Die Geschichte der Lichtputze

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Autor: Karl Braun-Wiesbaden
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Titel: Die Geschichte der Lichtputze
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aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 108–110
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Geschichte der Lichtputze.

Eine humoristische Grabrede von Karl Braun-Wiesbaden.


Die Lichtputze ist todt, und es hat ihr bis jetzt Niemand eine Grabrede gehalten. Ich will das nachholen, was Andere, vielleicht Berufenere, unterlassen haben. Es könnte sonst großes Unglück aus der Versäumniß erwachsen. Man findet schon jetzt nirgends mehr eine Lichtputze, nicht einmal in jenen fernen Ländern, welche man als „entlegene Kulturen“ bezeichnet; unsere Enkel, welche niemals eine Lichtputze gesehen und vielleicht auch niemals von einer solchen gehört haben, werden, wenn sie dereinst als erwachsene Männer in irgend einem alten Schmöker von einer „Lichtputze“ lesen, sich kaum eine klare Vorstellung davon machen können, von welcher Beschaffenheit eine solche Maschine gewesen.

Nun stelle man sich aber gar einmal den Fall vor, daß in dreihundert Jahren, also etwa im Jahre des Heils zweitausend einhundert sechs- oder siebenundachtzig, von einem Schliemann eine Lichtputze ausgegraben würde: wie würden sich dann die Leute die Köpfe zerbrechen, was das wohl für ein seltsames Instrument sei! Vorn hat es eine gefährliche Spitze, als wenn es auf Feindseligkeiten berechnet wäre. Hinter dieser Spitze folgt dann ein Kästchen, welches man öffnen und schließen und auf einen ganz engen Raum zusammendrücken kann. Und schließlich, am andern Ende, findet man zwei Griffe, wie an einer Schere, aber eine Schere ist es doch auch wieder nicht, denn es fehlen doch die zwei wider einander arbeitenden schneidenden Arme am entgegengesetzten Ende.

„Ein seltsames Ding,“ wird dann der Schliemann vom Jahre 2187 sagen, „eine Waffe, mit der man nicht tödten kann und selbst kaum recht verwunden! Ein Kästchen, das keinen festen Verschluß hat und in das man kaum Etwas hineinthun kann! Endlich zwei Griffe, in welche man wohl den Zeigefinger und den Daumen hineinstecken könnte, wüßte man nur, zu welchem Zwecke man’s thun soll! Es ist ein schier unlösbares Räthsel. Dies Ding muß selbst in den Zeiten, aus welchen es herstammt, eine große Seltenheit gewesen sein. Denn dies da ist das einzige Exemplar, welches man bis dahin gefunden. Wenn ich, vorbehältlich weiterer Untersuchung der Sache, jetzt schon eine unmaßgebliche Vertmuthung aussprechen darf, so sage ich: da irgend ein praktischer wirthschaftlicher Zweck kaum denkbar ist, so bleibt nur die Möglichkeit offen, eine gottesdienstliche, mystische oder symbolische Bedeutung anzunehmen. Bei einer der staatlich anerkannten großen Konfessionen, deren Kultus den Charakter der Oeffentlichkeit hatte, ist allerdings wohl schwerlich ein Platz für dies seltsame Geräthe zu finden. Aber man vergesse nicht, welche Rolle vor einigen hundert Jahren die geheimen Gesellschaften religiöser und ähnlicher Richtungen spielten. So sehr sie auch ihr Treiben in ein undurchdringliches Dunkel zu hüllen liebten, so weiß man doch so viel, daß gewisse seltsame und ungebräuchliche Symbole und Zeichen in ihren Versammlungen spielten; und ich habe einige triftige Gründe anzunehmen, daß diese Figur ein Symbolum bildet, dessen sich die extremste Richtung der Rosenkreuzer-Gesellschaften bediente.“

Diese Ansicht eines hervorragenden Gelehrten würde natürlich auf Widerspruch stoßen bei irgend welchen anderen, nicht weniger hervorragenden Geschichts- und Alterthumsforschern. Ein Zweiter würde den in Frage stehenden Gegenstand für eine Küchengeräthschaft und ein Dritter würde ihn für eine kleine Hilfsmaschine für einen zur Zeit untergegangenen Industriezweig erklären und der Zweite und der Dritte würden eben so gute oder eben so schlechte Gründe für die von ihnen aus tiefster Seele geschöpften innigsten wissenschaftlichen Ueberzeugungen beibringen wie der Erste. Es würde daraus ein großer Streit entstehen, der mit einem außergewöhnlichen Aufwand von Zeit, Kraft und Scharfsinn geführt würde und, nachdem er drei Jahrzehnte hindurch gewüthet, ohne daß man zu einem unzweifelhaften Ergebniß gelangte, schließlich einschliefe, weil die Hauptkampfhähne inzwischen verstorben und allen übrigen Menschen die Sache langweilig geworden.

Um einem solchen verhängnißvollen Ereignisse vorzubeugen, will ich in diesen Blättern, welche in Anbetracht ihrer großen Verbreitung sich bis zu einem gewissen Grade mit der Hoffnung schmeicheln dürfen auf die Nachwelt zu kommen, nach den besten Quellen und aus eigener Wissenschaft erzählen, was die Lichtputze war, wie sie gelebt und geblüht hat und wie sie gestorben.

Zunächst bedarf es – namentlich für die zukünftigen Generationen – einer genauen Beschreibung dieses Werkzeugs. Ich entnehme dieselbe einem Buche, einem großen Universallexikon, das in der Zeit erschien, in welcher sich die Lichtputze der größten Verbreitung und Beliebtheit erfreute und dessen Titel an einer wahrhaft beunruhigenden Langstieligkeit leidet.

Der Herausgeber desselben ist der königlich preußische Kommerzienrath Johann Heinrich Zedler in Leipzig, In der Zeit von 1722 bis 1750 sind 64 Bände im größten Folio, und außerdem in der Zeit von 1751 bis 1754 noch 4 desgleichen Supplementbände, also im Ganzen 68 kolossale Folianten erschienen. (Heute thut das Konversations-Lexikon die nämlichen Dienste, aber in kürzerer, bequemerer und geschmackvollerer Weise.) In jenem heut zu Tage wenig gekannten und noch weniger benutzten Zedler’schen Riesenwerke findet man Mancherlei, was man anderweit vergeblich gesucht hat. So unter Anderem auch einen Artikel über die Lichtputze, welcher wörtlich lautet wie folgt:

Licht-Putze oder Licht-Schnauze ist das von Eisen, Stahl, Messing u. dgl. gemachte, wohlbekannte Werk-Zeug, welches aus zweien in Form einer Scheere über einander gehenden Theilen bestehet, davon der Eine ein hohl gearbeitetes, viereckiges oder oben rundes Behältniß hat und zu Aeußerst in eine lange Spitze ausläuft, der Andere dagegen kürzer ist und an dem Ende einen Deckel führt, der just in das gedachte Behältniß paßt und etwas scharf ist. Beide Theile sind an dem hinteren Ende in Ringe, oder sonstwie, krumm gebogen, damit man sie daselbst bequem mit den Fingern fasse und den am Licht lang-abgebrannten Tacht (Docht) abknippen (abkneifen) könne. Weil aber bei dieser Verrichtung leicht Etwas von Unschlitt daran kleben bleibt, wodurch man den Ort, wo dieses Instrument etwa hinfallen oder hingelegt werden möchte, gar unsauber machen dürfte, so bedient man sich daneben gerne eines besonders dazu verfertigten Kästchens, darein man die Lichtputze legt oder stecket – wie denn Dergleichen auf verschiedene Weise pflegt gearbeitet zu werden, welches man ein Lichtputz-Kästchen oder Pfännchen heißt.“

Vor hundert Jahren schon hat ferner die Lichtputze einen gelehrten Geschichtschreiber gefunden, und zwar keinen geringeren, als den witz- und humorreichen Professor Lichtenberg in Göttingen, denselben, der uns die Hogarth’schen Sittenbilder in so lehrreicher und unterhaltender Weise erklärt hat.

Er geht von der Voraussetzung aus, daß die menschliche Hand, „das große Universalinstrument“, auch die erste Lichtputze war, wie sie so auch der erste Prügel, die erste Wurfmaschine, das erste Trinkgeschirr, die erste Gabel, der erste Fächer und die erste Rechenmaschine gewesen„ oder wie, wenn man die Sache von der entgegengesetzten Seite betrachtet, alle diese Maschinen und Instrumente nichts sind, als Vervollkommnungen, Modifikationen, Specialisirungen und Differenzirungen der menschlichen Hand zu besonderen Zwecken. Weil man sich nicht mehr die Finger beschmutzen oder gar verbrennen wollte, erfand man die Lichtschere. Allein mit der Schere war’s nicht gethan. An dem einen Arme konstruirte man einen Kasten, an dem andern einen [109] Deckel zu demselben, so daß die abgeschnittene Lichtschnuppe in den Kasten gepreßt und daselbst festgehalten wurde. Die Lichtschnuppe durfte weder auf den Tisch noch auf die Tischdecke fallen, sie durfte auch nicht fortglühen, denn sonst lag die Gefahr vor, daß jede neu hinzukommende den alten Vorrath wieder entzündete, wodurch ein starker Dunst, ein unangenehmer Geruch und möglicherweise allerlei Unreinlichkeit entstanden sein würde.

Da übertrug ein weiser Mann die Stahlfeder, die Seele der Taschenuhr, auf die Lichtputze und bewirkte damit, daß sie sich von selber fest zuschloß. Hierdurch waren die geschilderten Gefahren beseitigt, aber das Instrument blieb stets noch verbesserungsfähig.

Es lag ganz platt auf dem Tisch auf; und es war nicht bequem, in die Scherengriffe zu fahren. Da gab man der Lichtputze drei Füße, zwei an den Griffen und einen an der anderen Seite. Auf drei Füßen steht man bekanntlich fester als auf vieren, denn drei müssen immer in dieselbe Ebene fallen. Jetzt konnte auch die feinste und zarteste Hand das Werkzeug leicht und bequem von dem Tische aufnehmen. Damals kam die Redensart auf: „Der Schönste (oder die Schönste) putzt das Licht“. Sie gab in unserer Jugend den Anlaß zu allerlei scherzhafter und harmloser Galanterie, welche die heutige Jugend für recht altmodisch halten würde.

Trotz dieser und anderer Verbesserungen ging es aber mit der Lichtputze wie mit so vielen anderen Erscheinungen; unmittelbar an die höchste Blüthe schloß sich die Periode des Sinkens und Falles, welche sich entwickelte im Zusammenhang mit der Erweiterung und Verbesserung unserer Beleuchtungsstoffe und Beleuchtungsapparate.

In meiner Jugend dominirte die Oellampe, auf welcher man vegetabilisches Oel brannte und die in allen wesentlichen Bestandtheilen mit der altrömischen Lampe übereinstimmte – sogar bis auf das zierliche Zänglein, das an ihr herabhing und dazu bestimmt war, den Docht herauszuziehen und zu regeln. Cylinder waren noch nicht erfunden.

Ich habe heute eine kunstvolle Imitation einer in Pompeji ausgegrabenen schönen Bronzelampe auf meinem Tisch stehen. Sie erinnert mich an das ärmliche Lämpchen, bei welchem ich vor langen Jahren den Cornelis Nepos studirte. Die Konstruktion ist dieselbe.

Im Uebrigen brannte man Talglichter, und ich will hier erzählen, wie es sich damit verhalten. Es war ungefähr um das Jahr 1830. Damals lebte meine Großmutter noch. Sie stand an der Spitze eines großen bäuerlichen Haushalts, und in diesem Haushalt wurde nicht nur Flachs gesponnen und gewebt, um die großen Leinwandkisten zu füllen, sondern auch sonst Mancherlei fabricirt, das man heut zu Tage nicht mehr selbst macht, sondern kauft. Ich nenne hier nur Brot, Kuchen, Branntwein, Bier und Lichter, namentlich Talg- oder Unschlittlichter. Zwar gab es damals auch schon Seifensieder und Lichtzieher, welche diese heut zu Tage auch so ziemlich verschwundenen Unschlitt- oder Inseltlichter gewerbsmäßig fabricirten, allein meine Großmutter sagte: „Was man selbst machen kann, das soll man nicht kaufen und nicht von anderen Leuten machen lassen. Ich esse mein eigenes Brot und will auch meine eigenen Talglichter brennen. Was man so für gewöhnlich kauft bei dem Krämer oder dem Höker, das ist oft schlecht und in der Regel sehr theuer, und bei uns Bauern ist immer das Geld rar und wir haben’s nöthig für Pacht und für Steuern, das Andere haben wir in Hülle und Fülle, so Gott will. Wir haben das schönste Talg von Schafen und Rindvieh, und auch die Dochte können wir uns selbst drehen aus zartem Garn oder Wolle. Wir haben also den Rohstoff selbst, er kostet uns weiter nichts, der Seifensieder aber muß ihn kaufen. Natürlich ist er darauf aus, sich seine Arbeit möglichst theuer bezahlen zu lassen und einen großen Gewinn für sich herauszuschlagen. Deßhalb bin ich der Meinung: wir ziehen unsere Lichter uns selber. In meiner Familie ist ein altes Recept, Lichter zu gießen, von Geschlecht zu Geschlecht überliefert, und ich habe dazu gläserne Lichterformen. Die Lichter, die ich gieße, brennen viel länger, nämlich volle zwölf Stunden, und wenn man sie in eine Lade mit fein- und reingeschnittenem Stroh legt, so behalten sie auf Jahr und Tag ihre untadelhafte helle weiße Farbe. Die Lichter vom Seifensieder aber sind von Haus aus schon schmutzig-gelb und sie bekommen mit jedem Tag eine unappetitlichere Farbe, auch ihr Duft ist nicht immer ganz lieblich.“ So sprach die Großmutter.

Gewiß ist: es gab damals in der ganzen Gegend keine schöneren Talglichter, als die, welche meine Großmutter selig in ihren gläsernen Formen eigenhändig gegossen hatte, aber sie hatten mit den übrigen, weniger schönen Talglichtern doch den gemeinsamen Fehler, daß sie geputzt oder, wie es bei uns hieß, geschnäuzt werden mußten. Der verkohlte Docht verzehrte sich noch nicht in sich selber, sondern blieb auf dem Licht stehen, und wenn man ihn nicht abkniff, dann brannte das Talglicht schief und trübe und begann zu fließen. Man mußte es also von Zeit zu Zeit putzen, damit es wieder hell leuchte. Die abgekniffenen Dochte sammelten sich in dem an der Lichtputze angebrachten Behälter. Jeden Morgen wurden diese Behälter ausgeleert und gereinigt. Man nannte die verkohlten Dochte „Licht-Schnuppen“, und man hat den Ausdruck „Schnuppen“ ja auch auf die Sterne übertragen, von welchen man wohl annahm, daß sie sich ebenfalls „schnäuzten“ oder von Engelshänden geschnäuzt werden mußten, damit sie wieder heller brannten.

Die dem Kasten der Talglichtschnäuze entnommenen Lichtschnuppen wurden mit Sorgfalt gesammelt. Seltsamer Weise hielt man sie für ein unfehlbares Mittel wider die Kolik. Wenn Jemand Bauchkneifen verspürte, dann nahm man einen großen Löffel voll Branntwein, – „aber reiner Franzbranntwein muß es sein,“ sagte meine Großmutter – rührte einige solcher Schnuppen hinein, bis das Ganze eine dickflüssige gräuliche Masse bildete, schluckte dieselbe mit Todesverachtung hinunter und behauptete dann, es habe geholfen. Das glaubten damals die vernünftigsten Leute. Heut zu Tage glaubt man zwar dieses nicht mehr, dafür aber anderen Unsinn.

[110] Im Jahre 1840 war ich Student. Ich besuchte während der Ferien meinen Großoheim, den Bruder meiner Großmutter, welcher Direktor eines Seminars in der Rheinprovinz war. Wir lasen mit einander den griechischen Urtext, in welchem Xenophon den Rückzug der zehntausend tapferen Griechen beschrieben. Mein Vater, der ein großer Geograph war, hatte mich dazu mit den neuesten und besten Karten ausgerüstet. Der Großohm war mit meinen Studien zufrieden und gab mir eines Tages eine Andeutung, er werde mich in seinem letzten Willen bedenken. Allein es geschah anders. Eines Abends hatte unser Talglicht eine sehr lange Schnuppe; ich wollte es putzen, war aber ungeschickt und löschte es aus. Der Oheim vermerkte dies übel und schrie mich an:

„Junge, wo hast Du das Lichterputzen gelernt?“

„Da, wo deren zwei auf dem Tisch stehen, verehrtester Oheim,“ antwortete ich in meiner jugendlichen Ueberhebung. Dadurch entging mir das Vermächtniß. Der gute Großonkel war ein wenig geizig und erblickte in meiner Aeußerung eine freche Anspielung hierauf. Es wurde mir nicht schwer, mich wegen der entgangenen Erbschaft zu trösten.

Wie allgemein übrigens noch um 1850 die Lichtputzen waren, beweist ein Bild in den „Fliegenden Blättern“. Man sieht da einen bayerischen Haus- oder Holzknecht in hohen Stiefeln. Er hat den einen Riesenstiefel ausgezogen und schüttelt ihn aus, indem er das Fußende nach oben hält. In Folge des Schüttelns kommt eine große spitze Lichtputze aus dem Stiefel klirrend zur Erde gefallen.

„Schaun’s, schaun’s,“ sagt der Schlaukopf, „hab’ i doch schon seit drei Tog’n ’dacht, daß i a kloas Stoanerl im rechten Stiefel hab’n müßt!“

Allein selbst die schönsten Geschichten vermochten das Verhängniß nicht aufzuhalten.

Stearin und Petroleum, die Gas- und die elektrische Beleuchtung griffen immer mehr um sich, um dem Talglicht seine Existenz zu erschweren.

Die Nothwendigkeit der Lichtputze beruhte, wie wir gesehen haben, darauf, daß sich eine die Flamme verdunkelnde Dochtkohle oder Lichtschnuppe bildete. Nun fand man die Mittel, die Selbstverbrennung der Dochtkohle durch eine besondere Art des Flechtens des Dochtes herbeizuführen. Da war es aus mit der Schnuppe und folglich auch mit der Lichtputze; denn die Lichter schnuppen oder schnäuzen sich ja gegenwärtig von selber, wie die Sterne. Man hat, undankbar, wie die Menschen sind, noch nicht einmal officiell Notiz genommen von dem Hingang der Lichtputze, und gegenwärtig ist es unmöglich, ihren Todestag zu ermitteln.

Genug. Sie hat gelebt und gearbeitet, so lange sie nöthig und nützlich war. Als sie überflüssig wurde, ist sie still und bescheiden, wie sie immer gewesen, zum Orkus hinuntergestiegen, ohne einen Anspruch auf Dank oder auf Unsterblichkeit zu erheben. Selbst während der Zeit, wo sie herrschte, hat sie den Menschen nach Kräften genützt und Niemand geschadet.

Ich wünsche von Herzen, man könnte Jedermann eine so ehrenvolle Leichenrede halten.