Die Gartenlaube (1885)/Heft 3

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1885
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[37]

No. 3.   1885.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Die Frau mit den Karfunkelsteinen.

Roman von E. Marlitt.
(Fortsetzung.)


Ohne allen Zweifel ist es die Sonne gewesen, Du Närrchen, was Du oben am Fenster, zwischen den Vorhängen gesehen hast. Tante Sophie hat ganz Recht,“ sagte Herr Lamprecht und drehte sich langsam zu Margarete um. „Ueberlege Dir’s doch selber, Kind!“ gab er ihr zu bedenken und tippte lächelnd mit dem Zeigefinger gegen die Stirn. „Du kommst herauf, um den Schlüssel zu der festverschlossenen Stube zu holen, und ich habe ihn auch – er hängt dort im Schlüsselschränkchen. Kann nun ein Wesen von Fleisch und Bein durch die Thürfugen kriechen?“

Die Kleine stand da und blickte nachdenklich vor sich hin. Ueberzeugt war sie nicht, das sah man; auf der breiten, trotzigen Kinderstirn war deutlich zu lesen: „Was meine Augen gesehen, das lasse ich mir nicht ausreden!“ – ein Gesichtsausdruck, den besonders die Großmama „nicht vertragen“ konnte. Und so hatten auch Papa’s Argumente weiter keinen Erfolg, als daß das Kind ernsthaft sagte: „Du kannst mir’s glauben, Papa, es war ganz gewiß Großmama’s Stubenmädchen!“

Herr Lamprecht lachte laut auf, und die Frau Amtsräthin konnte trotz ihres Aergers nicht umhin, leise einzustimmen. „Die Emma, Kind? Nun, Gott bewahre mich, was für tolles Zeug spukt in Deinem Kopfe, Grete! Weißt Du auch,“ wandte sie sich mit bedeutungsvollem Augenzwinkern an ihren Schwiegersohn, „daß uns die Leute im Hause wieder einmal das Leben recht schwer machen von wegen der bewußten, neu aufgewärmten Sage? Reinhold’s Erwähnung der Frau im rothen Salon mag Dir beweisen, daß die dummen Menschen selbst vor den Kindern den Mund nicht halten können. Ein Jedes will Etwas gesehen haben, und diesmal nicht etwa bloße Schatten und Wolken von Spinnweben – die Emma zum Beispiel schwur unter Zittern und Zähneklappern, das gewisse Huschende, sei nichts weniger als durchsichtig gewesen, und aus den fliegenden Schleiern habe sich für einen Moment ein Arm gehoben, so weiß und rund!“ … Sie nickte sprechenden Blickes ausdrucksvoll mit dem Kopfe und preßte die verschlungenen Hände gegen die Brust. „Wenn, nur nicht bereits eine direkte Beziehung zwischen Herbert und gewissen Leuten dahinter steckt! Der Gedanke macht mir das Blut sieden!“

„Sapristi – das wäre!“ meinte Herr Lamprecht mit einem dämonischen Lächeln, wobei er sich den Bart strich. „Da würden sich freilich Argusaugen und nie schlafende Ohren nöthig


Hungrige Gesellschaft. 0 Nach dem Gemälde von H. Lengo.

[38] machen … Ich habe es übrigens satt bis zum Ueberdruß, dieses ewige Geklätsch unter unseren Leuten – das Haus kommt förmlich in Verruf! Es ist von jeher ein Fehler gewesen, daß man den Flügel so gar nicht benutzt hat; dadurch hat das verrückte Traumgespenst einer alten Amme von Jahr zu Jahr an Boden gewonnen. Dem will ich ein Ende machen! Am liebsten nähme ich gleich ein paar Porzellandreher sammt Familien aus Dambach herein; aber die Leute müßten dann stets durch den Flursaal, an meinen Thüren vorbei, und der Lärm paßt mir nicht! Da werde ich denn kurzen Proceß machen und selbst einmal eine Zeitlang ab und zu in Frau Dorotheens Zimmer hausen –“

„Das wäre allerdings ein Radikalmittel!“ warf die Frau Amtsräthin lächelnd ein.

„Und eine verschließbare Thür, die den Gang nach dem Flursaal hin abschlösse, wäre wohl auch am Platze – da hätten die Hasenfüße, die hier oben zu thun haben, keinen Grund mehr, um die Ecke zu schielen und sich so lange mit Wonne zu gruseln, bis sie ihr eigenes Hirngespinst gesehen haben … Ich will mir die Sache einmal überlegen!“

Er griff nach einer Bonbonniere auf dem Schreibtisch. „Na seht, da haben sich ja doch noch so ein paar Leckerle verkrochen!“ sagte er und füllte den Kindern die Händchen mit Bonbons. „So – nun geht wieder hinunter! Der Papa hat viel zu schreiben.“

„Und der Schlüssel, Papa? Hast Du den ganz vergessen?“ fragte die kleine Margarete. „Tante Sophie will jetzt gleich hinauf und die Fenster aufmachen. Sie sagt, es käme kein Regen, und die Nachtluft müßte einmal so recht durchfegen; und morgen sollen die Stuben und der Gang gescheuert werden.“

Herr Lamprecht wurde roth vor Aerger. „Zum Henker mit dieser ewigen Scheuerei!“ brach er los und fuhr ungeduldig mit der Hand durch sein reiches Haar. „Vor einigen Tagen hat der Flursaal förmlich geschwommen, und das Scharren und Kratzen der Scheuerwische brummt mir heute noch in den Ohren … Daraus wird nichts! Gehe Du nur hinunter, Gretchen, und sage der Tante, das habe Zeit, ich würde selbst mit ihr sprechen!“

Die Kinder trollten sich, und auch die Frau Amtsräthin zog die Pelerine fester über die Schultern, um zu gehen. Sie verabschiedete sich in ziemlich gemessener Weise. Ihre Herzensbeklemmung war sie nicht losgeworden; der Herr Porzellanmaler saß fester als je im Packhause, und der sonst so ritterlich galante Schwiegersohn fing an, recht unangenehm bockbeinig zu werden. Und auch jetzt, trotz seiner respektvollen Verbeugung, zeigten seine Augen nichts weniger als Reue und Abbitte – weit eher die heimliche, brennende Ungeduld, allein zu sein. Sichtlich geärgert rauschte sie hinaus.

Er blieb bewegungslos mitten im Zimmer stehen. Draußen fiel die Flurthür ins Schloß, dann trippelten die Goldkäferschuhchen Stufe um Stufe aufwärts; er horchte, bis auch der letzte Laut im hallenden Treppenhause erstarb – dann sprang er mit einem Satze an den Schreibtisch, riß die Briefmappe an sein Herz, an seinen Mund, strich mit der Hand wiederholt über das kleine Aquarellbild, als wolle er den Blick der alten Dame, der darauf geruht, fortwischen, und verschloß die Mappe in den Schreibtischkasten. Das war das Werk einiger Sekunden gewesen. Gleich darauf war das Zimmer leer … Dafür kamen bald leichte Abendschatten herein; der Rosaschein erblaßte, und im Zwielicht wurde das von der Wand herniedersehende Bildniß der verstorbenen Frau Fanny unheimlich lebendig, so sprechend lebendig, als werde die lebensgroße Gestalt im nächsten Augenblick die graue Atlasschleppe aufnehmen und auf den Teppich hernieder steigen, um, grau und hager und die großen Augen voll leidenschaftlichen Feuers, dahinzuhuschen, wie – die selige Frau Judith …




4.

Drunten in der Familienwohnung war man inzwischen mit den Strapazen des berühmten Bleichtages glücklich zu Ende gekommen. Bärbe hantirte bereits wieder in ihrer blitzblanken, geräumigen Küche und bereitete das Abendessen. Der Kalbsbraten wurde pünktlich besorgt und Salat und Kompot hergerichtet; aber es ging dabei nicht besonders friedfertig zu. Das Küchengeschirr klapperte verdächtig laut gegeneinander, Kartoffeln rollten und hüpften vom Küchentisch auf den Boden, und die Thür der Bratmaschine rasselte auf und zu, als solle sie aus den Angeln fliegen … Jungfer Bärbe war in der grimmigsten Laune. Tante Sophie hatte ihr nochmals in ganz exemplarischer Weise den Text gelesen, weil sie die Waschfrauen mit ihrer drastischen Beschreibung des wackelnden Vorhanges so kopfscheu gemacht hatte, daß sie es ablehnten, die Scheuerei in dem spukhaften Flügel zu besorgen … Also außer dem Schreck auch noch eine Strafpredigt für die alte Bärbe, die sich doch nöthigenfalls todtschlägen ließ für die Familie Lamprecht – Notabene, für Fräulein Sophie noch ganz extra! … War man denn wirklich so stockblind, so verrannt in Leichtsinn und Unglauben, daß man nicht sah, wie das Unheil schon über dem Hause stand, dick und kohlrabenschwarz wie das schönste Hagelwetter? Hatte es nicht jedesmal Tod und Verderbniß zu bedeuten, wenn die Geister in dem dunklen Gange hin- und herliefen? Da brauchte man nur durch die Stadt zu gehen – ja wohl, von Haus zu Haus konnte man gehen, und in den Damengesellschaften, wie bei den Weibern am Waschtrog, überall konnte man Dinge über das Unwesen in Lamprecht’s Hause zu hören kriegen, daß Einem die Haare zu Berge standen … Aber da saß „man“ nun urgemüthlich drüben am Wohnstubenfenster und flickte dem Speisemeister in der Hochzeit zu Kana das zerrissene Gesicht wieder zusammen, als ob alles Heil der Welt von dem alten Tafeltuch abhänge und sonst nichts als eitel Sonnenschein im Hause wäre. Na, immer zu! Einmal kam’s, das stand fest! … Und die Küchen-Kassandra griff bei diesem Monolog ab und zu nach einem großen irdenen Topf auf der Bratmaschine, um mit einem Schluck verspäteten Nachmittagkaffees den Aerger hinunter zu würgen.

„Man“ saß übrigens nicht so urgemüthlich am Wohnstubenfenster; denn es war eine böse Aufgabe für Tante Sophiens kunstfertige Hand, die Züge des Speisemeisters wieder in die ursprünglichen Linien zu bringen, ohne daß die Stopferei sichtbar wurde. Und so überaus behaglich fühlte sich Margarete am anderen Fenster auch nicht. Die Heidelbeerflecken waren mittels einer sauberen Schürze dem beleidigten Auge entzogen worden; dann hatte Tante Sophie die Kleine bei den Schultern gefaßt und sehr energischer Weise an den großen Tisch im Fensterbogen dirigirt. „So – nun werden die Schularbeiten gemacht! Und Klexe giebt’s nicht – nimm Dich zusammen, Gretel!“ hatte sie gesagt.

Da hieß es nun stillsitzen inmitten der vier dicken Wände und den Federhalter fest umklammern, auf daß er nicht seine Extraspaziergänge auf dem weißen Papier mache! … Droben am Abendhimmel färbten sich die Schäferwölkchen rosenroth; das Fenster stand offen und aus der gegenüberliegenden, bergansteigenden Gasse quollen ganze Ströme süßen Lindenblüthenduftes herüber; sie kamen durch das Thurmthor der Stadtmauer, in welchem die Gasse droben mündete, und über die uralten, geschwärzten Mauern selbst her, hinter welchen die prachtvolle Lindenallee hinlief.

Und vom Marktplatz schallte allerhand Thun und Treiben herein. Lehrjungen gingen pfeifend mit der weitbauchigen Steinflasche vorbei, um das Abendbier zu holen; aus allen Gassen kamen Mädchen und Frauen mit Holzbutten an den Marktbrunnen, und die Mägde hielten Blechsiebe unter das Brunnenrohr und ließen das frische, glitzernde Wasser über den grünen Beetsalat hinrauschen – das war so hübsch, man mußte immer wieder hinsehen. Und unter dem Fenster neckten sich im Vorübergehen zwei kleine Bettelmädchen. Margarete bog sich hinaus, griff in die Tasche und warf ihnen die vom Papa erhaltenen Bonbons in die aufgenommenen Schürzchen.

„Recht, Gretel!“ meinte Tante Sophie. „Ihr nascht mir in der letzten Zeit ohnehin viel zu viel, und die Kinder freut’s.“

„Ich verschenke meine Bonbons nicht,“ sagte Reinhold, der auf dem Eßtisch einen Thurm von seinen Bausteinen aufstellte. „Ich hebe sie mir auf. Bärbe sagt auch immer bei Allem: ‚wer weiß, wie man’s wieder brauchen kann!‘“

„Potztausend, unserm Jungen guckt ja der Kaufmann aus allen Hautfältchen!“ lachte Tante Sophie und stopfte emsig weiter.

Ja, die Tante hatte Recht – sie naschten in der letzten Zeit viel zu viel, die beiden Kinder! Das süße Zeug wollte gar nicht mehr munden … Wie anders doch der Papa geworden war! Früher waren sie stundenlang oben bei ihm gewesen; er hatte sie auf seinem Rücken reiten lassen, hatte ihnen Bilder gezeigt und erklärt, Geschichten erzählt und Papierschiffchen gemacht, und jetzt? Jetzt lief er immer im Zimmer auf und ab, wenn sie kamen; er machte auch öfter böse Augen und sagte barsch, sie [39] störten ihn, er könne sie nicht brauchen. An die hübschen Papierschiffchen war nicht mehr zu denken, ebenso wenig an das Erzählen von Märchen und anderen schönen Geschichten – der Papa sprach lieber mit sich selber, man konnte es nur nicht verstehen, es war blos gemurmelt. Er fuhr sich auch manchmal mit beiden Händen durch die Haare und stampfte mit dem Fuße auf, und wußte wohl gar nicht mehr, daß die Kinder da waren; und wenn er sich dann besann, da stopfte er ihnen schnell die Taschen und Hände voll süßer Sachen und schob sie zur Thür hinaus, weil er schreiben, viel schreiben müsse ... Ja, das dumme Schreiben – man konnte es schon deswegen nicht ausstehen! Und nach all diesen deprimirenden Reflexionen mit ihrem haßerfüllten Schlußgedanken wurde die Feder zornig tief ins Tintenfaß getaucht, und da lag der allerschönste Klex auf dem Papiere!

„Du Unglückskind!“ schalt Tante Sophie und kam schleunigst herüber. Das Löschblatt war zur Hand, aber beim Suchen nach dem Radirmesser mußte Gretel kleinlaut eingestehen, daß der Herr Direktor ihr das Messer weggenommech, weil sie in der langweiligen Rechenstunde am Schultisch geschnitzelt habe. Und ehe noch Tante Sophie ihrer sehr begründeten Entrüstung Luft machen konnte, war die Kleine schon zur Thür hinaus, um „beim Papa ein Federmesser zu borgen“.

Wenige Sekunden nachher stand sie mit sehr verdutztem Gesicht droben vor dem Zimmer. Die Thür war verschlossen; es steckte kein Schlüssel, und durch das Schlüsselloch konnte sie sehen, daß der Stuhl vor dem Schreibtisch leer stand ... Ja, was sollte denn das heißen? Es war ja gar nicht wahr, das, was der Papa vom vielen Schreiben gesagt hatte – er schrieb nicht, er war gar nicht zu Hause!

Die Kleine sah sich um in dem weiten, mächtig großen Flursaal. Er war ihr ja so vertraut, und doch in diesem Augenblick so wunderlich neu und anders … Wie oft tollte und jagte sie mit Reinhold hier herum; aber sie konnte sich nicht erinnern, je allein hier oben gewesen zu sein.

Nun war es zwar etwas dämmerig, aber so feierlich, so schön still in dem Flursaal! Durch seine hohen Fenster sah man über den Hof und das sehr tiefgelegene, niedere Packhaus hinweg, weit in die grüne, blühende Welt hinaus. Auf den Kredenztischen stand allerlei funkelndes Trinkgeräth, und die Stühle mit den gelben Sammetbezügen hatten auf dem dunkelholzigen Rücklehnengestell geschnitztes fremdartiges Gevögel zwischen Tulpen und langstieligem Blattwerk … Tintenklex und Federmesser waren total vergessen; der übermüthige Wildfang mit dem rückhaltslosen, derb aufrichtigen Wesen wandelte verschleierten Blickes von Stuhl zu Stuhl, strich mit der Hand über den verblichenen Sammet und träumte sich in eine wunderliche Gedankenwelt, die kein Laut von außen störte.

Der letzte Stuhl stand in der Ecke ziemlich nahe der Thür, die in den rothen Salon führte, und von da aus sah man schräg in den dunklen Gang hinter Frau Dorotheens Sterbezimmer hinein. Auch er, an dessen entgegengesetztem Ende in diesem Augenblick ein letztes rosiges Abendwölkchen durch das hochgelegene kleine Fenster hereinstrahlte, war ihr vertraut, er hatte nie Schrecken für sie gehabt. Reinhold blieb freilich konsequent am Eingang stehen und traute sich nie weiter; aber sie durchmaß ihn immer wieder bis zu dem Treppchen, welches seitwärts hinab bis zur Bodenthür des Packhauses führte. Auf der einen Seite unterbrachen schöngetäfelte Zimmerthüren die einförmige Wandfläche, und an der Rückwand standen zweithürige Kleiderschränke mit Metallbeschlägen.

Tante Sophie hatte diese Schränke auch einmal aufgeschlossen und gelüftet, und Margarete hatte hineinsehen dürfen. Da hing eine kostbare Brokatschleppe neben der anderen, farbenbunt, und zum Theil auch schwer, mit Gold und Silber durchwirkt – lauter Staatskleider Lamprecht’scher Hausfrauen. Auch Frau Judith’s Brautkleid, ihre Brautschuhe – wahre Ungethüme von Stöckelschuhen – waren pietätvoll hier aufbewahrt; sie war ja die einzige Tochter und Erbin eines vornehmen, sehr begüterten Hauses gewesen – ein bedeuteter Theil des Lamprecht’schen Reichthumes stammte von ihrer Mitgift her. Das wußte die kleine Margarete nicht, sie würde wohl auch kein Verständniß dafür gehabt haben – sie suchte nur manchmal mit ihren kleinen Händen an den Schrankthüren zu rütteln, um den geheimnißvollen Laut, das Aneinanderreiben der steifen Seide herauszuhören.

Nun war sie auch einmal mutterseelenallein hier. Der kleine Bruder war nicht da, um sie am Rock zurückzuzerren, und sein ängstlicher Zuruf störte sie nicht. Sie huschte tiefer in den Gang hinein und wollte eben vor einem der Schränke stehen bleiben, als sie ganz deutlich ein Geräusch hörte, wie wenn Jemand in ihrer Nähe wiederholt auf ein Thürschloß griff. Die Kleine horchte auf, zog in vergnüglicher Ueberraschung den Kopf zwischen die Schultern, kicherte in sich hinein und schlüpfte in das dunkelnde Versteck neben dem Schrank, von wo sie die schräg gegenüberliegende Thür sehen konnte … Na, aber die Augen wollte sie sehen, die Tante Sophie machen würde, wenn sie hörte, daß es die Sonne doch nicht gewesen war! Und „die Gretel“ behielt Recht, Emma war es gewesen, und wenn sie zehnmal that, als fürchte sie sich – sie steckte ja noch drin im Zimmer! Der konnte ein tüchtiger Schrecken nicht schaden, ganz und gar nicht!

In diesem Augenblick ging die Thür lautlos auf, und hinter ihr trat ein kleiner Fuß von der erhöhten Schwelle auf die Gangdielen herab; dann huschte es ganz weiß aus dem schmalen Spalt, zu welchem sich die Thür geöffnet hatte … Von dem weißen Latzschürzchen und dem kokettgerafften Falbelkleid des Stubenmädchens war nun freilich nichts zu sehen; ein dichter Schleier fiel vermummend vom Scheitel über die ganze Gestalt her, und seine Spitzenkante schleifte auf den Dielen nach. Aber es war doch Emma, die sich einen Spaß machte – sie hatte solch ein Füßchen und trug stets nette Schuhe mit hohen Absätzen und Bandrosetten. Vorwärts, drauf! Das gab einen famosen Spaß!

Gewandt wie ein Kätzchen schlüpfte das Kind aus seinem Versteck, flog der Dahinhuschenden nach, warf sich mit der ganzen Schwere des kleinen Körpers von rückwärts über die Gestalt her und umklammerte sie mit beiden Armen; dabei gerieth ihre kleine Rechte durch eine Schleieröffnung in das weiche, über die Hüfte herabhängende Gewoge einer gelösten Haarflechte – sie griff fest zu und zog zur Strafe für „den dummen Witz“ so derb an den Haar-Enden, daß sich der vermummte Kopf tief nach dem Nacken zurückbog ...

Ein Schreckensschrei, dem ein klagender Wehlaut folgte, scholl durch den Gang – was dann geschah, kam so blitzschnell, so unerwartet, daß die Kleine sich nie, auch später nicht, eine klare Vorstellung davon machen konnte. Sie fühlte sich gepackt und geschüttelt, daß ihr Hören und Sehen verging, ihr kleiner Körper flog wie ein Ball um eine ganze Strecke, fast bis zum Eingang des Korridors, zurück und stürzte zu Boden.

Sie blieb, wie betäubt, mit geschlossenen Augen liegen, und als sie endlich die Lider hob, da stand ihr Vater bei ihr und sah auf sie nieder. Aber sie erkannte ihn kaum – sie entsetzte sich vor ihm und schloß unwillkürlich die Augen wieder, instinktmäßig fühlend, daß etwas Schreckliches kommen müsse; denn er sah aus, als wisse er nicht, solle er sie erwürgen oder zertreten.

„Steh’ auf! Was thust Du hier?“ fuhr er sie mit kaum erkennbarer Stimme an, packte sie mit rauhem Griff und stellte sie auf die Füße.

Sie schwieg; der Schrecken, aber auch das Unerhörte der grausamen Behandlung verschlossen ihr die Lippen.

„Hast Du mich nicht verstanden, Grete?“ fragte er in etwas beherrschterem Ton. „Ich will wissen, was Du hier treibst!“

„Ich wollte zuerst zu Dir, Papa; aber die Thür war verschlossen, und Du warst nicht zu Hause –“

„Nicht zu Hause? Unsinn!“ schalt er und trieb sie vor sich her. „Die Thür war nicht verschlossen, sag’ ich Dir – Du wirst ungeschickt beim Oeffnen gewesen sein. Ich war hier im rothen Salon –“ er zeigte nach der Thür, auf welche er die Kleine zuschob – „als ich Dein Geschrei hörte.“

Margarete stemmte die Füße fest auf den Boden, sodaß Herr Lamprecht auch stehen bleiben mußte, und wandte ihm das Gesicht zu. „Ich habe doch nicht geschrieen, Papa?“ sagte sie mit weitgeöffneten, erstaunten Augen.

„Du nicht? Wer denn sonst? Du wirst mir doch nicht weismachen wollen, daß noch Jemand, außer Dir, hier oben gewesen ist?“

Er war ganz roth im Gesicht, wie immer, wenn er zornig und ungeduldig wurde, und seine Augen blitzten sie drohend an.

Sie sollte gelogen haben! In dem Kind, welches die Aufrichtigkeit selbst war, empörte sich jeder Blutstropfen. „Ich mache Dir nichts weis, Papa! Ich sage die Wahrheit!“ betheuerte sie,

[40]

Von Wölfen verfolgt.0 Nach dem Oelgemälde von Ad. Schreyer.

[41] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [42] muthig und ehrlich zu den flammenden Augen aufblickend. „Du kannst Dich darauf verlassen, es war Jemand hier oben! Ein Mädchen war’s. Sie kam aus dem Zimmer, weißt Du, wo ich die Stirn mit den hellen Haaren am Fenster gesehen habe. Ja, da kam sie heraus und hatte Schuhe mit Bandrosetten an, und wie sie weiterlief, da hörte ich, wie die Absätze auf den Dielen klapperten -“

„Bist Du toll?“ Er drehte sie mit einem Ruck nach dem Gange zurück. Das rothe Abendwölkchen war inzwischen weiter gesegelt, und durch das hochgelegene, kleine Fenster sah nur noch der abgeblaßte Himmel herein – ein graues Dämmerdunkel fing an, den langen Korridor zu füllen.

„Siehst Du noch etwas, Grete?“ fragte er, hinter ihr stehend und mit seinen beiden Händen schwer auf die Schultern des Kindes drückend. „Nein? – Dann nimm auch Vernunft an, Kind! Durch den Flursaal hätte das vermeintliche Mädchen nicht entweichen können, denn wir selbst würden ihr den Weg versperrt haben; die Thüren, wie wir sie da sehen, sind verschlossen, das weiß ich am besten, denn ich habe die Schlüssel – glaubst Du aber, es könne ein Mensch auf dem einzigen Weg, der übrig bliebe, durch das Fensterchen dort oben, hinausfliegen?“

Scheinbar ruhiger nahm er sie bei der Hand und führte sie an eines der Flursaalfenster. Er zog sein Taschentuch heraus und wischte ihr die Thränen vom Gesicht, die ihr Schreck und Entsetzen vorhin erpreßt hatten, – sein Blick schmolz plötzlich in schmerzlichem Mitleid. „Weißt Du nun, daß Du ein rechtes Närrchen gewesen bist?“ fragte er lächelnd, wobei er sich tief bückte, um in ihre Augen zu sehen.

Sie schlang stürmisch ihre kleinen Arme um seinen Hals. „Ich habe Dich so lieb, so lieb, Papa!“ betheuerte sie mit der ganzen Inbrunst eines heißen, zärtlichen Kinderherzens und drückte ihr schmales, sonnengebräuntes Gesichtchen an seine Wange. „Aber Du darfst auch nicht denken, daß ich gelogen habe … Ich habe vorhin nicht geschrieen – sie war’s! Ich dachte, es sei Emma, und wollte sie für ihren dummen Spaß erschrecken. Aber Emma hat ja gar nicht so langes Haar, das fällt mir eben ein, und meine Hand riecht noch nach Rosenöl, weil ich den Zopf festgehalten habe, und das ganze Mädchen roch wie die schönsten Rosen – Emma ist’s doch wohl nicht gewesen, Papa … Durch das kleine Fenster kann freilich Niemand fliegen; aber vielleicht war die Thür an der kleinen Treppe offen, weißt Du, die Bodenthür vom Packhaus –“

Er hatte schon vorhin, ungestüm emporfahrend, ihre Arme von seinem Nacken gelöst, und jetzt unterbrach er sie mit einem lauten Auflachen; aber trotz dieses Lachens sah er plötzlich so blaß und so furchtbar böse aus, daß sich das Kind scheu in die Fensterecke drückte.

„Du bist ein obstinates, dickköpfiges Geschöpf!“ zürnte er, und seine Stirn zog sich immer finsterer zusammen. „Die Großmama hat Recht, wenn sie sagt, die richtige Zucht fehle. Um Deinen Kopf zu behaupten, fabelst Du das ungereimteste Zeug zusammen … Wer möchte sich wohl in eine Rumpelkammer voll Ratten und Mäuse verkriechen, blos, um ein kleines Mädchen, wie Du eines bist, zu necken? … Aber ich weiß schon, Du bist zu viel in der Gesindestube, und da wird Dir der Kopf mit Fraubasen- und Spinnstubengeschichten vollgestopft, und nachher träumst Du am hellen Tage unmögliche Dinge. Dabei bist Du wild wie ein Junge, und Tante Sophie ist viel zu schwach und nachgiebig. Die Großmama hat mich längst gebeten, der Sache ein Ende zu machen, und das soll nun geschehen, und zwar sofort! Ein Paar Jahre in fremder Zucht werden Dich zahm und anständig machen!“

„Ich soll fort?“ schrie das Kind auf.

„Für ein paar Jahre, Grete,“ sagte er milder. „Sei vernünftig! Ich kann Dich nicht erziehen; Großmama’s Nerven aber sind zu angegriffen, um Dein ungestümes Wesen im steten Umgang zu ertragen, und Tante Sophie – nun, die ganze Wirthschaft liegt auf ihr, und sie kann sich nicht so um Dich kümmern, wie es sein müßte –“

„Thue es nicht, Papa!“ fiel sie mit einer für ein Kind fast unnatürlichen festen Entschlossenheit ein. „Es hilft Dir nichts – ich komme doch wieder!“

„Das wollen wir sehen –“

„Ach, Du hast ja keinen Begriff, wie ich laufen kann! … Weißt Du noch, wie Du dem Herrn in Leipzig unseren Wolf geschenkt hattest, und wie der gute, alte Hund nachher einmal frühmorgens draußen vor unserer Hausthür lag, todmüde und schrecklich hungrig? Er hatte sich gesehnt, der arme Kerl, und da hatte er den Strick zerrissen und war fortgelaufen, und so mache ich’s auch!“

Ein herzzerreißendes Lächeln flog um den bebenden Mund.

„Glaub’s schon – unbändig genug bist Du ja! Allein es wird Dir wohl nichts übrig bleiben, als Dich fügen – mit solchen kleinen Trotzköpfen macht man kurzen Proceß!“ sagte er streng. Er wandte sich dabei weg und sah anscheinend durchs Fenster in den Hof hinab; in Wahrheit jedoch glitt sein scheuer Seitenblick über das Gesichtchen, das jetzt einen furchtbaren inneren Aufruhr wiederspiegelte, und wie von einem unwiderstehlichen Impuls getrieben, bog er sich rasch wieder nieder und strich mit der Hand sanft über die weiche, plötzlich von einer wahren Fieberhitze überglühte Wange des Kindes.

„Geh, sei mein gutes Mädchen!“ redete er ihr zu. „Ich bringe Dich selbst fort – wir reisen zusammen. Und schöne Kleider sollst Du haben, ganz wie unsere kleinen Prinzessinnen –“

„Ach, schenke sie lieber einem anderen Kind, Papa !“ versetzte die Kleine tonlos. „Bei mir giebt’s immer schon am ersten Tage Risse und Flecken. Bärbe sagt immer: ‚Es ist schade um jede Elle Zeug, die der kleine Reißteufel auf den Leib kriegt‘, und da hat sie ganz Recht! – Ich will aber auch gar nicht so sein, wie die kleinen Mädchen im Schlosse;“ – sie hob trotzig den Kops und hörte auf, an ihren Fingern nervös zu pflücken; – „ich kann sie nicht leiden, weil die Großmama immer so vor ihnen knixt.“

Ein sarkastisches Lächeln huschte über Herrn Lamprecht’s Gesicht; gleichwohl sagte er in strengem Ton: „Siehst Du, Grete, das ist’s eben, was die Großmama so oft in Verzweiflung bringt! Du bist ein unhöfliches, kleines Ding und hast die allerschlechtesten Manieren – man muß sich Deiner schämen. Es ist die höchste Zeit, daß Du fortkommst!“

Die Kleine schlug ihre feuchtflimmernden Augen sprechend zu ihm auf. „Hat denn meine Mama auch fort gemußt, als sie noch ein kleines Kind war?“ fragte sie, das hervorbrechende Weinen mühsam niederkämpfend.

Eine dunkle Blutwelle schoß ihm in das Gesicht. „Deine Mama ist immer ein sehr artiges, folgsames Kind gewesen, da war es nicht nöthig.“ – Er sprach mit so gedämpfter Stimme, als sei außer ihm und dem Kinde noch irgend ein horchendes Wesen im Flursaal, vor welchem sich der laute Ton scheue.

„Ich wollte, sie wäre wieder da, die arme Mama! – Sie hat freilich Holdchen lieber auf den Schoß genommen, als mich; aber da hat es doch nie geheißen, daß ich fort sollte ... Eine Mama ist doch besser als eine Großmama! Wenn die ins Bad reist, da freut sie sich und sagt kaum Adieu. Sie weiß nicht, wie ein Kind Alle lieb hat, Alles, Papa, auch unser Haus, ach, und Dambach –“ sie hielt inne, als breche ihr kleines Herz schon bei dem Gedanken an eine Trennung. Das Köpfchen nahezu an die Fensterscheibe gedrückt, suchte sie mit flehentlichem Aufblick die Augen des stattlichen Mannes, der die Finger leise auf der Brüstung spielen ließ und sichtlich mit einer inneren Bewegung rang.

Er schwieg bei der beredten Klage des Kindes. Sein Blick schweifte lange ziellos über die weite Landschaft draußen, und als er sich endlich senkte, da ging ein jäher Ruck durch die hohe Gestalt, und die Finger hörten auf zu spielen … Der Papa war erschrocken – über was denn? Es war weit und breit Nichts zu sehen. Die Sonne war längst fort; auf den Feldern drüben rührte und regte sich nichts; von den ein- und ausfliegenden Schwalben ließ sich keine mehr blicken; auch die Mövchentauben, die tagsüber das Dach des Packhauses umflatterten, hatten den Schlag aufgesucht, und auf dem stillen Gange, unter dem Blätterrundbogen des Pfeifenstrauches stand ja nur Blanka Lenz, wie an jedem Abend, seit sie aus England gekommen war. …

Diesmal aber hatte das Kind keine Augen für das schöne, weiße Gesicht, das wie Mondlicht sanft aus dem dunklen Blattwerk drüben dämmerte – es sah nur, wie der Papa tief aufseufzte, wie er stöhnend mit beiden Händen nach den Schläfen fuhr und sie preßte, als drohe ihm der Kopf zu zerspringen.

Die Kleine schmiegte sich an seine Seite und blickte noch dringlicher zu ihm empör. „Hast Du mich noch lieb, Papa?“

„Ja, Grete.“ – Er sah sie aber nicht an, er starrte immer auf denselben Punkt.

[43] „Gerade so lieb, wie Du Reinhold lieb hast? Ja, Papa?“

„Nun ja doch, Kind!“

„Ach, da bin ich froh! Da wirst Du mich doch auch hier lassen! – Wer sollte denn auch mit Holdchen spielen? Wer sollte denn sein Pferdchen sein, wenn ich nicht mehr da bin? Andere Kinder thun’s nicht, weil er so schlimm mit der Gerte haut. Gelt, Papa, es war nicht Dein Ernst mit dem Fortreisen? Du hast mir nur gedroht, weil ich so wild wie ein Junge bin? Aber ich will nun besser werden, ich will auch höflich gegen die kleinen Prinzessinnen sein! … Gelt, ich darf dableiben bei Dir und Allen, ja? Papa, hörst Du denn nicht?“

Herr Lamprecht zuckte bei der Berührung der kleinen, seinen Arm schüttelnden Hand wie aus einem marternden Traume empor. „Gott im Himmel, Kind, quäle mich nicht auch mit Deinen entsetzlichen Fragetönen! Es ist zum Verrücktwerden!“ fuhr er das zurückschreckende Kind an. Er wühlte mit beiden Händen in seinem Haar, preßte sich wiederholt die Stirn und schritt ein paar Mal in wilder Hast auf und ab.

Es mochten eben nur die monotonen „Fragetöne“ gewesen sein, die ihn in ihrer dringlichen Wiederholung irritirt hatten – den Sinn derselben faßte er wohl erst nachträglich, als er ruhiger wurde. „Du machst Dir einen ganz falschen Begriff, Gretchen!“ sagte er endlich stehenbleibend in milderem Ton. „Dort, wohin ich Dich bringen will, hast Du eine Menge lustiger Spielkameraden, lauter kleine Mädchen, die sich untereinander lieb haben wie Schwestern. Ich kenne manches Kind, das bitterlich geweint hat, als es wieder nach Hause geholt wurde.… Uebrigens ist Deine Erziehung in einem Institut eine längst beschlossene Sache zwischen mir und der Großmama – es handelt sich nur noch um den Termin, um das ‚Wann‘ der Aufnahme. Ich habe nunmehr den Beschluß gefaßt, und dabei bleibt’s! … Es ist am besten, ich gehe gleich zu Tante Sophie, um das Nöthige mit ihr zu besprechen.“

Bei den letzten Worten schritt er nach der Flurthüre. „Gehe mit, Grete! Hier oben kannst Du nicht bleiben!“ rief er ihr zu, als sie unbeweglich in der Fensterecke stehen blieb. Sie kam langsam mit gesenktem Kopf über den Saal her – er ließ sie an sich vorbei über die Schwelle gehen, dann drehte er den Thürschlüssel um, zog ihn ab und ging die Treppe hinunter.

(Fortsetzung folgt.)

In Geisterschlingen.

Mit Abbildungen nach Photographien von Hermann Maas in Frankfurt am Main.

Kaum irgend eine Verirrung des menschlichen Geistes hat in verhältnißmäßig kurzer Zeit so sehr um sich gegriffen und an Anhängerzahl gewonnen, wie der moderne Geisterglaube (vergleiche die „Gartenlaube“, Jahrgang 1876, Nr. 1 bis 3). Es ist bekannt, daß insbesondere in Nordamerika, in England, Frankreich, Belgien und Rußland Hunderte von Spiritistengemeinden bestehen, die ihre Anhänger nach Tausenden zählen. Trotz der mannigfachen Entlarvung der sogenannten Medien, welche Klarstellung nicht nur Männern von wissenschaftlicher Bedeutung zu verdanken ist, sondern wozu auch scharfe Beobachter aus Laienkreisen, ja sogar Mitglieder hoher fürstlicher Familien ihren Einfluß geltend gemacht haben, konnten die fanatischen Anhänger des Spiritismus nicht endgültig davon überzeugt werden, daß sie das Opfer von Schwindlern und Taschenspielern sind und gewesen sind.

Mögen die folgenden Mittheilungen dazu beitragen, Licht in diese Dunkelheit der Täuschungen und Verblendungen zu bringen. Daß es Betrüger und Betrügerinnen nicht nur verstanden haben, sich das Vertrauen gläubiger Seelen zu erwerben, sondern auch hervorragenden Männern der Wissenschaft den Kopf zu verdrehen, geht in erster Linie aus dem Umstande hervor, daß der verstorbene Leipziger Professor der Astrophysik, der berühmte Gelehrte Dr. F. Zöllner, ein umfangreiches, mit vielen Abbildungen und zahlreichen Photographien versehenes, die „Transcendentale Physik“ betiteltes und 1189 Seiten starkes Werk herausgegeben hat, in welchem er es versuchte, dem Spiritismus ein wissenschaftliches Gewand anzulegen. Das Werk ist dem „experimentalen“ Begründer der transcendentalen Physik, dem Professor William Crookes in London, gewidmet.

Fig. 1.0 Die gebundenen und versiegelten Hände.

Während Professor Zöllner durch einen amerikanischen Betrüger, den Taschenspieler Henry Slade, welchen er vertrauensvoll in sein Haus aufgenommen hatte, in der unverantwortlichsten Weise bethört worden war, unterlag Crookes demselben Schicksal durch ein Frauenzimmer, Mrs. Florence Cook, später verehelichte Mrs. Corner. Sie brachte es in ihrer Durchtriebenheit so weit, im verdunkelten Zimmer im Nu ihre Kleider abzuwerfen und als „Geist“ den versammelten Gläubigen zu erscheinen, und zwar als „Kate King“, Tochter eines Mitte des 17. Jahrhundert in England berühmt gewesenen Missionärs. Sie genoß bekanntlich bei den Spiritisten Jahre lang durch ihre „Materialisationen“ großes Ansehen.

Einem in der Londoner fashionablen Welt bekannten Herrn, Sir George Sitwell, gelang es, als Mrs. Corner in einer Soirée wiederum den Geist Kate King’s erscheinen ließ, die im Halbdunkel abgeworfenen Kleider der Mrs. Corner zu erfassen, den Geist festzuhalten und bei sofort angezündeter Gasflamme die entkleidete Betrügerin in eklatantester Weise zu entlarven. In wie weit die Keckheit dieses spiritistischen Mediums einerseits, und die Verblendung selbst großer Männer andererseits gegangen, ist aus einer Originalphotographie ersichtlich, welche von zuverlässigster Seite uns zukam.

Die Photographie stellt den der Frau Corner „frappant ähnlichen“ Geist Kate King dar, sowie das gläubige Mitglied der Royal Society, unsern Professor, beide aufgenommen Nachts zwölf Uhr von H. Russel Wallace, dem großen Biologen. Von dieser Photographie erzählt Zöllner in seinem oben erwähnten Werke: „Als ich Crookes meines aufrichtigen Interesses an der Sache versicherte, zeigte er mir eine Photographie jener Kate King, deren Anblick mich, der ich damals noch nicht von der Wahrheit des Spiritismus überzeugt war, zu der Frage ganz unwillkürlich veranlaßte, ob man nicht einen Abdruck von dieser Photographie erhalten könne und wo dieses Wesen in England anzutreffen sei. Der Leser wird mein Erstaunen und das nur mühsam unterdrückte Lächeln begreifen, als mir Crookes auf meine Frage, wo dieses holdselige Wesen existire, ganz trocken und ernsthaft erwiderte: ‚Two hundred years ago!‘ (‚Zweihundert Jahre früher!‘)“ Kaum glaublich, aber wahr und so geschehen im Jahrhunderte der Elektrizität und im Jahre des Heils 1875 und zu lesen Seite 145 in Zöllner’s „Transcendentaler Physik“. –

Zöllner’s Slade hatte man in England in der gleich eklatanten Weise wie Mistreß Corner entlarvt und nichts mehr von ihm gehört, wie denn überhaupt auch alle anderen vom Jahre 1875 bis 1881 so sehr berühmt gewesenen Medien, wie Firman, Bastian, Home Holmes, Monck u. A. vom Schauplatze ihrer betrügerischen Thätigkeit nun verschwunden sind.

Zu dem Schwindel der modernen Geisterlehre trat im jüngsten und vorjüngsten Jahre noch der aus Amerika eingeführte Humbug des „Gedankenlesens“ hinzu. Ein amerikanischer geschickter Experimentator Mr. Washington Irving Bishop trat mit der Behauptung auf, die Gabe zu besitzen, gewisse Gedanken, welche bestimmte Menschen auf einen Gegenstand richten, errathen zu können, und er erklärt das auffallende Gelingen seiner Vorführungen durch eine angeblich eigenthümliche Beziehung der geistigen Fernwirkungen seiner Gehirnthätigkeit zu dem Gehirne desjenigen, mit welchem er experimentirt.

Bishop erfand unter Anderem die Kunststücke, Nadeln, die an irgend einer Stelle eines Zimmers, eines Hauses, oder in einem dem betreffenden Hause benachbarten Raume von einer bestimmten Person versteckt worden waren, an deren Hand geführt, aufzufinden, ebenso im Verborgenen aufgeschriebene Ziffern zu errathen, oder auch Personen und Gegenstände, welche, ohne daß er dabei gewesen sei, dem „Medium“ bezeichnet wurden, herauszufinden. Später unternahm ein Engländer, welchen Bishop seinen eignen früheren Reisebegleiter in seinen Vorträgen nannte und als einen gewissen Charles Garner bezeichnete, in Oesterreich und Deutschland unter dem Namen Stuart H. Cumberland als Antispiritist Gedankenerrathungs-Kunstreisen, und es gelang ihm auch sowohl in Wien als in Berlin sich bis in die höchsten Kreise Eingang zu verschaffen. Cumberland hat sogar in jüngster Zeit eine höchst amüsante, deutsch geschriebene Autobiographie herausgegeben, in welcher er von seinen Wunderthaten und Entlarvungen spiritistischer Medien erzählt und die Namen aller derartigen einigermaßen bekannten Persönlichkeiten, mit denen er zu thun gehabt, zum Besten giebt.

In den jüngsten Wochen bereist ein anderer Antispiritist und Gedankenleser unter dem Pseudonym Charles Bellini die deutschen Städte. Derselbe, ein intelligenter Hamburger, seines Standes Kaufmann, hat es sich zur Aufgabe gestellt, nicht nur den Schwindel spiritistischer Experimente, welcher so vielen, selbst sehr klugen Menschen den Kopf verdreht hat, auf offener Scene zu entlarven, sondern auch öffentlich darzuthun, daß das „Gedankenlesen“ auf nichts weiterem als auf einer rein mechanischen Thätigkeit, sowie auf Taschenspielerkunststücken beruhe. Die Erfolge, deren sich Bellini in Hamburg, in Berlin, in Frankfurt am Main, Wiesbaden, Karlsruhe, Darmstadt und anderen deutschen Städten zu erfreuen hatte, sind ganz außerordentliche gewesen.

Das Experiment des Gedankenlesens beruht nämlich ausschließlich darauf, daß sensitive Personen, welche der Gedankenleser an der Hand [44] führt, und deren Puls er gleichzeitig unter dem Drucke seiner feinfühligen Finger prüft, in dem Momente, wenn sie sich dem Gegenstande, der versteckt worden ist, oder einer bestimmten Person nähern, in eine gewisse Erregung gerathen, wodurch der Gedankenleser auf den richtigen Weg geleitet wird. Auf diese Weise gelang es z. B. Bellini, im großen Saale des Saalbaues zu Frankfurt am Main unter Hunderten von anwesenden Personen eine Dame zu bezeichnen, auf welche vorher, als Bellini hinausgegangen, von einer dem Publikum bekannten Persönlichkeit als die zu Suchende gedeutet worden war. Weitere Experimente, wie das Nadelsuchen, das Ziffernrathen, das Hervorrufen von Gehörstäuschungen (künstliche Hallucinationen), gelangen ebenfalls vortrefflich.

Fig. 2. Charles Bellini, an einen Stuhl festgebunden und angesiegelt.

Das Hauptexperiment, welches seit Jahren den Spiritisten den Kopf verdreht, ist jenes im ersten Momente verblüffende und fast unerklärlich erscheinende Kunststück, daß sich das Medium mit Händen und Füßen an einen Stuhl anbinden und ansiegeln läßt, hierauf hinter einer spanischen Wand oder aus einem oben offenen Schranke im Momente, nachdem der Schrank geschlossen, eine Anzahl von Gegenständen herauswirft, und stets, wenn auf Kommando der Schrank geöffnet wird, noch wie vorher fest gebunden und angesiegelt auf dem Stuhle gefunden wird. Bellini führte dieses Experiment in der Weise aus, wie es in unseren Abbildungen 1 bis 3 dargestellt ist. In der ersten Figur sehen wir die auf den Rücken des Experimentators festgebundenen Hände; die Knoten der Verschnürungen waren versiegelt und mit dem Petschafte eines Anwesenden, von welchem man überzeugt war, daß er mit dem Experimentator in keinerlei Verbindung stehe, verschlossen worden. Nachdem dieses geschehen, setzte sich der Experimentator auf einen Stuhl. Es wurde derselbe, wie in unserer zweiten Figur, unter Benutzung einer Photographie genau nach der Natur dargestellt, mit einer Anzahl von Stricken festgebunden und in oben geschilderter Weise in einen mit einem Vorhange versehenen großen Schrank hineingeschoben; sofort erklangen aus dem Schranke heraus musikalische Instrumente; Ziehharmonika, Trompete, Flöte wurden in den verschiedensten Weisen im Schranke gespielt und eine große Anzahl von Gegenständen aus demselben durch die obere Oeffnung in das Publikum geworfen. Die „echten“ Medien machten früher dieses Kunststück nur in halb verdunkeltem Raume und wußten den gläubigen Spiritisten die Ueberzeugung beizubringen, daß es sich hier nur um eine Beihilfe von Geistern handeln könne.

Wie wir aus der dritten unserer Abbildungen ersehen, hat sich Bellini, und zwar mit Leichtigkeit, aus seinen Fesseln befreit. Es geschieht dies, wie er selbst erklärte, in einfacher Weise dadurch, daß er während des Bindens der Hände das betreffende Band unter Anspannung seiner Armmuskulatur, welche dadurch stark anschwillt, doppelt um den Puls schlingen läßt. In dem Schranke oder hinter der spanischen Wand läßt er die angespannte Muskulatur erschlaffen, lockert die elastische Bandage und zieht eine der Schlingen auf, um die Hände in geschicktester Weise von ihrer Umhüllung zu befreien.

Durch große Uebung hat Bellini es dazu gebracht, die Hand durch Ineinanderlegen von kleinem Finger und Daumen sehr schmal zusammen zu drücken und durch die aufgezogene Doppelschlinge, welche er auf unserem Bilde, Fig. 3, frei in der Hand hält, sich herauszuwinden. Sind die Hände frei, so ist das Herausschlüpfen aus den übrigen Fesseln ein Leichtes. War, womit Bellini, wenn er zu fest gebunden, sich aushilft, ein Theil der Bande von ihm zerschnitten worden, so verstand es der Zauberkünstler durch eine sehr geschickte Umschlingung die Schnittränder der Schnüre zu verbergen. Bevor der Vorhang aufgezogen wird, schlüpft er rasch wieder in die Schlingen hinein, so daß das begutachtende Auge der Späher die vorgegangenen Manipulationen unmöglich zu bemerken im Stande ist.

Fig. 3. Die Befreiung Bellini’s ohne Verletzung der versiegelten Schnüre.

In ganz ähnlicher Weise wird das bekannte Experiment mit dem Zaubersacke ausgeführt. Bellini läßt sich in einen vorher vom Publikum untersuchten Sack einbinden, dessen obere Oeffnung von verschiedenen der Anwesenden gleichzeitig verschnürt und versiegelt wurde; trotzdem gelang es ihm aus dem Sacke herauszukommen, indem ganz ähnlich, wie dieses bei dem Herausschlüpfen der Hände aus den verknoteten Verbänden geschieht, der Taschenspielkünstler einzelne Schlingen der zugebundenen Schnüre in geschickter Weise löst und sie später, nachdem er den Sack verlassen hat, wieder an ihre ursprüngliche Stelle schiebt. Trotz der Einfachheit der Darstellung, gehört immerhin sehr feines Gefühl und eine bedeutende Fingerfertigkeit dazu, solche Kunststücke zur Ausführung zu bringen, und Manchem, der die Experimente gesehen und glaubt, er könne sie nachahmen, wird trotzdem die Ausführung schwer gelingen.

Es ist immerhin dankens- und lobenswerth, daß dieser Experimentator seine Kunst dazu benutzt, um das leider viele Kreise der Bevölkerung in allen civilisirten Staaten benagende Uebel des Spiritismus an der Wurzel anzufassen und in einer Weise zu bekämpfen, welche neben angenehmer Unterhaltung auch einige Belehrung über die schwierigsten Taschenspielerkunststücke spendet. St.     


Die Nihilisten.

Von Johannes Scherr.
III.0 Das große Sprengattentat vom Februar 1880.
1.

In den Tagen vom 17. bis zum 21. Juli 1879 vollzog auf dem „Kongreß“ zu Lipezk-Woronesch der Nihilismus seine Schwenkung von der friedlich-socialistischen Propaganda zum systematisch-mörderischen „Terror“. Nach gehaltenem Rathschlag, allwobei die beiden Nihilisten Alexei Michailow und Andrei Scheljabow und die beiden Nihilistinnen Sofia Perowskaja und Wera Filippowa-Figner das leitende und entscheidende Wort hatten, organisirte der „Terrorismus“ sich förmlich, erklärte die aus einer Petersburger Geheimpresse hervorgehende „Narodnaja Wolja“ (Volkswille) zu seinem „officiellen“ Parteiorgan und bestellte mittels Wahl aus seiner Mitte ein „Exekutivkomité“, welches der zarischen Regierung den Krieg erklären und machen sollte.

Thatsächlich hatten die oberste Leitung des Exekutivkomité und durch dieses der ganzen Partei Michailow und Scheljabow in Gemeinschaft mit Sofia Perowskaja.

Das aus den Berathungen von Lipezk-Woronesch hervorgegangene Parteiprogramm stellte als Forderungen des „Volkswillens“ unter andern diese auf: – Allgemeines Wahlrecht ohne jede Einschränkung; Glaubens-, Rede-, Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit; permanente Volksvertretung; Abschaffung des stehenden Heeres; volle Selbständigkeit der Gemeinden; Ueberlassung alles Grundeigenthums an die Bauern, sowie sämmtlicher Fabriken und Werkstätten an die Arbeiter.

Die Verwirklichung dieses Programms sollte angestrebt und erreicht werden mittels der Organisirung eines allgemeinen Umsturzes,

[45]

Wunder Fleck
Nach dem Oelgemälde von G. Igler

[46] dessen Herbeiführung ermöglicht und beschleunigt werden müßte mittels eifriger mündlicher und schriftlicher Wühlarbeit im Volke, mittels Stiftung von Geheimbünden und Anschluß derselben an das leitende Centrum, mittels Erlangung einflußreicher Stellungen und Verbindungen in der „Gesellschaft“, in der Verwaltung und Justiz, sowie in der Armee und Marine, und endlich – last not least – mittels schreckhaft zerstörerischer Thätigkeit gegen die bestehenden Gewalten.

Wie das alles gemeint war, wurde kund, als das terroristische Exekutivkomité den Zaren, weil er keine Anstalten machte, das Programm von Lipezk-Woronesch anzunehmen und auszuführen, am 26. August 1879 zum Tode „verurtheilte“.

Das war keine strohrenommistische Phrase, sondern ein terroristisches Verdikt, gefällt von Männern, welche das Zeug hatten, mit beispielloser Kühnheit und Ausdauer an der Vollziehung desselben zu arbeiten.

So weit und bis dahin war also der oppositionelle Gedanke in Russland gekommen? Ja, so weit und bis dahin. Die Verschwörung gegen den Zarismus hatte sich zum Mordkomplott gegen den Zaren zugespitzt und die Thaten dieses Komplotts ließen nicht lange auf sich warten. Sie folgten auch einander eine geraume Weile mit furchtbarer Folgerichtigkeit. Dabei wurden die Forderungen der modernen Physik und Chemie, alle Hilfsmittel der neuzeitlichen Technik mit wahrhaft dämonischer Findigkeit in Anwendung gebracht. Der Nihilismus hat es meisterlich verstanden, die Wissenschaft in den Dienst der Zerstörung zu stellen. Um den von seinem Exekutivkomité wider Alexander den Zweiten gefällten Todesspruch in Vollzug zu bringen, verlegte er sich auf’s Miniren und Sprengen. Daß hierbei, um den Zaren zu treffen, andere Menschen, viele, vielleicht sehr viele, mitgeopfert werden müßten, scheint den Minirern und Sprengern nicht den leisesten Skrupel gemacht zu haben. Was kümmert es die geschleuderte Bombe, so sie mit ihrem Zielobjekt zugleich auch noch anderes, vieles zertrümmert?

Der Zar war im Sommer nach Livadia in der Krym gegangen. Auf der Rückreise von dort nach Petersburg im Herbste sollte er getroffen werden. Zu diesem Zweck wurden zu gleicher Zeit nicht weniger als drei Minenattentate geplant und vorbereitet, um den kaiserlichen Bahnzug in die Luft zu sprengen. Drei Minen wurden unter die Bahnlinien getrieben: eine unfern von Odessa, eine zweite bei Alexandrowsk, eine dritte bei Moskau.

Alle diese Minirarbeit war jedoch umsonst gethan: alle drei Sprengattentate schlugen fehl. Die nur halb fertiggestellte Mine bei Odessa wurde aufgegeben, weil die Verschwörer in Erfahrung gebracht hatten, daß der zarische Reiseplan geändert worden. Die Mine von Alexandrowsk sprang nicht infolge einer Mangelhaftigkeit der Zündkapsel, obzwar die elektrische Batterie im richtigen Augenblicke fungirt hatte, und so ging der Bahnzug, welcher den aus der Krym zurückkehrenden Kaiser und dessen Gefolge trug, ungefährdet über einen Abgrund weg, in dessen Tiefe ihn die Explosion unfehlbar gestürzt haben würde. Der 19. November ist der Tag, an welchem der kaiserliche Zug über die Mine bei Moskau rollen soll. Die Perowskaja ist auf dem Lugaus. Schirjajew, bei der Batterie postirt, passt auf das verabredete Signal. Es wird gegeben, die Kette geschlossen, der Blitz zuckt, der dumpfe Donner der Explosion kracht – aber er schlägt nicht ein am rechten Orte. Der von der Späherin signalisirte Zug wird gesprengt, aber es ist ein „unrechter“, es ist nicht der kaiserliche gewesen. Alexander der Zweite gelangte heil und gesund nach Petersburg. Die Minirerbande war im Hui verschwunden. Bei der amtlichen Untersuchung der gesprengten Mine wurde diese von Fachleuten als geschickt angelegt anerkannt. Die terroristische Technik hatte demnach, so zu sagen, das Doktorat erlangt.




2.

Der Nihilismus, in seiner Verwandlung zum Terrorismus, hatte demnach dem Zarismus einen systematischen Krieg angesagt, bis auf’s Messer, bis auf’s Dynamit, und er hatte selbigen Krieg thatkräftig angehoben. Diese entschlossenen Verschwörer, welche sich auf die Macht des Geheimnißvollen so gut verstanden und deren zeitweilige Ungreifbarkeit wie eine blitzesschwangere Wetterwolke über Russland hing, sind von einem ihrer Bewunderer „Idealisten höchsten Rangs“ genannt worden. Jede Zeit hat ja ihre Ideale und dem hochgelobten 19. Jahrhundert mit seinen „kolossal entwickelten Menschen“ kommt unter seinen vielen anderen Ehren auch diese zu, Mord und Zerstörung unter seine „Ideale“ eingereiht zu haben. Doch muß es auch hier wieder heißen: „Alles schon dagewesen!“ Als die Schreckensfexe von 1792–94 auf dem Altar der „Sainte-Guillotine“ ihre Hekatomben opferten, thaten sie es ja auch als „Idealisten höchsten Rangs“, als Priester ihres Ideal-Kultus der Dreifaltigkeit „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ – und der „Blutmessias“ Robespierre sammt Jüngerschaft sie ließen nie ein Mordgesetz ausgehen, ohne zuvor von „humanité“ und „vertu“ salbungsvoll zu bombastisiren. Der „Idealismus“ unserer russischen Terroristen war demnach, wie heutzutage noch so vieles andere, auch nur Imitation. Die Menschheit ist nachgerade so arm an Geist geworden, daß sie unvermögend, für neue Missethaten auch neue gleißende Begriffe und pomphafte Namen zu finden.

Die russischen „Idealisten höchsten Rangs“ waren aber zugleich hochgradige Realisten, das muß man ihnen lassen. Das Exekutivkomité verdiente redlich seinen Namen. Das Mißlingen der Attentatsversuche vom Herbste 1879 wurde ihm nur ein Sporn zu neuen Unternehmungen.

Die zunächst in’s Auge gefaßte und energisch an die Hand genommene war eine großartige. Eine so großartige, daß bei verhältnißmäßig so kleinen Mitteln nur die moderne Wissenschaft eine Möglichkeit der Ausführung gewährte. Der kaiserliche Winterpalast in Petersburg, eins der riesigsten Bauwerke, welche absolute Herrscherwillkür aufgethürmt hat, sollte in die Luft gesprengt werden. Diese Sprengung müßte ja wohl den Zaren mitsprengen. Die Insassenschaft des Schlosses zählte nach Tausenden – (6000?) – aber was hatte das zu sagen? Nichts, oder doch nur, daß diese Tausende immerhin in die Luft gehen mochten, wenn nur Alexander der Zweite mitging.

Da war seit mehreren Jahren in der russischen Hauptstadt ein Bauerssohn aus dem Gouvernement Wjatka, Stepan Chalturin, Schreiner von Handwerk und als sehr geschickter Lackirer bekannt. Allem nach ein sehr begabter Mensch, frühzeitig in den Nihilismus eingetaucht, dann ein fanatischer Bekenner des terroristischen Zerstörungsdogma’s. In den petersburger Arbeiterkreisen hatte er sich schon seit 1873 als organisatorischer Kopf und ebenso gewandter als muthiger Agitator einen großen Stand gemacht. Die Stiftung und Ausgestaltung eines „nordrussischen Arbeiterbundes“ im Jahre 1878 war vorzugsweise sein Werk. Er hatte sich auch als Zeitungsschreiber versucht und eine Geheimdruckerei angelegt, die aber bald entdeckt und aufgehoben worden war. Dieser Fehlschlag scheint den Lackirer erst so recht fanatisirt zu haben. Er ging hin, im Herbst von 1879, bot dem Exekutivkomité seine Dienste an und legte zugleich einen Plan vor, für den Fall, daß Alexander der Zweite den Minenattentaten von Odessa, Alexandrowsk und Moskau entrinnen sollte, den Winterpalast mit sammt dem heimgekehrten Zaren auffliegen zu machen.

Chalturin hat dafür gesorgt, daß wir über sein Wesen, Thun und Treiben genau und eingehend unterrichtet seien. Er hat ja schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen, eine Art von Denkwürdigkeiten, betitelt „Prebywanije Chalturina w Simnem Dworcje“ (Chalturins Aufenthalt im Winterpalast).

Der von ihm vorgeschlagene vielversprechende Plan wurde angenommen, und als der vorausgesetzte Fall eingetroffen, ging Chalturin an’s Werk. Es fiel ihm nicht schwer, im Oktober unter die nicht geringe Anzahl von Arbeitern verschiedener Handwerke aufgenommen zu werden, welche jahraus jahrein im Winterpalast beschäftigt waren und in den Kellergeschossen ihre Werkstätten hatten, sowie ihre Schlafstätten. Der Schreinerwerkstatt zugetheilt und bald um seiner Geschicklichkeit willen bevorzugt, wußte er sich so angenehm zu machen, daß er zur Weihnacht eine Gratifikation von 100 Papierrubeln erhielt und der Palastgendarm, welcher die Aufsicht über die Schreinerwerkstatt hatte, dem liebenswürdigen Lackirer seine Tochter zur Ehe antrug.

Der scharfsichtige und schlaue Nihilist hatte es bald heraus, daß die Palastpolizei eine sehr lässige und die Unordnung und Korruption der Palastverwaltung gränzenlos sei. Die Dienerschaft veranstaltete für ihre Verwandten und Bekannten Trinkgelage im Schlosse, und auf den Hintertreppen gingen Tag und Nacht Leute aus und ein, welche nicht zu den Insassen gehörten. Alles, was Finger hatte, stahl, und um nicht durch Ehrlichkeit aufzufallen und sich verdächtig zu machen, mußte auch Chalturin ab und zu [47] dies und das „konfisciren“, z. B. Eßwaaren. Den Umstand, daß ihn die ihm aufgetragenen Arbeiten in die verschiedenen Räume des riesigen Gebäudes führten, wußte er so vortrefflich auszunützen, daß er sich eine genaue Kenntniß der Oertlichkeiten, ihrer Lage und ihrer Verhältnisse zu einander verschaffte. So erlickerte er, daß der kaiserliche Speisesaal genau über dem Werkstattkeller der Schreiner lag und daß aufwärts nur eine Räumlichkeit dazwischen sich befand, das Gelaß, welches den Soldaten der jeweiligen Schloßwache zum Aufenthalt angewiesen war.

Chalturin theilte das Gesammtergebniß seiner Beobachtungen einem Mitgliede des Exekutivkomité mit, Kwiatowski, welcher beauftragt war, die Verbindung mit dem lieben Lackirer zu unterhalten und demselben den nöthigen Vorrath von Sprengstoff zu liefern. Kwiatowski fiel jedoch am 6. December der auf ihn fahndenden Polizei in die Hände, und man fand bei ihm einen sauber gearbeiteten Plan vom Winterpalast, auf welchem der kaiserliche Speisesaal mit einem rothen Kreuz bezeichnet war. Das kam der Sicherheitsbehörde doch sehr bedenklich vor, um so bedenklicher, da der inzwischen nach Petersburg zurückgekehrte Zar sein gewohntes Winterquartier am Admiralitätsplatz bezogen hatte. Es wurde daraufhin wieder einmal ein Anlauf zu strenger Wachsamkeit und gewissenhafter Untersuchung aller fragwürdigen Merkmale und Erscheinungen genommen. Alle im Palast Aus- und Eingehenden unterwarf man beim Kommen und Gehen einer scharfen Visitation – für eine Weile. Plötzliche Besuche und Untersuche, auch nächtliche, fanden in allen Theilen des Schlosses statt, besonders aber in den Kellerräumen, in den Werkstätten und in den Behausungen der Dienerschaft.

Der kühne Lackirer hat uns den Schrecken geschildert, der auf ihn gefallen, als ihn zum erstenmal die nächtliche Runde aus dem Schlafe aufstörte. Eine ganze Schar von Gendarmen, den Palastoberst an der Spitze, war in den Keller gestürmt, um den Raum und dessen Insassen, die Schreiner, zu visitiren. Schon glaubte Chalturin alles verloren, d. h. seinen großen Sprengplan verrathen und vereitelt. Denn er hatte ja unter dem Kopfkissen seiner Lagerstätte ein Pack Dynamit, welches ihm von Kwiatowski zugesteckt und von ihm nach und nach hereingeschmuggelt worden war. Wurde das entdeckt, so war alles aus.

Aber es wurde nicht entdeckt. Die Herren Gendarmen machten mit ihren Stimmen, Säbeln und Sporen viel Lärm um nichts, d. h. sie verrichteten ihre Visitationsarbeit sehr obenhin. Unter Chalturins Kopfpolster zu greifen fiel gar keinem ein. Zwar wiederholten sich eine Zeit lang diese lärmenden nächtlichen Besuche, aber sie blieben resultatlos, weil eben gerade da, wo was zu finden war, nicht gesucht wurde. Chalturin athmete auf. Die nächtlichen Ruhestörungen machten ihm keine Sorge mehr, wohl aber machte ihm solche die bedeutend erhöhte Schwierigkeit, noch mehr Sprengstoff hereinzubringen und seinen Vorrath nicht allein vor den Augen der Gendarmen, sondern auch vor denen seiner Mitarbeiter zu verbergen. Als Dynamitlieferant war an die Stelle des verhafteten Kwiatowski’s Andrei Scheljabow vom Executivkomité „delegirt“ worden und mit tausend Listen brachten es die beiden Sprenger so weit, daß Chalturin im Laufe des ersten Monats von 1880 unter seinem Kopfpolster nach und nach 3 Pud (120 Pfund) des gefährlichen Materials ansammeln konnte, ohne auch nur den leisesten Verdacht zu erregen.

Es belustigte ihn, mit den die Werkstatt visitirenden Gendarmen über den allgemeinen petersburger Gesprächsgegenstand von dazumal, über Nihilisten, Socialisten und Terroristen zu plaudern. „Ja, ja,“ sagte da wohl einer der Säbelträger, „das rothe Kreuz auf dem Palastplan das haben die Schurken nicht für nichts und wieder nichts hingemalt. Es muß wo im Schlosse Verrätherei stecken. Es müßte hübsch sein, so einen Vogel zu fangen.“ Darauf der Lackirer mit geschickt vorgesteckter Schafsmiene: „Aber wie soll man denn so einen Schubjak erkennen? Steht es ihm doch nicht auf der Stirne geschrieben, daß er ein Nihilist.“ Zur Antwort wieder einer der Gendarmen: „Du dummer Muschik, was, du glaubst, wir vermöchten so einen Kerl von Nihilisten nicht zu erkennen? Sofort erkennt man ihn; denn der schaut hoch herab, sieht verzweifelt aus und fürchtet sich vor nichts. Den erkennst du gleich, Bruder. Aber nimm dich vor ihm in acht; denn im Umsehen jagt er dir eine Kugel in den Leib.“




3.

Mit Scheljabow, welchen das Exekuktivkomité zum obersten Leiter der ganzen Unternehmung bestellt hatte, pflegte Chalturin am späten Abend auf dem Admiralitätsplatze zusammenzutreffen. Ihr flüchtiges und flüsterndes Gespräch verrieth mitunter, daß die beiden Verschwörer verschiedener Meinung waren. Nicht hinsichtlich des mörderischen Vorhabens, aber inbetreff der Ausführung.

Scheljabow nämlich vertrat die Ansicht des Exekutivkomité, daß es räthlich, den kaiserlichen Speisesaal, während der Zar mit seiner Familie bei Tische wäre, in die Luft zu sprengen. Dabei würde eben „nur“ die kaiserliche Familie, sowie „etwa noch“ die Soldaten von der Palastwache im Mitteltrakt des Schlosses vernichtet werden, und das „genüge“. Chalturin dagegen bestand darauf, den ganzen Winterpalast zu sprengen. „Denn – meinte er – die Zahl der unschuldigen Opfer wird so wie so groß sein. Darum ist es besser, möglichst viel Dynamit anzuwenden, damit die Leute wenigstens nicht „umsonst“ getödtet werden und damit Er selbst ganz bestimmt mitgesprengt werde, so daß wir dann nicht genöthigt sind, noch weitere Attentate zu vollführen“. Scheljabow jedoch blieb dabei, daß es genüge, den Speisesaal in die Luft zu sprengen, und daß hierzu das bereits angesammelte Sprengmaterial ausreiche. Der Lackirer fügte sich widerwillig und setzte dann seinem Genossen auseinander, daß zur Ermöglichung des Anschlags ein Zusammentreffen günstiger Umstände nöthig sein würde. Die Mittagsmahlzeit der kaiserlichen Familie fand nicht immer genau zur selbigen Zeit statt, sondern unter Umständen eine halbe Stunde früher oder später. Schon dadurch konnte der ganze Mordplan zunichtegemacht werden. Sodann war es unbedingt erforderlich, daß genau zu derselben Zeit, wo der Zar im Speisesaale sich befände, Chalturin allein unbeaufsichtigt in seiner Kellerwerkstatt wäre, um das Letzte „am Werke“ thun zu können.

Zu diesem Letzten fühlte sich der Lackirer, als der Februar herangekommen, immer mehr gedrängt. Ohnehin krank, wie er war – lungenkrank – vermochte er auf der Mine unter seinem Kopfkissen nicht mehr zu schlafen; denn der vom Nitroglyzerin ausströmende Giftdunst bereitete ihm furchtbare Kopfschmerzen. Den also körperlich Leidenden stachelte die beständige Angst, daß er jeden Augenblick errathen und verrathen werden könnte, in eine Ueberreizung der Nerven hinein, deren Beherrschung eine wunderbare Willenskraft und Verstellungskunst erforderte. Indessen war er sich klar, daß er das alles nicht lange mehr aushalten könnte, und er eilte daher zum Ende. Er that in den seltenen Augenblicken, wo er in der Werkstatt allein und gänzlich unbeobachtet war, die 120 Pfund Dynamit in seinen Koffer und verbarg das vulkanische Zeug so gut wie möglich unter Kleidern und Wäsche. Dann stellte er den Koffer in einen dunklen Winkel zwischen zwei Grundmauern, nachdem er sich vergewissert hatte, daß dieser Winkel gerade unter dem Wachtlokal und folglich auch unter dem kaiserlichen Speisesaal gelegen sei. Hierauf füllte er zwei Leitröhren mit einer eigens hierzu gefertigten Zündmasse und brachte die geschickt an und in dem Mauerwerk versteckten Röhren mit dem Innern seines Koffers in Verbindung. So war diese Koffer-Mine hergestellt, geladen, zündbereit.

Wenn die Späher und Sbirren der „dritten Abtheilung von Sr. Majestät eigener Kanzlei“ schärfere Augen und feinere Ohren gehabt hätten, als sie hatten, müßte ihnen ein zwar unscheinbares, aber nicht unwichtiges Geschehniß aufgefallen sein, welches eine Reihe von Abenden hindurch auf dem Platze vor dem Winterpalast sich wiederholte. Da begegneten einander regelmäßig zwei Männer, beide im Arbeiteranzug, der eine groß und stattlich, der andere klein und schmächtig. Sie begrüßten einander nicht, blieben auch nicht stehen und ihr ganzer Verkehr beschränkte sich darauf, daß, während sie an einander vorübergingen ohne sich anzusehen, der Schmächtige vor sich hinflüsterte: „War nicht möglich!“ oder auch nur: „Nitschewo!“

Am Abend vom 5. (17.) Februar 1880 fand diese Begegnung abermals statt. Dem so eben auf dem Platz angelangten Scheljabow kam von der Palastseite her Chalturin eilends entgegen. „Gotowo!“ keuchte er athemlos. Kaum war dieses „Fertig!“ gesprochen und vernommen, als die Bestätigung des Wortes erfolgte in Gestalt einer furchtbaren Donnerung, die vom Palast herkam, allwo im selbigen Augenblick alle Lichter erloschen.

Die von Chalturin entzündete Lunte hatte die Mine erreicht. Sie war ausgeborsten. Aber hatte der Schlag getroffen?

[48] Die beiden Attentäter starrten, eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, umsonst nach dem Schlosse hin, in welchem und um welches her ein gränzenloser Wirrwarr sich erhob. Sie sahen nur noch todte und verwundete Gardesoldaten aus dem Thore tragen. Dann wagten sie nicht, länger zu bleiben, sondern eilten davon, um ihren gewohnten Unterschlupf aufzusuchen.

Getroffen hatte der Schlag wohl, nur nicht den, welchem er gegolten. Chalturin hatte mit diabolischer Kaltblütigkeit den Moment berechnet, wo der Zar mit seiner Familie in den Speisesaal getreten sein würde, um sich zur Tafel zu setzen. Er hatte die Zeit bis auf die Minute hin zu erspähen gewußt. Als die Minute gekommen und er in der Werkstatt allein war, that er den zündenden Funken an die Leitröhre zur Mine und entwich, so schnell er konnte, aus dem Palast. Aber die Rechnung hatte einen Fehler: es war in dieselbe eine Ziffer, welche Zufall hieß, nicht eingestellt worden. Ein fürstlicher Gast, den die kaiserliche Familie zur Tafel erwartete, hatte sich eine Verspätung zu schulden kommen lassen. Demzufolge begab sich Alexander der Zweite etwas später als gewöhnlich auf den Weg zum Speisesaal und das rettete ihn, seine Familie und sein Gefolge. Denn bevor der Zar in die Nähe des bedrohten Raumes gekommen, barst Chalturins Mine los, schlug mit furchtbarer Gewalt aufwärts, zertrümmerte Mauern, Böden und Decken, tödtete 10 und verwundete 53 Soldaten vom finnländischen Garderegiment in dem Wachtlokal und trieb ihre verheerende Wirkung bis hinauf in den kaiserlichen Speisesaal.

Derweil die Insassen des Schlosses von Entsetzen betroffen waren, erwachte der mörderische Sprenger, welcher ohne die geringste Gewissensregung das Leben von Hunderten auf’s Spiel gesetzt hatte, aus einer Ohnmacht, in welche er, kaum in der Nihilistenherberge angelangt, gefallen war. Seine ersten Worte lauteten. „Ist Er hin?“ Man wußte ihm keine Auskunft zu geben. Denn erst im Verlaufe vom 6. Februar erfuhren die Verschwörer, daß Alexander der Zweite ganz unverletzt der fürchterlichen Gefahr entgangen sei. Der Lackirer brach darob in Wuth aus und überhäufte Scheljabow und alle vom Exekutivkomité mit wilden Vorwürfen, daß sie seinen Plan, den ganzen Winterpalast zu sprengen, nicht angenommen und durch Nichtlieferung einer ausreichenden Menge Dynamits vereitelt hätten. „Ich schwör’ euch“ – schloß er seine Zorn- und Scheltrede – „daß ich nicht ruhen werde, bis Er hin!“ Dieser Schwur ist ein Jahr später zwar nicht von dem Schwörer selbst, aber von anderen grässlich eingelöst worden.

Chalturin vermochte ungefährdet Petersburg zu verlassen. Er trieb sich dann in Moskau, Kiew und Odessa herum, immer mordlustig und mordbereit. Im Jahre 1882 ereilte ihn das wohlverdiente Schicksal. Als er am 18. (30.) März seinem Genossen Schelwakow bei der Ermordung des Staatsanwalts Strelnikow in Odessa geholfen, wurde er noch an demselben Tage verhaftet. Am 22. März sind Schelwakow und Chalturin aufgegalgt worden, wie recht und ziemlich. Erst hernach wurde in Erfahrung gebracht und amtlich festgestellt, daß der in Odessa gehenkte Chalturin der Lackirer, Minenleger und Zünder vom Winterpalast gewesen sei.[1]




Deutschlands Kolonialbestrebungen.

Ein Besuch in einem Papuadorfe auf Neu-Guinea.
Für die Gartenlaube mitgetheilt von Dr. O. Finsch.[2]

Die Zahl unsrer farbigen Schützlinge wächst unaufhörlich und hat neuerdings durch die Menschenfresser der Südsee-Inseln eine interessante Bereicherung erfahren. Die deutschen Kolonialpolitiker, die vor einigen Jahren für die Kolonisation jener Inseln in Feuer und Flammen standen, sehen jetzt ihre Wünsche, zum Theil wenigstens, verwirklicht. Wenn nicht auf Samoa, so weht doch wenigstens auf einem Theil von Neu-Guinea, auf Neu-Britannien und Neu-Irland die deutsche Flagge. Für die gelehrte Welt bildeten jene „paradiesischen Eilande“ seit Jahren ein höchst anziehendes Forschungsgebiet; Zoologen, wie Darwin und Wallace, brachten von ihnen eine Fülle neuer wunderbarer Berichte, und Anthropologen und Ethnographen haben bis jetzt das interessante Menschenmaterial, das sich dort darbietet, kaum bewältigen können. Aber aus diesen Gründen ist das deutsche Protektorat über jene Inseln nicht verkündigt worden. Dies geschah im wohlverstandenen Interesse derjenigen deutschen Kaufleute, die dort im Wettstreite mit anderen seefahrenden Nationen eine angesehene Stellung sich zu erringen gewußt und die einen wichtigen Theil des dortigen Handels in ihren Händen haben.

Die Auswahl jener Produkte ist hier allerdings nicht groß, und im Grunde genommen giebt es nur einen Handelsartikel, der von der Südsee in großen Massen nach Europa gebracht wird: die Kopra, das heißt den in Streifen geschnittenen und in der Sonne getrockneten Kern der Kokosnuß. Diese Waare wird jedoch erst seit neuerer Zeit gehandelt, früher kaufte man statt derselben von den Eingeborenen fertiges Kokosnußöl. Das Geschäft war aber nicht besonders lohnend, der Transport in Fässern unbequem und außerdem gelangte das Oel in verdorbenem Zustande nach Europa. Da beschloß die Hamburger Firma Godeffroy, bei den Südsee-Insulanern die Kopra aufzukaufen, die jetzt in Europa ausgepreßt wird. Das Geschäft erwies sich lohnender, namentlich als die Fabrikation des Kopra-Oels solche Fortschritte gemacht hatte, daß man Kokosnußöl von der Güte des echten Olivenöles auf dem europäischen Markte verkaufen konnte. Ohne Kopra wären die Südsee-Inseln für den Kaufmann ziemlich werthlos, da in den andern Artikeln, wie Schildkrot, Perlmuscheln, Wachsnüssen etc. ein namhafter Umsatz nicht erlangt wird und die spärlichen Plantagen der Weißen zu einer besonderen Blüthe noch nicht gereift ist.

So ist dort das Geschäft ziemlich einfach. Zerstreut auf den einzelnen Inseln wohnen die weißen Händler in einfachen Häusern, die mit Palissaden aus starkem Bambus umgeben sind. Hier empfangen sie die Eingeborenen, welche die Kopra in kleinen oder größeren Körben bringen und für ein Pfund dieser Waare etwa einen Fingerhut Perlen verlangen. Oder sie fahren in starken Böten von Dorf zu Dorf, um die Kopra an Ort und Stelle aufzukaufen. Diese Händler betreiben das Geschäft in der Regel für irgend eine Firma, deren Schiffe von Zeit zu Zeit die betreffende Insel anlaufen, die Kopravorräthe mitnehmen und den Händler von Neuem mit europäischen Waaren versorgen. Das ist der gleichartige Kreislauf, in dem sich der Südseehandel bewegt, und der nur durch Streitigkeiten und Kämpfe mit den wilden Eingeborenen unterbrochen wird.

Auf den Inseln, die jetzt zum Theil unter das deutsche Protektorat gestellt worden sind, gehören die Einwohner dem Papuastamme an. Ihre Sitten und Lebensgewohnheiten werden in dem hier folgenden Artikel von Dr. O. Finsch, der jetzt im Auftrage der Reichsregierung sich in der Südsee aufhält, ausführlich und lebenswahr nach eigener Anschauung geschildert. Der interessante Bericht sowie die ihn begleitende Illustration sind von dem berühmten Reisenden an Ort und Stelle für die „Gartenlaube“ entworfen worden, und wir freuen uns, dieselben gerade in diesem Augenblick unseren Lesern bieten zu können.

*     *     *

An der Südostküste Neu-Guineas liegt Aroma, eine der fruchtbarsten und reichsten Landschaften. Sie erstreckt sich längs Kepel-Bai und zählt auf einer Entfernung von nur 12 bis 15 Seemeilen an 32 Dörfer und Siedelungen. Von See aus sieht man wenig von denselben, da sie meist durch einen dichten Gürtel hoher Pandanusbäume, welcher die niedrigen Dünen des breiten ebenen Sandstrandes bekleidet, verdeckt werden. Hinter diesen Dünen ist äußerst fruchtbarer Boden, mit wahren Wäldern [49] von Kokospalmen, und in der Nähe derselben, in reichen Plantagen von Bananen, Jams, Taro, Zuckerrohr und dergleichen liegen die Siedelungen der Eingeborenen versteckt. Die Bevölkerung ist also eine sehr zahlreiche und mag leicht etliche Tausende betragen, wobei nur der Küstenstrich in Betracht kommt. Weiter im Innern der Insel, deren schön gegliederte namenlose Gebirge aus der Ferne sichtbar sind, leben andere rassenverwandte Stämme, die indeß eine ganz verschiedene Sprache sprechen und mit den Küstenbewohnern nur zum Theil in Tauschverkehr stehen, mehr aber mit ihnen kämpfen.

Maupa auf Neu-Guinea.
Nach der Natur für die „Gartenlaube“ gezeichnet von Dr. O. Finsch.

Die Papuas von Aroma sind ein schöner Menschenschlag von hohem Wuchse, gut gebaut, mit fleischigvollen Gliedern und machen den Eindruck heller Menschen. In der That ist die lichtkupferbraune Farbenvarietät, wie ich sie allenthalben in Melanesien antraf, ziemlich häufig, ja vielleicht zahlreicher als anderwärts, doch herrscht auch hier, wie überall an der Südostküste Neu-Guineas, ein dunkles Kupferbraun vor. Schwarze Menschen, wie man sich gewöhnlich die Papuas vorstellt, sah ich nirgends. Die Bekleidung, soweit überhaupt von solcher die Rede sein kann, ist die allgemein übliche, das heißt die Männer tragen ein ein bis zwei Zoll breites Band aus Baumbast (Tapa) oder meist nur einen dünnen Baststrick kreuzförmig um den Leib geschlungen, die Weiber einen Rock aus mehr oder minder feingespaltenen Blättern der Sagopalme oder Pandanus, der von den Hüften bis etwa zum Knie reicht. Außerdem giebt es sehr mannigfachen Schmuck für Arme, Brust, Hals und Haar, welches letztere nach Papuaweise in Gestalt einer hohen kräuslich-flockigen Wolke den ganzen Kopf bedeckt und die am meisten gepflegte Zier für Männer und Mädchen bildet. Verheirathete Frauen scheeren das Haar kurz oder rasiren es wohl ganz; doch kommt beim weiblichen Geschlecht noch eine andere Ausschmückung des Körpers hinzu, die Tätowirung. Sie erstreckt sich zuweilen über alle Körpertheile und hat, wie überall, den Zweck der Verschönerung, gleichsam als Ersatz für unsere Kleider.

Wie an manchen anderen Orten in Neu-Guinea herrscht auch in Aroma eine Theilung des Erwerbes. Während das eine Dorf sich fast nur mit Fischfang beschäftigt, ist ein anderes in der Anfertigung von Canoes berühmt und ein drittes liefert den beiden ersteren im Austausch die Erzeugnisse des Bodens. Dieses Verhältniß findet sich auch in Maupa, dem größten Dorfe der Aroma-Landschaft, indem es ein eigenes Fischerdorf besitzt, dessen circa 200 Einwohner nur dieses Gewerbe betreiben und das landbauende Maupa mit den Erzeugnissen des Meeres versorgen.

In diesem Fischerdorfe erschien Goapäna, der Häuptling von Maupa und zugleich der mächtigste Mann der ganzen Gegend, mich zu begrüßen. Er war eine hohe, athletenhafte Erscheinung, der meine Körperhöhe (1,80 m) noch um Etwas übertraf, dabei [50] von breiter Brust und mächtigem Gliederbau, und konnte als schön gelten, hätten nicht Pockennarben sein Gesicht verunziert. Jedenfalls war Goapäna nicht nur der kräftigste und am besten gebaute Mann, den ich in der Südsee gesehen, sondern in ihm erblickte ich zum ersten Mal einen Häuptling, wie man ihn sich gewöhnlich vorstellt. Seine aufrechte Haltung, mit hochgehobenem Kopfe, sein elastischer, graziöser, fast theatralischer Gang hatten etwas ungemein Imponirendes. Eine bessere Feder als die meine würde in diesem Manne selbst den Helden der letzten Mohikaner in den Schatten stellen, an den mich die indianerhafte Gesichtsbildung, mit der gekrümmten Nase und den blitzend schwarzen Augen lebhaft erinnerte. Sein Ausputz war geringer als der jedes gewöhnlichen Papua-Stutzers, aber die beiden langen Wedel aus Papageienfedern auf seinem Vorderkopfe und die Kette aus Muschelringen mit einem mächtigen, fast zirkelrunden Schweinshauer auf der Brust vollendeten den Häuptling vom Scheitel bis zur Sohle.

Wir gingen nach seinem Dorfe, und Goapäna schulterte meine Vogelflinte, mit der ich zu seiner großen Ueberraschung einen Milan aus ziemlicher Höhe im Fluge herabschoß. Er forderte mich nun auf, mehr Vögel zu schießen, selbst wenn sie mehrere hundert Schritt entfernt waren, und wollte es nicht einsehen, daß die Tragkraft einer Feuerwaffe ebenfalls ihre Grenze hat. Irgend ein Weißer hatte ihm aufgebunden, die Kugel reiche bis über die nächsten Berge, wie es überhaupt so häufig die falsche Art des Europäers Eingeborenen gegenüber ist, ihnen Wunderdinge vorzuflunkern.

Wir waren kaum eine halbe Stunde längs dem Strande hingegangen, als Goapäna links abbog, und nachdem wir eine niedrige Dünenkette überschritten, lag seine Residenz, Maupa, umrahmt von einem Kokospalmenwalde, vor uns. Der Anblick war überraschend, denn nirgends bisher hatte ich in der Südsee eine so große Ansiedelung Eingeborener gesehen. Das war kein Dorf mit im Gelaube versteckten, von einander entfernt stehenden Häusern, wie in Neu-Britannien, sondern diesen Häuserkomplex, Giebel an Giebel, Straßen bildend, konnte man eine Stadt nennen. Von Weitem gesehen erinnerte der Ort mit seinen hohen, spitzen, grasbedeckten Dächern gar sehr an gewisse Landstädtchen bei uns, und es fehlte nur ein alter wettergebräunter Kirchthurm, um das Bild zu vervollständigen. Freilich müßte man sich statt der Kokospalmen Kiefern oder Fichten, statt der Bananenplantagen Korn- oder Kartoffelfelder dazudenken. Wir waren eben in den Tropen, wie dies auch die Hitze von 28° R. bewies, und recht froh, in Goapäna’s Haus ein schattiges Unterkommen zu finden. Dasselbe unterschied sich übrigens weder durch Größe noch Ausschmückung von allen übrigen. Der Baustil in Aroma weicht in vielen Stücken von dem sonst in Neu-Guinea herrschenden ab und zeichnet sich besonders durch das hohe, spitzbogige Dach aus, dessen senkrechter Giebel an der Vorderfront höher ist als an der hinteren, sodaß die Dachfirste eingebogen verläuft. Dieses hohe Dach aus Riedgras oder Pandanusblatt ruht auf behauenen an zehn Fuß hohen Baumstämmen, die in etwa vier Fuß Höhe die Hausdiele tragen, zu der ein schräg angelehnter Baumstamm den Aufgang bildet. Dem Gebäude fehlen nur die Seitenwände, um es zu einem regelrechten Hause von etwa 30 Fuß Länge und 10 Fuß Breite zu machen, aber dieser offene luftige Raum entspricht dem Klima am besten. Die Diele besteht aus dicken, zwei Fuß breiten Planken, wie die Decke, welche zugleich die Diele des Bodens bildet. Die Deckplanken sind auf der Unterseite mit erhabener Schnitzarbeit, meist breite Sägezähne darstellend, versehen und müssen unendliche Mühe und Zeit gekostet haben, wenn man bedenkt, daß dieselben, wie das ganze Gebäude, nur mit Steinäxten hergestellt werden. Wer diese einfachen Werkzeuge bisher nur in Museen mit verächtlichen Augen angesehen, würde beim Anblick dieser kunstgerecht aufgebauten Häuser gewiß, wie ich, in Erstaunen ausbrechen und diesen sogenannten Wilden seine Bewunderung nicht versagen. Freilich haben sie Zeit, viel Zeit; Zeit ist noch nicht Geld bei ihnen, denn die Herstellung einer Planke erfordert allein mehrere Tage Arbeit, da ein großer Baumstamm nur zwei Planken liefert. Solcher Häuser zählt Maupa an 250, welche 1200 bis 1500 Menschen ein Obdach gewähren, wie es nicht alle bei uns daheim besitzen. Und in einem solchen Orte giebt es keinen Gendarm, keinen Steuereinnehmer, keinen Zöllner oder Exekutor, und es geht doch, ohne daß sich die Menschen einander todtschlagen und berauben. Denn Diebstahl muß sehr selten sein, da in den offenen Häusern Alles frei und offen umherhängt, auch die Lebensmittel; es giebt auch keine wirklich Armen.

Als ich mit Goapäna etwas näher bekannt wurde, entdeckte ich in ihm zu meiner Ueberraschung einen doppelten Kollegen. Er war nicht allein ein „lohiapata“ (großer Häuptling), wie ich mit meinem kolossalen, leider immer mehr dahinschmelzenden Reichthume (an Tabak nämlich) als solcher allenthalben in Neu-Guinea gelte, sondern er machte auch in Anthropologie. Zunächst mußte ich Hemdsärmel und Beinkleid aufstreifen, um die Weiße meiner Haut zu zeigen, die im Allgemeinen gefiel, dann untersuchte er mein Haar, ganz wie ich es mit den Kanaka zu thun pflege. Er tadelte meinen Bart, da die Schönheiten Maupas einen solchen abscheulich finden, und riß sich, seinen Vortrag illustrirend, den schwachen Nachwuchs von Haaren an seinem Körper aus. Auch für europäische Ethnographie interessirte sich Goapäna. Nicht aber so, daß er meine Kleider, Waffen u. dergl. begehrte – solche Gegenstände erschienen überflüssig und lästig – er war vollständig mit meinem Tabak zufrieden, von dem ich ihm zur Besiegelung des Freundesbundes eine Stange verehrte. Er fand „meinen“ Tabak natürlich ausgezeichnet, denn es ist bei den meisten Kanaka herrschende Ansicht, daß der weiße Mann Alles, was er mit sich führt, vom Gewehr bis zur Stecknadel selbst gemacht hat, wie der Farbige seine Speere, Netze etc. Leider mußte ich es ablehnen, die Friedenspfeife mit ihm zu rauchen, da der papuanische „Baubau“, wie dieses unumgänglich nöthige Rauchgeräth heißt, mir zu umständlich ist, – hier sogar es zu beschreiben. Auch reizte mich die Tabakshülle, ein dickes Blatt, oder vielmehr dessen Rauch nicht sonderlich.

Ich schickte mich zu einem Gange in die Stadt an und forderte Goapäna auf, mich zu begleiten. „Werden sie Dich auch todtschlagen,“ war der trostreiche Ausspruch, mit welchem er mir zögernd voranschritt. Freilich hatte Maupa schon Weiße in seinen Straßen gesehen, aber doch nur höchst selten, und so war es kein Wunder, daß wir bald von einer mehr und mehr wachsenden Menschenmenge umringt wurden, unter der sich wie allenthalben die liebe Jugend hervorthat. Wahrscheinlich machten sie allerlei schlechte Bemerkungen, vielleicht über meinen abgeschabten Filzhut, den struppigen rothen Bart etc., aber die Menge betrug sich doch sehr zurückhaltend. Wäre ich mit Goapäna in seinem Federbusche unter den Linden Berlins Arm in Arm einhergegangen, wie er mit mir in Maupa, so würde es wohl einiger Schutzleute bedurft haben.

Maupa besitzt einige ziemlich gerade Straßen, eine Menge Querstraßen und Gäßchen, in denen es reinlich aussieht. Namentlich gefiel es mir, die lieben Schweine hier meist sorglich eingezäunt zu finden. Wie es einem Anthropologen gebührt, hatte Goapäna auch eine Sammlung angefangen. Sie ist öffentlich, kostet nichts, weder Entrée noch Trinkgeld an Aufwärter, ist im Mittelpunkte der Stadt, stets geöffnet, entspricht also ganz den Anforderungen, welche wir an ein solches Institut stellen, und interessirte mich natürlich ganz besonders. Als wir auf dem Tanzplatze des Ortes, einem großen von Giebelfronten der Häuser fast ganz umrahmten Viereck, anlangten, erblickte ich eine aus Baumstämmen gebaute etwa 3 Fuß hohe Plattform mit einer Art Galgen, an welchem 19 Menschenschädel, zierlich mit Bändern aus Bast und Blättern geschmückt, aufgehangen waren. Das war Goapäna’s Museum, in dessen Besitz ich mich natürlich gern gesetzt hätte. Aber ich sah wohl, daß dies nicht anging, denn die Sammlung war Kommunaleigenthum, und mein ganzes Vermögen würde nicht ausgereicht haben, um all die Partner in Tabak zu befriedigen, selbst wenn dieselben in den Kauf gewilligt hätten. So begnügte ich mich, den schauerlich schönen Tanzplatz zu zeichnen, sehr zum Verdruß meines Sancho, eines schwarzen Burschen aus Neu-Britannien, dem beim Anblick der vielen Schädel doch nicht recht wohl war. „Von wem rühren diese Schädel her?“ fragte er mich, und ich erwiderte ihm tröstend: „Alle von weißen Männern; bald kommen wir an die Reihe!“ „Geschieht Dir schon recht, warum hast Du meine Muskete und Deinen Revolver zurückgelassen! Diese Kannibalen werden uns aufessen wie Hühner“, gab er zurück und mochte dabei an die Gebräuche seiner Heimath denken. Hier hatte ich ihn vor mehr als Jahresfrist selbst bei einem Kannibalenfeste getroffen, das ich für die „Gartenlaube“ beschrieb und zeichnete, welcher Beitrag, wie ich seither erfuhr, [51] indeß keine Aufnahme fand, wegen des „gar zu schaurigen“ Bildes. Um einem ähnlichen Schicksale zu entgehen, lasse ich diesmal die Skizze des Schädelplatzes weg und gebe die eines friedlichen Stilllebens in der Dorftraße, wie ich es von Goapäna’s Hause aus skizzirt hatte. Der ersehnte Revolver würde mir übrigens selbst im schlimmsten Falle wenig genützt haben. Ich kannte ihn; er hatte mich schon einige Mal schmählich im Stich gelassen, wenn es sich darum handelte, den Eingebornen die Ueberlegenheit von Feuerwaffen zu demonstriren. Statt „bang“ machte er zuweilen nur „pink“, das heißt versagte. Uebrigens was nützt ein Revolver, selbst der beste, wenn man von ein paar hundert Kannibalen und mehr umringt ist? Gar nichts! denn nur ein Schuß und im nächsten Augenblick hat man soviel Speere im Leibe, daß man das Aufstehen vergißt. Ich kenne solche Fälle!

Auch an ein Tauschgeschäft war mit dem wackeren Goapäna nicht zu denken. Die Leute in Maupa haben nämlich die sonderbare Marotte, nur solche Schädel ihrem Museum einzuverleiben, deren Besitzer von ihnen erschlagen wurden. Andere Schädel als die ihrer sogenannten, übrigens häufig heimtückisch erschlagenen Feinde haben keinen Werth für sie. Außerdem hatte man bereits angefangen, Rassenschädel zu sammeln. Die kaukasische fehlte zwar noch, aber sieben Mongolen zierten bereits das luftige Gerüste und hatten sich dieses Schicksal selbst zuzuschreiben. Sie waren in einer Djunke weither gekommen, von Hongkong oder Kanton, und wollten Trepang fischen. Das wäre auch alles ganz gut gegangen, aber sie machten sich mehr um die Weiber von Maupa zu schaffen, als diesen und den Männern lieb war; man hieß sie also gehen. Statt dessen hetzten die Chinesen einen bösen Hund auf die Eingebornen, der Einen arg zurichtete. Das steigerte die Aufregung. Aber auch jetzt wäre es noch gut gegangen, hätte man das verlangte Beil und nicht blos ein paar Stückchen Tabak als Schmerzensgeld bezahlt. Aber die biederen Chinesen forderten das Schicksal heraus, denn statt sich einzuschiffen, kehrten sieben von Bord an Land zurück und feuerten auf die Eingebornen. Auch jetzt wäre es noch gut gegangen! Aber die Söhne des Reichs der Mitte verstanden nicht mit dem Gewehr umzugehen. Es kehrten nur drei der Chinesen an Bord der Djunke zurück, die nun schleunigst unter Segel ging, aber unglücklicher Weise bei Ebbe auf eine Bank lief. Die Eingebornen, durch ihre Erfolge kühn gemacht, stürmten nun das Schiff, und auch jetzt hätte es zehn nur einigermaßen guten Schützen gelingen müssen, sie zurückzutreiben. Die Chinesen schossen zwar, und noch dazu mit Hinterladern, aber ohne nur Einen zu verwunden, und so fielen weitere drei, während sieben im Boote entkamen. Sind die Eingebornen deswegen zu tadeln? Ich glaube nicht, und die Ansicht des Kommandeurs eines englischen Kriegsschiffes, der den Fall zu untersuchen hatte, war gleichlautend.

Was uns anbelangt, so waren die guten Maupaner diesmal nicht auf unsere Schädel erpicht, und wir kamen ungeschoren in Goapäna’s Haus zurück, wo inzwischen das Essen angerichtet war. Das Parlor dient in einem Papuahause zugleich auch als Dining-Room und Küche, das heißt in der Mitte der Diele ist eine fast nie erlöschende Feuerstelle errichtet, auf welcher in mächtigen Töpfen stets etwas brodelt und kocht. Diesmal schien der Inhalt ein ganz besonders reicher, denn es entwickelten sich aus den verschiedenen Töpfen gekochtes Känguru- und Schweinefleisch, Bananen, Jams, Brotfrucht und in Fett gebackene Klöße aus Arrowrootmehl, gewiß eine Fülle, wie sie Tausende daheim sich nur wünschen würden. Auch Suppe, wirkliche „Fleschbrie“ aus Känguruschwanz gab es, und die Speisen waren reinlich und nett in Holzschüsseln und auf frischen Bananenblättern servirt. Die ganze Familie nahm übrigens an dem Mahle theil, und auch ich wurde aufgefordert zuzulangen, eine Gastfreundschaft, die mich überraschte. Denn der Papua verlangt für Alles und Jedes Bezahlung; selbst wenn man einem Kranken Medicin giebt, will er bezahlt sein: fürs Einnehmen! Goapäna wich von dieser Sitte selbst als Held und König nicht ab: er klopfte sich auf den Bauch. Ich wußte, was das zu bedeuten hatte, und bald dampfte der Baubau mit meinem Tabak. Der heftige Qualm mahnte mich zugleich zum Aufbruch, und so schied ich von der Papua-Idylle Maupa und ihrem gewaltigen Häuptlinge. Ich lud Goapäna noch zu einer guten Flasche Liebfrauenmilch in den Bremer Rathskeller ein, den ich, Gott sei’s geklagt, nach meiner inneren Ueberzeugung, als ein unvergleichlich besseres Getränk als die allerbeste Kokosnußmilch beschrieb, bezweifle aber, daß er seine Zusage halten wird. Jedenfalls nahm ich nicht nur die beste Erinnerung an ihn, sondern auch den Abguß seines Heldengesichts in Gips mit.


Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.

Die Weltuhr.

In dem jetzigen Zeitalter des Dampfes und der Elektricität, in welchem durch Eisenbahnen Entfernungen auf der Erdoberfläche gewissermaßen abgekürzt und durch Telegraphen sogar fast ganz aufgehoben werden, machen sich die Unterschiede der Orts-Zeiten um so mehr bemerklich. Reist man von Berlin nach Paris, so findet man, daß die Taschenuhr, welche nach Berliner Zeit gestellt war, gegen die Pariser Uhren um 44½ Minuten vor geht, während bei einer Reise nach Moskau die Taschenuhr um 1 Stunde 36½ Minuten nach gehen würde. Die Zeitunterschiede werden immer größer, je weiter man nach West oder Ost reist. Am auffallendsten treten dieselben bei Anwendung des elektrischen Telegraphen auf. Wird z. B. eine Depesche in London Mittags 1 Uhr nach New-York aufgegeben, so muß dieselbe Morgens 8 Uhr 4½ Minuten desselben Tages dort sein, während eine Depesche, in New-York Mittags 1 Uhr nach London aufgegeben, dort Abends 5 Uhr 55½ Minuten eintreffen wird, obwohl zur Beförderung der Depesche nur wenige Minuten nöthig sind.

Alle derartige Zeitdifferenzen werden hervorgebracht durch die Verschiedenheit der Orts-Zeiten, welche wiederum bedingt sind durch die Lage der Orte nach geographischer Länge.

Eine Vervollkommnung unserer Uhren, wonach dieselben nicht allein die Zeit des Ortes zeigen, für welchen sie gestellt sind, sondern zugleich auch fortlaufend die lokalen Zeiten der wichtigsten Orte der Erde angeben, ist nun gewiß ganz zeitgemäß.

Bei der oben abgebildeten Uhr, die von Otto Wigand in Zeitz hergestellt wird, ist dies schwierig scheinende Problem in einfachster Weise gelöst. Innerhalb eines in 24 Stunden getheilten Zifferblattes, auf welchem die 12 Tagstunden und 12 Nachtstunden besonders markirt sind, dreht sich eine Scheibe, auf welcher alle diejenigen Orte, für welche die Orts-Zeiten verglichen werden sollen, entsprechend ihrer Lage nach geographischer Länge eingezeichnet sind.

Die Scheibe macht (wie die Erde, welche sie darstellt) in je 24 Stunden einen Umlauf, und mit ihr zugleich auch der Stundenzeiger. Dieser wird über denjenigen Ort auf der Scheibe fixirt, für welchen der Apparat als gewöhnliche Uhr dienen soll. In Berlin wird man also den Stundenzeiger über den Punkt, welcher Berlin bezeichnet, in Petersburg über den von Petersburg feststellen etc. Der Minutenzeiger, welcher, wie bei jeder anderen Uhr, in jeder Stunde einen Umlauf macht, vervollständigt den Apparat zu einer gewöhnlichen Uhr. Ein dritter Zeiger, welcher sich durch seine Form und weiße Farbe deutlich von den beiden anderen unterscheidet, läßt sich leicht auf der Achse drehen und dient zur Vergleichung der lokalen Zeiten. Man hat zu dem Zweck nur nöthig, denselben über den Ort zu stellen, für welchen die augenblickliche Zeit gesucht werden soll, um sofort an seiner Spitze dieselbe ablesen zu können. Zeigt z. B. ein nach Leipziger Zeit gehender Apparat Nachmittags 3 Uhr 10 Minuten, und man will wissen, wie spät es in demselben Augenblick in Sydney ist, so dreht man den weißen Zeiger über Sydney, welcher dann 12 Uhr 25 Minuten Nachts als die gesuchte Zeit angeben wird. Aus der mit eingezeichneten Datumgrenze erkennt man zugleich, daß um diese Zeit in Sydney der folgende Tag bereits angebrochen, während es beispielsweise in Honolulu in demselben Augenblick erst Morgens 3 Uhr 48 Minuten des nämlichen Tages ist. – Auch ohne Uhrwerk dient der Apparat zur Vergleichung und Bestimmung der lokalen Zeiten und ist in dieser Form ebensowohl ein instruktives Lehrmittel für Schule und Haus, wie auch eine zeitgemäße Beigabe für jede Uhr und ein Schmuck für Komptoir und Wohnzimmer.


[52]
Guadalupe.
Erzählung von Clara Biller.


Es kommt wohl vor, daß das Samenkorn einer Blume auf einen Kehrichthaufen fällt, dort Nahrung findet, seine Blätter entfaltet und seinen Blüthenkelch der Sonne entgegenbreitet, gerade als ob es mitten in einem Garten und unter sorgfältiger Pflege aufgegangen wäre.

Auf einem solchen Kehrichthaufen der menschlichen Gesellschaft, ungepflegt und unbehütet, war die kleine Lu aufgewachsen. Wenn je ein Kind vom Geschick - wie man so sagt - stiefmütterlich behandelt worden war, so war sie es. Und doch war sie zur Blüthe gekommen, und doch lachte sie mit ihren jungen fröhlichen Augen der Sonne entgegen. Der alte José Mateos war ihr Vater! Gewohnheit macht Alles erträglich, auch einen solchen Vater. Und Lu, mit einem feinen Gefühl, das ihr wahrscheinlich von der verstorbenen Mutter angeerbt war - armes Ding! sie hatte die Mutter bei der Geburt verloren! - hatte die wenigen leidlichen Eigenschaften dieses Vaters aufzufinden gewußt, sie in das beste Licht gestellt und sich nicht nur an ihn gewöhnt - nein, ihn sogar lieben gelernt. Vielleicht hätte sie ihn nicht einmal gegen den Mustervater ihrer Freundin Concha vertauscht, welcher der erste Schneider in Segovia war, eine vornehme Kundschaft und ein schönes eigenes Haus besaß und seiner Tochter allen Willen that. Lu war nicht neidisch deswegen, aber sie hatte einen stolzen Charakter, und wenn Concha die Güte dieses zärtlichen Vaters allzusehr rühmte, so faßte sie es als eine Anklage gegen ihren eignen Vater auf und fand sich berufen, ihn zu vertheidigen.

„Mein Papa ist etwas rauh,“ sagte sie, „aber das ist natürlich, er ist auch kein Schneider, sondern ein Krieger. Er hat dem Vaterlande mit seinem Blute gedient, und das ist ein großes Verdienst. Das Vaterland hat ihn mit Undank belohnt, nun ist er verbittert. Wenn man ihn belohnt hätte, wie er es verdient, so würde er jetzt reich sein und mir auch so schönen Putz geben, wie Dir der Deine.“

So angesehen, erschien der alte Mateos wirklich nicht so schlimm. Aber Andere hatten freilich nicht die Augen der Tochter, und die bewiesen ganz klar, durch unzählige Beispiele, daß er ein roher Geselle sei und ein Trunkenbold, der längst im Elend untergegangen wäre, wenn ihm nicht ein Engel zur Seite stände in dieser Tochter. Er hatte Verschiedenes im Leben angefangen – unbegabt war er nicht – aber Alles so nachlässig betrieben, daß er auf keinen grünen Zweig gekommen war. Auch unter die Karlisten hatte er sich anwerben lassen, und das war die Karrière des „Kriegers“, auf die Lu so gern zu seiner Entschuldigung verwies. Ueberzeugung hatte ihn dorthin natürlich nicht getrieben. Er hatte gemeint, es gebe dort mit leichter Mühe etwas zu erbeuten. Statt aber etwas zu gewinnen, hatte er dabei noch etwas eingebüßt – nämlich drei Finger der rechten Hand. Der Verlust wäre für Jemand, der Arbeit, wenn auch nicht gerade für Schande, doch für das größte aller menschlichen Uebel hält, zu verschmerzen gewesen, wenn ihn die Karlisten für den „Eifer, den er ihrer heiligen Sache bewiesen“, wie er sich ausdrückte, nur belohnt hätten. Er erwartete, daß man ihn mit einer Pension entlassen würde, die ihm einen respektablen Müßiggang gestattete.

Aber die Karlisten bedurften ihres Geldes zu höheren Zwecken, als ihren Anhängern den Verlust von zerschossenen Gliedern zu vergolden. Man behielt Mateos drei Monate frei im Lazareth, stellte ihm beim Abgange ein Attest aus, das ihn zu denjenigen Diensten empfahl, bei denen die rechte Hand nicht in Betracht kommt, und – damit Punktum.

Mateos und seine kleine Tochter wären somit genöthigt gewesen, ihr Dasein bettelnd an den Stufen irgend einer Kirche zu fristen, wenn ein Parteigänger des Don Karlos, der in Segovia einen architektonisch berühmten alten Palast besaß, nicht zufällig von dem Invaliden gehört hätte. Man schickte ihm den Mateos zu, der seine kleine Tochter an der Hand hatte. Das Kind war [53] nicht schön, aber es hatte in den Augen etwas offenes, Theilnahme Erweckendes, das für sie einnahm. Das Mißtrauen, welches der Vater einflößte, verwandelte sich in Mitleid diesem kleinen Mädchen gegenüber. Die Stelle des Kastellans in jenem Palast war durch Todesfall frei geworden, und da Mateos sie trotz der fehlenden Finger verwalten zu können schien, erhielt er sie.

Das war ein großes Glück – aber merkwürdiger Weise übte ein viel geringeres, das ihm fast zu gleicher Zeit zufiel, einen ungleich nachhaltigeren Einfluß auf sein Schicksal.

Wie fast alle Spanier, denen eine höhere Bildung und die damit zusammenhängenden Genüsse versagt sind, war Mateos dem Lottospiel mit Leib und Seele ergeben. Sein Gönner hatte ihm auf sein kleines Gehalt hin einen Vorschuß zur Anschaffung des nöthigsten Hausrathes gemacht. Er aber fand es nur ganz selbstverständlich, daß eine Terne für die nächste Ziehung in das „Nöthigste“ mit eingeschlossen wurde. Das Los kam heraus und es wurden ihm hundert Pesos fuertes[3] in gutem vollwichtigen Golde ausgezahlt.

Der Gewinn dieser für ihn ganz ungewöhnlichen Summe und der Val de Peñas[4] mit dem er ihn am Abend in Gesellschaft einiger Kameraden feierte, berauschten ihn so, daß er sich zu einem sonderbaren Handel bereden ließ. Einer seiner früheren Kriegskameraden, dem das Schicksal keinen Gönner bescheert und der somit auf Selbsthilfe angewiesen war, hatte den Plan gefaßt, nach der Havana auszuwandern, dem Eldorado spanischer Proletarier. Der Plan war immer wieder verschoben worden, weil er keinen Thoren fand, der ihm das dazu nöthige Geld borgte. Peppe Canelo – so hieß der Auswanderer in spe – hoffte diesen jetzt in dem goldgesegneten Mateos endlich zu erblicken.

Als er sich in ein paar Gläsern Muth getrunken, kam er mit dem Vorschlage heraus, sein alter vielgeliebter Kriegskamerad – die Kameradschaft war natürlich auf die Karlisten zurückzuführen – solle den Gewinn doch bei ihm als Kapital anlegen. Alle „Schätze“, die er in der neuen Welt binnen zehn Jahren damit ganz unfehlbar erwerben würde, wolle er dann mit ihm theilen.

Lu unter dem Kastanienbaum. 

Das war im Grunde auch ein Lotteriespiel, und deshalb reizte es Mateos. Der Freund aber, sobald er nur merkte, daß er den Schimmer einer Hoffnung auf Gelingen habe, setzte seine ganze Beredsamkeit daran, um Mateos noch denselben Abend zur Einwilligung zu bringen. Der Wein und die Mittrinkenden halfen. Es kam wirklich so weit, daß man den Schreiber Domingo von gegenüber noch aus dem Bette holte, damit er das Schriftliche dabei besorge. Man hing dem Vertrage sogar noch eine Klausel an. Des Mateos kleine Tochter war gerade sieben Jahre alt. Peppe Canelo hatte einen Sohn von zwölf Jahren, der ihn nach der Havana begleiten sollte. Was war natürlicher, als sie zu verheirathen und den „großen Reichthum“, der mit jeder Flasche zunahm, so beisammen zu halten. In romanischen Ländern sind es ohnehin meist die Eltern, welche die Ehen der Kinder schließen. In zehn Jahren, wenn das „viele Gold“ anlangte, war das ja gerade die rechte Zeit – das beste Alter für die Beiden!

Papier ist geduldig. Daß die Anwesenden nicht ganz nüchtern waren, das mochten sie mit sich abmachen. Der Schreiber Domingo war selbst in einem Zustande, wo Nachsicht bequem ist. Die Väter hielten sich selig umschlungen, als sie unterzeichnet hatten.

Den andern Morgen, als der Rausch noch nicht ganz ausgeschlafen war, nahmen sie in der Kapelle der Jungfrau von Fuencisla das Abendmahl auf ihr Versprechen. Soldatenwort ist freilich an und für sich schon sehr bindend – Gotteswort aber ist ein Kitt noch für besondere Fälle; es schien, als ob Einer beim Andern dieses Bindemittel auch nicht für unnöthig hielte. Jeder verwahrte dann seine Abschrift, und so schieden sie nach einem Abschiedstrunke, welcher dem Mateos die nüchterne Auffassung der Sache einstweilen noch fern hielt. Die kam freilich früh genug – aber sie brachte den Auswanderer und sein Geld nicht wieder zurück. Reue, die täglich bitterer wurde, folgte nun. Der kurze Besitz des Goldes hatte den alten Kriegsmann mit einer unbezähmbaren Leidenschaft nach neuem Gewinn erfüllt. Er hatte eine glückliche Hand – das war ja erwiesen. Dieser Umstand hätte müssen ausgebeutet werden. Wehe, daß er selbst die Mittel fortgegeben, die ihm das leicht gemacht hätten! Was er von dem kleinen Gehalte nur erübrigen konnte, das er vierteljährlich nächst der freien Wohnung von seinem Gönner erhielt, das trug er zum nächsten Kollekteur. Erübrigte er nichts, so sah er, von wem er wohl am besten ein paar Pesetas leihen könne. Es finden sich immer Solche, die Einem, der „feste Einnahmen“ bezieht, gegen gute Zinsen einen kleinen Vorschuß machen. Jede neue Ziehung brachte aber nur neue Enttäuschungen, Tage des Zornes und der Verwünschung. Der Auswanderer ließ nicht einmal etwas von sich hören. Freilich – er selbst hatte schreiben nicht gelernt. aber gab’s nicht draußen in der neuen Welt Schreiber so gut wie in der alten? Und konnte er den jungen Burschen nicht anstellen, den er doch hier zu den Fratres in die Schule geschickt und dessen offenen Kopf er ihm gerühmt hatte? Es wäre wohl auch endlich an der Zeit gewesen, ihm einen Vorschuß von der Havana zu schicken, auf den Gewinn hin. Canelo wußte ja aus eigener Erfahrung, wie Einem zu Muthe ist, der kein Geld im [54] Sacke hat. O - daß er diesem falschen Freunde Alles geopfert - der ihn um den großen Schatz betrogen, mit dem er so viele Lose hätte kaufen können! Jetzt war alles Glück für ihn dahin - einmal verschmäht, war es ihm untreu geworden. Alles durch Canelo’s Schuld!

So sah er die Sache jetzt an. Dabei wuchsen die Schulden und das Elend. Um es zu ertragen, stärkte er sich am Val de Peñas und fluchte kräftig auf das Schicksal, das einen so verdienten Sieger wie José Mateos in solche Noth gerathen lasse.

Und neben diesem Vater war Lu aufgewachsen, frisch, anmuthig und, was noch viel mehr sagen wollte, arbeitsam und tüchtig.

Sie hatte in der Taufe den Namen Guadalupe erhalten, nach der Schutzpatronin des nahen Klosters: Nuestra Señora de la Guadalupe.

Selbst für geduldigere Leute, als Spanier gewöhnlich sind, wäre der Name für den täglichen Gebrauch etwas umständlich gewesen. Namen sind aber nicht da, um nur Sonntags oder Festtags benutzt zu werden. So machte man Lupe daraus und als auch das noch zu lang schien: Lu, was einen entschieden chinesischen, etwas antichristlichen Beigeschmack hat. Den Segovianern aber, die wenig oder nichts von China wissen, galt der Name für gut spanisch und – dank der allerchristlichsten Abstammung – auch für besonders heilig.

Lu hatte zeitig eingesehen, daß es nicht hinreiche, die paar Cuartos[5] zusammenzuhalten, welche der Vater ihr zur Bestreitung des kleinen Haushaltes gab, sondern daß sie auch verdienen müsse. Sie hatte die leichten Arbeiten der Strohflechterei, die in Kastilien von Frauen viel gehandhabt werden, als Kind schon bewältigt und eine ganz außerordentliche Geschicklichkeit allmählich darin erlangt. Wenn sie die kleine Wohnung, die ihr und ihrem Vater in dem öden Palast angewiesen, in Ordnung gebracht, Garvanzos[6] und ein wenig Speck auf die Kohlen gestellt hatte, nahm sie schnell die Arbeit vor. Die Glocke vom Parral, dem alten Kloster, das über dem Wege lag, gab das Maß und rasch genug verflogen die Stunden. Freunde hatte sie nur wenige, denn jeder floh das Haus, um dem rohen Vater nicht zu begegnen. Auch Concha’s Eltern hatten um dieser Ursache willen den Umgang ihrer Tochter mit Lu zu den verbotenen Dingen gemacht. Concha war aber ein echtes Evaskind. Das Verbot schien ihren ursprünglichen Geschmack für die Schulfreundin – die Kinder hatten den Weg zu den Augustinerinnen über dem Wasser immer gemeinschaftlich gemacht und beide gleich wenig dort gelernt – zu einer wahren Leidenschaft erhöht zu haben. Concha liebte und bewunderte ihre Freundin, in der sie eine Märtyrerin des alten Mateos erblickte, und that ihr Bestes, das Martyrium täglich unerträglicher zu machen, indem sie den Vater gegen das arme Mädchen herabsetzte.

Der Alte, so roh und wüst er war, vergalt der Tochter kindliche Treue durch eine gewisse Rücksicht; er fluchte etwas weniger in ihrer Gegenwart, ausnahmsweise gab er ihr sogar ein gutes Wort. Auch war sie, nächst den Lotterielosen, ihm entschieden das Liebste in der Welt, obgleich er um dieser Liebe willen seinen Charakter natürlich nicht änderte. Jetzt machte sie ihm manche sorgenvolle Stunde. Wie, wenn der Gewinn gar nicht einträfe – er hatte den Gedanken daran fast aufgegeben – wenn der alte Canelo aber trotzdem den Sohn schickte, um ihm die Tochter wegzuholen, seine aufmerksame, fleißige Wirthschafterin? Canelo hatte ein Recht dazu – es war keine Summe in der Klausel festgesetzt worden. In solchen Augenblicken – und sie waren jetzt nicht selten, wo die zehn Jahre um – packte es ihn sogar manchmal wie Verzweiflung. Dann faßte er nach Lu’s Hand und sah sie geängstigt an. Sie verstand ihn nicht. Der Vater hatte ihr wohl von seiner „Großmuth“ gegen den falschen Freund gesprochen, aber nie von dem Uebereinkommen, das ihre Zukunft betraf. Sie lachte ihn sogar aus oder zog ihm die Schleife seiner abgetragenen Kravatte auf, um sie von Neuem zu knüpfen. „Ich will Staat mit Dir machen, alter Papa!“ rief sie und versuchte die tiefen Furchen seiner Stirn mit ihren weichen Fingern zu glätten, oder sie tanzte gar vergnügt mit ihm in der Stube herum.

Denn Lu hatte sich auf ihrem Kehrichthaufen noch nie so wohl befunden, als gerade jetzt.

Das hatte seinen Grund, und zwar einen sehr naheliegenden. Der Grund aber wandelte in Gestalt eines jungen Baumeisters seit einigen Tagen in dem alten Palaste herum, maß und berechnete. Der Besitzer hatte ihn mit einem Briefe an José Mateos geschickt, damit dieser dem Felipe Currito in allen Stücken zu Diensten sei, wenn er in seinem Auftrage den Kostenüberschlag für die in einem Flügel des Gebäudes nöthigen Reparaturen mache.

Lu war gerade mit ihrer Arbeit fortgegangen, als er sich dem Vater vorgestellt hatte, und als sie spät am Abend zurück kam, fand dieser es nicht nöthig, sie von dem Ereigniß in Kenntniß zu setzen. Die Sache war ihm unangenehm. Ein so naher Beobachter konnte Manches an den Tag bringen, was ihm bei seinem Gebieter schade. Je weniger man sich aber mit einer unangenehmen Sache beschäftige, je besser. Lu saß deßhalb sehr unbefangen am nächsten Morgen an ihrer Arbeit. Die Frühjahrssonne fing schon an unbequem zu werden, und sie hatte sich einen schattigen Platz ausgewählt, dicht an der Fontaine des von den Gebäuden eingeschlossenen Hofes. Ein alter, jetzt in Blüthe stehender Kastanienbaum, der für den engen Raum sich fast zu weit ausgebreitet, ließ kaum einen Sonnenstrahl durch sein dichtes Laub. Lu hatte es recht nöthig, fleißig zu sein, es fehlte an Allem jetzt im Hause. Der Vater hatte eben, als sie ihn um ein paar Realen gebeten, mit einem Fluche die leere Schublade aufgezogen, in der er sein kleines Einkommen verwahrte, und sie gefragt, ob sich da etwas herausnehmen lasse?

„Ich muß die Arbeitszeit verlängern, oder die bittere Noth zieht bei uns ein!“ dachte Lu, und die Hände bewegten sich noch schneller als gewöhnlich, während sich tiefer Ernst auf die jungen Züge legte.

Felipe Currito, der fremde Baumeister, war da von ihr unbemerkt durch die Rotunde, welche das Portal mit diesem Hofe verbindet, eingetreten und hatte sie eine Weile mit festem, untersuchendem Blicke angesehen, wie Jemand, der einen Gegenstand betrachtet, an dem er großes Interesse nimmt.

Es liegt etwas Magnetisches in solchem Blick. Lu mußte unwillkürlich aufsehen und begegnete dabei zwei dunklen Augen, vor denen sie die ihren schnell wieder auf die Arbeit senkte. Sie hatte dem Besitzer dieser Augen nicht einmal Gelegenheit zu einem Gruße gegeben.

Was wollte er? Er war in das Haus gekommen, ohne die Klingel zu ziehen – sah er sie noch immer an?

„Guadalupe,“ rief der Vater da, der mittlerweile auch in den Hof getreten war, „unsere Excellenz hat dem Señor Currito“ – so stellte er den Fremden vor - „den Auftrag gegeben, die Molche und Eidechsen aus den alten Mauern auf jener Seite zu vertreiben und neue Wände aufzuführen. Aber der Herr wird’s nicht lange bei uns aushalten; es ist kein Vergnügen dabei; die Excellenz wird auch nicht leicht jemand finden,“ setzte er in grämlichem Tone hinzu, „der so geduldig wie wir in diesem Gefängniß Wache hält.“

„Man kann überall glücklich sein,“ sagte das junge Mädchen, welches die Worte gern mildern wollte.

„Und sind Sie hier glücklich?“ richtete der Fremde zum ersten Male das Wort an sie.

Die Stimme hätte ihr schon gefallen; sie hatte einen tiefen, wohlthuenden Klang. Wenn nur die forschenden Augen nicht gewesen wären, vor denen sie sich fast zu fürchten anfing. Sie hätte die Frage über ihnen beinah vergessen, aber er wiederholte sie: „Sind Sie hier glücklich?“

„Warum sollte ich es nicht sein?“ erwiderte sie ausweichend. „Andere kommen ja weit her, um die alte schöne Stadt nur einmal zu sehen, in der wir immer wohnen können – ist es nicht so?“

„Ja, eine Stadt, die über zweitausend Jahre alt ist, scheint es auch werth, daß man sie ansieht ...“

„Zweitausend Jahre!“ rief sie verwundert, ohne die Zahl eigentlich zu begreifen.

„Aber wer hier geboren ist,“ fuhr er fort, „den treibt es dafür hinaus. Wer eine Weile auf diesem hohen Felsen [7] genistet hat, der sehnt sich in die Ebene zu kommen.“

„Ich kenne das flache Land nicht,“ erwiderte Lu, welche anfing, sie wußte selbst kaum warum, recht zutraulich zu werden, [55] „aber ich habe gehört, daß es Gegenden giebt, wo man nie einen Berg, oder auch nur den kleinsten Hügel erblickt; ich möchte da nicht leben, denn ich liebe unser hohes Nest, das manchmal mitten in den Wolken steckt und von dem man, wenn’s klar ist, die Sonne, soweit als die Brücke[8] reicht, scheinen sieht über Felder und Wiesen und alle die Mühlen, welche die Eresma im Thale treibt.“

„In der Ebene bauen die Menschen dafür Kathedralen mit hohen Thürmen, welche statt der Berge bis an die Wolken reichen und von denen man das Land überschaut,“ sagte Felipe und fing an von seinen Reisen zu erzählen; es schien, er hatte bereits ein gut Stück Erde gesehen. Zum ersten Mal vergaß Guadalupe die Arbeit über einem Gespräch.

Der Vater, der seinen „Feldzug“ mitgemacht und dem natürlich so ein Grünschnabel nichts Neues sagen konnte, war längst ins Haus gegangen. Mochte er sich mit der Tochter amüsiren, ihm war’s schon recht, vielleicht machte ihn das einmal nachsichtiger gegen die Schwächen des Vaters. Daß er als Vater ein wachsames Auge auf die Beiden haben wollte – ei, das verstand sich ganz von selbst.

So waren ein paar Tage vergangen, und Lu hatte einen Freund gefunden, der ihr mit jedem dieser Tage lieber geworden war. Natürlich nahm Concha an dem wichtigen Ereigniß das größte Interesse. Sie mußte in alle Einzelheiten eingeweiht werden.

„Schön? Nein - schön ist er nicht gerade,“ berichtete Lu, „er hat ein Paar dunkle, kluge Augen und eine hohe Stirn, der Mund ist etwas groß und die Haut sehr braun, als ob die Sonne sie verbrannt. Ach, wenn er nur nicht so fleißig wäre!“

„Warum?“

„Nun - weil er mit seiner Arbeit dann schnell fertig sein wird und ...“

„Wirst Du sehr traurig sein wenn er fortgeht, Lu?“

„O nein“ - erwiderte diese und richtete sich auf, als schäme sie sich, über einer Schwäche betroffen zu sein, „o nein - es ist nur, wenn man so einfältig wie wir aufgewachsen ist, gar so angenehm, Jemand neben sich zu haben, den man über Alles fragen kann. Und denke nur, er hat selbst den Papa gewonnen. Papa ist gestern Abend zum ersten Male zu Hause geblieben, seit so langer Zeit! Und er schien ganz glücklich ... wir Alle waren es. Ach Concha, ich glaube, in meinem Leben war ich noch nicht so glücklich!“

Während die beiden Mädchen sich so unterhielten, hatte der Postbote dem Mateos einen Brief gebracht.

„Gevatter José,“ schrie der Briefträger und schwenkte ihn, „der Brief kommt von weit her, und wenn er voll Geld ist“, denn Mateos hatte unterschreiben müssen, „so vergeßt nur nicht, daß die Luft durstig macht!“

Aber José Mateos war nicht in der Stimmung, Andere glücklich zu machen. Es war Ziehungstag gewesen und das ungerechte Geschick hatte den verdienten Krieger abermals mit einer Niete bedacht. Er starrte das Siegel noch an, als der Briefträger, des Wartens müde, schon wieder auf der Straße war. Er fürchtete sich, es aufzubrechen, und als er das endlich gethan, fürchtete er sich wieder vor den geschriebenen Worten, als könnten sie ihm ein Leid anthun. Langsam, das Lesen war ihm eine sehr ungewohnte Beschäftigung, buchstabirte er sich durch die Ueberschrift:

„Vielgeliebter, unvergeßlicher Freund!“

„Unvergeßlich – sein Gedächtniß muß nur für die Schaltjahre eingerichtet sein!“ brummte er.

Und dann, ehe er weiter las, lief er nach der Thür und schloß sie ab. Wenn Lu, die von dem Handel, soweit er sie betraf, nichts wußte – der Schreiber Domingo war längst mit Tode abgegangen und von den damaligen Kameraden war keiner am Ort - ihn überraschte! ..

Statt der Unterschrift dasselbe Zeichen, wie der Canelo damals unter den Vertrag gesetzt. Kein Irrthum, der Brief kam von Peppe Canelo, sein Herz begann heftig zu schlagen.

Geld, er untersuchte das Kouvert noch einmal sorgfältig, Geld lag nicht darin. Warum also schreiben? Und wie Leute, denen Briefe ungewohnte Ereignisse sind, vergaß er, daß er die Erklärung vor sich hatte, und begann zu grübeln, was den Canelo wohl zum Schreiben veranlaßt habe, wenn er ihm doch kein Geld schicken könne.

Endlich ermunterte er sich und las wie folgt:

„Vielgeliebter, unvergeßlicher Freund!

Ich habe schlimme Zeiten gesehen, und wenn ich bis jetzt nichts mit Dir theilte, so war es, weil ich nichts zu theilen hatte. Das Land hier ist nicht so übel, wenn man bedenkt, was Alles darin wächst, besonders die besten Tabaksblätter. Nur dürfte die Sonne nicht so stark scheinen, sie brennt einem alle Kourage aus den Gliedern.

Von wegen Deines Geldes melde ich Dir, daß die Reise wenig übrig ließ, und im Spital, wohin sie mich bald nach meiner Ankunft brachten, hätte ich noch zusetzen müssen, wenn ich’s nur gehabt! Seit zwei Jahren ist es mir aber besser gegangen, und Du sollst erfahren, daß ein rechtschaffner Soldat zu seinem Worte steht und der Christ das hält, was er beim Sakrament beschworen hat. Mein Sohn Lopez ist ein Mann geworden, der Dir als Schwiegersohn Ehre machen wird. Der Onkel Metelin hat ihn eingeladen, ein paar Tage in Vigo bei ihm zuzubringen, wo er sich ausschifft. Aber er wird bald nach dem Briefe sich bei Dir einstellen und Dir 1857 Pesos fuertes übergeben sammt der Berechnung, damit Du siehst, daß die Theilung gerecht war. Vom Schwager Metelin habe ich auch erfahren, daß Guadalupe gar anmuthig aufgewachsen ist, denn er hat Freundschaft in Segovia, die es ihm mitgetheilt. Das war mir lieb zu hören. Denn wie ich in allen Stücken zu unserm Vertrage stehe, vom ersten bis zum letzten Punkte, also erwarte ich es auch von Dir. Und zwar, daß, wenn Du meinem Sohne das Kind nun nicht geben wolltest, ich frei und ledig aller Zusage wäre und mein Geld behielte.

Dein treuer Freund und Kamerad 
Peppe Canelo.“


(Schluß folgt.)


  1. Der Verfasser schließt hiermit den für die „Gartenlaube“ bestimmten Auszug seines demnächst erscheinenden Buches, auf welches wir alle Diejenigen verweisen, welche näher auf diese Materie einzugehen wünschen.
    Die Red.
  2. Wir verweisen bei dieser Gelegenheit unsere Leser auf die höchst interessanten früher in der „Gartenlaube“ mit originellen Illustrationen erschienenen Artikel unseres geschätzten Mitarbeiters: „Kriegsführung auf den Marshallinseln“ Jahrg. 1881, S. 700, und „Land und Leute in Neu-Britannien“ Jahrg. 1882, S. 696.
  3. 1 Peso etwa 4 Mark.
  4. Landwein.
  5. Kupfermünzen.
  6. Eine Erbsenart, tägliche Kost in Kastilien.
  7. Segovia ist auf einem ungeheuren Felsen, der fast die Form eines riesenhaften Schiffs hat, erbaut; zu seinen Füßen fließt die Eresma.
  8. Die Segovianer nennen ihren Aquädukt, welcher von Trajan herrühren soll und eines der wunderbarsten Bauwerke ist, das eine Ausdehnung von gegen 3000 Fuß hat, gewöhnlich: die Brücke, el Puente; sie ist auch im Stadtwappen.




Blätter und Blüthen.


Von Wölfen verfolgt. (Mit Illustration Seite 40 und 41.) Isegrimm schreckt heutzutage in Deutschland nur die Kinder in Fabelgeschichten; die Zeiten sind längst vorüber, da er eine wahre Landplage bildete. Nur in den Vogesen, im fernen Osten des russischen Reiches, wohl auch in Ungarn und der Walachei erdreistet er sich im Winter, von Hunger gepeinigt, Reisende und Wanderer anzugreifen, und in diesem Angriff ist er dann tollkühn und gefährlich, da er ihn, namentlich in den zuletzt genannten Ländern, nicht einzeln, sondern in ganzen Rudeln ausführt. Hungrige Wölfe sind es auch, die das walachische Sechsgespann, das den russischen Kurier durch die öden Länderstrecken der Moldau trägt, zur rasenden Flucht antreibt. Das packende, mit seltener Naturtreue wiedergegebene Bild des berühmten Schlachtenmalers Professor Adolf Schreyer ist eine Reminiscenz aus dem russisch-türkischen Kriege von 1853 bis 1855, denn während dieser Zeit befand sich der Künstler in der Walachei, in Ungarn und Südrußland, wo er Gelegenheit hatte, Land und Leute kennen zu lernen und russischen Kurieren zu begegnen.

Adolf Schreyer wurde 1828 zu Frankfurt am Main geboren und erhielt daselbst eine ausgezeichnete Erziehung. Begabt mit einem entschiedenen Sinne fürs Zeichnen, warf er sich hauptsächlich auf das Studium des Pferdes. Er besuchte verschiedene Gestüte Deutschlands und bezog dann die Akademien von Düsseldorf und München. Nach Beendigung des Krimkrieges begleitete er den Fürsten von Thurn und Taxis nach Asien und Aegypten und wurde dann vom Kaiser von Oesterreich nach Wien berufen. Im Jahre 1861 begab sich Schreyer abermals nach Afrika, um dort die Araber und ihre Pferde gründlich zu studiren. Nach seiner Rückkehr ließ er sich in Paris nieder, wo ihm ein glänzender Empfang zu Theil wurde.

Seine hervorragendsten Gemälde sind: „Die Schlacht bei Waghäusel“, im Besitze des Großherzogs von Mecklenburg, „Die Schlacht von Komorn“, „Ein Kavallerie-Angriff“, „Der Fürst von Thurn und Taxis, verwundet bei Temesvar am 9. August 1849“. Auf der großen Ausstellung im Palais de l’Industrie 1864 war Schreyer durch zwei Bilder vertreten: „Araber auf der Jagd“ und „Kosakenpferde im Schneegestöber“, für die ihm die Preisrichter einstimmig die goldene Medaille zuerkannten. Das zuletzt erwähnte Bild kaufte Kaiser Napoleon.

Schon im Jahre 1863 erhielt Adolf Schreyer in Belgien die große goldene Medaille und 1864 den Leopoldsorden. 1865 und 1867 wurde ihm abermals in Paris die große goldene Medaille zu Theil, und außerdem [56] sind ihm noch Medaillen in Wien, München, Sidney etc. zuerkannt worden. Die Werke Schreyer’s werden nicht nur in Deutschland, Oesterreich, Frankreich, England und Belgien, sondern vorzugsweise auch in Amerika hochgeschätzt, und viele derselben befinden sich dort in öffentlichen Galerien. Auch der Sultan Abdul Aziz zählte zu Schreyer’s Verehrern, er besaß fünf von dessen Bildern. Schreyer ist ein Künstler voll Energie, voll Wärme, voll Poesie und dramatischer Kraft. W. H.     



Politisches Barometer im Jahre 1785. Die Wogen der politischen Welt haben stets ihren Einfluß auf die Litteratur unseres Volkes bemerkbar gemacht; viele dichterische Werke ersten Ranges verdanken politischen Veranlassungen ihre Entstehung; aber jederzeit entstehen und vergehen neben den Erzeugnissen klassischer Litteratur große und kleine Gedichte, die nicht minder als jene die Zustände ihrer Zeit widerspiegeln. Zu dieser Art gehört ein im Jahre 1785 entstandenes, unseres Wissens bis jetzt ungedrucktes Gedicht mit obiger Ueberschrift, aus welchem wir unsern Lesern Folgendes vorführen:

„Portugal bittet um Alles,
Spanien verschafft Alles,
Genua lacht auf Alles,
Sardinien wacht auf Alles,

5
England hilft zu Alles,

Frankreich mischt sich in Alles,
Schweiz glossirt über Alles,
Vor Rußland fürcht sich Alles,
Deutschland äfft nach Alles,

10
Polen verliert Alles,

Preußen stift an Alles,
Das heilige Reich glaubt Alles,
Der Kaiser zeigt Lust für Alles,
Durcheinander geht Alles,

15
Und so ist verwirrt Alles,

Komm, Gott, erbarm dich über Alles,
Sonst kommt der Teufel und holt Alles.“

Fr.     


Wunder Fleck. (Mit Illustration auf S. 45.) Da steht er, jeder Zoll ein schuldbewußter Sünder, in glaubhafter Zerknirschung. Noch hat die Mutter nicht gesprochen, noch schwebt das Damoklesschwert über seinem Haupte, und es ist anzunehmen, daß er im Gefühl dessen so tief das Haupt senkt. Kein Zweifel, diese mühsam zusammengeflickte Unaussprechliche hat wiederum ein Loch, an bedenklichster Stelle!

„Na - was der sakrische Buab reißen thuet, das is scho goar arg! I möcht’ ihm scho eiserne machen lassen, wenn i nur g’wiß wüßt’, daß er damit nit a ferti würd’.“

Uebernehmen wir seine Vertheidigung. Erstlich ist er geständig – mildernder Umstand. Zweitens ist Hosenzerreißen eine berechtigte Eigenthümlichkeit aller Buben. Man kennt jene reizende Geschichte von zweien, welche zur Abhilfe solche von Leder angezogen bekamen, spornstreichs damit hinausliefen und verschämt in „bodenlosem“ Zustande zurückkehrten.

„Jungens, wie habt ihr das angefangen?“

„Wir haben uns auf den Schleifstein gesetzt.“

Kann die Natur überzeugender ihr Recht geltend machen? Drittens: der schwunghafte Federhut, wenn nicht die ganze Umgebung, versetzt die Scene unverkennbar in die Berge. Giebt es einen gefährlicheren Feind für Beinkleider, als die Steinsitze mit scharfen Kanten und Ecken „in den Bergen“? Wir haben gesprochen; wir plaidiren für Freisprechung oder gelinden Verweis.

Wir haben gut Advokat spielen! Wie das Urtheil auch lauten möge, die Kosten hat jedenfalls das Gericht zu zahlen - nämlich die Frau Mama.

Und die Schwester? - „Wer den Schaden hat, darf für den Spott nicht sorgen,“ sagt dies reizende Gesichtchen. Victor Blüthgen.     




Aufruf. Frau Dr. Ruge in Brighton hat mich mit Herausgabe der Korrespondenz ihres Gatten beauftragt; die Weidmann’sche Buchhandlung in Berlin hat den Verlag übernommen, und das Buch wird demnächst erscheinen. Es sind mir bis jetzt über 500 Briefe von und an Ruge zur Disposition gestellt worden, und zwar befinden sich unter den Korrespondenten Namen wie Lothar Bucher, Freiligrath, Feuerbach, Kuno Fischer, L. Bamberger, E. Lasker. Ich richte nun an alle diejenigen, welche noch Briefe Ruge’s besitzen und an die mich persönlich zu wenden mir bis jetzt unmöglich gewesen ist, auf diesem Wege die ergebene Bitte, mir dieselben zu überlassen. Ich schicke die Originale in möglichst kurzer Zeit zurück und richte mich in jeder Beziehung nach den mir etwa ausgesprochenen Wünschen.

Berlin SW., Großbeerenstr. 9.
Dr. Paul Nerrlich, Gymnasial-Oberlehrer.     



Verkehrtes Bilder-Räthsel.




Auflösung des Bilder-Räthsels in Nr. 2: Aus Knaben werden Leute, aus Mädchen Bräute.


Kleiner Briefkasten.

„Treue Abonnentin in L.“Bock’s Buch vom gesunden und kranken Menschen“ wird Sie darüber belehren, was Sie bei derartigen Unglücksfällen, wo kein Arzt gerade zur Stelle ist, thun können. - Wir verwehren es Niemand, uns seine Manuskripte zur Prüfung zu senden.

G. L. in Frankfurt am Main. Sie haben Recht: das in dem Keller-Leuzinger’schen Artikel (in Nr. 45.) erwähnte Gemälde ist nicht von Détaille, sondern von Neuville.

H. J. in Danzig, N. N. in Moskau, A. H. in Frankfurt a. M., Auguste, Prag. H. U. und R. D.: nicht geeignet.

M. O. Z. in Konstantinopel. Ihre gereimten „Fieberphantasien“ können wir unmöglich für Dichtungen nehmen.

F. Z. in Oesterreich. Die Dame lebt in Sondershausen.



1. Quittung.0 Für die Hinterbliebenen des Schaffners Claus und die anderen bei Hanau verunglückten Bahnbediensteten

gingen ein: W. Sch. in Leipzig Mark 3; L.’sche Buchhdlg. in Leipzig 3; P. R. in Leipzig 10; H. P. in Leipzig 1; Th. Th. in Leipzig 5; Ferdinand Sieland in Leipzig 50; Frau B. in Leipzig 2; H. Fritzsche sen. in Leipzig 20; Frau Anna Bergmann geb. Brzoska in Leipzig 9; Aus Halle a. S. 5;


Emil Friedrichs in Halberstadt 5; H. Gies in Hof 2; H. u. R. in Leipzig 10; M. R. in Leipzig 3; H. Forck in Berlin 1; Rechtsanwalt G. G. in Braunschweig 5; aus Martha u. Lisa Op.’s Sparbüchse, Dresden 1; Fräulein Anna Z. in Dresden 0,50M ein Abonnent in Traben 20; E. L. in Bremen 2; L. L. in Mainz 1,50; J. K. in Haan 1; B-l. in Bronzell 15; E. C. in Krefeld 5; W. in Leipzig 3; N. N. in Moritzburg 5; Tina Cy. in Straßburg i. Els. 10,05; F. W. in W. bei Liebertwolkwitz 5; Dr. Graber in Karlsruh in Ob.-Schl. 3; L. G. in Darmstadt 6; Von ein. alt. Freund der Gartlbe, R. G. in E. b. Zwickau 5; Herm. Kramer jun. in Kirchberg i. Sachs. 20; L. Bücking in Gießen 10; J. E. Lersch in Hanau 10; von G. in Baden-Baden gesandt 10; Ed. Sch. in Diez a. d. L. 10; aus Altenhessen 10; G. P., Lehrer in Dillendorf (Hunsrück) 5; F. H. Lehmann in Plagwitz 3; Gewinn aus ein. Skatpartie in Wormeln b. Warburg 2,60; Familie R. in Hochstadt 5; Dr. H. R. in Bremen 5; Fr. Th. Jäger in Bautzen 3,05; Ungenannt in Fürth i. B. 5; A. T. in Würzburg 5; Gerritzen u. Matthaeus in Huchtingen b. Bremen 5; P. H. Lemke m Bremen 10; Mieking W. in Berlin 2; W. S. in Klingenthal 3; F. Zippel in Gera 3; Sechs fidele Herren aus Staßfurt 18; Th. D. u. F. H. in Kösen 10; Georg u. Lina Maus in Koblenz 20; gesammelt vom Wirth und denjenigen Gästen im „Stern“ zu Apolda, die eine heroische That zu würdigen wissen, einges. durch Franz Ulrich 5; S. in Nürnberg 6; Ges. im Hôtel Victoria in Minden durch Georg Krück aus Leipzig 6,05; Wilhelm u. Else, junges Ehepaar in Hannover 1,50; V. W. in Weimar 30; G. v. R. in Dresden 3; Otto Hartung, Bäckermeister in Berlin, Ritterstr. 10; B. u. R. in Weimar 2,50; W. Meyer in Braunschweig, Ritterbrunnen 5; F. L. jun. in H. 20; G. N. in Braunschweig 5; Alb. Barrenscheen in Braunschweig 3; Heirats-Kammer in Berlin 20; die Postbeamten in Lüttringhausen 2,50; ein Abonnent in Barmen 25; „Wenig mit Liebe“. Auch eine Wittwe in Gera 3; Riese in Ilmenau 3; A. Kollmann, Polizei-Kommissar in Düsseldorf 5; Emil Robert Funke in Meerane i. S. 5; aus Mannheim, von des blonden Luischens treuem Verehrer 20; Otto Reichard in Berlin 10; eine Thüringerin in Camburg a. S. 2,60; ges. bei einer Tafelrunde im Hôtel Elzmeyer, Bahnhof Melle von Carl Oehren 4; Geschwister M. in E. 11; O. Kr. in Kirchen 5; Christian Euler in Rupertsburg b. Bingerbrück 5; August Will in Gießen 5; A. F. u. E. B. in Weiler b. Schlettstadt 2; Frau Neimann, Zeitzerstr. in Leipzig 3; ges. am 20. Stiftungsfeste der Insulaner-Riege in Leipzig 42,50; Tt. durch die Exp. d. Leipziger Tageblattes 10; E. K. in Leipzig 10; L. in Koburg 10; W. Ch. in Zerbst 5; aus Clara’s und Lisbeth’s Sparbüchse in Jerichow 5; R. R. in Gr. Ottersleben 3; ges. am 7./12. beim Herren- Essen der „Ressource“ in Dresden durch Franz Berthold 157; L. u. S. in Leipzig 5; ges. vom Personal einer Fabrik in Leipzig 5,35; Familie K. in Leipzig 7; Ungenannt in Heidelberg 3; Fräulein Martha Neubauer in Wiesbaden 20; E. P. u. F. P. in Eisenach 12; A. Fr. v. Liechtenstein in Wiesbaden 5; aus der Sparbüchse von Karl Oestreicher in Nürnberg, m. d. Motto: „Wenig aber von gutem Herzen“ 5; E. L. in Königslutter 5; Sdfdf. in Wandsbeck 15; Frau Stohp in Altona 3; K. in Alberschweiler in Lothrg. 5; G Hisserich, Rentner in Darmstadt 5; Ges. von einer Gesellsch. gemüthlicher Reisender im Hôtel Keller in Plauen i. V. 13; „Skat“. Hôtel Möller in Leer i. Ostfrl. 3; Krüger, Kataster-Kontroleur in Stade 3; C. E. in Essen a. d. R. 3; F. Mitteldorf in Berlin 5; F. u. St. u. U. in Frankfurt a. O. 9,80; Sara Gottschall in Schlawe i. P. 3; Ges. in einer Gesellsch. im Victoria-Hôtel in Minden 16; A. Z. in Weimar 6; Oscar Buhler in Chemnitz 5,05; Ges. in einem Bürgerhause zu Waldheim d. N. N. 5; Alex. Dierig in Freiburg i. Schl. 5; Familie J–y in Liegnitz 9; Rothschild in Wittenberge 3; Von einigen Leserinnen der „Gartenlaube“ durch L. in Riedlingen 5; Aus Ulm 2; Mathilde u. Paul U. in Magdeburg 8; Frau Ministerial-Direktor Moser in Berlin 20; Ges. bei der gesell. Zusammenkunft des „Berliner Arbeitervereins“ durch F. Nürnberger, Friedrichstr. 7; A. G. in Berlin 3,05; Ein Reisender in Magdeburg 20; Dr. H. Hofmann in Meerane 15; J. Rothmann aus Brühl z. Z. in Berlin 20; A. B. in Bamberg 6; C. L. in Kassel 10; Von der Schlotheimer Skatgesellschaft durch Amtsrichter Henkel daselbst 10; Fröhliche Geburtstagsgesellschaft in Berlin 50; C. Caspary in Berlin 30; Oberförster Grimmerl in St. Avold 3; Aus Klein-Deutschen in Ob. Schl. 50; „Wenig, aber aus Liebe“, von der Wittwe P. in Leipzig 3; C. L. in Plauen i. V. 4; Redaktion der „Gartenlaube“ 100. Summe der 1. Quittung M 1412,60 (enthält nur die bis zum 8. Dec. 1884 eingegangenen Beiträge).


Inhalt: [ Verzeichnis zu diesem Heft, hier noch nicht transkribiert. ]



Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redacteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.