Die Gartenlaube (1889)/Heft 4

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1889
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[53]

No. 4.   1889.
      Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.


 

Lore von Tollen.

Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.
(Fortsetzung.) Roman von W. Heimburg.


Warum bist Du denn eigentlich aus der Gesellschaft fortgegangen?“ grollte Rudolf. „Man hat’s doch wahrhaftig nicht an Aufmerksamkeiten fehlen lassen für Dich! Aeußere Dich doch wenigstens zur Sache, damit ich dem armen Kerl, dem Adalbert, sagen kann: so und so; der ist ja rein außer sich.“

„Ich will nicht Unverschämtheiten von einem Halbberauschten anhören,“ erwiderte Lore und schlug den Zipfel ihres Radmantels, der aus einem alten türkischen Shawl der Mutter gemacht war, über die Schulter, denn der kalte Nachtwind fiel sie jetzt mit aller Gewalt an.

„Berauscht? Unverschämt?“ fragte der Lieutenant, dem ebenfalls der Champagner im Kopfe saß. „Er hat Dir jedenfalls etwas gesagt von seiner Neigung, aber das ist doch immer noch keine Beleidigung? Ihr seid himmlisch, Ihr Mädels, wahrhaftig!“

Lore ging schnell und schneller. „Laß doch das!“ bat sie.

„Nein, zum Kuckuck! Der arme Kerl dauert mich. Er liebt Dich, Lore! Ich dächte, Du solltest froh sein, aus dem Geächze und Gekrächze zu Hause endlich heraus zu kommen. Und – was willst Du denn überhaupt noch weiter? Er ist –“

Das laute Sprechen verstummte plötzlich; Lore, die vor ihm herging auf dem schmalen Trottoir, hatte sich umgewendet, das flackernde Licht der einzigen Laterne, die während der ganzen Nacht an der Rathhausecke brannte, der Feuerwache wegen, die sich dort befand, beleuchtete ihr zorniges, schönes Gesicht und zeigte ihre sprühenden Augen. „Was ich noch weiter will?“ sagte sie. „das fragst Du, der Du noch vor kurzem diesen Menschen als einen Emporkömmling der allergewöhnlichsten Sorte bezeichnet hast?“

„Ich habe ihn seitdem näher kennen gelernt, er ist wirklich so übel nicht,“ erklärte der Bruder trotzig. „Aber so geh’ doch, so geh’ – es ist ein teufelsmäßiger Zug hier.“

Aber sie ging nicht. „Du nennst Dich ja Du mit ihm,“ fuhr sie fort, „scheinst also sein Freund geworden zu sein? Nun, so nimm denn Du auch die Antwort für ihn: ich könne ihn nicht ausstehen – sag’ ihm das; er sei mir der unsympathischste Mensch, der mir je begegnet, und er solle sich hüten, noch ein einziges Mal derartiges zu mir zu sprechen, er soll sich hüten!“

Der Mantel flog im Winde von ihrer Schulter; sie sah unheimlich drohend aus in diesem Moment.

„Werde nur nicht tragisch,“ sagte der Lieutenant trocken, „er ist ein guter Kerl und gut situirt dazu, auch durchaus nicht eingebildet.

Vor dem Maskenball. Nach dem Oelgemälde von J. V. Carstens.
Photographie im Verlage von Fr. Hanfstängl in München.

[54] Wenn Du eine Ahnung vom Leben hättest, würdest Du Dich nicht so fest aufs hohe Pferd setzen.“

Sie hatte den Mantel wieder um sich geschlagen und ging weiter durch die nächtlich einsame Straße.

„Was geht es uns denn an,“ fuhr der Lieutenant fort, neben ihr auf dem Fährdamm schreitend, „womit er drüben sein Geld verdient hat? Meinetwegen kann er Hundescherer gewesen sein, wenn er nur nicht gestohlen hat. Und was kümmert’s uns, was sich die Leute von Frau Elfriedens Herkunft erzählen? Uns kann’s gleich sein, ob sie aus New-York stammt oder aus Westenberg, wie die Leute sagen, und gleich ist’s auch, was ihre Eltern gewesen sind. Ueber alle unsere verschrobenen Standesvorurtheile kommt man hinweg, wenn man sieht, was man eigentlich für ein Lump ist – ohne den nöthigen Groschen. Ihr sitzt hier in dem kleinen Nest noch auf Eurem Wappenschild wie auf einem Thron, und Du ganz besonders; Du wirst lange auf einen Reichsbaron warten können, mein Schatz, und wärst Du noch hübscher, als Du bist. Hast Du etwa Lust, als alte Jungfer zu versauern? Und was wolltest Du denn eigentlich anfangen, wenn der Alte die Augen zuthut? Ich denke, es wäre doch wohl Deine Schuldigkeit, zuzufassen wenn Dir eine so vortheilhafte Partie sich bietet, schon um der Eltern willen, die sich täglich sorgen, was aus Euch Mädels wird. Käthe hätte dann auch einen Halt. – Der Teufel – es ist doch keine Kleinigkeit in Deiner Lage, hat man solchen Antrag! – He? Sagtest Du etwas, Lore?“

Sie bog eben um die Ecke der Straße, an deren Ende das väterliche Haus lag. „Nein!“ scholl es, halbverweht nom Winde, der sich ihnen hier mit voller Gewalt entgegenwarf. Das verächtliche Lächeln, das über ihr Gesicht zog, konnte er nicht sehen.

„Denn nicht!“ murmelte er.

Einige Minuten später stand das junge Mädchen athemlos vor der niedern Hausthür und drehte den Schlüssel leise im Schloß.

„Nu?“ sagte er, hinter ihr stehend.

„Was?“ scholl es zurück.

„Ich gehe wieder hin, Lore, und –“

„Viel Vergnügen!“ erwiderte sie gleichgültig.

„So höre doch!“ rief er leise und gereizt und hielt sie am Mantel. „Ich sage ihm, Du würdest es überlegen, Lore?“

„Und welches Interesse hast Du an dieser Freiwerberei?“ fragte sie, und ihre sonst so weiche Stimme klang schneidend. „Fürchtest Du vielleicht, daß Dir später ein paar arme Schwestern zur Last fallen könnten? Sei beruhigt darüber –.“

„Aber Lore – bei Gott nicht!“ betheuerte er verlegen, „ich meine es einfach gut mit Dir.“

„Aber ich will nicht!“ rief sie laut und außer sich vor Zorn, „hörst Du, ich will nicht! Und die Thür flog ihr aus der zitternden Hand und fiel krachend ins Schloß, zugleich sprang vom Zugwind das gegenüberliegende Fenster auf und die erbärmlich kleine Petroleumlampe, die man für sie auf die Treppenstufe gestellt, um sich in ihr Stübchen zu leuchten beim Nachhausekommen, verlosch jäh. Sie tastete im Dunkeln empor, mit leisen Schritten und angstklopfendem Herzen, hatte sie den Vater geweckt? Sie lauschte auch auf dem oberen Flur – es blieb still – aber jetzt erklang die Stimme der Mutter. „Lore! Lore!“

Sie kam an das Bett der Mutter und kniete nieder. „Hast Du Dich sehr erschreckt, Mama?“ erkundigte sie sich zärtlich.

„Nein, nein! Aber warum kommst Du jetzt schon, Lore? Ist es schon aus? Hast Du Dich amüsirt? Es war gewiß sehr schön!“

Bei dem trüben Scheine der Nachtlampe blickte ihr das Mutterauge mild und liebevoll entgegen.

„Ach! sich nur aussprechen können!“ dachte das junge Herz, und sie legte den Kopf an die Schulter der Mutter und begann stockend zu beichten von der zudringlichen Werbung Adalbert Beckers, durch ihren schlanken Körper ging es wie ein Schauer der Empörung, und endlich versagte ihr die Stimme in einer Thränenfluth.

Frau von Tollen lag ganz still, die Hand auf dem Scheitel ihres Kindes. „Aber warum weinst Du denn so schrecklich?“ fragte sie endlich; ist es eine Schande, wenn ein Mädchen einen Heirathsantrag bekommt?“

Lore fuhr empor, wie von einer Schlange gebissen, und sah entsetzt die Mutter an. Ja, und ob es eine Schande war! Sie sah die lüsternen Augen und hörte das halbtrunkene Flüstern: „Sie sind so ein wunderschönes Mädchen, Lore!“ – „Mama!“ stöhnte sie, „Du?“ –

„Geh’ schlafen,“ begütigte die alte Dame und strich zärtlich die heiße Wange. „Wir sprechen morgen darüber, schlafe nur erst. Gute Nacht!“

„Wir sprechen nicht darüber, Mama, morgen nicht, und –“

„Wie?“

„Und niemals, Mama.“ Und sie schritt ohne „Gute Nacht!“ der Thür zu.

„Lore!“ rief die Kranke, als ob sie sich erst jetzt auf etwas besinne, „bleibe noch, ich muß Dir noch erzählen, Klothilde hat heute geantwortet –. Ich habe schon so viel geweint, daß man sich so etwas sagen lassen muß –. Nicht einen Pfennig würde sie geben, schreibt sie, ich könne ihr das doch nicht verdenken, sie habe selbst Kinder, und ihr Vater halte sie auch sehr knapp –. Wenn Onkel nicht hilft, dann weiß ich nicht mehr –. Ach, diese Sorge, Lore, diese Sorge!“

„Gute Nacht, Mama!“ wiederholte Lore tonlos. Sie hatte kaum verstanden, was die Mutter wollte. Sie kam mit einem bleischweren, vom Weinen schmerzenden Kopf in ihr Stübchen und warf sich im Finstern auf ihr Bett.

Sie verstand zum ersten Male ihre Mutter nicht.




Der Bruder war erst mit grauendem Morgen zurückgekehrt. Er erschien nicht beim Frühstückstisch, und Lore, die, blässer als gewöhnlich, die Haushaltungsgeschäfte besorgte, entschloß sich gegen zehn Uhr, an seine Thür zu klopfen und ihm zu sagen, es sei ein Dienstbrief gekommen.

Er rief ihr zu, den Brief durch den Thürspalt zu werfen, und fragte, ob er denn solche Eile habe.

Frau von Tollen, die wieder aufgestanden war, schlich matt im Hause umher, es lag ein unheimlicher Druck auf allen Gemüthern. Lore wich ihrer Mutter heute förmlich aus; die alte Dame versuchte alles Mögliche, um das Gespräch auf das gestrige Fest zu lenken – vergebens. Endlich stieg die Majorin zu dem Logirstübchen empor und fragte, ob sie eintreten könne.

Der Sohn lag noch im Bette; er sprach von Kopfschmerzen und sah dabei sehr deprimirt aus. Die Mutter setzte sich zu ihm. „Es thut mir leid, Rudi, aber Klothilde giebt Dir nichts,“ begann sie mit einem Seufzer.

„Geldprotzen sind’s!“ murmelte er.

„Wenn nun Onkel nicht hilft – Rudolf, dann –“

„Bah, der! Dann ist’s eben nicht anders! Es kommt auch alles zusammen! Der gemeine Kerl da, der mir meine Civilanzüge macht, hat mich beim Regiment verklagt, da ist der Wisch, ich muß auch den bezahlen.“

Die alte Dame nahm den Brief, es waren dreihundert Thaler eingeklagt. Sie sagte kein Wort, sie senkte den Kopf nur etwas tiefer.

„Na, das macht den Kohl doch auch nicht fetter,“ erklärte der Sohn, „auf irgend eine Weise muß ich aus der Patsche kommen. Gestern dachte ich ja wahrhaftig, es wäre schon so weit, aber – hm! –“

„Weißt Du auch, daß der Arzt gestern sagte, Deinem Vater könnte eine solche Alteration das Leben kosten?“ fragte leise weinend die alte Dame.

„Nun, da sagen wir’s ihm eben nicht!“ erwiderte ungeduldig der Lieutenant.

„Und was soll werden?“

„Ich habe keinen Schimmer! Aber Zeit wird’s, daß Rath kommt. Kommt keiner, nun dann –“ er machte eine Handbewegung nach rückwärts. „Mich dauert nur der arme Kurt –.“

„Der Benberg, Rudi? Ach Gott, und die Mutter! Aber Rudolf, Rudolf, wie konntest Du auch –?“

Er antwortete nicht. „Dumme Trine!“ flüsterte er endlich.

„Was meinst Du?“

„Hat Dir Lore nichts erzählt?“

„Doch, Rudolf – aber –“

„Von dem hätte ich jede Summe bekommen.“

„Aber – Kind –“

„Na, was denn? Man hätte später zurückgezahlt. Wenn ich jetzt um die Ecke gehe, ist’s auch nichts mit Lieschen Maikat –“

„Wer ist das?“

[55] „Die Tochter vom Alten, der einmal alleiniger Besitzer der jetzt B.schen Aktienbrauerei war. Sie ist gut erzogen, leidlich hübsch und hat ordentliches Moos. Aber –“

„Was denn, Rudi?“

„Ich kann doch einen Menschen nicht anpumpen, dem mein Fräulein Schwester einen Korb gegeben?“

„Allerdings nicht. Wenn aber die Sachen mit Deiner Heirath so stehen, dann könntest Du wohl auch darauf hin –?“

„Jawohl! Der Alte hat Horcher bei allen Halsabschneidern; man drängelt sich nicht schlecht um die Fräulein Tochter. Einer in arrangirten Verhältnissen muß es sein – sonst – Lore ist nicht recht gescheit!“ setzte er ärgerlich hinzu.

„Also ist es wahr?“

„Na, und ob! Verliebt wie ein Stint ist er, der Tolpatsch! Ich habe ihm hundertmal vorgepredigt, daß er vorsichtig zu Werke gehen soll, aber er hat’s natürlich gründlich verkehrt angefangen.“

Die alte Dame schwieg und faltete die Hände im Schoß. „Ist er denn wohl ein anständiger Mensch, Rudi?“ fragte sie zaghaft nach einer Weile.

„Was ich von ihm gesehen habe – ja! Und die Kameraden in Xleben sagen es auch.“

Wieder eine Pause.

„Rede Lore nicht zu,“ flüsterte sie endlich, „um Gotteswillen, rede nicht zu! Er ist so schwer, der Schritt, für eine Natur wie Lores, wenn die Liebe fehlt; Du kannst es gar nicht verstehen, Rudi.“

„Gott soll mich bewahren, ich sage kein Wort. Wenn’s ihr Spaß macht, zu versauern – meinetwegen!“

„Wenn ich Dir nur helfen könnte, Rudi!“

„Na, ich sag’s ja schon. Wenn alle Stränge reißen, ziehe ich mitsammt Benberg den bunten Rock aus und gehe nach Amerika. Basta!“

Jetzt legte sich die alte Frau schluchzend in den Stuhl zurück. „Daß Du uns das anthun willst! Ich überlebe es nicht,“ klagte sie.

Er machte eine ungeduldige Bewegung, aber er sah ganz blaß aus; der Gedanke war ihm ungemüthlicher, als er sich selbst eingestehen wollte.

„Geh nur, Mama,“ bat er, „ich möchte mich nun auch erheben, es ist spät.“

Sie ging auch wirklich, und weil sie ungesehen weinen wollte, stahl sie sich in eine Kammer, in der allerlei altes Gerümpel lag und stand. Da war auch noch der kleine Stuhl, auf dem die Kinder gesessen, eines nach dem andern. Sie starrte auf das abgenutzte Möbel, und es war ihr plötzlich, als ob der braune Krauskopf ihres kleinen Rudi daraus auftauchte. Er war ein süßes Kind gewesen, ihre ganze Seligkeit, und er sollte nun, mit Schimpf und Schande beladen, von ihr gehen – auf Nimmerwiedersehen! Denn ehe er einmal wiederkehrte, hatte sie sich längst zu Tode gegrämt.

Sie wollte ihm zürnen und konnte es nicht. Sein leichtes Blut – es war ein Erbtheil ihrer Familie; zwei Brüder von ihr waren durch den nämlichen Leichtsinn untergegangen. Sie hörte auf zu schluchzen und blickte mit weit geöffneten Augen zu dem kleinen Stuhl hinüber; – ja freilich, der Jüngste, der hatte sich erschossen. Sie stöhnte schwer auf: „Gott erbarme sich!“

Eine völlige Fassungslosigkeit überkam sie. Sie sprang empor und band sich mit zitternden Händen die Schürze fester; es geschah rein mechanisch. Wenn sie so etwas an ihrem Kinde erleben müßte! Die Kraft, das zu tragen, hatte sie nicht mehr, nein, die hatte sie nicht mehr! Und der kranke Mann – die armen Mädchen – „Gott im Hintmel, wenn Lore vernünftig wäre!“

Sie band wieder die Schleife der Schürze auf und ward roth. „Vernünftig? Wer ist denn hier vernünftig?“ – „Wenn Lore sich opfern wollte!“ sagte eine ehrliche Stimme in ihr. „Nein, nicht zureden! Ich will kein Wort sagen; das arme Ding – Gott wird ja einen Ausweg zeigen, Gott muß sich erbarmen!“

Drunten rasselte jetzt die Schelle der Hausthür und die Stimme des Briefträgers scholl bis zu ihr herauf. Die schwache Frau flog aus der Kammer und die Treppe hinunter, mit fast jugendlicher Leichtigkeit. Ihre zitternde Hand nahm einen Brief in Empfang, sie barg ihn hastig, ohne ihn näher anzusehen, in der Tasche und kam dann mit der „Kreuzzeitung“ die Treppe wieder herauf, um sie in das Zimmer ihres Mannes zu tragen.

„Nichts weiter?“ fragte brummig der alte Herr und griff nach dem Blatt.

„Nichts, Tollen!“ Sie antwortete noch athemlos und machte sich etwas zu schaffen mit dem Kaffeegeschirr, das vor dem Gatten stand, der im Lehnstuhl am Fenster saß. Sie ward nicht einmal roth bei der Lüge, sie war es so gewöhnt, zu verbergen, zu verheimlichen, Nothlügen vorzubringen. Sie hatte eine solche Fertigkeit darin erlangt während der letzten Jahre ihrer Ehe, daß sie mitunter vor sich selbst erschrak, aber es blieb ihr ja kein anderes Mittel, um den Frieden des Hauses zu erhalten. Der Major ward zornig bei jeder Rechnung, die eintraf, er schimpfte, als ob seine Frau die Kohlen nur verbrenne, um ihn zu ärgern, die einfachen Kleiderstoffe nur anschaffe aus reinem Uebermuth, und sie ließ ihm schon seit langer Zeit nichts derartiges vor die Augen kommen. Er war schrecklich, wenn er tobte. Der alte Herr mußte wissen, daß Schulden vorhanden seien, aber er fragte nie danach; er trennte sich so schwer von den paar Goldstücken, die er für unvorhergesehene Fälle in seiner Kassette hütete; die Trennung ging niemals ohne Sturm vor sich, und so war es ihm recht, wenn die Frauensleute nicht „um jeden Quark“ zu ihm kamen, er erfuhr es noch immer frühzeitig genug, daß er Geld hergeben sollte. Und manchmal fehlte es ihm ja ganz! So geschah es, daß die Kaufleute oft Monate lang warten mußten, ehe sie befriedigt wurden, und daß die Tollens nicht gerade hoch in der Achtung der Westenberger Bürger standen.

Die Majorin ging mit dem Kaffeegeschirr hinaus, stellte es auf ein Tischchen im Flur und stieg die schmale Holztreppe hinauf zu Lores Mansardenstübchen.

Das junge Mädchen stand am Fenster; sie gewahrte das Eintreten der Mutter nicht, und diese bemerkte nicht, wie ein heimlicher Gruß und ein Winken hinunterflog zu dem Hof des Gymnasiums.

„Lore,“ begann die alte Dame, „vom Onkel, ich glaube vom Onkel,“ und sie holte den Brief aus der Tasche, „lies Du doch, ich kann nicht, mir flimmert es so vor den Augen.“

Lore nahm ruhig den Brief aus der Hand der Mutter, schnitt das Couvert auf und las. „Es ist nichts, Mama,“ sagte sie dann, „er will durchaus nicht helfen; Onkel schreibt: ‚Mag er denn die Folgen des Leichtsinns tragen und jenseit der großen Pfütze arbeiten lernen. Die Arbeit, das eiserne Muß allein ist im Stande, derartige leichtsinnige Naturen auf den Weg der Pflicht und Ordnung zurückzuführen.‘“

Die Majorin drehte wieder nervös die Bänder ihrer Schürze um die Finger und sah angstvoll an Lore vorüber. „Nun weiß ich nichts mehr!“ murmelte sie.

„Vielleicht gelingt es Benberg dennoch, das Geld anzuschaffen, Mama?“

Aber die alte Dame hatte keine Antwort. Sie stand auf und ging mit raschen Schritten aus der Thür. Traurig blickte Lore ihr nach.




Die verwitwete Frau Pastor Schönberg saß in ihrer Stube am Fenster und strickte an einem grauen wollenen Strumpf für ihren Sohn. Die alte Frau hatte auf den ersten Blick ein merkwürdig verdrießliches Gesicht, so, als sei ihr eitel Kummer und Trübsal im Leben zu theil geworden. Wenn man ihr aber in die vergißmeinnichtblauen Augen sah, die merkwürdig jung unter der tadellos frischen Tüllhaube hervorschauten, so wußte man gleich: da ist Humor, hier hat stets die gute Laune obgesiegt, waren die Zeiten auch noch so trübe. Und dann dachte man sich wohl dies alte Mütterchen als junges Mädchen und sagte sich: „das mag ein lustiges Ding gewesen sein!“ – Es war zu drollig, wenn die Frau Pastorin ihren Bekannten versicherte, ihr Sohn mache ihr zuviel Sorgen, er wolle allewig zu hoch hinaus, er poche immer auf die paar tausend Thaler, die er nach ihrem Tode erben werde. Es sei ein Jammer, wenn die Kinder wüßten, daß es bei den alten Eltern noch etwas zu holen gäbe. Und dabei lachten dann die Augen, denn sie glaubte selber nicht, was sie sprach.

Das Dienstmädchen war hereingekommen und hatte um den Speiseschrankschlüssel gebeten; es sei Zeit, den Thee für den Herrn Doktor aufzugießen.

„Dat möt ja Thee sin, anners geit dat nich mehr,“ bemerkte sie und hakte das Schlüsselbund aus dem Gürtel.

„Der Herr Doktor muß gleich kommen, es ist ein Viertel fünf vorbei,“ sagte das Mädchen im Hinausgehen und blickte auf die Uhr.

[56] Die Frau Pastorin murmelte irgend etwas, dann horchte sie auf; eben klang die Schelle und ein rascher Männerschritt näherte sich ihrer Thür. Mit einem „Guten Tag, Mutter!“ trat der junge Doktor über die Schwelle.

„Gu’n Dag!“ war die Antwort, „dat regnet ja?“

„Es ist nur Nebel, Mutter; dafür haben wir Oktober. Wie geht es denn, hast Du das Wochenblatt schon gelesen?“

„Ja! Da steht ordentlich drin, daß bei Beckers Ball gewesen ist! Die werden ja woll noch überspönig, wenn die Westenberger thun, als seien sie Königs selber. Und nun guck einmal – da fährt ja richtig die Beckern in ihrer Kalesche vor und holt das alte schrullige Puppenfrölen ab! Nun, es wird ja wohl so sein, wie die Kontrolörin sagt, daß da ein Brautpaar zustande kommt.“

Der Doktor hatte eben den Hut abgelegt und es sich am Tische auf dem Sofa bequem gemacht, wo er gewöhnlich seinen Thee zu trinken pflegte, wenn er nachmittags aus der Schule kam. Nun hob er den Kopf. „Was sagst Du, Mutter? – Bitte doch lieber die Kontroleurin, daß sie sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmert.“

„Na, uns kann es ja gleich sein, mein Jung. Da fahren sie richtig ab, das Frölen hat ihren pensee Stürmer auf mit den gelben Rosen, das läßt sich nach was an!“

Der Sohn war ans Fenster getreten und sah den Wagen vorüberfahren. Es war ein elegantes Coupe, hinter den spiegelnden Scheiben tauchte richtig der verschossene stadtbekannte Hut des Fräulein Melitta von Tollen auf, der seit Jahren jeden Sonntag im Kirchstuhl zu St. Marien sichtbar war. Auf dem intelligenten, von einem blonden Vollbart umrahmten Gesicht des Doktors spiegelte es sich wie leise Schadenfreude.

„Wetten?“ sagte er, „die fahren zu Majors und machen dort einen Besuch. Nur zu!“

„Das ist schlau,“ bemerkte die Pastorin. „Es macht sich ganz gut, so eine vornehme Equipage vor dem Hause. Das wird dem gnädigen Fräulein Lore schon einleuchten.“

Er schaute, herzlich belustigt, auf die kleine mürrische Frau hinunter. „Meinst Du?“ fragte er.

„Jung, thu nicht so dumm! Die Tollens können weder schwimmen noch baden, und wenn da ein noch größerer Esel käme als der Adalbert von drüben –“

Jetzt lachte er halblaut. „Daß Ihr Frauen Euch gegenseitig immer so schlecht beurtheilt!“ sagte er. „Aber, da ist ja mein Thee!“

Er setzte sich in voller Seelenruhe an den Tisch, den das Mädchen mit einer blendend weißen Serviette bedeckt hatte, und begann zu trinken.

„Du liebe Zeit!“ murmelte die alte Frau, „Noth bricht Eisen – es hat schon manche geheirathet, um aus dem Elend zu kommen.“

„Sie hat nur nicht Lore von Tollen geheißen!“ erwiderte er ernsthaft.

Die Mutter wandte rasch den Kopf und schob die Brille auf die Stirn, um den Sohn besser sehen zu können.

„Ei du meine Güte – na, Du willst sie doch nicht etwa heirathen?“

Er rückte die Tasse etwas zur Seite und kam wieder zu ihr herüber. „Warum denn nicht?“ fragte er und zupfte neckend an den breiten steifgestärkten Spitzen der Haube.

„Du bist nicht bei Troste!“

„Ei! Gefiele Dir denn das liebe Mädel nicht als Schwiegertochter?“

„Um Gotteswillen, Jung, schweige rein still!“ rief die alte Frau.


Die Gralsburg. Nach Oelgemälde von F. Knab.

[57] „Gefällt sie Dir nicht, die Lore, Mutter?“

„Du brauchst nicht Spott mit mir zu treiben, ich glaube Dir ja doch nicht!“ knurrte sie. „Na, das wäre die Rechte!“

Er schwieg, aber lächelte noch immer.

„Enterben thäte ich Dich,“ erklärte sie plötzlich im vollsten Ernst – „Enterben!“

„Wirklich?“ erkundigte er sich, und es zuckte um seine Mundwinkel. „Und wem wolltest Du das viele Geld vermachen?“

„Ein Narrenhaus ließ ich davon bauen, daß Du es weißt, Du frecher Jung!“ rief sie, „da hinein kämst Du mit sammt Deiner vornehmen Braut.“

„Wenn wir die einzigen Narren darin bleiben, nehme ich es dankbar an. – Guten Abend, Mutter, ich gehe jetzt spazieren.“

Er nahm seine Bücher, Hut und Stock und hatte im nächsten Augenblick die Stube verlassen. Die alte Frau hörte ihn auf der Treppe ein lustiges Lied pfeifen und schüttelte den Kopf.

„Nein,“ sagte sie endlich, „so dumm ist er nicht – so ein glattes Frätzchen und nichts dahinter – nein!“

Und sie legte das Strickzeug säuberlich zusammen, setzte sich mit gefalteten Händen in den Rohrstuhl zurück und wiederholte noch einmal. „So dumm ist er nicht!“

Er stand auf einmal draußen und pochte an die Scheiben. Sie schob den blitzblanken Messingriegel zur Seite und öffnete den Fensterflügel.

„Höre, Mutter,“ sagte er, „bevor die Lore meine Frau wird, müssen wir oben noch die Giebelstube ausbauen; es ist zu wenig Platz im Hause.“

Sie ward dunkelroth und schlug klirrend das Fenster zu, er aber preßte das Gesicht an die Scheibe und lachte mit lustigen Augen hinein, wie er es als kleiner Junge gethan.

Da öffnete sie noch einmal. „Töv, Du Slüngel, Du willst Din oll Mutter foppen?“ Und sie nahm ihm, ehe er sich’s versah, den Hut vom Kopfe, daß er barhaupt da stand und der Wind ihm durch die dichten braunen Haare sauste. „Du wolltest doch spazieren gehen? Geh doch, mein Jungchen, viel Vergnügen! Du kannst ja nun gleich, wie Du da bist, um Deine Lore anhalten.“

Sie wollte das Fenster schließen, da drängte er ihre alte Hand zurück, und im nächsten Augenblick war er mit einem Satz durch das niedrige Fenster gesprungen und stand in der Stube.

Die alte Frau saß in ihrem Lehnstuhl und lachte. „Schämst Dich nicht?“ rief sie, „was sollen nur Deine Schüler sagen, sähen sie, wie Du Dich benimmst! Da sollen sie wohl gar noch Respekt behalten? Wenn ich nur wüßte, was Dich so übermüthig macht –“

Und da hatte er plötzlich einen Stuhl neben sie gezogen und sah sie groß und ernsthaft an.

„Du darfst es ja wissen, Mutter,“ sagte er leise, „das Glück macht es, das süße reine Glück – sie hat mich lieb, die Lore, und will meine Frau werden.“

„Grundgütiger!“ stammelte die Pastorin leichenblaß. „Junge, was fängst Du für Geschichten an!“

In seinen Augen lag ein bittender Ausdruck. „Mutter, halte keine Reden, es wäre doch alles vergebens.“

„O lieber Gott, das ist doch keine Frau für Dich,“ begann die Pastorin, „eine von den Tollens, die nichts weiter wissen und können, als hochmüthig thun, und denen die Edelmannsmucken aus allen Kleiderfalten gucken! Jung, was hast Du denn gesündigt, daß Dir so ein Kreuz auferlegt wird?“

„Du kennst ja Lore nicht,“ erwiderte er und griff nach ihrer Hand. „Sie ist so lieb und einfach, und sie ist mir von Herzen gut.“

[58] „Ich müßt’s erst mit eigenen Augen sehen, ich glaub’s nicht eher. Nun ist das Unglück über uns gekommen, damit fängt’s an.“

„Willst Du sie einmal sehen, Mutter? Darf ich sie Dir bringen?“ rief er, ohne die letzten Worte zu beachten. „Ich denke, ich treffe sie jetzt auf dem Spaziergange, und will sie bitten, daß sie einen Augenblick hereintritt zu Dir.“

Er hatte sich erhoben und den Hut aufgenommen, der vom Schoß der alten Frau achtlos zur Erde geglitten war.

Sie antwortete nicht.

„Ich bringe sie Dir, Mutter, dann hast Du sie lieb, ich weiß es!“ rief er. Und er lief mehr als er ging aus der Stube, in den dämmernden Oktobernachmittag hinaus.

In den Anlagen durchmaß er die Wege mit förmlichen Sturmschritten, aber all die Gänge lagen einsam vor ihm. Ein Gefühl der Enttäuschung bemächtigte sich seiner; er hatte bestimmt geglaubt, Lore werde mit der Schwester spazierengehen. Er saß einen Augenblick unter dem Pavillon nieder und zeichnete mit seinem Stock Lores Namen in den feuchten schwarzen Erdboden; er war so vertieft darin, daß er nicht bemerkte, wie ein paar seiner Schüler vorübergingen und ihn grüßten und dabei die verbotenen Cigarren versteckten. Es wurde nahezu grauer Abend und ihn fror, er ging langsam nach der Stadt zurück und stand ein Weilchen außen vor der Gartenthür seines kleinen Grundstückes, überlegend, ob er hinaufgehen solle, um zu arbeiten. Es sei ihm nicht möglich, meinte er dann, und schlenderte dem nahen Stadtthore zu.

Unter dem gewölbten Durchgang kam, mit den Armen schlenkernd, Käthe Tollen ihm entgegen. Das braune Wollkleid war etwas sehr kurz, die Lederstiefel hatten ausgeweitete Gummizüge und gaben dem Fuß eine wunderliche Form, und das Filzbarett saß schief über dem gelangweilten kecken Gesichte. Er mußte lächeln; welch ein Unterschied zwischen den beiden Schwestern!

„Guten Tag, Fräulein Käthe,“ begann er auf sie zugehend, „wollen Sie spazierenwandern? Und so allein?“

Das Gesicht des jungen Mädchens ward glühend roth, sie machte eine etwas unbeholfene Verbeugung. „Die Lore kann ja nicht mit, die muß in Mamas Salon sitzen und der alten ‚Beckern‘ Kaffee präsentiren.“

„So? Nun, da werde ich Sie ein Stückchen begleiten, wohin wollen Sie denn gehen?“

Käthe versagte einen Augenblick der Athem – Doktor Schönberg wollte mit ihr – – der heimliche Abgott sämmtlicher Schülerinnen mit ihr, mit Käthe Tollen – spazieren? Sie blickte ihn völlig konsternirt an, dann besann sie sich – in der Stadt traf man jedenfalls Mitschülerinnen, und welches Furore würde es machen! – „Ich wollte eben umkehren,“ log sie, „ich muß noch auf den Markt, habe da eine Bestellung – bei – bei –“

„Schön“ unterbrach er sie, „ich werde Sie bis zu – zu – na, es ist gleich – begleiten. Wie steht’s mit Ihrem Aufsatz, Fräulein Käthe, über –?“

„Den habe ich ja längst abgegeben!“

„Ah, richtig – ja, ja. Also Ihre Frau Mama hat Besuch?“

„Seit zwei Stunden sitzen sie da und hecheln den Ball durch,“ berichtete Käthe.

„Er war wohl sehr schön?“

„Weiß ich nicht, Lore spricht schon den ganzen Tag kein Wort, sie ist überhaupt viel früher nach Hause gekommen als die andern. Ich kann’s ihr nicht verdenken.“

„Wieso denn?“ fragte der junge Mann und schritt auf dem Fahrdamm, weil der Bürgersteig allzu schmal war für beide.

„Na, das weiß doch jeder, daß Adalbertchen unserer Lore den Hof macht.“

Er antwortete nicht gleich. „Das ist Fräulein Lore sicher sehr unangenehm?“ preßte er dann hervor.

„Möglicherweise – ja!“ erwiderte Käthe. „Jedenfalls wäre ich nicht dageblieben, und wenn die Frau Elfriede Becker mir noch zehnmal mehr Liebenswürdigkeiten sagte und noch besorgter thäte um mein Befinden.“

Er war stehen geblieben, just vor einem Goldschmiedsladen. Wie in Gedanken verloren musterte er die bescheidenen Auslagen, und seine Augen blieben an einem Kästchen mit Sammetleisten hängen, zwischen denen eine Menge glatter goldener Ringe, im Scheine einer Petroleumlampe, blitzte.

„Das sind Trauringe,“ sagte Käthe, die seinen Blicken gefolgt war.

„Würden Sie mir einen Gefallen thun, Fräulein Käthchen?“ fragte er, ohne die Augen abzuwenden von dem Kästchen.

„Was denn?“ scholl es zurück. Jeder andere hätte zur Antwort bekommen „Ich habe keine Zeit!“ Ihm gegenüber brachte sie es nur zu einem unfreundlichen. „Was denn?“

„Fräulein Lore ein Buch übergeben, das ich ihr versprach.“

„Na ja! Geben Sie her!“ klang es gleichgültig.

„Ich muß es aber erst von Hause holen“

„Das ist gleich. Ich komme mit bis an Ihre Wohnung, während Sie das Buch holen, gehe ich auf und ab.“

Er hatte sich schon umgewandt, und sie schritten eilig neben einander her. Weite Entfernungen gab es ja nicht in Westenberg, nach kaum acht bis zehn Minuten eilte der Doktor durch den kleinen Vorgarten in sein Haus, Käthe blieb vor der Gitterpforte stehen. Unter den hohen Rüstern war es vollständig dunkel; sie hatte sich gegen einen der Bäume gelehnt und sah hinauf nach dem Giebelfenster, wo er wohnte. Sie athmete rasch und ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Nun flammte Licht dort oben auf; sie sah einen Schatten sich bewegen, dann mußte er sich tiefer ins Zimmer zurückgezogen haben, denn der Schatten verschwand.

Sie hatte sehr lange zu warten. Sollte er es vergessen haben, daß sie dort unten stand? Und Käthe war nicht gewöhnt, zu warten. Was ging es sie an, daß er Loren ein Buch versprach! - Was das wohl zu bedeuten hatte? Käthe nahm sich vor, dieses Buch erst zu studiren, bevor sie es an Lore gab. Sie traute der Sache nicht; Lore war eine Heimlichthuerin, sie war so oft roth geworden, wenn ihnen der Doktor beim Spaziergange begegnete, oder wenn überhaupt von ihm die Rede gewesen. –

Käthe stampfte plötzlich mit dem Fuße auf und ballte die Hände zur Faust. Sie hätte Lore schütteln mögen vor Zorn und wußte doch nicht – weshalb? Sie wollte fortlaufen, und doch hielt sie der Gedanke, sie müsse erfahren, was es mit dem Buche sei.

Endlich kam er. Das Buch war in Zeitungspapier eingeschlagen.

„Haben Sie sich gefürchtet?“ fragte er. „Sie hätten zu meiner Mutter eintreten sollen.“

„Ich fürchte mich nicht,“ klang es trotzig zurück. Sie riß ihm das Buch aus der Hand. „Soll ich sonst noch etwas bestellen?“

„Nein! Fräulein von Tollen weiß schon, aber Sie dürfte es vielleicht interessiren, daß ich nächsten Donnerstag die Litteraturstunde nicht geben kann; ich muß auf acht bis zehn Tage verreisen.“

„So? – Viel Vergnügen!“ Es sollte recht gleichgültig klingen.

„Ist keine Vergnügungstour,“ bemerkte er, „ich muß zu einer Philologenversammlung nach M. Nun wollen wir aber gehen, ich begleite Sie nach Hause.“

„Ich danke,“ antwortete sie, „ich gehe allein viel lieber. Guten Abend!“

(Fortsetzung folgt.)




Die Landenge von Panama.

2. Die Eisenbahn.
Von Dr. Emil Jung.

Die Entdeckung des Zusammenhanges zwischen der nördlichen und südlichen amerikanischen Festlandhälfte machte es den Seefahrern jener Zeit klar, daß der Weg zu den gesuchten ostasiatischen Reichen nur um den Norden oder den Süden des langgestreckten neuen Kontinents führen könne, denn an ein Ausschiffen auf der einen Seite der schmalen Landenge und ein Einschiffen auf der andern durfte bei der unwegsamen Natur des Landes und den unentwickelten Verkehrsverhältnissen jener Zeit durchaus nicht gedacht werden. Und hatten auch die Indianer sich Balboa gegenüber gefügig genug gezeigt, so fingen sie, aufgereizt durch die brutale Raubgier seiner Nachfolger, doch bald an, das Betreten ihrer Territorien zu einem Unternehmen gefährlichster Art zu machen.

Dennoch gediehen die spanischen Niederlassungen an beiden Ufern des schmalen Isthmus, Panama zumal, von wo aus Pizarro [59] seinen denkwürdigen Zug machte, durch den im Süden das große Reich der Inkas zerstört wurde, wie durch Hernan Cortes im Norden das der Azteken gefallen war. Ungeheure Reichthümer, die Ergebnisse ebenso verwegener wie erfolgreicher Raubzüge, lagen hier aufgehäuft. Aber kurzsichtig suchte Spanien alle fremden Flaggen von seinen amerikanischen Kolonien fernzuhalten und lockte dadurch gerade jene kühnen Piraten herbei, welche als Flibustier, Bukkanier, Küstenbrüder die amerikanischen Meere durchschwärmten, überall brandschatzend oft tief ins Land hineindrangen und manche reiche Silbergallone wegnahmen. Der gefürchtete Morgan erstürmte 1670 Puerto Bello, drang im nächsten Jahr über die Landenge von Panama vor und machte, dabei unermeßliche Beute.

Noch immer zogen nur schmale Saumpfade durch die dichten Wälder, auf welchen mit Hilfe indianischer Träger der ganze Verkehr vermittelt wurde; aber wollte man sich nicht zur gefahrvollen Fahrt um die von Stürmen gepeitschte, in Nebel gehüllte Südspitze Amerikas entschließen, so bot die Landenge den einzigen Weg, auf welchem der ungeheure Raub des Inkareichs der alten Welt zugeführt werden konnte.

Unter dem Zauber von Gold, Silber und kostbaren Perlen blühte Panama schnell auf. Prächtige Kirchen in Porphyr, in rothem oder grünem Basalt erstanden, zahlreiche Orden schufen sich wohldotirte Klöster, eine große Stadt baute sich auf nach maurischem Muster aus Häusern, deren dicke Mauern die Hitze abhielten und in deren weiten Patios unaufhörlich rauschende Springbrunnen erfrischende Kühle verbreiteten. Seine hohen stattlichen Gebäude gaben Panama ein Ansehen, durch welches es sich wesentlich von allen andern Städten Centralamerikas unterschied, denn nur auf diesem in Centralamerika allein von der Erdbebenplage verschonten Gebiet sind solche Bauten möglich.

Aber die eifersüchtige und niedrige Politik, welche Spanien seinen Kolonien gegenüber verfolgte, und die unglücklichen Kriege mit England legten den Grund zum Ruin des damals besuchtesten Ein- und Ausfuhrhafens Westamerikas. Häufige Feuersbrünste thaten außerdem das Ihrige, aber von Grund aus zerstört wurde die Stadt durch Morgans schon erwähnten Raubzug. Indeß wurde sie bald wieder aufgebaut und zwar nun einige Meilen westwärts auf einer felsigen, leicht zu vertheidigenden Halbinsel am Fuße des Cerro Ancon.

Hier schuf der berühmte Baumeister Don Alfonso de Villa Costa einen Platz, dem an Festigkeit in Südamerika damals keiner gleichkam. Mehrere Meter dicke Mauern wurden auf drei Seiten auf dem Terrain der Ebbe gegründet, und an jedem Endpunkte erhob sich eine mächtige Bastion gegen den Ocean. Heute sind die Festungswerke unbewehrt und baufällig; zerstörend prallen die Wogen an die mächtigen Mauern; von der Brandung unterspült, von Ranken und Mauerpflanzen zerklüftet, liegen Steine und Balken zerstreut auf dem Strande, den die Ebbe periodisch freilegt. Eine einzige Bastion ist noch leidlich erhalten, und hier lustwandeln allabendlich die Kreolen und athmen in vollen Zügen die erquickende Meeresbrise ein, während sie den herrlichen Blick auf das entzückende Panorama der Reede und ihrer grünschimmernden Inseln genießen. Leider sind Miethskasernen an die Stelle der malerischen maurischen Bauten getreten, nur hier und dort geben Häuser mit steinernem Erdgeschoß und hölzernen, rings weit überstehenden Stockwerken der Stadt einen eigenartigen Anstrich.

Von den Dutzenden von Kirchen, welche die Stadt birgt und die mit ihren zugehörigen Klöstern den früheren Reichthum Panamas ahnen lassen, dienen nur noch wenige ihrer ursprünglichen Bestimmung. Die meisten Kirchen sind in Wohnhäuser umgewandelt oder in Trümmer zerfallen, die Klöster zu Magazinen oder Kasernen geworden. Aber hoch und gesund gelegen, stand Panama selbst in seiner tiefsten Erniedrigung weit über dem Fiebernest Chagres, dem Hafen der atlantischen Küste, dem die Landenge vornehmlich ihren traurigen Ruf verdankt.

An diesem von verpesteten Sümpfen umschlossenen Platze ausgeschifft, mußten die Reisenden fünf schreckliche Tage die Windungen des Chagresflusses hinauffahren; in enge Pirogen ohne Schutz gegen Regen und Sonne eingeschachtelt, kamen sie schon elend in Gorgona, dem Endpunkte der Schifffahrt, an, und um Panama zu erreichen, hatten sie noch zwanzig volle Stunden unter tausend Beschwerden des Bodens und der Witterung zu marschiren. Abends kein stärkendes Mahl, nachts kein Lager, bis auf die Haut durchnäßt und doch nicht im Stande, die Kleider zu wechseln, wie konnte ein Organismus, und war er noch so stark, diesen Angriffen widerstehen! Und dennoch begann seit Entdeckung der fabelhaft reichen Goldschätze Kaliforniens ein immer stärker anschwellender Strom von Abenteurern über den Isthmus sich zu bewegen. Führte doch damals über die weiten Prairien des „Westens“ und die schneebedeckten, rauhen Grate der Rocky-Mountains noch kein bequemer Schienenweg und waren doch die mit müder Qual über die unwegsamen Landschaften Nordamerikas hinziehenden Ochsenkarawanen nur zu häufig den mörderischen Angriffen räuberischer und grausamer Rothhäute ausgesetzt.

Freilich fehlte es auch auf dem Isthmus an solchem Gesindel nicht, sobald eine rückläufige Strömung einsetzte und glückliche Digger (Goldgräber) mit dem Erlös ihrer Arbeit in die Heimath zurückzukehren begannen. Sehr bald wurde die Straße durch Banden gefährdet, welche den Heimziehenden auflauerten und so auf bequemere Art an den kalifornischen Schätzen theilnahmen. Dies Unwesen mit der Wurzel ausgerottet zu haben, ist das Verdienst eines kaum zwanzigjährigen Amerikaners. Mit einigen kühnen Genossen drang er in die Wälder und lynchte ohne Erbarmen die Banditen, die er in ihren Schlupfwinkeln überraschte; in wenigen Monaten hatte dieser neue Herkules das Land gründlich gesäubert.

Der Verkehr über die Landenge war in dieser Zeit ungeheuer gestiegen. Während 1849 nur 800 Menschen die Straße gezogen waren, zählte man bereits im nächsten Jahr nicht weniger als 13 484 und 1851 gar 21 180 Reisende. Amerikanischer Unternehmungsgeist wußte sehr bald von den neuen Verhältnissen Nutzen zu ziehen. In New-York bildete sich eine Gesellschaft von Kapitalisten, welche zuerst sorgfältige Untersuchungen über die Ausführbarkeit einer Eisenbahn durch den Isthmus anstellte und, nachdem dieselben zur Befriedigung ausgefallen, mit der Regierung Neugranadas einen Vertrag abschloß, wonach ihr 200 000 Acker Landes an der vorgezeichneten Bahnlinie und ein Privilegium zugesprochen wurde, das die Regierung nach Ablauf der ersten 20 Jahre, von Vollendung der Bahn an gerechnet, für 5 Millionen Dollars einzulösen befugt war.

Machte sie von diesem Rechte keinen Gebrauch, so sollte das Privilegium auf weitere zehn Jahre verlängert werden. Nach Ablauf dieser zweiten Frist sollte die Regierung die Bahn für 4 Millionen, und nach Ablauf einer dritten gleich langen für 2 Millionen Dollars einlösen können. Aber bei dem politischen Zustand des Landes war von vornherein nicht zu erwarten, daß die Regierung das Geld je für die Ablösung werde aufbringen können, und bis dahin war die Gesellschaft unter den Schutz der Vereinigten Staaten gestellt. Bemerkenswerth ist noch, daß die Gesellschaft das Monopol des Transits über den ganzen Isthmus, also auch die Entscheidung über die Kanalfrage, für sich in Anspruch nahm.

Die Bahnlinie begann bei der Stadt Panama; zum Endpunkt wählte man nicht das ungesunde Chagres, sondern die Manzanillo-Insel in der Navybai, wo dann der Ort Aspinwall entstand, so getauft nach einem der Mitglieder des Konsortiums. Doch hat dieser Name in neuerer Zeit mehr und mehr der Bezeichnung Colon Platz machen müssen. Manzanillo ist ein gehobenes Riff von Madreporenkorallen, zum großen Theil von einem Sumpfe erfüllt, aus dem sich das Geripp einer riesigen Mangrove erhebt, deren vielverzweigte Wurzeln einen willkommenen Ruhesitz für die zahlreichen Geier bilden, welche die sonst von niemand geübte Wegereinigung in dankbarer Weise übernehmen. Die ganze Insel ist nackt und kahl, doch hat man mit großer Mühe an der im amerikanisch-englischen Stil aus rothem Porphyr erbauten Kirche, am Bahnhof und am Leuchtthurm einige Kokospalmen groß gezogen und rings um die Insel zieht sich eine schöne von der Eisenbahngesellschaft angelegte Promenade.

Die mit Balkonen und Veranden geschmückten Häuser der Bahnbeamten, Kaufleute, Agenten erbaute man auf der festen und trocknen Nordwestspitze der Insel, dahinter in den Sumpf hinein erstrecken sich, auf Pfählen oder fragwürdigen Erdaufschüttungen ruhend, Magazine, Quais, der Bahnhof und die ganze elende Ansammlung von Hütten und Buden, deren hauptsächliches Material alte Kisten und Lianen bilden, die Wohnungen der zahlreichen Schwarzen und Braunen. Zwischen beiden Theilen der Stadt sind zur besseren Drainirung zwei große Teiche gegraben worden, welche das Meer und die gleichfalls als Unrathsvertilger verdienstvollen Alligatoren einlassen. Hier erhebt sich, durch eine leider [60] allzu hohe Einfriedigung eingeschlossen, die prächtige Bronzegruppe: „Christoph Columbus bringt Amerika seinem Europa dar“, ein Geschenk der Kaiserin Eugenie an den Präsidenten Mosquera, ihren entfernten Verwandten.

Vom hohen Meer aus giebt es nichts Reizenderes als den Blick auf die Stadt und die Reede von Colon. Links erscheinen die niedrige Insel Manzanillo und die weißen, von Kokospalmen beschatteten Häuser der Stadt, rings umher ist die Ebene mit Wäldern bedeckt, welche die Limonbai umgürten, rechts und links von dieser steigen in einiger Entfernung die Höhen von Mindi und Puerto Bello auf, während geradeaus im bläulichen Hintergrund niedrige Hügel den Rücken bilden, der die Ebenen der atlantischen Küste von denen der pacifischen trennt.

Der Bau der Bahn wurde im Januar 1850 in Angriff genommen, am 28. Januar 1855 konnte sie eröffnet werden. Es sind ungeheure Anstrengungen nöthig gewesen, um diese doch nur 75 Kilometer lange Strecke zu vollenden, und Tausende von Menschenleben wurden dabei geopfert. Gerade das Letzte ist aber ebenso häufig bestritten wie arg übertrieben worden. Gehört es auch ins Bereich der Fabel, wenn man rührend erzählte, wie vom Heimweh ergriffene Chinesen sich während der Ebbe an die Küste des Stillen Oceans setzten und ohne Klage, ohne ein Wort, ohne eine Bewegung die steigende Fluth erwarteten, bis sie der feuchte Tod aus ihren Sklavenketten befreite – denn die Chinesen arbeiteten im Mittelpunkt des Isthmus –, so ist es doch sicher, daß viele von ihnen, sobald sie das Fieber in ihren Gliedern spürten, sich selbst ums Leben brachten oder sich von ihren Landsleuten den Tod geben ließen. Man holte Engländer, Deutsche, Irländer, Franzosen, Neger, ostindische und chinesische Kulis herbei, aber unter allen räumte das Klimafieber in grauenerregender Weise auf. In der ersten Zeit, in der gerade die schwersten Arbeiten zu verrichten waren, hatte man nicht die geringsten Anstalten getroffen, die Kranken zu pflegen, erst 1852, also volle zwei Jahre nach Beginn des Unternehmens, fing man an, einen Sanitätsdienst einzurichten; auf Manzanillo erhoben sich einige Holzbaracken, die Magazine von Colon wurden mit den nöthigen Vorräthen ausgestattet und längs der Bahn schlug man Schuppen auf, in denen die Arbeiter Schutz vor Sonne und Regen finden konnten. Nach den Angaben der Eisenbahngesellschaft freilich sollen während des Baues nur 293 Weiße gestorben sein und doch waren häufig bei 7000 Arbeiter zu gleicher Zeit auf den Bauplätzen.

Die Kosten des Baues stellten sich trotz der geringen Länge außerordentlich hoch; sie beliefen sich auf über 8 Millionen Dollars. Die ersten 19 Kilometer von Colon aus führen durch überaus sumpfiges Terrain, in welchem die Schienen zum Theil auf eingerammten Pfählen liegen; zur Ueberschreitung der mäanderartig die Landschaft durchschlängelnden Flüsse waren nicht weniger als 170 Brücken von 4 bis 200 Meter Spannweite nöthig. Die größte derselben ist die Brücke über den Chagres, die jetzt, um den zerstörenden Einflüssen der Insekten und der Witterung zu trotzen, wie die meisten anderen aus Eisen erbaut ist. Zu diesen Einflüssen kommt eine mächtig wuchernde Vegetation, in deren Umarmung die Bahn sehr bald verschwinden würde, führte nicht ein Heer von Arbeitern mit derselben einen unablässigen Kampf um das Terrain. Die Bahn ist eingeleisig, hat aber bequeme Ausweichstellen und alle 61/2 Kilometer befindet sich ein Haus für den Bahnwärter. Früher nahm man dazu Weiße, später wurde ersparnißhalber die Pflege der Bahn ausschließlich Negern anvertraut. Ueberhaupt ist der Betrieb der denkbar einfachste. Es giebt nur eine Wagenklasse und von Bahnhöfen und Billetschaltern ist keine Rede. Die Passagiere steigen ungehindert ein und wählen selbst ihre Plätze, erst unterwegs wird die Zahlung gefordert; nur höchst selten sieht sich der Zugführer gezwungen, zu halten und einen Zahlungsunfähigen der freien Luft und dem Urwald zu übergeben.

Die Zahl der Reisenden, welche den Isthmus benutzten, wuchs mit der Eröffnung der Bahn sogleich in außerordentlicher Weise, zumal zu den vielen schnell gebildeten Dampferlinien noch die trat, welche Europa über Panama und Tahiti mit dem gleichfalls unter dem Zauber reicher Goldfunde schnell aufblühenden Australien verband. Im Jahre 1859 erreichte der Personenverkehr seine höchste Ziffer mit 46 976 Fahrgästen. Dazu kam der Transport der kolossalen Gold- und Silbermassen und Edelsteine, während der von anderen Waaren bei den sehr hohen Spesen ein geringer war.

Nach dem Bericht des Ingenieurs Totten, des Erbauers der Bahn, wurden in den 12 Jahren von 1855 bis 1866 befördert 396 032 Reisende, für 501 Millionen Dollars Gold, für 147 Millionen Dollars Silber, für 7 Millionen Dollars Juwelen und 614 535 Tonnen Güter.

Seitdem aber nahm der Verkehr gewaltig ab, namentlich seit Eröffnung der nordamerikanischen Pacificbahn und der bald darauf folgenden Verlegung der Station für die australischen Dampfer nach San Francisko und der Eröffnung zahlreicher Dampferlinien um das Kap Horn nach der Westküste Südamerikas. Noch immer freilich wußten Reisende die Fahrt über den Isthmus mitten durch Wälder, die noch in ihrem herrlichsten, in keinem Theil der Erde übertroffenen Urschmuck prangten, als eines der sinnberauschendsten Schauspiele zu preisen, welche das Auge des Naturfreundes zu genießen vermag, aber das praktische Interesse an dieser Bahn nahm immer mehr ab, so daß schließlich die bisherige jährliche Zahlung von einer Viertelmillion Dollars an die columbianische Regierung eingestellt werden mußte und die Verwaltung sich unschwer entschloß, ihren Besitz und ihre Gerechtsame an die von Lesseps zur Durchstechung des Isthmus gebildete Gesellschaft abzutreten.




Die Gralsburg.

(Mit Illustration S. 56 und 57.)

Gralszinnen, unerfindbar Klugen,
Gemeinem ewig unnahbar,
Die fromm zu Euch ihr Wehsal trugen,
Sehn Aether, Sein und Schicksal klar! –

5
Baumkronen, Laubgewölbe tragend

Umschließen Himmelseinsamkeit,
Am Chor die Wächter schauen fragend
Und tief bekümmert in die Zeit.

Es leuchtet die smaragdne Schale,

10
In die das Blut vom Kreuze floß,

Sie scheint mit hellem Wunderstrahle
Durch Mauern in der Welle Schoß.
Wer ihr Erglühen sieht, gesundet
Und trüg er Leiden noch so schwer,

15
Amfortas aber liegt verwundet,

Wo käm’, der ihn ersetzte, her?

O Wunden, die unheilbar bluten,
O Sehnsucht, niegestillte Qual!
Des Zaubers Fluch umstrickt die Guten,

20
Wer hilft uns, wer beschützt den Gral?

Wo wird solch treuer Muth gefunden,
Weß Schwert und Seele blieb so rein?
Die Morgen flieh’n, die Abendstunden,
Und ach, noch trat kein Retter ein!

25
Wenn aus den Felsgeklüften flöge

Der Basilisken Brut hervor,
Und an den heil’gen Strahlen söge,
Wer hielte seinen Schild davor?
Wenn aus dem See die Nixe tauchte

30
Mit Schlangengier, wenn an den Gral

Der Molch mit gift’gem Odem hauchte,
Wer höb’ dagegen seinen Stahl? –

Was müht Ihr Wächter Euch, zu schauen
Ins Thal und wo die Woge rollt?

35
Ein Kind noch ist, in Hut der Frauen,

Der Held, den Ihr erwarten wollt;
Der Euch wird Herr sein und Euch retten,
Ist noch in Haft von Wald und Nacht;
Der brechen soll der Sünde Ketten,

40
Wird noch zuvor von ihr verlacht. –
Hermann Lingg.

[61]

Auf der militärischen Hochschule.

Eine Plauderei von Fritz Klien. Mit Originalzeichnungen von O. Gerlach.

Auch im Leben des flottesten leichtlebigsten Lieutenants kommen Augenblicke, wo es ihm schwer auf die Seele fällt, daß das Avancement langsam ist und daß er noch so gar nichts für seine Unsterblichkeit gethan hat. Dazu die Aussicht, in der Tretmühle des Einerlei des Frontdienstes noch viele Jahre ausharren zu müssen, Winter für Winter dieselben Vergnügungen zu genießen, dieselben Erzählungen im Kasino, dieselben Witze in der Kneipe anzuhören – ihn schaudert’s! Ein kurzer Ueberschlag über das, was er bisher in den Wissenschaften geleistet, ein kräftiger Entschluß – man greift von neuem zu den Büchern, und ehe ein Vierteljahr vergangen, geht man frisch und unverzagt in das Examen zur Kriegsakademie.

Im Frühjahr, wenn es in der Natur drängt und treibt, da herrscht auch in den betreffenden Offizierskreisen ein besonders reges Leben, eine ungewöhnliche Aufregung. Bald muß es sich ja zeigen, ob die Saat, die man dem Schoß der Examinationskommission anvertraut hat, auch aufgegangen ist. Wem das Glück nicht hold gewesen, der geht die nächste Zeit betrübt umher. Besonders schlimm, wenn er verheirathet ist; wie hat sich die Frau schon auf Berlin gefreut und sich im zukünftigen Ruhmesglanz des Gatten gesonnt! Noch schlimmer, wenn er einen schulpflichtigen Buben hat, der überall jubelnd verkündet: „Papa ist durch das Examen gefallen“, und infolge dieses Vorfalls mit größerer Ruhe der demnächst zu erwartenden Censur entgegensieht.

Auf dem Wege zur Kriegsakademie.

Wem aber das Glück gelächelt hat, dessen Herz schwillt vor Stolz und Freude. „Kommandirt zur Kriegsakademie“, wie hübsch das klingt, wie prächtig sich das auf den Visitenkarten und in der Rangliste ausnehmen wird! Und dann drei Jahre in Berlin, keine Rekruten, keine Instruktionsstunden, kein Kompagnieexerzieren! Man geräth unwillkürlich in Träumereien. – Der Blick gleitet am Beinkleid herab. Hm! So ein breiter karmoisinrother Streifen würde gar nicht so übel stehen. Mein Gott! man ist ja noch jung genug für Illusionen.

Noch kein Manöver ist dem zur Akademie Einberufenen so entsetzlich lang vorgekommen, aber in noch keinem ist er so seelenvergnügt gewesen. Schlechte Quartiere, kleine Verdrießlichkeiten im Dienst, alles gleitet wirkungslos an ihm ab. Bald kehrt er ja diesen untergeordneten Dingen den Rücken und sieht sie nur noch von höherem Standpunkt an.

Endlich ist der 1. Oktober da. In vollem Gefühl seiner neuen Würde betritt der vom Glück Begünstigte die prächtigen Räume der Kriegsakademie. Welch buntes Gewirr der verschiedensten Uniformen! Von allen Seiten sind sie herbeigekommen, die Neueinberufenen sowohl wie auch diejenigen, die in den hehren Räumen der Wissenschaft schon heimisch sind und während der vierteljährigen Pause bei einer anderen Waffengattung Dienste gethan haben. Welch stolzes Gefühl, so ganz unter seinesgleichen, ein Mitglied dieser geistigen Gemeinschaft zu sein, in der es weder gestrenge Hauptleute noch dickleibige Dienstbücher giebt, die einem so häufig die Nachmittagsfreude verdarben! Die gehobene Stimmung macht mittheilsam, man wendet sich an seinen Nachbar, man plaudert von der herrlichen Aula, in welcher man sich mittlerweile befindet, von der schönen Zeit, die nun bevorsteht, von seinen Erwartungen und Hoffnungen. Aber der Nachbar bleibt kühl, er schaut gelangweilt um sich und schließlich trifft den Redseligen ein Blick, in dem so deutlich steht, als hätte er es ihm aufgeschrieben: „Mein lieber Freund, Sie verstehen vorläufig noch gar nichts, absolut gar nichts.“ In sein Nichts zurückgeschleudert, fällt dem Aermsten ein, daß er ja noch ein Neuling ist, daß er noch zu den „Ungebildeten“ gehört. Der Eintritt des Direktoriums unterbricht seine Betrachtungen über diesen Punkt. Eine kurze kräftige Ansprache des Herrn Generals, die Mittheilung, daß der Unterricht am nächsten Morgen um 1/410 Uhr seinen Anfang nimmt, und man verläßt die Aula mit dem Bewußtsein, nunmehr ein wirkliches, vollberechtigtes Mitglied der alma mater militaris zu sein. Daß dieses in jeder Beziehung ein Vorzug ist, lernt man bald schätzen.

Man befindet sich ja allerdings nicht ganz in derselben Lage wie der Bruder Studio, der das Gymnasium und das elterliche Haus verläßt, um sich auf der Universität einschreiben zu lassen, denn der Offizier, der zur Kriegsakademie einberufen wird, ist meist über die erste Jugendzeit hinaus. Er hat schon einen Theil Ernst des Lebens kennen gelernt, schon manche Illusion begraben, und wer seinen Platz auf einer der hintersten Bänke erhält, der kann bemerken, daß schon bei manchem seiner Studiengenossen des Haupthaars Lockenfülle bedenklich zu schwinden beginnt. Aber wenn man so früh am Morgen nach der Akademie wandert, frei und unbehindert, dann stellt man unwillkürlich Vergleiche an zwischen demjenigen, was man jetzt genießt, und dem, was man verlassen hat. Dann schwillt das Herz von jenem Hochgefühl, das der Student empfindet, wenn ihm das Leben zum ersten Mal in seiner Ungebundenheit und Zwanglosigkeit winkt. Nicht daß die Pünktlichkeit, die Ordnung, die militärische Straffheit fehlen dürfte, nein, ohne diese fühlt sich kein Soldat recht wohl; aber daß er im übrigen so ganz sein eigener Herr geworden, für sein Thun und Wirken in erster Linie nur sich selbst verantwortlich, frei von allen Reibungen nach oben und unten, die im Frontdienst unvermeidlich sind, das erzeugt in ihm ein wahrhaft akademisches Hochgefühl, das macht ihn von neuem jung und frisch, schärft seine Geistes- und Willenskraft. Ja, man wird wieder jung auf der Kriegsakademie und deswegen erinnert man sich auch in späteren Jahren dieses Lebensabschnittes mit derselben Freude, man möchte fast sagen Zärtlichkeit, mit welcher man der ersten Lieutenantszeit gedenkt.

Wenn die Uhren der Hauptstadt die neunte Stunde verkünden, dann entwickelt sich vor dem Gebäude der Kriegsakademie und in den angrenzenden Straßen ein reges Leben. Von allen Seiten kommen sie herbeigeströmt, die wißbegierigen Jünger des Mars. Um 1/410 Uhr beginnen die Vorträge. Man sieht, das akademische Viertel [62] wird auch von den militärischen Vorgesetzten respektirt. Was wäre auch eine Akademie ohne akademisches Viertel! In dieser Viertelstunde wird dem aufmerksamen Beobachter vor der Akademie eine ganze Skala der menschlichen Bewegungsfähigkeit vorgeführt, von dem bequem schlendernden Gang mit der Cigarre im Munde um 9 Uhr, dem sausenden Schritt 5 Minuten vor ein Viertel bis zur fliegenden Hast mit der Uhr in der Hand, wenn nur noch zwei Minuten bleiben. Den Schluß des Treibens macht wohl auch zuweilen eine Droschke, der ein aufgeregter Lieutenant entspringt und, ohne zu bezahlen, die Stufen hinaufeilt. Nach einer Weile erscheint würdevoll der Portier, um den Rosselenker abzulohnen. Dann nimmt die Straße wieder das Gepräge anderer Straßen an.

Die Vortragsgegenstände in der Kriegsakademie sind im ersten Jahre nicht gerade neu. Taktik, Waffenlehre, Befestigungslehre, Kriegsgeschichte, Geschichte, Geographie, alles Dinge, mit denen man die Bekanntschaft nur zu erneuern braucht; aber für denjenigen, welcher zu seinem Specialstudium Sprachen gewählt hat, tritt eine Disciplin hinzu, in der er im wahrsten Sinne des Wortes wieder zum Schuljungen wird – das Russische. Wenn man im Anfang einen Blick auf die mystischen Zeichen der russischen Lettern wirft, dann kraut man sich wohl bedenklich hinter den Ohren und denkt im Stillen: „wie wird das werden?“ Man kämpft alle Schmerzen und kleinen Leiden wieder durch, die von der lateinischen Grammatik her noch in Erinnerung sind, ja man kann häufig ein gewisses unangenehmes Gefühl nicht unterdrücken, gerade jetzt von einer Frage des Lehrers betroffen zu werden, da man doch über die Bildung des gerundium praesentis oder der dritten Person pluralis vollkommen im Unklaren ist. Aber ehe ein Vierteljahr vergeht, ist man schon etwas in den Geist der Sprache eingedrungen. Man übersetzt kleine Aufsätze schon ganz fließend, und da mit dem Erfolg der Eifer steigt, wagt man sich auch bald an größere oder hat sogar die Kühnheit, in der Zwischenpause im Lesezimmer über einer „Nowaja Wremja“ zu grübeln.

Eine vielgeplagte Persönlichkeit ist der Herr Coetus- (Abtheilungs-) Aelteste. Er ist sozusagen der Sprecher des hohen Hauses. Er übermittelt die Befehle des hohen Direktoriums, die Erlasse des Gouvernements, bringt etwaige Wünsche des Hörsaales zu Ohren der Vorgesetzten, vertheilt die Theaterbilletts und verwaltet die Coetuskasse, aus welcher die gemeinsamen kleinen Bedürfnisse wie Handtücher, Seife bestritten werden. Wenn er, die Zeit kurz vor Eintritt des Lehrers benutzend, die Stufen des Katheders zu irgend einer Mittheilung besteigt, so ist er des Beifalls des Auditoriums sicher. „Hört, hört! Sehr wahr!“ oder „Oho!“ ruft das lustige zweifarbige Tuch dazwischen, kurzum, es improvisirt sich zum allgemeinen Gaudium ein kleines Parlament. Auf jeden Fall aber schließt er seine Rede unter tosendem Beifall, so daß der eintretende Lehrer oft ganz verwundert um sich schaut.

Ein Hauptreiz des Lebens auf der Kriegsakademie liegt in der steten Abwechslung. Die Zeit, wo man in den Hörsälen gespannt den Vorträgen folgt, sie wohl auch nach dem bekannten Satz im „Faust“:

„Denn was man schwarz auf weiß besitzt,
Kann man getrost nach Hause tragen,“

in seinen Heften durch eifriges Nachschreiben zu bannen sucht, wird in wirksamster Weise durch Besichtigung der militärtechnischen Institute in Spandau, der Schießplätze in Tegel und Cunersdorf oder durch kleine taktische Uebungsreisen unterbrochen. Neben dem belehrenden haben diese Ausflüge auch einen hohen kameradschaftlichen Werth. Mehr als im Hörsal, wo doch jeder mehr oder weniger an seinen Platz gebunden ist, treten sich hierbei die Offiziere aus allen Theilen des deutschen Vaterlandes, der verschiedensten Truppentheile und des verschiedensten Lebensalters auf der Fahrt und während des gemeinsamen Frühstücks menschlich und kameradschaftlich näher. Hier giebt es keine Unterschiede; alle fühlen sich vereint in dem Streben nach einem gemeinsamen hohen Ziel, nach militärischer und wissenschaftlicher Vervollkommnung zum Heil und Segen des Vaterlandes.

Die Herzlichkeit des kameradschaftlichen Verhältnisses auf der Kriegsakademie findet ihren beredtesten Ausdruck in dem Hauptfest der Akademie, dem sogenannten Kulminationsfest. An dem Tage, an welchem die Mitglieder eines Coetus auf dem Höhepunkt der Zeit angelangt sind, die ihnen vergönnt ist, auf der Akademie zuzubringen, vereinigen sie sich in den Räumen des Kasinos zu fröhlichem Thun. In kleinen Aufführungen in gebundener Rede und in Prosa, voll Witz und Humor, wird die gemeinsam verlebte Zeit dargestellt. Ein großer Festkladderadatsch entreißt all die kleinen spaßhaften Vorfälle, an denen ja, wo so viel jüngere Leute vereinigt sind, kein Mangel sein kann, dem Vergessenwerden, und wenn hie und da ein kleiner Seitenhieb auf einen oder den andern der Kameraden, oder gar ein Scherz über die Eigenthümlichkeiten der Herren Lehrer mit unterläuft, so thut dies der allgemeinen Heiterkeit gerade keinen Abbruch.

Die Bezeichnung „Kulminationsfest“ birgt aber noch einen tieferen Sinn in sich. Dieser Tag ist nicht nur im zeitlichen Sinne der Höhepunkt, nein, er ist auch in jeder andern Beziehung ein Wendepunkt der kriegsakademischen Zeit. Es ist keine Uebertreibung, wenn man behauptet, daß das Kulminationsfest eine Art von Karneval ist, auf welchen die Fastenzeit folgt. Man faßt von diesem Tage an das Ende der schönen Berliner Zeit mehr ins Auge, man richtet seine Aufmerksamkeit auf den Zeitpunkt, wo es sich entscheiden muß, ob das Streben und Schaffen auf der Akademie auch Früchte tragen wird, mit einem Wort, man fängt an, den Freuden der Großstadt, zu deren Genuß gottlob bisher noch hie und da ein freies Stündchen blieb, mehr und mehr den Rücken zu kehren und sich bedingungslos den Wissenschaften in die Arme zu werfen, damit die Hoffnungen, die man einstens an die Einberufung knüpfte, in der einen oder andern Weise in Erfüllung gehen. Hat man den Höhepunkt hinter sich, so steht das dritte Jahr mit seinem Ernst und seiner Arbeit vor der Thür. Da gilt es, seinen Verstand und seine Schaffenskraft zusammenzunehmen, denn jetzt wird man geprüft auf Herz und Nieren, jetzt wird man „erkannt“, mag man sich drehen und wenden wie man will. Die Herren des dritten Coetus nehmen denn auch, je mehr sich das Ende naht, ein ganz eigenartiges Gepräge an.

Während die Mitglieder des ersten Coetus noch die Harmlosigkeit, das vorschnelle Urtheil haben, das als eine Folge ihrer völligen „Ungebildetheit“ anzusehen ist, zeigt sich bei den Herren des zweiten Coetus auch bei Behandlung der einfachsten Dinge eine Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit, die bei der Neigung dieser Herren, allem, was sie sagen, die Form eines kleinen freien Vortrages zu geben, in prächtigster Weise zur Geltung kommt. Im dritten Jahre dagegen wird man wieder still. Man fühlt sich, je länger man fortschreitet, wieder ganz als Mensch, voll Schwächen und Irrthümer. Für die falschen Ansichten eines noch gänzlich „Ungebildeten“ aus dem ersten Coetus hat man nur noch ein mildes versöhnliches Lächeln. Zu einer Widerlegung fehlt die Zeit, man muß das Gespräch möglichst bald wieder auf die eigenen Angelegenheiten bringen und dem stummen Zuhörer aus Coetus I wird dabei ganz bang zu Muthe. Da werden ganze Armeen mobil gemacht, auf der Eisenbahn verladen, wichtige militärisch-sanitäre Angelegenheiten erörtert, ja sogar ganz verzwickte juristische Fragen zur Sprache gebracht. Nein – da fühlt man sich in seinem ersten Coetus doch wohler, bei seinen Sperrforts und seinen Magazingewehren.

Die Zeit schwindet in der Residenz mit Blitzesschnelle dahin. Ehe man noch so recht zur Besinnung gekommen, hat man seine akademische Laufbahn mit Generalstabsübungsreise abgeschlossen und sitzt wieder in seiner Garnison. Man übt Felddienst, instruirt und geht zum Schießen, als wäre gar nichts vorgefallen. Das Herz voll Hoffnung, den Kopf voll hochfliegender Pläne, schaut man geringschätzig auf das kleine Häuflein der Untergebenen, da man vor kurzem noch über Armeecorps und Divisionen gebot. Die Erfolge der kriegsakademischen Arbeit stellen sich allmählich ein, bei dem einen früh, bei dem andern spät, bei dem größten Theil – es ist der Lauf der Welt – gar nicht. Es ist schwer, auf den Gedanken verzichten zu müssen, zu etwas Besonderem erkoren zu sein, es dauert oft lange, ehe sich die Ueberzeugung durchringt, daß trotz des Fehlens des äußeren Erfolges das Mühen und Schaffen nicht umsonst gewesen ist für das militärische Vorwärtskommen. Ist aber die Wunde erst vernarbt, dann wendet man sich wieder mit der alten Lust und Freudigkeit dem Getriebe des Dienstes zu und für jeden sind alsdann die schönste, ungetrübteste Erinnerung seines Lebens, die drei Jahre, welche er auf Kriegsakademie zugebracht hat, der fruchtbaren Pflanzstätte militärischen Wissens und militärischen Geistes, aus welcher jene großen Heerführer hervorgegangen sind, die Deutschlands Ruhmesschlachten geschlagen haben und heute noch sein friedengebietendes Heer auf bewährten Bahnen vorwärts leiten.




Die Vermählung der Todten.

Von Isolde Kurz.
(Fortsetzung.)


Nach einer kurzen Pause fuhr Madonna Alessandra in ihrer Erzählung fort: „Ich wollte die Welt nicht mehr sehen, in der mir so viel Leides geschehen war, und verschloß mich und meine Schmerzen in ein Kloster. Ich widmete mich der Erziehung verwaister Kinder, in denen ich meinen verlorenen Liebling wiedersah, ich ging in das Spital, um Schwerkranke zu pflegen, und wenn ich, von Nachtwachen und Anstrengungen zu Tode erschöpft, am Bette eines Sterbenden saß, so schmolz der Stachel, daß ich meinem Gatten nicht die letzten Dienste erwiesen hatte, aus der brennenden Wunde. In dieser aufreibenden Thätigkeit fand ich allmählich den Frieden meiner Seele wieder.

Fünf Jahre blieb ich im Kloster; aber mein sehnlicher Wunsch, den Schleier ganz zu nehmen, scheiterte an dem hartnäckigen Widerstand meiner Brüder. Die Ursache dieser Weigerung sollte ich bald genug erfahren. Eines Tages theilte mir der älteste, der nach des Vaters Tode das Haupt der Familie geworden war, mit, daß er dem edlen Messer Baldassarre aus dem Haus der Agolanti meine Hand versprochen habe. Vergebens waren meine Bitten und Thränen; von allen Seiten bestürmte man mich, der Wohlfahrt meiner Familie und der Sache des Adels dieses Opfer zu bringen. Selbst mein Beichtvater und die Aebtissin, die bisher meinen Entschluß, im Kloster zu bleiben, gebilligt hatten, ermahnten mich zur Unterwerfung.

So beugte ich noch einmal das Haupt und ward Messer Baldassarres Weib. Aber Du darfst glauben, daß ich mehr Thränen weinte, da ich das Kloster verließ, als am Tage, wo ich es zum ersten Mal betreten hatte. An Messer Baldassarre fand ich einen guten und aufmerksamen, wenn auch keinen zärtlichen [63] Gatten. Er war mehrere Jahre jünger als ich, und in meinen Scheitel mischten sich schon Silberfäden, obgleich ich noch keine dreißig Jahre zählte. Dazu war mein Muth und meine Freudigkeit gebrochen; lieben konnte er die Gattin nicht, die statt des süßen zärtlichen Getändels nur die stumpfe Ruhe der Pflichterfüllung mit in die Ehe brachte. Aber auch wenn er mich geliebt hätte, so wäre doch kein irdisches Glück mehr in mein Herz gedrungen. Hätte mir der Himmel wenigstens nur Söhne beschert, aber in jeder meiner Töchter mußte ich das letzte gezwungene Opfer meines Lebens sich wiederholen sehen, und ich hatte nicht immer den Trost, sie in das Haus einer zweiten liebenden Mutter ziehen zu lassen.

Du siehst,“ fuhr die Matrone fort, als Ginevra noch immer schweigend den Kopf gesenkt hielt, „Dir ist nichts geschehen, was nicht in der Welt, in der wir leben, natürlich und alltäglich wäre. Denke an das Los der Unzähligen, die der Bürgerzwist heimath- und elternlos von Haus und Hof getrieben hat. In Zeiten so voll Noth und Jammer dem Himmel ein Herzensglück abtrotzen wollen, wäre sträfliche Vermessenheit.“

Ginevra antwortete nicht; aber in ihrem Herzen war eine tiefe Wandlung vor sich gegangen. Wo ihr die andern nur trockenen Gehorsam und blinde Unterwerfung gepredigt, da hatte Alessandra sie erschüttert und überzeugt. Sie fing an, ihres Vaters unbeugsamen Starrsinn zu begreifen: war doch das enge Zusammenhalten der Unterdrückten einzige Waffe, – sie sah zwischen sich und Leonardo einen mit Blut gefüllten Abgrund und sagte sich mit Schmerz, doch ohne Bitterkeit, daß wohl auch er vor diesem Abgrund zurückgebebt habe.

Wo so viele Opfer gefallen sind, dachte sie, zählt eines mehr oder minder nicht mit – und als sie sich von dem gepolsterten Sitz erhob, hatte sie der Matrone in die Hand gelobt, ihr Herz zu überwinden und ihrem Sohne eine gute Gattin zu werden.

Wenige Tage nach diesem Gespräche holte Messer Ricciardo seine junge Gemahlin mit allem Pompe, der zwei so erlauchten Familien gebührt, in das Haus seiner Eltern ab, Madonna Alessandra empfing sie auf der Treppe des Palastes und führte sie selbst ins Brautgemach.

Schon ein Jahr hatte Ginevra an der Seite Messer Ricciardos so hingelebt und das ihr bereitete Schicksal mit Geduld getragen; aber ihr Herz schwieg bei den Liebesbetheuerungen ihres Gatten, der kindliche Frohsinn war in den schweren Prüfungen ihres jungen Lebens von ihr abgefallen, ihre Seele erlahmte vor der Aufgabe, einen Mann zu fesseln, aus dessen Herzen kein Strahl in das ihre fiel. Ein Schleier von Schwermuth lagerte sich über ihr Gemüth, der immer drückender wurde und sie mit Bleigewichten zu Boden zog, sie kam sich vor wie ein Vögelchen, das in der Gefangenschaft nicht singen kann.

Nach Leonardo fragte sie nie, und als einst in ihrer Gegenwart zwei redselige Gevatterinnen sich darüber aufhielten, daß der alte reiche Rondinelli seinen Sohn nach Frankreich geschickt habe, sich dort eine Braut zu suchen, als ob keine Landsmännin gut genug für ihn sei, wandte sie den Kopf hinweg, wie wenn sie diesen Namen nie gehört hätte.

Ricciardo, der sie anfangs mit Aufmerksamkeiten überhäufte, hätte ihr gern jeden Wunsch an den Augen abgelesen, aber Ginevra hatte keine Wünsche mehr. Er schenkte ihr Schmuck, den sie mit freundlichem Lächeln entgegennahm und dann gleichgültig bei Seite legte; er suchte auf den Rath seiner Mutter köstliche Knäuel von bunter Seide und Goldfäden für sie aus, damit sie eine neue Stickerei anfange, denn den Teppich, in welchen sie ihren kurzen Liebestraum verwoben, hatte sie nicht mit in Ricciardos Haus gebracht, sondern der Kirche gestiftet. Aber nichts vermochte die Krankheit des Gemüths von ihr zu nehmen, die ihr langsam die Rosen von den Wangen fraß.

Ricciardo beobachtete diese Veränderung mit Argwohn und steigendem Mißmuth; eine finstere Eifersucht keimte in seinem Herzen empor, die zwar durch Ginevras eingezogenes Leben und die Entfernung des einstigen Nebenbuhlers keine feste Gestalt gewinnen konnte, ihn aber mit ewig bohrendem Stachel peinigte. Und was zuerst sein Stolz gewesen war, das Aufsehen, das ihre Schönheit erregte, wenn sie an seiner Seite durch die Straßen ging, wurde für ihn zu einer Quelle bittersten Leidens; es war ihm, als würde durch jeden bewundernden Blick, der ihr folgte, sein Eigenthumsrecht geschmälert, immer seltener erlaubte er ihr das Haus zu verlassen, und am Ende gestattete er ihr kaum noch den Gang in die Kirche an der Seite seiner Mutter.

Und Ginevra ließ theilnahmslos das Böse wie das Gute über sich ergehen, sie nahm die Ausbrüche seines Unmuths mit derselben stillen Miene entgegen wie die Aufwallungen seiner Zärtlichkeit. Keine Klage entfuhr ihr über die strenge Klausur, in der er sie hielt, noch über die Vernachlässigung, die mehr und mehr an die Stelle der anfänglichen Zärtlichkeit trat. Es schien vielmehr, als sei ihr die Einsamkeit und die Kälte ihres Gatten willkommen; sie saß den ganzen Tag blaß und still in ihren Gemächern, arbeitete an köstlichen Stickereien, deren Gegenstand sie der heiligen Geschichte entnahm, und wenn ihr zufällig eine der schönen Mären in die Hände fiel, die sie sonst so gern gelesen hatte – wie die Liebe Ginevras und Lanzelots vom See oder eine andere Fabel jener Zeit von Minne und todverachtender Treue, so stieß sie das Buch bei Seite und sagte herb: „Die Dichter lügen.“

Wären die heißen Wünsche der beiden Familien, die auf einen Erben hofften, in Erfüllung gegangen, so hätte Ginevra vielleicht neuen Lebensmuth gefaßt und die Bande zwischen den beiden Gatten wären inniger geworden. So aber war kaum ein Jahr verflossen, als Messer Ricciardo seiner stillen bleichen Gemahlin überdrüssig ward, das Haus zu meiden anfing und sich wieder dem alten ausschweifenden Leben seiner Junggesellenzeit ergab. Messer Baldassarre, der sich in seinen Hoffnungen getäuscht sah, behandelte sie mit verletzender Kälte und hätte sie wahrscheinlich seine Verstimmung noch mehr entgelten lassen, wäre nicht ihr Vater dazwischen gestanden.

Messer Cione kam häufig, seine Tochter zu sehen, und sagte zuweilen fröhlich, indem er sie in die Wangen kneipte:

„Nun, habe ich nicht Deiner Mutter Wort gehalten und Dich glücklich gemacht?“ – worauf Ginevra jedesmal mit trübem Lächeln und mit einem „Ja!“ antwortete.

Doch mit einem Male änderte sich alles.

Gewohnheitsmäßig war sie eines Morgens mit Frau Alessandra zur Domkirche gegangen, um der Frühmesse beizuwohnen. Es war ein schneidend kalter Wintertag, die Sonne hatte noch keine Kraft, der Nordwind wirbelte sogar vereinzelte Schneeflocken daher und der Gottesdienst hatte wenig Gläubige angezogen. Ginevra knieete, das Gesicht in die Hände vergraben, auf ihrem Schemel; das eintönige Gemurmel der Priester und der schwere Weihrauchduft in den weiten, noch morgendlich dämmernden Räumen lullten sie in süße Betäubung, sie begann mit geschlossenen Augen vor sich hin zu träumen. Es war ihr, als sei sie noch die Ginevra von ehedem, das liebende Mädchen, das vom Betschemel aus heimlich nach der Thür spähte, ob der Erwartete komme, und nicht zu sündigen fürchtete, wenn es die Gegenwart Gottes über der des Geliebten vergaß. An jener Säule zunächst beim Chor, da pflegte er zu stehen und sein Auge nicht von dem ihrigen abzuwenden, ob er einen flüchtigen Blick erhasche oder ob sie ihm gar gestatte, am Ausgang ein paar heimlich geflüsterte Worte zu tauschen.

Wie magnetisch angezogen, wandte sie auch jetzt den Kopf nach jener Seite. Täuschten sie ihre Augen oder war es ein Traum? Da stand Leonardo in derselben Stellung, in der er vormals hier zu stehen pflegte, im braunen Sammetwams, den Kopf an die Säule gelehnt, den Blick fest und innig auf ihr Gesicht geheftet. Sie wagte nicht, sich zu regen, sie hielt den Athem an, um das wonnevolle Traumbild nicht zu verscheuchen, und sog mit sehnsüchtigen, weitgeöffneten Augen den langentbehrten Anblick ein. Doch ein leiser Seufzer an ihrer Seite riß sie aus der Verzückung, sie sah Frau Alessandra neben sich und stürzte aus allen ihren Himmeln.

Die graue freudlose Wirklichkeit umfing sie wieder beim ersten Gedanken an den, dem sie ihre Treue gelobt hatte. Noch einmal hob sie scheu die Augen – doch was war das? Das Traumbild war nicht entschwunden – da stand es noch immer – es regte sich – es legte beide Hände auf die Brust – er war es selbst – Leonardo war zurückgekehrt!

Ihr Herz fing so laut zu klopfen an, daß sie glaubte, das Gehämmer müsse die betende Gemeinde in der Andacht stören. Ein Erdbeben erschütterte den Boden unter ihr, vor ihren Augen begann es zu kreisen. Jetzt erhob sich Madonna Alessandra – Ginevra folgte mechanisch, sie wollte im Gehen den Schleier über das Gesicht ziehen, aus dem jeder Blutstropfen gewichen war, aber [64] ihre Hand sank kraftlos herunter. Die Matrone legte liebevoll den Arm um sie und durch die aufbrechende Versammlung wurden die beiden Frauen dem Ausgang zugeschoben.

Am Weihkessel wollte sich Ginevra nach ihrer Gewohnheit die Finger netzen, aber ihre zitternde Hand griff ins Leere. Da berührten zwei Fingerspitzen die ihrigen, sie meinte, ein Funke sei auf sie übergesprungen, doch war es nur ein Tropfen Weihwasser, der an ihrem Finger zitterte. Leonardo hatte sich durch das Gedränge Bahn gebrochen und mit einer tiefen Verneigung dem jungen Weibe einen Tropfen Wasser aus dem Marmorbecken gereicht.

Ginevra wußte nicht, wie sie aus der Kirche gekommen war und den Heimweg gefunden hatte; es schien ihr, als habe ein Sturmwind sie hingetragen, während die Welt um sie her schwankte und bebte. Zu Hause fiel sie aufs neue in starre Verzückung, sie sah lange auf ihre Finger herab, deren Spitzen brannten, und fragte sich betäubt, ob denn ein Tropfen Weihwasser Feuer zu entzünden vermöge. Und von einem Taumel ergriffen, führte sie die Finger an den Mund und drückte heftige, inbrünstige Küsse darauf.

Langsam kam sie wieder zur Besinnung, Entsetzen faßte sie über ihren Zustand, sie flüchtete sich in die Kapelle, wo sie lange vor dem Bild der Jungfrau auf den Knieen lag; aber sie konnte nicht beten, denn statt sich emporzuschwingen, irrte ihr Geist hilflos auf den Wogen der aufgewirbelten Erinnerungen. Doch mit den Bildern der Vergangenheit erwachte auch die verletzte Würde wieder, sie dachte mit tiefer Empörung an die Stunde, wo sie vergeblich ihren Stolz in den Staub geworfen hatte, um sich an seine Brust zu flüchten; jedes Wort, das sie damals geschrieben, stand wieder vor ihrem Geiste und trieb ihr die Röthe der Scham auf die Wangen. Aber nicht lange hielt diese Stimmung an, bald erhob sich in ihrem eigenen Herzen ein Anwalt, der zuerst nur heimlich und schüchtern, dann immer lauter und dringlicher zu Gunsten des einst so Heißgeliebten sprach. Konnte sie denn wissen, welches Verhängniß sie in jener unseligen Nacht von einander fern gehalten hatte? Und indem sie an tausend Vermuthungen herumgrübelte, verstrickte sie sich tiefer und tiefer in die Bande der Leidenschaft.

Sie floh die Nähe der Anverwandten, denn sie glaubte, jeder müsse ihr das Geheimniß aus der Seele herauslesen. War es Frühling geworden oder wie ging es zu, daß das ganze Dasein ihr verwandelt schien, daß die Bäume, die Wolken, die Pflastersteine sie mit beseelten Augen anblickten, daß die Natur, die bisher wie stumm und todt gewesen, plötzlich aus ihrem Zauberschlaf erwachte und ihr, wo sie ging und stand, Leonardos Namen flüsterte? Ach, und wie ging es zu, daß, so oft sie von weitem eine hohe schlanke Gestalt in braunem Sammet sah, ihr Herzschlag stockte?

Gerne hätte sie gewußt, ob er wirklich, wie sie vermuthen mußte, eine Gattin aus der Fremde mitgebracht habe und wer sie sei; allein sie wagte seinen Namen nicht mehr auszusprechen. Dagegen flehte sie den Himmel an, ihn sein Glück in einer neuen Liebe finden zu lassen; und doch zweifelte sie wieder, ob ihr Gebet zum Thron des Ewigen emporsteigen werde, denn ihr Herz sprach wider Willen anders als der Mund.

Noch andere Dinge geschahen, die ihr zu denken gaben: eine ihrer Jugendgespielinnen hatte einem Popolanen vor dem Altar die Hand gereicht und kein Blitz war herabgefahren, den unnatürlichen Bund zu trennen, vielmehr hatten die Häupter der Stadt dem jungen Paare allen erdenklichen Vorschub geleistet, denn sie sahen es gern, wenn die alten Adelsfamilien sich im Volke auflösten.

Laurella, die unterdessen den Knecht Messer Baldassarres zum Mann genommen hatte und nach wie vor Ginevra bediente, sah ihre Herrin oft listig von der Seite an, und eines Tags, als Ginevra an dem hohen Fenster des Gemaches stand und ihre Vögel fütterte, fragte sie lauernd:

„Wißt Ihr schon, Madonna, daß der junge Herr Leonardo aus Frankreich zurückgekehrt, und daß er noch ledig ist und oft des Abends hier am Hause vorüberkommt?“

Ginevra zitterte von Kopf zu Fuß und verschüttete das Wasser, das sie eben in den Bauer stellen wollte, aber sie gebot der vorlauten Dienerin mit Heftigkeit, zu schweigen.

Laurella hatte in der Ehe das Glück nicht gefunden, das sie sich von dem Zusammenleben mit ihrem Beppo versprochen. Ihr Mann war ein wüster roher Gesell und viel zu sehr an Messer Ricciardos Beispiel gewöhnt, um einen guten Ehemann abzugeben; er verachtete sie um ihrer Häßlichkeit willen und war ihr von der ersten Stunde an untreu gewesen. Auf ihre eifersüchtigen Klagen lachte er sie aus und sagte: „Willst Du es besser haben als Deine Herrin?“ – oder er schlug und mißhandelte sie.

Dagegen lud er ihr alle Last und Mühsal auf, die von Rechtswegen auf seinen Theil gefallen wäre, ließ sie arbeiten und schleppen wie ein Zugpferd, daß die bisher nur an zarten Frauendienst Gewöhnte oft kein Glied mehr zu rühren vermochte. Da entfuhren ihr nun häufig Klagen und bittere Verwünschungen, und eines Tages, als Beppo sie so geschlagen hatte, daß sie das Bett hüten mußte, sagte sie zu Ginevra, die gekommen war, sie zu trösten:

„Wenn ich nur reden wollte, ich könnte Dinge aufdecken, die den Schurken um den Kopf brächten, und auch Euch die Freiheit wiedergäben.“

Ginevra aber, eingedenk der Lehren Alessandras, verbot ihr solche gefährliche Reden und ermahnte sie aufs strengste, nie ein Wort gegen ihren Gatten zu sprechen.

Mit dem Nahen des Frühlings rückte ein längst gefürchtetes entsetzliches Schreckniß unaufhaltsam auf die schöne Stadt heran.

Die Pest, die schon seit mehreren Jahren im Morgenland wüthete, war durch Handelsschiffe nach Italien verschleppt worden und man hatte schon im Winter gesehen, daß sie auf ihrem Lauf von Süden her Florenz bedrohte. Die Signoria hatte bereits seit lange Vorsichtsmaßregeln getroffen, indem sie die schmutzigsten Viertel säubern ließ, und die Priester riefen von der Kanzel herab Ach und Wehe über die sündige, verderbte Stadt. Und eines Tages, als die herrliche Frühlingssonne über Florenz schien und in den Gärten die Mandelbäume ausschlugen und die ersten Veilchen blühten, kam Ricciardo ungewöhnlich bleich an den Familientisch und sagte mit finsterem Gesicht:

„Sie ist da!“

Messer Baldassarre ward von einem solchen Zittern ergriffen, daß er sich gleich zu Bett bringen ließ, und daß Frau Alessandra die ganze Nacht bei ihm wachen mußte. Des andern Tages, da sich inzwischen keine weiteren Zeichen von Erkrankung eingestellt hatten, konnte er zwar wieder aufstehen und zu Tische kommen, aber er befand sich fortwährend im Zustand der größten Aufregung und verlangte, daß man die Thore des Palastes schließen und sich mit Proviant auf viele Monate gegen die Pest wie gegen ein Belagerungsheer verschanzen solle.

Da dieser Vorschlag aber nicht durchzuführen war, wurde nach wenigen Tagen der Verkehr mit der Außenwelt wieder hergestellt zur großen Erleichterung Messer Ricciardos, der zu dieser Klausur sehr sauer gesehen hatte.

Aber von jedem Ausgang brachte er eine Schreckensbotschaft nach Hause; die Zahl der Kranken wuchs von Tag zu Tag, obgleich man das Möglichste that, um das Uebel zu verheimlichen, und die Todten nur in der Nacht beerdigen ließ. Bangigkeit lag auf allen Gemüthern, mit Schreck sah man die nächsten Freunde den Fuß über die Schwelle setzen, denn jeder, der von außen kam, konnte ja in seinen Kleidern, seinen Haaren, im Hauch seines Mundes den Keim des Verderbens bringen. Am erschrockensten waren die Männer, die nicht wußten, wie sich des unbekannten Feindes erwehren, während die Frauen, zu Geduld und Unterwerfung erzogen, dem Uebel mit größerer Fassung entgegensahen und häufig ihren verzagten Gatten Muth und Trost einsprachen.

Mit Frau Alessandra war eine plötzliche Veränderung vorgegangen; sie trug den Kopf höher auf dem nicht mehr wie sonst gebeugten Nacken, ihre Augen glänzten in jugendlichem Feuer und sie pflegte ganz gegen ihre Gewohnheit viele Stunden des Tages außer dem Hause zu verweilen, ohne daß sie Messer Baldassarre von ihrem langen Ausbleiben Rechenschaft gab. Kam sie dann heim, so verschloß sie sich eilig in ihr Zimmer, das niemand mehr betreten durfte und aus dem sich ein Duft von Weihrauch über das ganze Haus verbreitete. Herr Baldassarre glaubte, daß sie ihre Zeit in der Messe zubringe, und obschon er sonst nicht zu den Glaubensstarken gehörte, war er doch in Tagen der Noth froh, an seiner frommen Gemahlin eine Schutzwehr gegen alles Böse zu besitzen.

Nur Ginevra blieb theilnahmslos gegen den Jammer, der sie auf Schritt und Tritt umgab; die schreckliche Gefahr, in der sie alle schwebten, hatte in ihrem Gemüth den glühenden Wunsch entzündet, falls sie sterben sollte, den Geliebten vorher noch einmal wieder zu sehen, und oft befiel sie eine wahnsinnige Furcht, daß das Schicksal ihn oder sie ereilen könnte, ehe ihnen diese letzte

[65]

Lied ohne Worte. Nach dem Oelgemälde von Adolf Lins.
Photographie im Verlag von Fr. Hanfstängl in München.

[66] Freude vergönnt war, denn es däuchte ihr, als müsse sie die Sehnsucht nach ihm aus dem Grabe treiben. Doch dachte sie nicht daran, selber ein Wiedersehen herbeizuführen, sondern wandte sich stündlich zu Gott mit dem heißen Gebet, daß er, wenn ihr Verlangen keine Sünde sei vor ihm, in seiner unerschöpflichen Gnade die Mittel finde, sie zu erhören.

Es hieße Wasser ins Meer tragen oder Eulen nach Athen, wenn wir noch ein Wort hinzufügen wollten über jene schreckliche Pestilenz, die Messer Giovanni Boccaccios unsterbliche, ewig junge Feder so meisterlich beschrieben hat.

Allmählich gewöhnte man sich auch an das Unerträgliche, und jeder suchte sich in die Zeitläufte zu schicken, wie es eben seine Gemüthsart mit sich brachte, der eine lachend, der andere weinend, der dritte in stumpfer Ergebung.

Doch sollte das Verhängniß nicht über Florenz hinziehen, ohne von der Familie Agolanti ein theures Opfer zu fordern. Madonna Alessandra ward eines Tages, als sie von einem ihrer geheimnißvollen Ausgänge nach Hause kam, von schwerem Fieber ergriffen, und die Angehörigen hatten nicht sobald die Miene des herzugerufenen Doktors und seine Vorkehrungen gesehen, als sie sich schreckensbleich ein Wörtlein ins Ohr flüsterten, und eines ums andere schlich sich aus dem Gemach, um es nicht wieder zu betreten. Nur Ginevra saß am Bette der Sterbenden und sah mit jammernder Seele das theure Leben hinschwinden; sie bettete die Kranke, reichte ihr die Arzneien und verband mit töchterlicher Sorgfalt die wunden Stellen ihres armen gequälten Körpers. Niemand stand ihr bei in der Pflege, ihren Gatten bekam sie nicht mehr zu Gesicht und das Essen, wie aller andere Bedarf ward ihr von unsichtbaren Händen vor die Thür des Krankenzimmers gestellt. Ginevra dachte nicht an Ansteckung, sie dachte nur, daß diese alte todkranke Frau das einzige Wesen sei, das ihr in diesem Hause innig nahe gestanden, und vermochte kaum in den Falten ihres Gewandes ihr Schluchzen zu ersticken.

Zuweilen, in lichten Momenten, wenn die Sterbende den tiefen Kummer der jungen Frau erkannte, flüsterte sie ihr Trostesworte zu, die schon wie Verheißungen aus einer anderen Welt herübertönten.

Die übrige Zeit aber war sie in selige Gefilde entrückt, und ihr Geist pflog wonnevolle Zwiesprach mit den vorangegangenen Lieben. Und als der sechste Abend hereinbrach, trat ein stiller Engel in das Gemach, der küßte die Kranke auf die brennenden Augenlider, daß sie niedersanken zum ewigen Frieden. –

Kaum hatte Ginevra der Todten die letzte Ehre erwiesen, als sie an ein anderes Krankenlager gerufen wurde.

Laurella lag vom selben Uebel ergriffen zwischen Tod und Leben und jammerte schon seit Stunden unaufhörlich, daß ihre Seele nicht hinscheiden könne, bevor sie ihre Herrin gesehen. Ginevra leistete erschöpft wie sie war dem Ruf Folge und wurde in einen elenden moderigen Kellerraum geführt, wohin Beppo die Bedauernswerthe gleich bei den ersten Anzeichen der Krankheit verbannt hatte. Aber sobald Ginevras Augen in der Dunkelheit zu unterscheiden vermochten, wandten sie sich entsetzt von dem Anblick der eiternden Wunden hinweg, die Hals und Körper der Sterbenden bedeckten und von keiner theilnehmenden Hand verbunden worden waren.

Die Kranke, so sehnlich sie zuvor nach Ginevras Anblick begehrt hatte, beachtete ihr Eintreten gar nicht, sondern wälzte sich nur immer hin und her und stöhnte um ein Glas Wasser. Erst als ihr verzehrender Durst gestillt war, schien sie die Herrin zu erkennen und begann hastig mit sich überstürzenden Worten:

„Eh es zu spät wird, sollt Ihr alles hören – Ihr wart das einzige Wesen, das mich mit Güte behandelt hat – aber ich liebte Euch nicht, denn Ihr wart schön und zwei Männer stritten sich, Euch zu besitzen – ich, ich wurde verachtet – mit Gold und schweren Diensten, ach, mit dem Heil meiner Seele mußte ich den Ring bezahlen, den mir Beppo vor dem Altare gab. Noch vorgestern, als ich schon das Fieber spürte, hat er mich geschlagen wie einen Hund und es mir ins Gesicht gesagt, daß er nur warte, bis ich zur Hölle gefahren sei, um die Giovanna zu heirathen, die elende Dirne, die sich nicht scheut, den Mann einer anderen in ihre Netze zu ziehen. Und nun sitzen sie an meinem Bett den lieben langen Tag, verspotten mich und thun einander schön vor meinen Augen – seht Ihr, wie sie sich in den Armen halten und auf mich deuten? – Die Hochzeit sei vor der Thür, sagen sie – aber wartet nur, Laurella wird Euch den Hochzeitssegen sprechen.“

Sie schüttelte die geballten Hände nach einer leeren Ecke des elenden Gelasses, auf die ihre Augen unverwandt geheftet waren.

Ginevra rief sie bei ihrem Namen an, um sie zur Besinnung zu bringen und an die letzten Dinge zu mahnen, aber die Sterbende achtete nicht auf sie, sondern fuhr fort, als spreche sie mit sich selbst:

„Wenn ich nur schreiben könnte, ich hätte sie längst alle um den Kopf gebracht, meinen Beppo mit seinem saubern Herrn – warum haben sie mich mit Füßen getreten, als ob es meine Schuld wäre, daß Ihr ihnen den Erben schuldig geblieben seid! Und Beppo, der keine Ruhe gab, bis ich ihm den Brief ausgeliefert hatte – alles nur aus Liebe für mich, wie er sagte, damit Herr Baldassarre uns die Heirath gestatte – und wie er mir dann gram ward, als die Mitgift ausblieb und wir sahen, daß alle Versprechungen nur Lug und Trug waren!“ –

Hier stieß sie einen tiefen Seufzer aus und schloß ermattet die Augen.

Ginevra, die zwar den Sinn ihrer Worte nicht recht gefaßt hatte, aber schon in einer Welt von Ahnungen schwebte, war nahe zu ihr getreten und rief ängstlich:

„Gute Laurella, ich verstehe Dich ja nicht! Von welchem Brief hast Du gesprochen?“

Und als jene stumm blieb, rüttelte sie sie bei den Schultern und rief fort und fort:

„Laurella, Laurella, stirb mir nicht, ehe ich alles weiß! Was war es mit dem Brief? Laurella – nur noch ein Wort, ich sehe jetzt alles: Leonardo war treu und Ihr habt mich betrogen.“

Die Kranke ermunterte sich endlich wieder, nickte ungeduldig zu Ginevras immer wiederholten Fragen, und indem sie die fieberglänzenden Augen auf ihre Herrin heftete, stieß sie mühsam hervor:

„Laßt mich – ich habe Wichtigeres – in der Nacht vor Eurer Vermählung – Ihr wißt noch, wie wir im Kirchlein von Sant’ Andrea warteten, daß Herr Leonardo komme und Euch zum Weibe nehme. – Aber er kam nicht, – er konnte ja nicht kommen – denn er lag zu dieser Stunde mit gespaltenem Kopf und zwei Messerstichen im Leib auf dem Straßenpflaster –“

Ginevra warf sich mit gellendem Aufschrei auf die Kniee und preßte ihren Kopf krampfhaft zwischen beiden Händen, um nichts zu sehen noch zu hören, als schwebte das Leben ihres Geliebten noch in diesem Augenblick an einem Haar.

„Er hat nur halbe Arbeit gemacht, mein theurer Beppo,“ röchelte die Kranke; „o, hätte ich nur noch einen Tag zu leben, er sollte Euch diese Nacht und mir all meine Leiden bezahlen!“

Ginevra richtete sich in die Höhe, ihre Zähne schlugen an einander, als sie die Sterbende mit tonloser Stimme fragte:

„Hat Messer Cione von diesem Anschlag gewußt?“

Die Kranke schüttelte den Kopf; aber ihr Geist, der eine Zeitlang klar geblieben war, begann sich aufs neue zu umnachten, sie führte lange, unzusammenhängende Reden von einer Schrift, die Ginevra aufsetzen und in die geheime Büchse im Regierungspalast legen solle, um der Signoria Anzeige von dem Verbrechen zu erstatten und sie beide gleichzeitig von ihren Tyrannen zu erlösen. Ihre ganz vom Fieber umsponnene Phantasie weilte mit Vorliebe auf der Vorstellung von den Martern, denen ihr treuloser Beppo bei einer peinlichen Untersuchung entgegenginge, und von der gestörten Hochzeit mit der verhaßten Rivalin. Ihr Reden wurde immer undeutlicher, und zuletzt wiederholte sie nur fort und fort das letzte Wort, das sie gesprochen hatte, ohne einen Sinn damit zu verknüpfen, bis ihre Stimme murmelnd erlosch und sie ihren gequälten Geist aufgab.

Ginevra lehnte mit gebrochenen Knieen an der Wand und wartete, das Gesicht in die Hände verborgen, auf das Ende des qualvollen Kampfes.

Erst als der Engel des Friedens gekommen war, vor dem Gerechte und Ungerechte gleich sind, stieg sie, an allen Gliedern zitternd, aus der feuchten Spelunke hervor. Die furchtbare Erschütterung hatte ihre letzte Kraft untergraben und Schwindel umfing sie, während sie sich an dem modrigen Gemäuer zum Tageslicht hinauftastete, daß sie ihr letztes Stündlein nahen fühlte.

Mit Grausen empfand sie den Fittig des Todes, der an ihr vorüberstreifte, eisige Kälte rieselte durch ihr Gebein; aber dem armen Herzen, das schon schwächer und schwächer schlug, war noch eine letzte hohe Freude zu theil geworden: Leonardo war ihr treu gewesen, Leonardo liebte sie vielleicht noch jetzt. Ihre Seele hatte schon keinen Raum mehr zur Empörung über die feige That [67] der Agolanti, so ganz war sie erfüllt von der heiligen Befriedigung, daß Leonardos Bild von jeder Unehre gereinigt war.

In der Hauskapelle sank sie auf die Kniee und ein heißer wortloser Dank stieg zum Himmel empor, denn schon vermochte sie den Mund nicht mehr zu bewegen. Es war ihr Glaube, daß ein enteilender Geist durch gespannten Willen an den Geist eines abwesenden Freundes zu rühren vermöge, darum raffte sie jetzt die Kräfte ihrer Seele zu einem letzten mächtigen Aufschwung zusammen, um sie im Aushauchen dem Geliebten zuzusenden.

Mit erlöschendem Bewußtsein schleppte sie sich in ihr Schlafgemach, wo die Dienerinnen sie bald darauf entseelt auf dem Bette ausgestreckt fanden.

Nachdem man sie vergeblich mit Wasser besprengt und ihr mit starkriechenden Essenzen die Stirn gerieben hatte, kamen die bestürzten Hausgenossen endlich zu dem Schluß, daß jeder Lebensfunke erloschen und daß Ginevra bei ihrem Samariterwerk einem blitzartigen Pestanfall erlegen sei. Solcher Fälle hatten sich jüngst in der Stadt verschiedene ereignet, denn die Seuche, die an Ausbreitung zu verlieren begann, schien ihre Wuth darum nur verdoppelt zu haben und würgte jetzt bisweilen wie ein Tiger ihre Opfer im Sprung. Messer Baldassarre, den das jähe Ende mit Entsetzen erfüllte, gab Befehl, die Todte sogleich wegzutragen; dem widersprach jedoch Ricciardo, der in Thränen zerfloß, denn eigentlich hatte er nie aufgehört, Ginevra zu lieben, und er verlangte, sein Weib mit allem Pomp, der in ruhigen Zeiten bei solchem Anlaß entfaltet wurde, zu bestatten.

Auch Messer Cione, der gerade nüchtern war, weinte heftig bei ihrer Bahre, faßte sich jedoch bald wieder und sagte:

„Sie ist jetzt ein schöner Engel und wird es ihrer Mutter sagen, daß ich mein Versprechen gehalten und sie glücklich gemacht habe.“

Am Abend kamen die Träger mit Fackeln und führten Ginevra in ihrem Hochzeitsschmuck hinweg nach der Domkirche, wo sie tags zuvor auch Madonna Alessandra beigesetzt hatten. Als sich das Trauergeleite mit Priestern und fackeltragenden Dienern in Bewegung setzte, näherte sich eine schwarzgekleidete Gestalt in gebrochener Haltung, und die Knechte der Agolanti konnten es nicht hindern, daß der junge Rondinelli im Trauergewand sich ihrem Zuge anschloß. Je weiter sie schritten, desto mehr schwoll ihr Geleite, aus allen Straßenecken kamen ihnen Särge entgegen, die eilig ohne Schmuck und Lichter dahingeführt wurden und deren Träger sich dem prunkvollen Gefolge einreihten, um ein wenig von der Ehre dieses stattlichen Leichenbegängnisses mitzugenießen, daß es aussah, als feiere der Tod einen großen Triumphzug oder als dränge sich ganz Florenz hinter der blonden Ginevra her zu Grabe.

Allmählich verlöschten die Lichter, die am Hauptaltar bei Ginevras Bahre brannten, die Schar der Leidtragenden lichtete sich mehr und mehr, bis endlich nur noch eine einzige dunkle Gestalt im Chor der Kirche knieete. Die Knechte der Agolanti warfen beim Abziehen mißtrauische Blicke auf diesen einsamen Beter, der weder wanken noch weichen wollte, bis endlich der Sakristan zu ihm trat und hörbar mit den Schlüsseln rasselte. Aber ein paar Worte, die der andere ihm zuflüsterte, und ein Goldstück, das in seiner Hand blinkte, bewog ihn, sich mit einem tiefen Bückling ganz geräuschlos zurückzuziehen. Nach ein paar Schritten jedoch kehrte er wieder um und sagte zu dem großmüthigen Geber:

„Verzeiht meine Warnung, Messer Leonardo! Tretet nicht zu nahe an die Särge, denn diese Leichen strömen einen tödlichen Pesthauch aus.“

Als aber der Angeredete ungeduldig mit der Hand winkte, entfernte er sich rasch durch eine Seitenpforte, die er leicht angelehnt ließ, nachdem er das Hauptportal der Kirche sorgfältig verschlossen hatte.

Als er verschwunden war, trat der stille Beter auf Ginevras Bahre zu, bei der nur noch wenige Kerzen brannten. Sein jugendliches Haupt war gebeugt und er schwankte im Gehen wie ein Trunkener. Er zog das schwarze Bahrtuch herunter, hob ohne Mühe den Deckel vom Sarg und knieete neben der Todten nieder, der er mit durstigen, sehnsuchtsvollen Blicken in das bleiche Gesicht starrte.

„Ginevra!“ flüsterte er leise und wiederholte dann laut, daß es schauerlich von den kahlen Kirchenwänden zurückhallte: „Ginevra!“

Einen leichten Schauer überwindend, bog er sich nieder und drückte einen langen feierlichen Kuß auf ihre blutleeren Lippen. Dabei faßte er ihre gefalteten Hände, die er gewaltsam löste, und zog ihr den Vermählungsring vom Finger.

„Siehst Du,“ sagte er schmeichelnd, als ob er mit einer Lebenden spräche, „ich bin doch gekommen und lasse Dich nicht mehr allein. Berge und Thäler dachten sie zwischen uns zu schieben, Dein armes Herz haben sie gebrochen und konnten es doch nicht hindern, daß wir jetzt vereint sind. – Wie schön Du noch bist! Auch die gräßliche Würgerin hat Dich nicht zu zerstören gewagt. Mit sanfter Hand hat sie Dir die Augen zugedrückt und mir Deinen Reiz bewahrt. Und süß ist der Todestrank, den ich von Deinen Lippen trinke.“

Und aufs neue sog er lange, gierige, inbrünstige Küsse von dem kalten Mund der Todten, Küsse, die ihn berauschten, denn er stammelte wie ein Trunkener:

„O Pest, kein Balsam des Orients ist lieblicher als Du! Süßer Duft meiner bleichen Blume! Tödte schnell, laß mich an ihrem Busen sterben!“

Und überwältigt legte er den Kopf auf ihre Brust, indem er mit beiden Armen die Leiche umschlang. Da kam es ihm vor, als ob ihr Herz ganz leise klopfe. Er hielt den Athem an, um besser zu lauschen; aber seine Erregung war so groß, daß er sein eigenes Herz bis in den Hals schlagen hörte. Angstvoll griff er nach ihrem Pulse. Der stand still. Er riß das Kleid auf und legte die Hand auf ihr Herz. Nichts, es war nur die Täuschung gewesen, die jeder erlebt, der sich über einen Todten beugt.

Als ihm der flüchtige Hoffnungsstrahl erlosch, an dem er schon mit allen Fibern seiner Seele gehangen hatte, warf sich Leonardo schluchzend auf die Kniee und brach in wilden Jammer aus, als sei ihm Ginevra erst jetzt gestorben.

„Grausamer, Unerbittlicher!“ schrie er, die geballten Hände gegen den Himmel erhoben. „Kannst Du sie nicht auf eine Stunde mir zurückgeben und darfst sie doch behalten, fort und fort behalten in alle Ewigkeit? Auch mein Todfeind hat mir doch ihren Anblick nicht ganz verwehrt, als er sie noch in seinem Bann hielt; ich durfte noch die Luft athmen, die ihr süßer Hauch durchtränkt hatte, oft trug mir noch der Abendwind einen Ton ihrer Stimme zu! Nur bei Dir, bei Dir ist keine Gnade. – Und auch Du, Ginevra,“ wandte er sich vorwurfsvoll an die Leiche, „starr, kalt, fühllos schläfst Du fort bei meinem Jammer. O, wenn ich so an Deiner Stelle da läge und Du trätest nun zu mir und sprächest auch nur flüsternd meinen Namen, ich würde die Fesseln des Todes brechen, mein Wille würde zur Lebenswärme, mit der ich diese Glieder durchströmen wollte, um Dich zu umfangen. Und stünde ich schon dort oben vor dem Throne des Höchsten und hörte Deine Stimme mich rufen, ich würde meinen Antheil an Seligkeit von mir werfen und würde sagen: ‚Laß mich zurück zu ihr!‘ – O Ginevra, wo bist Du jetzt? In welchem Himmelsglanz schwelgt Dein Auge, daß Du keinen Blick mehr hast für Deinen unglückseligen Leonardo?“

Er kehrte sich ab von der leblosen Hülle und erhob die Arme zum Himmel, wie um die entflohene Seele zu sich herunterzuziehen. Sinnlose Worte stammelnd, die Arme schüttelnd und Ginevras Namen rufend, verließ er endlich die Kirche und taumelte ziellos, bewußtlos in die verödeten Straßen hinaus, wo die Frühlingsnacht in den betäubenden Düften blühender Orangen schwelgte wie zum Hohn auf das arme blutende Menschenherz.

Frische Nachtluft strömte zu der weit offenen Kirchthüre hinein, strich über den geöffneten Sarg und spielte mit Ginevras losgegangenen Haaren. Da lösten sich die Fesseln der Starrsucht, die sie eisern wie der Tod selbst umklammert hatten, schwaches Leben begann in der ausgestreckten Gestalt zu pulsiren, ihr Busen hob und senkte sich und ein leiser Seufzer kam von ihren Lippen.

Noch eine kurze Weile, und sie schlug die Augen auf, die dumpfe Schwere, die auf ihr gelastet, war gewichen, sie sah sich in einem weiten leeren Raum, in dem ein paar verglühende Kerzen flackerten.

Sie hatte ein dunkles Bewußtsein, daß sie gestorben war, und doch vermochte sie zu fühlen und zu denken. Sie versuchte sich zu bewegen, und es gelang. Dann richtete sie sich, auf den Ellbogen gestützt, empor und suchte mit weitgeöffneten Augen die Dunkelheit zu durchdringen.

(Schluß folgt.)
[68]

Blätter und Blüthen.

Die Gralsburg. (Mit Illustration S. 56 und 57.) Zur Erläuterung des Bildes von F. Knab und des Gedichtes von Hermann Lingg, die uns beide, das erste durch seinen architektonischen, das zweite durch seinen dichterischen Schwung die großartige Bedeutung der sagenhaften Burg lebhaft vor Augen führen, erwähnen wir noch, daß diese durch Wagners Musikdichtungen „Parsifal“ und „Lohengrin“ bekannter gewordene sagenhafte Burg sich auf dem unnahbaren Berge Montsalvage oder Mont-Salvatsch in den Pyrenäen erhoben haben soll: eine byzantinische Rotunde mit 72 achteckigen Chören. Das Gewölbe war im Spitzbogenstil ausgeführt, die bunten Fenster von Edelsteinen; aus der Rotunde entwickelte sich durch Lang- und Querschiff der Kirche eine Kreuzform. In der Mitte der Rotunde aber stand der ganze Tempel im Kleinen wiederholt und in ihn hinein, als ins Allerheiligste, trugen die Engel den Gral.

Der Gral war einst der herrlichste Edelstein in der Krone Lucifers. Als dieser aber von Gott sich losgesagt, soll der Legende nach der Stein aus der Krone gefallen sein und, von den Engeln gehalten, zwischen Himmel und Erde geschwebt haben. Alsdann habe der hohle Stein als Abendmahlsgefäß gedient und Joseph von Arimathia in dies Gefäß das Blut des Heilands am Kreuze aufgefangen. Nach der einen Ueberlieferung war der Gral (von einem altfranzösischen Worte stammend, welches ein schüsselartiges Gefäß bedeutet) aus einem einzigen Smaragd geschliffen, wie auch unser Dichter annimmt; nach einer andern Lesart bestand er aus einem Jaspis, dem edeln Steine, durch dessen Kraft sich der Phönix aus der Asche verjüngt und dessen öfterer Anblick Gesundheit und zweihundertjährige Jugend verleiht.

Der erste Wächter des heiligen Grals war Titurel; sein Enkel Amfortas, der den gleichen Wächterdienst versah, hatte sich, den Geboten des Grals zuwider, verliebt in die schöne Orgeluse, war im Kampfe von Gurnemanz mit einem verzauberten Speer verwundet worden, so daß die Wunde nicht heilte und er schwer dahinsiechte. Doch erhielt ihn der Anblick des Grals am Leben; er sollte nur dann geheilt werden, wenn ein Unbekannter ihn nach der Ursache seines Leidens fragen würde. Parsifal war dieser Unbekannte, der Amfortas erlöste und die rettende Frage an ihn richtete. Als Kind war Parsifal im Walde aufgewachsen, von seiner Mutter erzogen, ohne jede Kenntniß der Waffen und des Ritterthums, und als er doch auf Abenteuer ausgeht, giebt sie ihm thörichte Rathschläge mit auf den Weg, die ihm seine Abenteuerlust verleiden sollten. Er verfährt danach und wird so dem Gelächter preisgegeben. Darauf beziehen sich die Schlußverse des Linggschen Gedichtes, während die Eingangsverse darauf hindeuten, daß die Gralsburg von Suchenden nicht gefunden werden konnte; nur der Zufall und gläubiges Vertrauen, ohne den Wunsch, den Gral zu sehen, leitete dahin, dann aber auch stets zum zeitlichen und ewigen Heil des glücklichen Finders.

Die Zimmerpflanzen müssen im Februar bei milder Witterung möglichst viel frische Luft erhalten und gelbe wie faulende Blätter sind zu entfernen. Die zur Vermehrung bestimmten Pflanzen (Florblumen) werden aus dem kühlen in den warmen Raum gestellt, damit sie junge Triebe zu Stecklingen liefern können, wie Skarlet-Pelargonien, Fuchsien, Heliotropien, Lantanen, Kupheen, Bouvardien u. a. Trocken aufbewahrte Knollen von Kanna, Kaladium, Begonien, Alpenveilchen, Georginen (Dahlien), Gloxinien, Achimenes, Gesneren, Gladiolen u. a. sind zu reinigen, in Töpfe mit geeigneter Erde zu setzen, die der nächstwohnende Gärtner liefert, und im warmen Raume anzutreiben. Wenn man dergleichen Pflanzen noch spät in Blüthe oder grün haben will, wartet man mit dem Antreiben noch 3 bis 4 Monate. – Die im Sommer einfach, auch gefüllt herrlich blühenden Knollenbegonien sind, wenn man nicht schon Knollen zum Antreiben besitzt, durch Samen anzuziehen, die auf ausgekochtem Torf auszusäen, mit diesem in eine Schale mit Wasser zu stellen und mit einer Glasscheibe zu bedecken sind. Die Sämlinge sind wiederholt in Schalen auseinander und später einzeln in kleine und größere Töpfe zu pflanzen mit Mistbeet- und Heideerde, gemischt mit Ziegelstückchen und auf gutem „Wasserabzug“. Sie entwickeln sich am besten halbschattig in mäßig warmem Raume. Will man die Blumen im nächsten Herbste und Vorwinter haben, so säe man erst im Mai. – Ganz genau ebenso erzieht man noch im Februar das persische Alpenveilchen, wenn es den ganzen nächsten Winter hindurch blühen soll; man giebt ihm eine Mischung von Laub- und Heideerde, wenig mürbem Lehm und Ziegelstückchen. – Nach Mitte des Monats sollte man Blüthen- und Blattpflanzen in Samenschalen mit sandiger Laub- und Heideerde aussäen und mit einer Glasscheibe bedecken, wenn sie rechtzeitig zur Verwendung fertig sein sollen. Sie sind durch Spritzen von oben mäßig feucht zu halten und, sobald sich die Sämlinge fassen lassen, auseinander und später einzeln in Töpfe zu pflanzen. Hierher gehören Lobelien, Verbenen, Eucalyptus, Solanum, Wigandia, Riesentabak etc. O. H.

Skat-Aufgabe Nr. 1. Von K. Buhle.

Nach den folgenden 4 Stichen:

1. 3.
(car. K.) (car. As) (tr. As) (car. Z.) (car. 7) (p. 7.)
2. 4.
(c. Z.) (tr. Z.) (c. As) (p. Z.) (p. As) (car. B.)

giebt der Spieler keinen Stich mehr ab, er hat aber, obwohl noch ein Trumpf im Skat liegt, sein Spiel mit Schneider verloren.

Welcher von den Dreien ist der Spieler? Was spielt er und wie sind die Karten vertheilt?

Auflösung des Scherz-Bilder-Räthsels auf S. 36: Landwirthschaft.




Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

Frau B. in K. Zum Oelen der Nähmaschinen muß man ein säure- und harzfreies Oel verwenden, da dieses die feinsten Maschinentheilchen nicht angreift. Als brauchbare Mischung wird empfohlen gelbes Vaselinöl und reines, frisches Provenceröl je 100 Theile, flüssiges Paraffinöl 200 Theile.

H. T. in Wien. Die nördlichste Stadt der Erde ist Hammerfest in Norwegen, die mittlere Jahrestemperatur von + 1,8° C. aber gewiß erträglich. Der kälteste Ort der Erde dagegen ist nach den meteorologischen Beobachtungen Werchojansk an der Jana in Sibirien. Die Wintermonate weisen dort mit großer Regelmäßigkeit Temperaturen von − 60° C.; selbst im März 1866 wurde ein Temperaturminimum von − 60,8° C. beobachtet.

Nachbarskinder, Wien. Von dem Menzlerschen Bilde „Nachbarskinder“ sind unseres Wissens Farbendrucke nicht vorhanden.

G. P. in O. Sie sind im Irrthum, wenn Sie annehmen, die Trüffel komme in Deutschland nicht vor. Man schätzt die Gesammtausbeute an deutschen Trüffeln auf etwa 450 Kilogramm, das Kilogramm etwa 10 Mark im Preise. Eine regelrechte Trüffeljagd wird allerdings nur in der Provinz Hannover in einigen Förstereien betrieben und man verwendet zu derselben Hunde, nicht Schweine wie in Frankreich. Versuche, der Trüffel bei uns eine größere Verbreitung zu geben, sind bis jetzt erfolglos geblieben.

Leipziger Fröbelverein und Frl. Angelika Hartmann, Seminarvorsteherin in Leipzig: Den Empfang von 100 M und 50 M für den Bau des Fröbelthurms bestätigen wir mit verbindlichem Danke! Wir haben beide Beträge an den Vorsitzenden des Baukomités, Herrn Trautner in Oberweißbach, weitergesandt.



Inhalt: Lore von Tollen. Roman von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 53. – Vor dem Maskenball. Illustration. S. 53. – Die Landenge von Panama. 2. Die Eisenbahn. Von Dr. Emil Jung. S. 58. – Die Gralsburg. Gedicht von Hermann Lingg. S. 60. Mit Illustration S. 56 und 57. – Auf der militärischen Hochschule. Eine Plauderei von Fritz Klien. Mit Illustrationen. S. 61. – Die Vermählung der Todten. Von Isolde Kurz (Fortsetzung). S. 62. – Lied ohne Worte. Illustration. S. 65. – Blätter und Blüthen: Die Gralsburg. S. 68. Mit Illustration S. 56 und 57. – Die Zimmerpflanzen im Februar. S. 68. – Skat-Aufgabe Nr. 1. Von K. Buhle. S. 68. – Auflösung des Scherz-Bilder-Räthsels auf S. 36. S. 68. – Kleiner Briefkasten. S. 68.


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In diesem berühmten Buche, welches für alle Zeiten ein unübertreffliches Muster klarer, leichtfaßlicher und im besten Sinne des Wortes volksthümlicher Darstellung bleiben wird, ist dem größeren Publikum ein Werk geboten, worin es eingehend über den Bau des menschlichen Körpers, die Vorrichtungen seiner einzelnen Organe, sowie über den Gesundheits- und Krankheitszustand derselben unterrichtet und über eine vernünftige naturgemäße Pflege des Körpers im gesunden und kranken Zustande belehrt wird.

Die neue vierzehnte Auflage ist von dem durch seine populär-medicinischen Arbeiten bekannten Herausgeber Dr. med. von Zimmermann, einem Schüler Bock’s, wiederum auf das Sorgfältigste durchgesehen und den Fortschritten der stetig und rastlos sich entwickelnden Wissenschaft entsprechend mit zahlreichen Zusätzen, Berichtigungen und Ergänzungen versehen worden. Durch die Erscheinungsweise in 20 Lieferungen zum Preise von mir 50 Pfennig wird auch dem Minderbemittelten Gelegenheit geboten, sich das nützliche bewährte Werk nach und nach anzuschaffen.

Verlagshandlung von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.