Die Frage der „Selbstentzündung“ (1)

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Autor: C. Falkenhorst
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Titel: Die Frage der „Selbstentzündung“
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aus: Die Gartenlaube, Heft 36, S. 603–606
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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[603]

Die Frage der „Selbstentzündung“.

Von C. Falkenhorst.
I.
Allgemeines. – Selbstentzündung der Baumwolle? Fette und Oele. – Selbstentzündung der Kohle. – Verschiedene andere Selbstentzündungen.

Innerhalb des kurzen Zeitraumes von drei Jahren, von 1889 bis 1892, sind in Berlin 54 Schadenbrände vorgekommen, deren Ursache nach amtlicher Ermittelung auf Selbstentzündung zurückgeführt werden mußte. Alljährlich liest man in Tageszeitungen Berichte, daß Schiffe infolge Selbstentzündung von Kohlen, Baumwolle oder anderen Stoffen entweder gänzlich verbrannten oder brennend einen Nothafen anliefen. Diese Beispiele lassen erkennen, wie bedeutungsvoll die Selbstentzündung als Brandursache in unser wirtschaftliches Leben eingreift; denn auf Millionen beziffern sich der Wert der Güter, die alljährlich durch sie zerstört werden, und groß ist auch die Zahl der Menschenleben, die bei solchen Unglücksfällen verloren gehen. Wie eindringlich auch diese Zahlen reden, sie werden doch nur von wenigen gehört und verstanden. Das Wesen der Selbstentzündung, die Gefahren, welche dieser eigenartige Vorgang über Haus und Hof, Fabrik und Schiff verhängt, sind leider nur den engeren Fachkreisen bekannt, während jeder Hausvorstand sie kennen sollte, da die Erfahrung gelehrt hat, daß die auf Selbstentzündung beruhenden Brände nicht immer nur große Fabriken, Speicher und Schiffe, sondern auch kleine Werkstätten, landwirtschaftliche Betriebe und selbst einfache Haushaltungen betroffen haben. Der größte Teil dieser Brände hätte gewiß verhütet werden können, wenn die Gefährlichkeit der zur Selbstentzündung neigenden Stoffe allgemein bekannt wäre.

In dieser Richtung belehrend und aufklärend zu wirken, ist der Zweck der folgenden Zeilen. Dabei werden wir auch auf die Frage nach der Möglichkeit einer Selbstentzündung des menschlichen Körpers zu sprechen kommen, eine Frage, die bis in die neueste Zeit herein viel Staub aufgewirbelt hat.

Die Chemie lehrt uns, daß es eine große Anzahl von Körpern giebt, die sich zu entzünden und in Feuer und Flamme aufzugehen pflegen, ohne daß man sie vorher erhitzt oder mit einem Funken in Berührung gebracht hat. Ein solcher Körper ist z. B. der Phosphorwasserstoff, der sich sofort entzündet, sobald er an die Luft tritt; man nimmt an, daß er es sei, der in sumpfigen Gegenden die Irrlichter hervorruft. Aehnlich wie der Phosphorwasserstoff verhalten sich Siliciumwasserstoff, Zinkäthyl und Zinkmethyl. Wir wollen hier jedoch auf solche seltene Körper, die man erst künstlich darstellen muß, nicht näher eingehen und uns lediglich auf diejenigen Stoffe beschränken, die wir tagtäglich brauchen.

Bei diesen kann die Selbstentzündung entweder infolge von chemischen oder infolge von physikalischen Einflüssen erfolgen.

Wie durch chemische Prozesse Wärme entwickelt wird, das können wir beim Löschen des gebrannten Kalkes beobachten. Dieser ist eine Verbindung von Calcium und Sauerstoff und wird darum von den Chemikern Calciumoxyd genannt; wird er nun mit Wasser in Berührung gebracht, so verbindet er sich mit diesem chemisch zu einem neuen Körper und es wird dabei so viel Wärme frei, daß das dem Aetzkalke zugesetzte Wasser ins Kochen gerät.

Es ist überaus leicht, mit Hilfe von Aetzkalk und Wasser brennbare Körper zu entzünden. Taucht man ein Stück Aetzkalk ins Wasser, nimmt es gleich wieder heraus und umgiebt es mit Holzspänen, so sieht man bald darauf, daß die Späne in Brand geraten. Gießt man 3 Teile Leinöl und 1 Teil Petroleum unter frisch gebrannten Kalk, rührt die Masse um und gießt dann Wasser hinzu, so werden alsbald aus der Mischung Flammen hervorbrechen. Was wir als Versuch mit Absicht ausführen, das bringt mitunter im Leben der Zufall zustande, und so sind seltsame Fälle bekannt, in welchen durch Zufluß von Wasser Schadenbrände verursacht wurden. In der Stadt Celle stand unfern des Bahnhofs eine Scheune, in der zu ebener Erde Tonnen mit gebranntem Kalk lagerten, daneben und darüber aber auf der sogenannten Hille Vorräte von Heu und Stroh. Als nun bei einem Gewitter ein Platzregen niederging, wurde die Scheune überschwemmt; der Kalk begann sich in den Fässern zu löschen, sprengte die Reifen; infolge der entstehenden Hitze entzündete sich das Heu und die Scheune brannte ab. Im Jahre 1874 entzündete sich im Keller eines Geschäftes in New York ein Faß mit ungelöschtem Kalk, da das steigende Grundwasser in dasselbe eindrang. In Königsberg ließ man einen Wagen mit ungelöschtem Kalk unbedeckt im Hofe stehen, über Nacht kam ein Regenschauer und wurde zum Brandstifter – denn er durchnäßte den Kalk und setzte dadurch den Wagen in Brand.

Als ein Beispiel, wie durch physikalische Einflüsse Selbstentzündung zustande kommen kann, möge hier gleich das Verhalten der Holzkohle genannt werden. Wird diese unmittelbar nach dem Ausglühen der Einwirkung der Luft ausgesetzt, so saugt sie in ihren Poren gierig Sauerstoff auf, verdichtet ihn und erhitzt sich derart, daß sie sich zuletzt entzündet. Diese Eigenschaft frisch geglühter oder gerösteter Körper ist nicht nur Fabriken gefährlich; schon im Jahre 1782 wies der Apotheker Rüde in Bautzen auf die Gefährlichkeit solcher Stoffe im Haushalte hin. Damals war im Dorfe Nauslitz im Viehstall Feuer ausgebrochen, und zwar bei Behandlung des kranken Viehs mit gerösteter Roggenkleie. Der Apotheker stellte Versuche an und bewies, daß solche Kleie sich selbst, ähnlich wie frischgeglühte Kohle, entzünden kann.

Nicht immer aber ist die Erklärung der Selbstentzündung so leicht wie in den genannten Fällen; oft bedarf es des Zusammentreffens verschiedener Umstände, bis ein anscheinend harmloser Stoff feuergefährlich wird und von selbst in Flammen aufgeht.

*  *  *

Sehr viel ist in den Zeitungen von der Selbstentzündung der Baumwolle die Rede. Allein genauere Untersuchungen haben gelehrt, daß in allen Fällen, wo man Selbstentzündung der rohen Baumwolle annahm, der Brand vielmehr durch eine direkte Ursache, einen Funken, ein Zündhölzchen oder dergl. hervorgerufen war und nur infolge des eigentümlichen Verhaltens der rohen Baumwolle gegen das glimmende Feuer nicht rechtzeitig entdeckt werden konnte. Die Baumwolle kann sich von selbst weder im trocknen, noch im durchnäßten Zustande entzünden, wohl aber wird sie selbst entzündlich, sobald sie mit einer Flüssigkeit durchtränkt wird, die Sauerstoff aufnimmt und dadurch Wärme erzeugt. Zu solchen Körpern gehören nun tierische und pflanzliche Oele. Setzen wir Leinöl in einer Schale der Einwirkung der Luft aus, so wird es sich mit dem Sauerstoff der Luft verbinden, aber die dabei erzeugte Wärme wird nicht merklich groß sein, da die Fläche, an welcher sich Luft und Oel berühren, verhältnismäßig klein ist. Gießen wir dieselbe Menge Oel auf einen Haufen Baumwolle, dann wird diese Berührungsfläche ungemein vergrößert, das Oel zerteilt sich auf die zahllosen Fasern und bietet so dem Sauerstoff der Luft zahllose Angriffspunkte. Unter diesen Umständen kann die infolge der Oxydation frei werdende Wärme so stark werden, daß das Oel und mit ihm die Baumwolle sich entzünden. In derselben Weise entzünden sich auch alle anderen mit tierischen oder pflanzlichen Oelen und Fetten getränkten Faserstoffe, wie Flachs, Wolle, Jute etc. Schon Joh. Fr. Krügelstein, der Altmeister unter den Autoren über Feuerlöschwesen, machte in seinem vor etwa hundert Jahren erschienenen „System der Feuerpolizei-Wissenschaft“ auf derartige Selbstentzündungen aufmerksam. „Am 18. Juni 1751,“ schrieb er, „färbte man zu Rochefort einiges Segeltuch mit roter Oelfarbe. Bei der großen Sonnenhitze trocknete es bald. Am 20. abends gegen 4 Uhr packte man es schnell zusammen, weil man einen Platzregen fürchtete. Dieses Tuch, welches 80 Fuß lang war, wurde, als man es wegräumte, mit der angestrichenen Seite aufeinander gelegt und fest zusammengeschnürt, um es im Schiffsmagazin aufzuheben. Den 22. um 4 Uhr wollte sich ein Segelmacher auf diesen Packen niederlegen, fand ihn aber so heiß, daß er es für nötig fand, ihn aus dem Magazin zu tragen und öffnen zu lassen. Und wirklich stieg ein dicker Rauch aus seiner Mitte hervor, wo das Feuer allein gezündet hatte. An den mit Stricken am meisten zusammengezogenen Stellen war das Tuch sogar in Asche verwandelt.“ So der alte Krügelstein, und nach mehr als hundert Jahren wurde in Dinglers Polytechnischem Journal die Mitteilung gemacht, daß in einer Fabrik des sächsischen Erzgebirges nnit Leinöl getränkter Stramin an der Sonne getrocknet und in die Niederlage gebracht wurde, wo sich das Gewebe von selbst entzündete. Man stellte infolgedessen Versuche mit kleineren Proben [604] desselben Stoffes an und erkannte die Selbstentzündlichkeit der frisch gefirnißten Gewebe.

Besonders gefährlich sind namentlich mit Oel und Fett getränkte Lappen. Wo nicht die nötige Vorsicht geübt wird, da können durch ein paar vergessene Putzlappen die schlimmsten Schadenbrände verursacht werden. So brach in Chicago in einem großen Gebäude, in welchem eine Stiefelfabrik betrieben wurde, auf rätselhafte Weise Feuer aus. Der „Chicago Fire Board“ nahm die Untersuchung selbst in die Hand und erkannte auf Selbstentzündung. In dem 4. Stocke befand sich nämlich eine Werkstätte, in welcher die fertigen Stiefel geölt und dann geschwärzt wurden. Das Oel wurde zwar mit Bürsten aufgetragen, doch verwandten die Arbeiter zur Reinigung der Werkzeuge und ihrer Hände Lappen und Stücke weichen Makulaturpapiers, welche sie dann auf den Boden warfen. Am Abend, nachdem die Arbeiter die Fabrik verlassen, wurden die Lappen und Papierstücke von dem reinigenden Mädchen regelmäßig zusammengefegt, mitsamt dem Kehricht und den Lederabfällen in einen hölzernen Kasten geworfen und dieser mittels eines Elevators in den untersten Arbeitsraum hinabgelassen, woselbst das Gemisch unter den Dampfkessel geworfen wurde, um am nächsten Tage verbrannt zu werden. Zwei Tage vor dem Brande aber, an einem Sonnabend, war der Elevator nicht mehr in Thätigkeit und der Kasten blieb mit seiner Füllung im vierten Stockwerk stehen. In der Nacht vom Sonntag auf den Montag entstand das Feuer.

In verschiedenen Städten erließen Polizeibehörden besondere Vorschriften für die Behandlung fettiger Lumpen und Lappen, Putzwolle und mit Oel getränkter Faserstoffe in gewerblichen Betrieben, in Fabriken, bei Lumpen- und Produktenhändlern, trotzdem thut noch Belehrung in dieser Beziehung dringend not. In Berlin allein verursachten in den Jahren 1889 bis 1892 Putzlappen und Putzwolle zweimal einen Brandschaden in Buchdruckereien und dreimal in den Kessel- und Maschinenräumen von Fabriken.

Wird nun Baumwolle in Ballen zufällig mit tierischen oder pflanzlichen Oelen oder Fetten verunreinigt, so wird sie selbstentzündlich. Und in der That sind Baumwollbrände besonders häufig auf Schiffen beobachtet worden, die neben Baumwolle noch mit Oel, Oelkuchen und dergl. befrachtet waren.

Man glaube aber ja nicht, daß fettige Faserstoffe nur in Großbetrieben oder auf Schiffen gefährlich werden können. Döhring berichtet in seinem „Handbuch des Feuerlösch- und Rettungswesens“: Eine mit Oel getränkte alte Pferdedecke wurde in einem Pferdestall über ein Tau gehängt. Am nächsten Morgen schlägt dem Kutscher beim Oeffnen der Stallthür eine helle Flamme entgegen, die Decke hatte sich selbst entzündet, das Tau durchgebrannt und war dann auf den Dielenboden gefallen, der sich in einem bedeutenden Umfange als durchgebrannt erwies. Als Kuriosum sei noch erwähnt, daß sich nach einer Mitteilung der „Deutschen Versicherungs-Zeitung“ in Manchester eine Sofapolsterung von selbst entzündete, die mit Wollabfällen verfälscht worden war. In seinem Werke „Zum Victoria Njansa“ berichtet W. Werther, daß im Lager von Unjangwira in Ugogo sich ein Zelt infolge der Sonnenhitze entzündet habe. Der Fall ist gar nicht unglaublich, ja natürlich, wenn wir nur annehmen, daß die Zeltdecke mit Oel oder Fett beschmutzt war.

Auch fettige Sägespäne neigen zur Selbstentzündung; das hatte bereits vor Jahren der berühmte Chemiker Dr. Graham festgestellt; in einer Reihe von Versuchen, die er zur Aufklärung der Ursachen des Brandes der „Amazone“ anstellte, fand er, daß Sägespäne, die mit ranziger Butter durchfettet waren, sich in 24 Stunden von selbst entzündeten, wenn man sie nach dem Fetten scharf zusammengepreßt hatte. Kein Wunder also, daß in einer Fabrik Sägespäne, die durch Ritzen der Dielen gefallen waren und sich zwischen den Balken anhäuften, sich selbst entzündeten, als sie dort verschüttetes Oel aufsaugten.

Mineralische Oele wie Petroleum neigen dagegen, auch mit Faserstoffen gemengt, zur Selbstentzündung nicht, da sie eben aus der Luft keinen Sauerstoff aufnehmen. Von den Fasern ist die Baumwolle am meisten, Seide und Flachs am wenigsten gefährlich. Von den Oelen stehen Seehundsthran und Leinöl in besonders schlimmem Rufe. Die Selbstentzündung gefetteter Faserstoffe wird natürlich durch die Temperatur der Umgebung beeinflußt, je höher dieselbe ist, desto leichter tritt die Selbstentzündung ein.

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Wir kommen zur Selbstentzündung der Kohle. An die Kohle ist die glorreiche Kultur, der technische Fortschritt unseres Jahrhunderts gebunden; die Kohle treibt die zahllosen Dampfmaschinen zu Lande und zu Wasser. Aber nur unter hartem Ringen können wir dem Schoß der Erde die schwarzen Diamanten entreißen und müssen sie so oft leider mit schweren Opfern an Menschenleben bezahlen! In den Gruben bedrohen den Bergmann die furchtbaren schlagenden Wetter, und wenn die Kohle gefördert und verfrachtet ist, um in ferne Länder verbracht zu werden, dann sind ihre schlimmen Eigenschaften noch lange nicht gebändigt. Schiffsleute, die dem Kohlenhandel dienen, wissen davon zu erzählen. Ihre Schiffe werden durch die schwarze Ladung zu schwimmenden Bergwerken; dann bedrohen Explosionen der Grubengase, die der Kohle entsteigen, den Seemann auf dem unendlichen Meere und unter seinen Füßen lauert in der Kohlenmasse die schlimme Feuersgefahr; denn stets muß er darauf gefaßt sein, daß seine Kohlenladung sich von selbst entzünden kann.

Da segelt im Jahre 1891 das Bremer Vollschiff „Klara“ mit etwa 2300 Tons North-Wales-Dampfkohlen von Birkenhcad nach San Francisko. Auf dieser Fahrt muß es die Gegenden von Kap Horn passieren, die bei den Seeleuten berüchtigt sind, da in ihnen viele Kohlenschiffe zu Grunde gehen oder verschollen bleiben. Rio de Janeiro wird passiert, als am 13. November das britische Schiff „Duntrune“ in Sicht kommt. Es ist auch ein Kohlenschiff; es hat aber bereits Feuer in der Ladung und hält sich in der Nähe der „Klara“. 500 Tons Kohle werden von dem Engländer über Bord geworfen; der Kapitän glaubt, das Feuer gelöscht zu haben, und die Schiffe setzen getrennt ihre Reise fort. Auf der „Klara“ wird man inzwischen besorgt; in der Kohlenladung sind eiserne Röhren angebracht, die senkrecht in die Tiefe gehen; man versenkt in dieselben Thermometer und macht die trübe Wahrnehmung, daß die Kohlen sich erwärmen, ihre Temperatur beträgt, bereits 44,5° C. Es wird darum alles mögliche aufgeboten, um möglichst gute Ventilation im Laderaum herzustellen. Das Kap Horn wird umsegelt und die „Klara“ muß stark gegen westliche Winde kämpfen, aber es gelingt doch, die Temperatur der Kohlen auf 40,5° C. herabzudrücken, und als das Schiff den Großen Ocean erreicht, fällt die Temperatnr der Kohlen sogar auf 37° C. Die Gefahr ist aber doch noch nicht abgewendet und nun erst sollen sich die Folgen des schweren Arbeitens des Schiffes bei Kap Horn zeigen. Am 4. Januar 1892 bemerkt die Mannschaft Brandgeruch und aus den drei Luken beginnt ein leichter Rauch aufzusteigen, während zugleich ein starker Gasgeruch sich wahrnehmen läßt. Feuer im Schiff! Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß die Ladung in Brand geraten ist, und nun wird der schwierige Kampf gegen das furchtbare Element eröffnet. Aus der großen Luke wird die Ladung über Bord geworfen und die Mannschaft arbeitet die Nacht durch, um an den Brandherd zu kommen; aber Qualm und Hitze steigen und am andern Morgen müssen die Kohlen mit Wasser begossen werden. Alles menschliche Ringen war indessen vergeblich, ein großer Teil des Unterraumes stand in Feuer und am 6. Januar war es wegen der großen Hitze und des Qualms nicht mehr möglich, im Raum zu arbeiten; so wurde das Schiff beigedreht, sämtliche Luken wurden gedichtet, die Boote klar gemacht und mit Proviant versehen. Der letzte Akt des Dramas sollte sich nun abspielen: in der Nacht schleuderten die Gase die große Luke empor, wobei ein raketenartiges Funkensprühen begann. Gegen Mittag des 7. Januar brachen endlich die hellen Flammen hervor und bald darauf war das Schiff vorn eine Feuersäule; nun wurden die Boote zu Wasser gebracht und die „Klara“ verlassen. Ein schauerlicher Anblick war es, als Fockmast und Marsstangen über Bord gingen; denn mächtige Feuergarben stiegen noch aus dem Schiffe und gewaltige Rauchsäulen bedeckten den Himmel. – Die Mannschaft wurde glücklich gerettet, das eine Boot begegnete einem englischen Viermaster, während das andere nach sechzehn Tagen Fahrt auf Tahiti landete.

Leider laufen die Brände der Kohlenschiffe nicht immer so glimpflich ab, sondern sind häufig mit schweren Verlusten an Menschenleben verknüpft; außerordentlich viele Kohlenschiffe bleiben verschollen, und nur die wenigsten von ihnen dürften vom Sturm zerstört sein, die meisten sind zweifellos als Opfer der Selbstentzündung der Kohlen zu betrachten. Im Kohlenhandel nach Ost-Afrika gingen nach einer amtlichen englischen Zusammenstellung im Laufe von sieben Jahren nicht weniger als 39 Schiffe verloren, von denen 24 verbrannten und 15 vermißt wurden; die Zahl der dabei verloren [605] gegangenen Menschenleben betrug 375. Dr. L. Häpke hat für die Jahre 1889 bis 1892 die Nachrichten über Unglücksfälle auf Kohlenschiffen gesammelt und gefunden, daß in dieser Zeit 7 Kohlenschiffe gänzlich verbrannten, 2 mit brennender Ladung in einen Nothafen einliefen und 8 verschollen blieben. Diese Trauerliste darf aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

Auf welche Ursachen sind nun diese Selbstentzündungen der Kohlen, die man auch auf dem festen Lande in größeren Kohlenlagern, in Gasanstalten, Fabriken u. s. w. beobachtet, zurückzuführen?

Schon Justus v. Liebig wies darauf hin, daß der Gehalt der Kohlen an Schwefel und Eisen die Gefahr der Selbstentzündung besonders erhöhe. Manchmal sind die Kohlen von Schwefel- und Wasserkies derart durchsetzt, daß sie wie Messing glänzen. Diese Kiese zersetzen sich nun an der Luft, indem der Schwefel sich mit dem Sauerstoff verbindet und der Kies in schwefelsaures Eisen umgewandelt wird, wobei Wärme entwickelt wird. Dieser Vorgang wird beschleunigt, wenn die Kohlen feucht geworden sind oder wenn die Kohle zu klein zerfallen ist. In der That lehrt die Erfahrung, daß die meisten Selbstentzündungen auf Kohlenschiffen in der feuchtwarmen Luft der Tropen vorkommen. Anderseits erklärt sich das Häufen der Schiffsbrände in der Gegend vom Kap Horn dadurch, daß die Schiffe gegen widrige Winde kämpfen müssen, wobei die Kohle in der Ladung zerkleinert wird und geringere oder größere Mengen Wasser in den Laderaum dringen.

Die Kiese sind aber nicht die alleinige Ursache der Selbstentzündung; Dr. Otto Volger sucht dieselbe in der porösen Beschaffenheit der Kohle, wodurch die Luft in ihr verdichtet wird und eine Erhitzung zu stande kommt.

In England und Deutschland wurden von seiten der Behörden die eingehendsten Untersuchungen über diese Selbstentzündungen angestellt und verschiedene Vorschriften erlassen, die nur für den Fachmann von Interesse sind; aber man kann leider nicht sagen, daß infolge dieser Bemühungen die Zahl der Schiffsbrände dieser Art abgenommen hätte. Besser ist dagegen der Erfolg in der Bekämpfung der Gasexplosionen auf Kohlenschiffen.

Jede Kohle ist mehr oder weniger mit brennbaren Gasen, namentlich mit dem sogenannten Grubengas, gesättigt. Dieses Gas entweicht durch Risse und Spalten aus der Kohle; mischt es sich mit 8 bis 10 Teilen Luft, so entsteht ein höchst gefährliches Gemenge, das, durch einen Funken oder Licht entzündet, eine furchtbare Explosion verursacht. Beim Verladen und während der Seefahrt wird die Kohle zerkleinert und das Gas kann nun leichter aus den frischen Rissen und Spalten entweichen. Es sammelt sich im Laderaum an und kann auf dem Schiffe ebenso wie in Bergwerken eine Explosion herbeiführen. Diese Explosionen sind bald geringfügig, bald aber so gewaltig, daß das Schiff starke Beschädigungen erleidet und Menschen verwundet oder getötet werden. Das deutsche Reichsamt des Innern hat vor einiger Zeit eine Schrift herausgegeben, in welcher Mittel zur Verhütung der Gasexplosionen angegeben sind. Laut derselben darf das Kohlenlager des Schiffs nur mit einer zuverlässigen Sicherheitslampe betreten werden; eine Ventilation innerhalb der Kohlenmasse muß unterbleiben, weil dadurch die Zersetzung der Kohlen begünstigt wird, wohl aber muß eine kräftige Oberflächenventilation eingeleitet werden, um die zwischen Kohlen und Deck sich sammelnden brennbaren Gase zu entfernen. Auch ist die Thatsache festgestellt worden, daß die Explosionsgefahr bei abnehmendem Luftdruck wächst, darum muß die Beobachtung eines Barometersturzes den Schiffer zur doppelten Vorsicht mahnen.

Die Selbstentzündungen der Kohle, die auf dem Lande vorkommen, sind weniger bedeutungsvoll, da sie Menschenleben nicht bedrohen und ihre Bekämpfung sich leichter gestaltet. Sie ereignen sich nur dort, wo Kohlen, in größeren Mengen aufbewahrt, hoch geschichtet werden und den Einflüssen von Wind und Wetter ausgesetzt sind. Als besonders selbstentzündlich erwiesen sich in Berlin die Preßkohlen oder Briquetts, denn in drei Jahren wurden [606] 45 solcher Selbstentzündungen beobachtet und zwar nicht nur auf den Kohlenlagerplätzen an Bahnhöfen, sondern auch in den Schuppen und Kellern der Kohlenhändler in den verschiedensten Stadtteilen. Ferner wurde auch festgestellt, daß Kohlenzünder, die aus harzigen Massen und Sägespänen bereitet werden, sich von selbst entzünden. Die Fabrikanten der Briquetts und der Kohlenzünder müssen schon in eigenem Interesse auf die Fabrikation dieser Brennmaterialien die größte Sorgfalt verwenden. Das große Publikum sollte jedoch wissen, daß diese Stoffe unter Umständen sich von selbst entzünden können, und sie darum zweckmäßig aufbewahren.

Schließlich sei noch der Kohle in Gestalt von Ruß gedacht. Kienruß und Beinschwarz werden zu vielen Fabrikationszwecken benutzt. Als fein verteilte Kohle saugen sie begierig Gase und namentlich den Sauerstoff auf; sie neigen darum sehr zur Selbstentzündung und werden höchst gefährlich, wenn man sie, mit Oel vermengt, stehen läßt. Im Jahre 1781 fand, um ein geschichtliches Beispiel anzuführen, im Hafen von Kronstadt der Brand der Kriegsfregatte „Marie“ statt. Hier war es die Kaiserin Katharina, welche aus dem Umstande, daß in einer Kajüte mit Oel befeuchteter Kienruß, in Segeltuch eingeschlagen, aufbewahrt worden war, zuerst und richtig auf Selbstentzündung schloß.

*  *  *

Auf chemischem Wege kann der Mensch eine große Anzahl von Stoffen herstellen, die sich von selbst entzünden, sei es, daß sie sich allein überlassen bleiben, sei es, daß sie mit anderen Stoffen gemischt werden. Diese Selbstentzündungen werden namentlich in der Fabrikation von Feuerwerkssätzen gefürchtet. Wir wollen nur ein Beispiel dieser Art anführen. Gemenge von salpetersaurem Strontian oder Baryt, Schwefel und chlorsaurem Kali entzünden sich, wenn sie aus frisch bereiteten und zugleich scharf getrockneten Materialien dargestellt sind, ganz gewiß von selbst innerhalb weniger Stunden, namentlich wenn sie an einem etwas feuchten Orte aufbewahrt werden. Diese Entzündung beginnt mit der Entwicklung eines orangefarbigen Gases; dann zerfließt die Masse an mehreren Stellen; ein zischendes Geräusch wird hörbar, gleichzeitig wird die Entwicklung des Gases stärker und der ganze Satz entzündet sich.

Ein Unglücksfall, der sich jüngst ereignet hat, zeigt, daß auch beim Verschreiben von Recepten mitunter Vorsicht wegen der Selbstentzündung und Explosion nötig ist. Ein Arzt verschrieb ein Pulver, in dem sich auch chlorsaures Kali und Saccharin befinden sollte; der Apotheker rieb die Stoffe, dabei entzündete sich das Pulver und verbrannte dem Apotheker die Hände.

Doch wir wollen noch einige Selbstentzündungen von allgemeinerem Interesse besprechen. Unsere Leserinnen wird gewiß die Selbstentzündlichkeit der Seide befremden. Aber sie besteht in der That. Der Fabrikant kann Seidenstoffe derart zurichten, daß sie zur Selbstentzündung stark neigen. Um Seide schwerer zu machen, pflegt man sie mit Rostbeize zu behandeln, und die Kunst ist so weit gediehen, daß in einem Stück Seidenstoff, das vier Pfund wiegt, nur ein Pfund Seidenfaser, wohl aber drei Pfund Rostbeize vorhanden sind. Diese Beize besteht aus Katechu, Galläpfeln und schwefelsaurem Eisen und neigt, auf Faserstoffe gebracht, zur Selbstentzündung. Eine solche Seide hat schon wiederholt Feuersbrünste in Seidenmagazinen verursacht. Vor längeren Jahren entzündeten sich mehrere Ballen solcher französischer Seide auf dem deutschen Schiffe „Mosel“ und ungefähr zu derselben Zeit ging in einem New Yorker Packhause ein Posten Seidenfabrikat in Feuer auf. Die Untersuchung ergab, daß die beiden feuergefährlichen Seidenposten aus einer und derselben Fabrik stammten. Einmal hat sich auch ein Posten Seidenwaren beim Transport auf der Eisenbahn entzündet; die Untersuchung zeigte diesmal, daß die Ware mit pikrinsaurem Blei gefärbt war. Dieser Körper explodiert leicht; entzündete man die mit prikrinsaurem Blei gefärbte Seide, so brannte sie manchmal mit heller Flamme; durch Reiben an Steinen gelang es oftmals, diese Seide zu entzünden, worauf sie von selbst nicht erlosch, sondern weiter unter Knistern verglomm. Die Fülle von neuen Körpern, mit welchen wir von der Chemie überschüttet werden, gereicht nicht immer zum Vorteil, mancher Stoff muß nach trüben Erfahrungen als giftig oder feuergefährlich verpönt werden.

Die Fülle der neuen chemischen Körper bereitet auch dem Sachverständigen vor Gericht mitunter schwere Sorgen. Da wird z. B. ein Kranker mit irgend einem stärkenden Spiritus eingerieben und der Unglückliche geht dabei in Flammen auf und stirbt an Verbrennung. In der darauf folgenden Gerichtsverhandlung kann nicht festgestellt werden, daß jemand mit brennendem Lichte oder Zündholz in die Nähe des Kranken gekommen ist; nun entsteht die Frage, ob eine Selbstentzündung vorliegt. Es ist uns nicht bekannt, daß reiner Spiritus sich jemals von selbst entzündet hätte, aber es ist schwierig, mit Bestimmtheit zu erklären, wie sich eine mit verschiedenen Stoffen versetzte Spiritusmenge beim Verreiben verhalten kann. In Anbetracht solcher schwierigen Fragen ist es oft lehrreich, von der Höhe unserer Zeit in die Tiefen der Vergangenheit zurückzublicken. Und so möchten wir nunmehr im Verlauf dieser gedrängten Mitteilungen den Lesern über ein zwar veraltetes, aber doch in geschichtlich-wissenschaftlicher Hinsicht höchst lehrreiches Kapitel, das der Selbstverbrennung des menschlichen Körpers berichten.