Ein deutscher Waldbaum der Zukunft

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Autor: Balduin Möllhausen
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Titel: Ein deutscher Waldbaum der Zukunft
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 17–19
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Douglas-Tanne.
Zeichnung von H. Heubner.

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Ein deutscher Waldbaum der Zukunft.


Mit Recht hat die Douglas-Tanne (Abies Douglasii) in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit deutscher Forst- und Parkpfleger auf sich gezogen und in den betreffenden Kreisen vielfach den Wunsch, sogar das lebhafte Verlangen erregt, diesem echt californischen Kinde auf deutschem Boden eine Heimstätte zu bereiten. Und die Erfolge der bisherigen Versuche berechtigen in der That zu der Hoffnung, den schönen Baum eine hervorragende Stelle in unserer Forstwirthschaft einnehmen zu sehen. Mehr und mehr bricht sich die günstige Meinung für dessen Einführung in Deutschland Bahn; sogar höhere Forstbeamte, welche im Allgemeinen kostspieligen Proben und Experimenten abhold, zeigen sich geneigter, in diesem Falle auf den von Privatforstpflegern gesammelten Erfahrungen weiterzubauen.

Der Preis für den Samen (6000 Mark für den Centner) erscheint allerdings hoch, allein er schwindet, wenn man berücksichtigt, wie viele Pflanzen von einem einzigen Pfund erzeugt werden können, außerdem aber dürfte er, trotz der sehr großen Schwierigkeit des Einsammelns in den fernen westlichen Waldungen, eine bedeutende Ermäßigung erfahren, sobald man sich directere Bezugsquellen eröffnet. In England sind die Douglas-Tannen schon seit einer längeren Reihe von Jahren eingeführt, ohne jedoch eine andere Bedeutung, als die von schnell wachsenden edlen Parkbäumen gewonnen zu haben, was vielleicht auf die schwere Gewinnung des Samens in dem vor dreißig Jahren noch so wenig bekannten Californien zurückzuführen ist. Die ersten Samenproben mögen von den Botanikern Douglas, Lindley, Loudon, Nutall und Anderen mitgebracht worden sein, welche den Columbia besuchten, in dessen Stromgebiet die dort reich vertretene Douglas-Tanne ihre Aufmerksamkeit nothwendiger Weise erregen mußte.

Einem sehr eifrigen und gefälligen Forstmanne im Harze, welcher vor etwa sieben Jahren mit Mühe in den Besitz einer kleinen Quantität Samen gelangte, denselben ausstreute und seitdem die jungen Bäume mit peinlicher Aufmerksamkeit pflegte und beobachtete, verdanke ich nähere Angaben über seine ersten Versuche, welchen sich jetzt umfangreichere anschließen. Zunächst spricht er sein Erstaunen über die gewaltigen Jahresschösse aus. Er folgerte aus dem schnellen Wachsthum der Douglas-Tanne, daß dieselbe sich vorzugsweise zur Ausfüllung von Windbrüchen eignen möchte. Für die Zähigkeit der jungen Bäumchen spricht, daß ein Exemplar jenes ersten Versuches, welches, in einer Kiste mit Erdballen verpackt, mir freundlicher Weise in diesem letzten Frühlinge aus dem Harze zugesendet wurde, vor meinem Fenster im Garten (Potsdam) lustig grünt und nach allen Richtungen hin neue Schösse treibt. Die Verbreitung der Douglas- [19] Tanne – vom südlichen Californien bis hoch hinauf nach dem nördlichen Oregon, wo sie sich in große Waldungen zusammendrängt – zeugt für die Fähigkeit derselben, dem bei weitem milderen deutschen Winter Trotz zu bieten.

Ich schalte hier eine genaue Beschreibung der Nadeln und Zapfen ein, wie ich sie meinem Freunde und Reisegefährten, dem Botaniker Dr. Newberry, nach dessen sorgfältiger Prüfung verdanke:

„Die Douglas-Tanne ist ein Baum von ungewöhnlichen Größenverhältnissen. Die Nadeln sind schmal, linealisch, einen Zoll lang, oben gefurcht, unten kahnförmig mit gebogenen Rändern und leichtmeergrün. Die Zapfen hängen nach unten, sind langeiförmig spitz und haben nur wenige große, schlaffe, vollkommen abgerundete Schuppen. Die verlängerten Samenflügel reichen über den Rand der Schuppen hinaus und endigen in drei Spitzen, deren mittelste die größte ist. Die Samenkörner sind elliptisch und beinahe halb so lang, wie der durchsichtige Flügel, dessen Rand ebenfalls ohne Einschnitte.“

Fruchtzapfen, Schuppen und Nadeln der
Douglas-Tanne.

Natürliche Größe.

Es unterliegt also keinem Zweifel, daß der Zapfen der Douglas-Tanne, wie bei der Fichte oder Rothtanne, nach der Bestäubung mit der Spitze nach unten weist und nach dem Ausfluge des Samens im Laufe des folgenden Jahres abfällt. Trotz des schroffen Gegensatzes im Wachsthum der beiden Holzarten – ich berufe mich wiederum auf meinen gefälligen Gewährsmann im Harz – sind ältere Forstleute geneigt, was ich für gewagt halte, in der Douglas-Tanne eine Taxusart zu erkennen. Diese Meinung kann sich wohl nur auf den mikroskopischen Bau des Holzes begründen. Und da heißt es denn allerdings in einem Separatabdruck aus dem „Tharander forstlichen Jahrbuch“: „Es fanden sich hier bei den von mir untersuchten Aesten – bis acht Millimeter Durchmesser – aus dem Forstgarten, sowohl in den Längsfasern des Frühlingsholzes, wie im Herbstholz, so deutliche und stark ausgeprägte spiralige Verdickungsbänder, wie ich sie, mit alleiniger Ausnahme der Eiben (Taxus), bei keinem anderen Coniferenholze gesehen. Dieses Tannenholz macht in dieser Beziehung den Uebergang zu den Eiben, und ließen sich die mikroskopischen Präparate viel eher mit denen von Taxus, als mit den übrigen Tannenhölzern verwechseln. Aelteres Stammholz zu untersuchen, hatte ich keine Gelegenheit.“ Und dann auf Seite 64: „Den Eiben schließt sich zum Verwechseln ähnlich das Holz von Abies Douglasii (Lindl.) an.“ („Das Holz der Coniferen“ von Dr. Julius Schröder, Dresden, 1862.)

Auf die an mich gerichtete Frage, ob die Douglas-Tanne einer ähnlichen Krankheit unterworfen, wie unsere Fichte, die bei üppigem Wuchs auf nicht ganz zusagendem Standort oft schon mit vierzig Jahren rothfaul wird, umbricht und in den Beständen dem Winde willkommene Lücken schafft, oder, wie die Lärche, sich bis auf vereinzelte Fälle gesund erhält, glaube ich am eingehendsten durch die Schilderung eines vielhunderjährigen Douglas-Tannenwaldes antworten zu können.

Ich selbst beobachtete die Douglas-Tanne im mittleren und südlichen Californien in den Pässen und an den Abhängen der Küstengebirge und der Sierra Nevada in zerstreuten und weniger umfangreichen Gruppen. Bewunderte ich aber schon dort ihren überaus kräftigen und zugleich graziösen Wuchs, der wohl kaum von dem einer zweiten Conifere Californiens, höchstens in den Größenverhältnissen von der Sequoia gigantea, übertroffen wird, so erregten mein Erstaunen die Schilderungen meines Freundes Newberry, welcher sich kurz zuvor an einer Expedition von dem Sacramento-Thal aus nach dem Columbia betheiligt hatte. Seine verbürgten Berichte vereinige ich hier mit meinen eigenen Beobachtungen.

„Im Thale des Columbiaflusses, namentlich in der Nähe der Mündung des Willamette, bildet die Douglas-Tanne Waldungen, von deren Dichtigkeit man sich, ohne sie gesehen zu haben, kaum eine annähernd richtige Vorstellung machen kann. Wie die Halme in einem Rohrfelde, stehen hier die mächtigen Baumriesen hart bei einander. Säulenähnlich und fast zweiglos erheben sie sich bis zu einer Höhe von zweihundert Fuß, wo erst das immergrüne Nadelwerk beginnt. Stämme, welche in der Höhe von vier Fuß noch zehn Fuß im Durchmesser halten und ihre äußerste Wipfelspitze dreihundert Fuß hoch hinaufsenden, gehören nicht zu den Seltenheiten. Die genaue Messung eines umgefallenen Baumes ergab folgende Ziffern: An der Basis sechs Fuß im Durchmesser; zweihundertachtzehn Fuß in der Länge, wo der angekohlte Stumpfen noch achtzehn Zoll im Durchmesser hielt. Das Holz ist härter, zäher und schwerer zu bearbeiten, als das der meisten anderen Tannen, und eignet sich vorzüglich zu Balken und Brettern. Sehr deutlich zeichnen sich die Jahresringe aus. Der verhältnißmäßig breite Zwischenraum zwischen denselben zeugt von ungewöhnlich schnellem Wachsthum.“

So weit Dr. Newberry. Es ist bedauerlich, daß er keine Gelegenheit fand, die Jahresringe eines dieser Riesenbäume zu zählen. Ob die von dem Stillen Ocean landwärts wehenden feuchten Winde eine Bedingung für das üppige Gedeihen der Douglas-Tanne ausmachen, ist eine Frage, die in absehbarer Frist entschieden werden dürfte. Genügt ihr die über Deutschland lagernde Atmosphäre – gegen Kälte ist sie ja abgehärtet – so wird sie nicht nur eine Zierde unserer Wälder, sondern auch einen viel versprechenden Zuwachs zu unserer Forstcultur bilden.

Und noch einmal das Bild der Douglas-Tanne. Indem ich mich in die Erinnerung der Tage eines vielbewegten Wanderlebens versenke, im Geiste die wild zerklüfteten Küstengebirge Californiens durchstreife, ersteht er vor mir, dieser edle Baum. Ich sehe ihn, wie er schlank, gleichsam trotzig, dem Himmel zustrebt. Ich sehe ihn mit seinem prächtigen Nadelschmucke und den graziös geschwungenen Zweigen. Durch seinen Wipfel haucht der feuchte Seewind, und in vieltausendstimmigem Chor singt und flüstert es zwischen dem harzig duftenden Immergrün. Es klingt wie Erzählen von entschwundenen Generationen, wie das bedachtsame Aneinanderreihen von Jahrhunderten, Jahrtausenden.

Balduin Möllhausen.