefert Achenrain bei Rattenberg, die Kohlen Stubai selbst, Ebenholz, Elfenbein, Schildkrot, Perlmutter, Silber, Schmirgel etc. kommt von allen Seiten. Man kann die Gesammtauslage für das Rohmaterial auf fünfundsechszigtausend, den Gewinn zur Zeit der Blüthe auf hundertfünfzehntausend Gulden anschlagen, der immerhin ein erfreulicher und nennenswerther ist, wenn man bedenkt, daß dies Alles blos Handarbeit ist, und nicht gerade die Verhältnisse eines Krupp zum Maßstab machen will. Der Gewinn wanderte größtentheils wieder in’s Thal zurück und wurde nach dem Maßstabe des eingelegten Capitals an die Mitglieder der Gesellschaft vertheilt, die ihn meist zum Ankauf eines Grundstücks verwendeten, wo sie an der Seite eines einheimischen Weibes behaglich ihre alten Tage zubrachten. Im Verlaufe der Zeit ist allerdings Manches anders geworden; das Wandern hat fast ganz aufgehört und die meisten Händler haben sich, gleichgültiger gegen die Heimath, mit ihrem Vermögen im Auslande niedergelassen. Gegenwärtig weilen nur noch zwei bedeutende Handelsfamilien in Vulpmes, die geachteten Firmen Pfurtscheller und Hellrigl, wegen ihrer Solidität im In- und Auslande geschätzt. Letzterer, der unternehmende Peter Hellrigl gab in der jüngsten Zeit der Eisenindustrie Stubais einen neuen Schwung durch die Fabrikation [31] dauerhafter, aus einem Stück gepreßter und silberblank verzinnter Küchengeräthe, während diese früher nur durch Hammerwerke erzeugt werden konnten. Diese beiden Firmen repräsentiren den ganzen Eisenwaarenhandel Stubais. Ihre Niederlagen sind zugleich Ablagerungsstätten der übrigen Groß- und Kleinschmiede des Thales, von denen sich acht in Neustift, sieben in Telfes und Plöven, fünf in Mieders befinden.

Man kann sich nicht leicht einen malerischeren Anblick denken, als den einer solchen Kleinschmiede, die für das Landschaftsbild die wünschenswertheste Staffage bildet. Das Innere der Werkstätte ist tief geschwärzt, der Raum ungewöhnlich hoch, das Licht bricht von oben durch geöffnete Läden und glitzert auf dem blanken Ambos un den Hämmern. Ein rußiger Geselle drängt uns plötzlich auf die Seite, ein gewaltiges Stück durchglühten Eisens in der Hand – ein Ruck an einem eingehackten Strick – draußen rauscht das Wasser stärker – und der größte Hammer hebt sich und fällt mit donnernden Schlägen auf das untergeschobene Eisen; man meint, die Felsstücke müssen bersten, in dem die Ambose ruhen – der Boden zittert – und der ganze schwere Holzbau kracht in seinen Fugen; ruhig aber, seine Pfeife im Munde und von den Funken umsprüht, steht der markige Geselle; unter wohlberechneten Drehungen hat sein Eisen die bestimmte Form erhalten, er hängt den Strick wieder ein, und unbeweglich ruht der Hammer. In gleichmäßiger steter Bewegung bleibt nur das Rad, welches vermittelst einer Welle die Blasbälge hebt und drückt. Im hintersten und dunkelsten Theile der Werkstatt dreht sich langsam und wuchtig ein Schleifstein, so groß wie ein Mühlstein; vor ihm, über und über mit dem Schlamm des Steines beworfen, sitzen zwei Männer auf Schwungbretern, welche bis ziemlich zur Mitte des Steines reichen; das Eisen, welches sie unter dem Bret anlegen und mit allem Kraftaufwand mit diesem zugleich gegen den knirschenden Stein drücken, ist nur roh geschmiedet und trotz des reichlich zufließenden Wassers sprühen Funken umher; es ist eine harte Arbeit, vermittelst welcher die so zum Schneiden bestimmten Artikel, wie Pflugschaar, Sensen, Aexte und Werkzeuge der verschiedensten Handwerke, aus dem Gröbsten zugeschliffen werden. In einem andern, eine Stiege höher befindlichen Raume finden wir eine Reihe kleinerer, feiner, schnurrender Schleifsteine; hier bekommen die Artikel das glänzende Aussehen, und hier werden auch die Schneiden vollendet.

Neben der eigentlichen Werkstatt sind noch kleine abgeänderte Räume, in denen gefeilt und die nöthige Schlosserarbeit geliefert wird; seitwärts führt ein schmaler Gang in ein freundliches Zimmer, wo junge Mädchen und Kinder bei lustigen Liedern die letzte Hand an’s Werk legen; dort entsteht die glitzernde Politur der feinen Artikel, die einzelnen Theile werden durch Schräubchen zusammengesetzt, die fertigen Gegenstände verpackt u. dergl.

Noch einmal gehen wir zurück, um das hübsche anregende Bild der Werkstatt zu überschauen – da klingt ein helles Glöckchen durch das Hämmern und Prasseln hindurch – ein Ruck des Altgesellen an einer herabhängenden Schnur, die Räder draußen stehen still, das Wasser verläuft sich, die Feuer sinken auf dem Heerde zusammen – es ist Mittag.

Die Werkstatt ist verlassen; draußen im Dorfe läutet die Glocke den Mittagssegen – der alte Meister aber mit seinen Gesellen steht, die Hände gefalten, um den einfachen Tisch – die helle Stimme der Schaffnerin des Hauses betet vor und tiefen Tones fallen die Männer in den altherkömmlichen Segen ein ....

Der Hauptheerd der Fabrikation bleibt immer Vulpmes, dem die ergiebige Wasserkraft des Schlickbaches zur Verfügung steht. Leider hat dieser Brodvater oft schlimme Launen und bedroht bei heftigen Gewittern nur zu oft die gewerbthätigen Stätten mit arger Verwüstung. So riß er im Jahre 1807 einundzwanzig Wohnhäuser und Schmieden weg, und die Schreckensnächte des letzten Herbstes sind noch in frischem Gedächtnisse. Ueberhaupt ist Stubai gefährlichen Hochgewittern mit Wolkenbrüchen sehr ausgesetzt. Gegen die vernichtende Wuth des entfesselten Elementes hilft kein Wehren und Dämmen. Schauerlich wimmert dann die Sturmglocke von Ort zu Ort; wie losgerissene Ungethüme fluthen die hochgeschwellten Wasser mit donnerähnlichem Gebrause einher, Häuser, Ställe, Brücken mit sich fortreißend, während pechschwarze Nacht über dem Thale liegt. Und solche Unglücksfälle ereignen sich mehr oder minder fast jedes Jahr und sind besonders den tiefer drinnen liegenden Ansiedelungen verderblich, denen sie das gute Erdreich von Wiese und Acker wegschwemmen, so daß die Getroffenen dasselbe handvollweise sammeln und in Körben auf die verödete Stelle tragen müssen. Trotz dieser und anderer Drangsale, wie sie fast jedes tirolische Thal mit sich bringt, sind die Stubaier ein fröhliches, aufgewecktes Völkchen, das auf Zucht und Sitte hält, aber nach gethaner Arbeit gerne lebt, singt und einen lustigen Kirchtag feiert. Wer ein gesundes Volksleben sehen will, der komme nach Vulpmes, am besten an einem Feiertage, wenn die brausenden Räder und die polternden Hammerwerke schweigen und ein sonntäglicher Frieden über dem Dorfe ruht. Da sieht man sie dann stehen, die Ehrenmänner mit den schwieligen Händen, ihre kurzen Holzpfeifen im Munde, in Gruppen vergnügt plaudernd oder vorübereilende Dirnen neckend. Wer möchte in diesen schmucken Burschen mit den blutrothen Nelken und der Trutzfeder am Hute die rußigen Gesellen erkennen, die noch gestern an der prasselnden Esse die wuchtigen Hämmer schwangen! Aus dem Wirthshaus aber tönt heller Jubel, Tanz und Gesang:

„Lustig wir Schmiedler,
Müssen uns plagen,
Müssen die Guldenzettel
Aus dem Eisen außerschlagen.“

Der gellende Juchzer darauf beweist, daß die harte Arbeit den guten Humor nicht verdorben hat. –