Die Rivalen am Congo

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Titel: Die Rivalen am Congo
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aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 782-784
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Rivalen am Congo.

An den Küsten des „dunklen“ Welttheils, an welchen noch vor wenigen Jahrzehnten nur Sclavenschiffe Anker warfen, um die grausame Jagd auf den schwarzen Menschen auszuüben, wehen heute friedliche Handelsflaggen civilisirter Nationen; vom Norden und Süden, vom Osten und Westen her dringen kühne Forscher auf unwegsamen Pfaden in das „Herz Afrikas“, weder die Gefahren des mörderischen Klimas, noch die Nachstellungen der wilden Eingeborenen scheuend; Dampfer befahren die gewaltigen centralafrikanischen Ströme, welche früher nur von leichten Negercanoes durchfurcht wurden, und europäische Niederlassungen werden gegründet, mitten unter barbarischen Stämmen. Was bedeutet dieses sonderbare Treiben und Schaffen? Was verkündet der schrille Pfeifenton der Dampfmaschine und das Hallen der Aexte in der tiefen Stille des jungfräulichen Urwaldes?

Die Cultur schickt sich an, das Herz Afrikas zu erobern, und in ihren Diensten wetteifern alle civilisirten Nationen mit einander. Auf den vielverschlungenen Pfaden, welche einst der vom idealen Wissensdrange geleitete Forscher gefunden, wandelt heute der unternehmungslustige Kaufmann; er knüpft mit den wilden Völkern Handelsbeziehungen an und schürzt die Bande, mit welchen früher oder später Centralafrika an den unaufhaltsam vorwärts donnernden Gang der europäischen Cultur gefesselt werden wird.

Wie jung sind noch diese Bestrebungen, welche den Völkern Europas einen ungeheueren Nutzen versprechen! Vor kaum fünf Jahren brachte uns Stanley die Kunde von dem Laufe des gewaltigen Congostromes, der unter dem sechsten Grad südlicher Breite seine Fluthen dem Atlantischen Oceane zuwälzt, von dem unermeßlichen Reichthum der von ihm und seinen Nebenflüssen bespülten weiten Länderstrecken und von der dichten Bevölkerung jenes unerforschten dunklen Welttheiles. Schnell reifte da die Idee, dieses Gebiet dem Welthandel zu erschließen, und die civilisirten Völker reichten sich zu diesem Zwecke die Hände. Sie rüsteten Expeditionen aus, deren Zahl mit jedem Jahre wuchs, sodaß es heute selbst für den Fachmann schwierig sein dürfte, den Gang der afrikanischen Forschung klar zu überschauen. Vor Allem hat die auf Anregung des Königs Leopold des Zweiten von Belgien im Jahre 1876 gegründete „internationale afrikanische Association“ es zu ihrer Aufgabe gemacht, auch jenen Theil Afrikas zu civilisiren, und aus ihr sind auch jene Specialcomités hervorgegangen, deren Thätigkeit heute die gesammte handelsgeographische Welt in Spannung und Aufregung versetzt. Was man schon bei der Gründung der internationalen Vereinigung voraussehen konnte, hatte sich leider nur allzu bald bestätigt. Die Eintracht der einzelnen Völker war nicht von langer Dauer, und schon heute stehen wir vor einem – „Streit um den Congo“.

Werfen wir einen Blick auf die Landkarte des westlichen äquatorialen Afrikas, so sehen wir, daß hier zwei große Ströme in den Atlantischen Ocean münden, unter dem sechsten Grad südlicher Breite der mehrmals erwähnte Congo, und nördlich von ihm der kleinere Ogowe. Flüsse bildeten stets die wichtigsten Handelswege der Welt, und so müssen wir auch die Mündungen vom Congo und Ogowe als die Thore betrachten, durch welche man in das Innere dieses Landes gelangen kann.

Und in der That ließen sich an ihnen die Pionniere der europäischen Cultur zuerst nieder. An der Mündung des Ogowe besitzt Frankreich einen wichtigen Hafen, Gabun, in welchen jährlich an hundert Dampf- und Segelschiffe einlaufen. Sie treiben hier Tauschhandel mit den afrikanischen Völkern, und der Gewinn der Handelsherren soll dabei ein unermeßlicher sein; denn nur wohlfeile Waare wird für die kostbarsten Producte des Südens eingetauscht. Einen Elephantenzahn, der etwa 60 Kilogramm wiegt und in Europa einen Werth von 1800 Franken darstellt, ersteht man am Ogowe für Schundwaaren im Werthe von 40 bis 50 Franken, und Blöcke von Kopalharz, welche die Größe eines Kopfes haben, handelt man den Eingeborenen für einige Körner Salz ab. Alle tropischen Früchte gedeihen in jenen Ländern auf das vortrefflichste, und unermeßlich ist der Reichthum ihrer Urwälder an Kautschuckbäumen, sowie an Palmen, aus welchen das Palmöl gewonnen wird. Der Leser wird vielleicht staunen, wenn wir ihm mittheilen, daß dieser Handel vorwiegend von den Deutschen betrieben wird, daß das Hamburger Haus Wörmann in Gabun sozusagen eine Art Monopol besitzt.

Den Ogowe entlang sind einige Handelsstationen errichtet, und Karawanen von Canoes vermitteln den Verkehr zwischen dem Hafen und dem Inneren des Landes.

Dieser älteren französischen Handelscolonie erwuchs in jüngster Zeit ein gefährlicher Concurrent in dem an der Congomündung gelegenen Hafen Boma, in welchem, wie wir später sehen werden, einige europäische Handelshäuser unter der Leitung Stanley’s sich niedergelassen haben.

Von diesen beiden Punkten aus wurden nun in letzter Zeit die Expeditionen unternommen, deren Zweck es war, Handelswege nach dem Inneren Centralafrikas zu finden und Handelsstationen zu gründen.

Ein kühner französischer Forscher, Graf Savorgnan de Brazza, sollte vom Ogowe aus sein Glück versuchen. Die internationale afrikanische Gesellschaft trug ihm auf, ihre Interessen zu vertreten, und außerdem wurde er mit einem Mandat der französischen Regierung ausgestattet: „sei es auf dem Wege des Kaufes, sei es durch Verträge, von denjenigen Territorien Besitz zu ergreifen, die ihm am Ogowe und am Congo zur Errichtung von Niederlassungen günstig erschienen“. Man behauptet, daß ihm die afrikanische Association zu dieser Expedition 30,000 Franken, das französische Parlament aber 100,000 Franken bewilligt hätte, und es ist leicht zu begreifen, daß unter diesen Umständen Graf Savorgnan de Brazza bald die Verpflichtungen vergaß, welche er gegen die afrikanische Gesellschaft zu erfüllen hatte, und als Franzose nur die Interessen Frankreichs wahrnehmen zu müssen glaubte. Das Gebiet, das er betreten sollte, war ihm schon von seinen früheren [783] Reisen her bekannt, und vertrauend auf seine gründliche Kenntniß von Land und Leuten rüstete er eine verhältnißmäßig schwache Expedition aus, die nur aus zwei Matrosen und sechszehn waghalsigen farbigen Senegalschützen bestand. Was er mit diesen geringfügigen Mitteln zu erreichen wußte, ist entschieden großartig und nur ein Erfolg seines persönlichen Muthes und seiner schlauen Gewandtheit. Trefflich charakterisirt den französischen Forscher ein Brüsseler Correspondent des „Export“:

„In der That versteht Savorgnan de Brazza es ausgezeichnet, mit den Wilden umzugehen. Wie jener alte Römer, der den Karthagern in den Falten seiner Toga Krieg und Frieden zur Wahl vorlegte, pflegt er den Eingeborenen in der einen Hand eine französische Flagge, in der andern eine Patrone vorzuhalten. Er erklärt ihnen dann die Vortheile eines Handelsvertrages und die Schrecken des Krieges und läßt sie wählen. Alle haben die Fahne gewählt als Symbol des Handels und sodann feierlichst die Patrone vergraben, um damit den ewigen Frieden zu besiegeln.“

Im Jahre 1880 trat Brazza seine Reise an, um vom obern Laufe des Ogowe den Alima, einen Nebenfluß des Congo, zu erreichen und sich zu überzeugen, ob dieser Weg für eine Handelsstraße geeignet sei. Im Juni desselben Jahres gründete er die Station Franceville, die auf unserer umstehenden Karte den Ausgangspunkt der weiteren Reise Brazza’s bezeichnet. Er wurde von dem Stamme der Nghimi, die jene Gegend bewohnen, auf das Freundlichste aufgenommen, und es fehlte ihm – der dortigen Landessitte gemäß – niemals an eingeborenen Frauen, welche ihm zur Besorgung seiner Hauswirthschaft die Häuptlinge verehrten. Nach einigen Tagemärschen gelangte seine Karawane in das Land der Bateken, die zu den Menschenfressern zählen, aber, so lange sie nicht gereizt werden, fremde Reisende durchaus friedlich und zuvorkommend empfangen. Erst bei den Abumas, einem Volke, welches vom Sclavenhandel und von der Herstellung feiner Bastgewebe lebt, erfuhr er, in welcher Richtung er den Congo suchen müsse. Seine Karawane verließ bald den Fluß Lerina, auf dem sie bis dahin auf Canoes der Eingeborenen vorwärts drang, und trat zu Fuß einen beschwerlichen Weg an, der durch ein ödes, den sengenden Strahlen der Sonne ausgesetztes unbewohntes Plateau führte. Zwei Tage lang dauerte dieser ermüdende Marsch, und schon glaubte Brazza, daß er absichtlich irre geführt würde. Da erblickte er um elf Uhr Abends eine unendliche Wasserfläche, deren Glanz sich in den Schatten der hohen Gebirgszüge am Horizonte verlor.

„Der Congo,“ erzählt Brazza wörtlich, „wälzte, vom Nordosten kommend, wo er einem Meere glich, majestätisch seine Fluthen tief zu unsern Füßen, ohne daß der Schlaf der Natur geweckt wäre durch das schwache Gemurmel seiner Wogen. Das war einer jener Augenblicke, welche dem Reisenden ein andächtiges Schweigen (religienx silence) auferlegen, und in diesem Schweigen schlug mein Herz höher, das Herz eines Franzosen, da ich daran dachte, daß sich hier das Schicksal meiner Mission entscheiden müsse.“

Von hier aus gelangte Brazza auf dem Congo bis zu der seeartigen Erweiterung des Stromes, welche zu Ehren ihres Entdeckers den Namen Stanley-Pool trägt. Das ganze Gebiet, welches er jetzt durchkreuzte, gehört dem mächtigsten Fürsten Centralafrikas, dem „Könige von Makoko“, und Brazza versäumte nicht, diese schwarze Majestät aufzusuchen und mit ihr ein Freundschaftsbündniß zu schließen. In den „Tuilerien“ dieses Herrschers, welche nur aus einigen Hütten und einem Palissadenzaune bestehen, wurde der berühmte Vertrag, der jetzt ein so großes Aufsehen erregt, geschlossen. Der König nahm ein wenig Erde, legte sie in ein Kästchen und ließ dasselbe durch seinen Oberpriester dem französischen Reisenden mit den Worten überreichen:

„Nimm diese Erde und trage sie zu dem großen Häuptlinge der Weißen und sage ihm, daß wir ihm angehören.“

Brazza pflanzte hierauf das französische Banner neben der Hütte des Königs auf und hielt folgende Ansprache:

„Das ist das Zeichen der Freundschaft und des Schutzes, welches ich euch zurücklasse. Frankreich ist überall da, wo dieses Friedenszeichen weht; es achtet die Rechte aller derjenigen, welche sich um dasselbe schaaren.“

Seit jenem Tage pflegt der König von Makoko an jedem Morgen und an jedem Abend die französische Tricolore auf dem Dache seiner „Residenz“ aufziehen zu lassen.

Dies geschah am 3. October 1880, und kraft des Vertrages erhielt Brazza ein Gebiet von zwölf Quadratmeilen oberhalb des Stanley-Pool. Sofort gründete er eine neue Station Brazzaville, in welcher er den schwarzen Unterofficier Malamine und zwei Senegalschützen zurückließ. Er selbst aber fuhr den Congo hinab, und kehrte, fast von allen Mitteln entblößt, über Boma nach Europa zurück. Auf diesem Wege traf er mit Stanley zusammen, dem gegenüber er aber von seinem Vertrage mit dem Könige von Makoko nichts verlauten ließ. – –

In derselben Zeit, da Brazza seine Reise ausführte, wurde von Boma aus ein Versuch im großen Stil unternommen, das Congogebiet zu erschließen. Haftet dem Brazza’schen Vorgehen in gewisser Hinsicht ein abenteuerlicher Zug an, so sehen wir in dem anderen Unternehmen eine entschieden großartige Schöpfung vor unsern Augen entstehen. An seiner Spize steht der „Heros der afrikanischen Forschung“, der berühmte Stanley, dem es gelungen ist, den König von Belgien und eine Anzahl großer Capitalisten für seine praktischen Pläne zu gewinnen. Auf seine Anregung bildete sich bereits vor vier Jahren eine Gesellschaft unter dem Namen „Comité d’études du Haut-Congo“, welche über große Capitalien verfügt und Stanley mit der Erschließung der Congoländer beauftragte.

Unsere Landkarte zeigt uns, daß der untere Lauf des Congo drei bedeutende Wasserfälle aufweist, zunächst die Yellala-Fälle, dann die Isandschila-Fälle und endlich die Ntamo-Fälle in der Nähe des Stanley-Pool, zwischen welchen noch etwa zwanzig kleinere Katarakte liegen. Da durch dieselben die Schifffahrt auf dem Strome besonders erschwert wird, so beschloß man hier eine Landstraße den Congo entlang zu bauen, um den Verkehr mit dem Inneren des Landes zu ermöglichen. Zu diesem Zwecke wurde Stanley mit großartigen Mitteln ausgerüstet. Sieben kleinere Dampfschiffe und Remorqueure befahren schon den Strom zwischen den einzelnen Katarakten, und für die Expedition selbst wurden sechszig Europäer und drei- bis vierhundert Zanzibariten engagirt.

Dem Laufe des Stromes folgend, hat Stanley eine Reihe von Niederlassungen gegründet, welche Anfänge von Städten bilden; sie haben ihre Straßen und ihre besondere Fahne, welche einen goldenen Stern im blauen Felde zeigt; denn es sind nicht belgische, sondern afrikanische Städte, die hier gegründet werden. Jede dieser Stationen hat einen weißen Vorsteher, während die übrige Einwohnerschaft aus Zanzibariten und Eingeborenen der Umgegend sich zusammensetzt. Die Cultivirung des Bodens wurde sofort in Angriff genommen, und wo man noch vor Kurzem wildes Buschwerk und Gestrüpp sah, erheben sich heute Plantagen und blühende Gärten. Zwischen den Eingeborenen und der Expedition herrscht das beste Einvernehmen, da Stanley auf gerechte Behandlung der Ersteren ein besonderes Gewicht legt. So wird z. B. der Grund und Boden, welchen man zur Gründung von Niederlassungen braucht, stets im Wege des Kaufes erworben, und die eingeborenen Häuptlinge erhalten von der Expedition monatlich einen Tribut, der ihnen als der einheimischen Obrigkeit zukommt. Dank dieser humanen Handlungsweise ist bis jetzt am Congo noch kein einziger Flintenschuß in feindlicher Absicht abgegeben worden.

Trotzdem hat die Expedition bereits große Opfer gefordert; neun von den Europäern, welche Stanley nach Afrika folgten, sind den Strapazen und dem Klima erlegen, während viele andere aus Gesundheitsrücksichten nach Europa zurückgeschickt werden mußten. Die Zanzibariten dagegen erweisen sich als vortreffliche Arbeiter, und da ein Theil derselben nach Ablauf ihres dreijährigen Contractes in ihre Heimath zurückkehren wird, so hat man bereits 250 Arbeiter von Neuem in Zanzibar engagirt und an den Congo befördern lassen.

Mit diesen Mitteln versuchte nun Stanley möglichst weit in das Innere des Landes den Congo entlang vorzudringen und die projectirte Straße auszubauen.

Von Boma aus fuhr er mit dem Dampfer bis eine Meile unterhalb der Yellala-Fälle und gründete hier im November 1879 die erste Station, Vivi. Nach einem Jahre errichtete er weiter stromaufwärts, sieben deutsche Meilen entfernt, Ndambi Mbongo, und im Frühjahre 1881 die dritte Station, Isandschila. Da er von hier aus den Strom benutzen konnte, gelang es ihm, schon im Mai desselben Jahres die zwanzig deutsche Meilen lange Strecke bis Manjanga zurückzulegen und die vierte Station zu errichten. Hiermit waren die größten Schwierigkeiten überwunden; [784] er befand sich in einer fruchtbaren, von dem freundlich gesinnten Volke der Bawende bewohnten Gegend. Der Weg zu dem von hier noch elf deutsche Meilen entfernten Stanley-Pool führt zwar wieder zu Lande durch hügelreiche Gegenden und über den reißenden Edwin-Arnold-Fluß, aber von Nkenke an beginnt Lehm- und Sandboden und theilweise sogar Parklandschaft.

Hier traf Stanley mit dem „zerlumpten Franzosen“ Brazza, wie er den von allen Mitteln Entblößten später nannte, zusammen; er begrüßte ihn zuvorkommend, erfuhr aber nichts Näheres über seine bereits erwähnten Verträge. Als nun Stanley an der Spitze der stattlichen Expedition bis zum Stanley-Pool vorgedrungen war, fand er hier den Sergeanten Malamine, der die Eingeborenen gegen die Belgier so aufreizte, daß Stanley, theilweise unverrichteter Dinge, umkehren mußte. Trotzdem ist sein Erfolg ein bedeutender.

Die Gesellschaft des „Comité d’études du Haut-Congo“ unterhält bereits einen lebhaften Handel mit dem ganzen Gebiet ihrer Operationen. Elfenbein, Kaffee, Gummi, Guttapercha, Palmöl, Ebenholz, Mahagoni und Eisenholz sind kostbare Handelsartikel, welche schon jetzt für die Gesellschaft eine Quelle unermeßlichen Reichthums bilden.

Kein Wunder also, daß Stanley nach seiner vor Kurzem erfolgten Rückkehr nach Europa gegen das Vorgehen Brazza’s protestirte, daß er den Plan des Letzteren, zwischen dem Ogowe und Congo eine Eisenbahn zu bauen, lächerlich zu machen versucht und seine Straße am unteren Congo für den besten Handelsweg ausgiebt. Kein Wunder auch, daß Herr de Brazza seinerseits seinen Landsleuten zuruft:

„Laßt uns für die Zukunft sorgen! Denn in einem Jahre vielleicht schon wird sich das Comité, welches Stanley zum Vertreter seiner Interessen macht und das in drei Jahren fünf bis sechs Millionen Franken geopfert hat, in eine Gesellschaft mit einem Capital von fünfzig bis sechszig Millionen Franken verwandeln, in eine Gesellschaft, welche den inneren Congo mit dem atlantischen Ocean durch eine Eisenbahn verbinden und so den Handel des gesammten Congogebietes unumschränkt beherrschen wird.“

Es ist unthunlich und zwecklos, den bisher meist nur persönlichen Streit beider Männer noch ausführlicher zu verfolgen. Der Conflict wird durch die Organe Gambetta’s ausgebeutet; er wird aber sicher durch besonderes internationales Einwirken im allgemeinen Interesse der Völker beigelegt werden; denn Brazza war wie Stanley von der internationalen Association zu einer Forschungsreise beauftragt worden, und nach den neuesten Nachrichten soll die portugiesische Regierung sich schon mit dem Plane tragen, gegen die Ansprüche Brazza’s zu protestiren.

Es ist zweifellos, daß bei der Anstrengung so vieler Kräfte, zu denen auch noch die Arbeiten verschiedener Missionare hinzukommen, und bei der dadurch entstandenen fieberhaften Concurrenz die große Wasserstraße des Congo nach dem Innern in Bälde eröffnet werden wird. Für uns ist es zunächst fraglich, welcher von den beiden Wegen den Vorzug verdient, der Brazza’s von Norden her, von Gabun auf dem Ogowe bis Brazzaville, eine Strecke von hundertvierundzwanzig deutschen Meilen, wobei freilich nur fünfzehn deutsche Meilen Landweg sind, – oder der Stanley’s von Boma bis zum Pool, eine Strecke von nur zweiundsiebenzig Meilen, von denen zwanzig Landweg sind.

Brazza hat nur einen kurzen Landweg auf gutem zugänglichem Terrain zu bauen, dagegen ist sein Wasserweg sehr lang und führt durch eine Reihe kleiner selbstständiger Reiche mit kriegslustigen Einwohnern, sodaß der Verkehr immer gefährdet ist. Stanley’s Kunststraße um die Katarakte herum ist den zerstörenden Ueberschwemmungen ausgesetzt und erfordert häufige Reparaturen. Auch ist der Wasserweg zwischen Isandschila und Manjanga gefährlich. Doch kann man diese Strecken auf dem Karawanenwege der Eingeborenen über Matodi-Kinsuka-Manjanga umgehen, vorausgesetzt, daß man sich mit den bisher feindseligen Eingeborenen abfände. Stanley’s Weg ist unter allen Umständen der kürzeste und nicht durch die Feindseligkeiten der Eingeborenen bedroht. Man darf also wohl voraussehen, daß diese Verkehrsstraße den Vorzug erhalten und behaupten wird. – Frankreich sucht indessen fortgesetzt neue Lorbeeren von Centralafrika zu holen. Es entsendet fast gleichzeitig mehrere Expeditionen dahin, nämlich außer der des Dr. Bayol eine zweite unter Aimé Ollivier, Vicomte de Sandernal, um eine französische Colonie in der Nähe von Cimbra in Senegambien zu gründen und die kleine französische Colonie Assimie mit den Besitzungen Frankreichs am Senegal zu verbinden, Expeditionen, deren Hauptziel es ist, das ganze centrale und westliche Afrika in Frankreichs Gewalt zu bringen. Die Entdeckungen, welche so vielen muthigen englischen, deutschen und amerikanischen Forschern das Leben gekostet haben, sind für die französischen Republikaner gut genug.