Eine Invalidenunterstützung in der Natur

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: B.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Eine Invalidenunterstützung in der Natur
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 64
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[64]

Eine merkwürdige Naturerscheinung.
Linde mit Adventivwurzeln im Dresdner Großen Garten.

Eine Invalidenunterstützung in der Natur. (Mit Abbildung.) Ein winterlicher Nordweststurm des vorigen Jahres hat den Dresdener „Großen Garten“ durchbraust und zahlreiche Opfer unter den Bäumen des Parkes gefordert. Auch die fast 250jährige Linde, welche unser Bild zeigt, ist dem Orkan erlegen. Lange hat sie sich, obgleich hohl und morsch im Stamm, gegen das Absterben gewehrt und es verstanden, in geheimnißvoller, merkwürdiger Weise ihr Leben zu verlängern; der Sturm legte das Innere des Baumes bloß und offenbarte, wie es kam, daß trotz der inneren Zerstörungen die Aeste im Frühjahr stets neu grünten und duftende Blüthen brachten.

Die Kernfäule hatte den Stamm bis auf eine außerordentlich dünne Rindenschicht verzehrt, die wuchtige Krone bog sich auseinander und an der Gablungsstelle des Stamms entstanden Zerklüftungen; die Wunden bedeckten sich mit sogenannten Callus-Bildungen, wie man sie auch an der Schnittfläche von Stecklingen, bei Veredlungen u. s. w. beobachten kann. Solche Bildungen neigen sehr zur Entwicklung von „Adventivwurzeln“, und dieser Umstand kam auch der Linde zu statten. Die Aeste der Krone entsandten Wurzeln in den vom verrotteten Holzkörper gebildeten und durch eindringendes Schnee- und Regenwasser angefeuchteten Nährboden und machten sich so in Bezug auf ihre Ernährung von den eigentlichen Wurzeln und dem Stamme gewissermaßen unabhängig. Immer tiefer in die Holzerde eindringend, gelangten die neuen Gebilde bis auf den Boden und durch die fauligen Wurzeln in das Erdreich, aus welchem sie als Stellvertreter der letzteren die Baumkrone mit Nahrung versorgten, als das fast gänzlich abgestorbene Zellgewebe in der Weichbastschicht des Stammes seinen Dienst nicht mehr zu erfüllen vermochte. B.