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Eine Schwindel-Industrie

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Textdaten
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Autor: v. G.
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Titel: Eine Schwindel-Industrie
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 604–606
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1872
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[604]
Eine Schwindel-Industrie.


Vor einigen Monaten wurde mir in einer Familie, mit der ich schon seit Jahren eng befreundet bin, ein älterer, vielleicht fünfzig Jahre zählender Herr vorgestellt, der, angeblich ein Amerikaner von Geburt, seit einigen Wochen erst in der Schweiz lebte und sich auf drei oder vier Monate zu seiner Erholung aufzuhalten gedachte. Man hatte die Bekanntschaft dieses der Familie wie mir früher gänzlich unbekannten Gastes bei einer kleinen Vergnügungsreise gemacht, wo er sich der Gesellschaft anfänglich gesprächsweise genähert und schließlich die Bitte geäußert, Theilnehmer an der Partie sein zu dürfen. In einer Gegend, die im Sommer von Reisenden förmlich überfluthet ist, hat ein solcher Wunsch nichts Außergewöhnliches an sich, und man war hier um so bereitwilliger darauf eingegangen, da der Fremde nach seiner Aussage völlig unbekannt mit Land und Leuten war und sich in seinem ganzen Benehmen als ein Mann von Bildung gezeigt hatte. Während der Reise hatte ihn die Familie außerdem noch als sehr unterhaltend und erfahren kennen gelernt und schließlich eben eingeladen, sie doch recht bald einmal mit seinem Besuche zu erfreuen. Da er nun in der gleichen Stadt wohnte und wegen Mangel an Freunden oder Bekannten jedenfalls sehr an Langeweile litt, machte er schon am nächsten Tage seine Aufwartung, bei welcher Gelegenheit auch ich denn, wie oben erwähnt, ihn sah.

Seiner Kleidung, wie überhaupt seinem ganzen Aeußeren nach, hätte man den Fremden für einen in sehr bescheidenen Verhältnissen lebenden Mann halten können, und doch mußte dem nicht so sein. Er logirte nicht allein in dem größten Gasthause der Stadt, sondern besuchte auch ausnahmsweise nur die feineren Vergnügungslocale, miethete sich fast täglich ein Reitpferd und rauchte Cigarren, wie sie wohl nur in den größeren Tabaksläden zu hohen Preisen zu haben sind. In seinem Auftreten war er die Artigkeit und Zuvorkommenheit selbst (Tugenden, die bei dem echten Amerikaner selten zu treffen sind!) und verstand es auch, durch die Entfaltung seiner großen Unterhaltungsgabe sich so recht zum Mittelpunkt einer Gesellschaft zu machen und dadurch das zehnfach wieder zu ersetzen, was ihm an Eleganz der Erscheinung und sonstigen äußeren Reizen abging. Als schön hatte er wohl niemals gegolten und war es jetzt erst recht nicht. Der ziemlich große, fast kugelrunde und sehr spärlich mit röthlich-blondem Haare besetzte Kopf, das aufgedunsene, pfäffisch kahle Gesicht, in welchem die Augenbrauen sich nur mit Mühe erkennen ließen und um das sich ein sogenannter Schusterbart von einem Ohre hinab, unter dem Kinn fort, bis zum anderen Ohre hinauf zog, hätten wohl schwerlich eine Sympathie für ihn erweckt, wenn nicht jene anderen Vorzüge vermittelnd hinzugekommen wären.

Da ich ihn bei meinen zeitweiligen Besuchen wiederholt antraf, bot sich auch mir Gelegenheit ihn näher kennen zu lernen und nach und nach einige Einblicke in sein Wesen und seine Verhältnisse zu thun. Er war gesprächig, erzählte vorzugsweise sehr gern von den Zuständen in seiner Heimath, und Alles, was man von ihm hörte, trug offenbar den Stempel der Glaubwürdigkeit und Wahrheit. Er übertrieb und prahlte nie und vermied es namentlich, über sich selbst und seine Verhältnisse genauere Andeutungen zu geben. Diese Verschwiegenheit wurde mir nach und nach doch etwas auffällig und ich versuchte wiederholt absichtlich das Gespräch auf das Geschäft, das er in Amerika trieb, hinzulenken. Er wich mir aus, und als ich gelegentlich meine Nachfrage ziemlich direct stellte, erklärte er wie beiläufig, daß er Fabrikant sei, mehrere Glasfabriken, Drechsler und Buchbinder beschäftige. In was das Fabrikat eigentlich bestand, zu dem diese drei Geschäfte nöthig wären, verrieth er nicht. Wie begreiflich, reizte mich diese Zurückhaltung immer mehr und ich beschloß nicht eher zu ruhen, bis ich der Sache auf den Grund sei. Bei einer weiteren Unterredung brachte ich so viel heraus, daß ich erfuhr, der Artikel, den er verkaufe, gehe eben nur in Amerika gut; trotzdem er wisse, daß in Europa wohl kein Concurrent sei, habe er doch nie den Versuch gemacht, seine Waare über’s Meer zu schicken – übrigens sei auch der Absatz drüben so stark, daß er schon auf überseeische Geschäftsverbindungen verzichten könne etc.

Ich war mit diesen Erklärungen in meinem Wissen nicht viel weiter gekommen und nahm mir jetzt vor, mich ihm näher anzuschließen; lud ihn deshalb häufig zu Spaziergängen ein und wurde bei diesen so vertraut mit ihm, daß ich einmal ziemlich offen mit der Bitte herausrückte, er möge mir doch endlich offen gestehen, was das für Fabrikate seien, die er verkaufe – ein Geheimniß könne ja doch nicht dabei sein und sicher werde er auch von mir, als Gelehrten, nicht erwarten, daß ich nach Amerika käme, um ihm Concurrenz zu machen. Er lächelte anfangs und erklärte dann nach einigem Zögern, daß er Maschinen fertigen lasse, sprach dann in sehr dunkler Weise von Gesellschaften, die dieselben zu Hunderten bestellten etc. – Seltsam! Maschinen, wozu blos Glaser, Drechsler und Buchbinder nöthig, die zu Hunderten bestellt werden und nur in Amerika zu verkaufen sind? Ich forschte weiter, bekam aber nichts weiter aus dem Geheimnißvollen heraus und mußte, wenn ich auch um so neugieriger geworden war, endlich meine Nachfragen einstellen, erhielt dagegen aber die Einladung, ihn doch einmal in seinem Hôtel zu besuchen.

Selbstverständlich ließ ich mich nicht zweimal bitten, sondern fand mich, und zwar schon am nächsten Tage, bei ihm ein, da ich zuversichtlich endlich eine befriedigende Erklärung hoffte. Er empfing mich äußerst freundlich und hieß mich ihm gegenüber an einem Tische Platz nehmen, bestellte Wein und knüpfte gleich darauf ein Gespräch über politische Dinge an, das mich, der ich immer nur das Eine im Auge hatte, eigentlich wenig interessirte. Bei einem Blick auf den Tisch, der ziemlich dicht mit englischen und amerikanischen Journalen belegt war, sah ich, daß die meisten Blätter Exemplare des „Religio-Philosophical Journal“ waren, das auf dem Titelblatt auf einer Erdkugel die Worte trägt: „Devoted to Spiritual Philosophy“. Bekanntlich ist dieses Blatt das Centralorgan der Spiritualisten (Geisterseher) im Staate Ohio und erscheint zu Chicago. Unter und neben diesen lagen dann noch mehrere die Interessen der gleichen Schwindlergesellschaft in anderen Staaten vertretende Blätter, wie das „Banner des Lichts“, das in Boston erscheint, und verschiedene Broschüren, deren Inhalt nach dem Titel das gleiche Thema bearbeiten mußte. Da der Amerikaner merkte, daß sich meine Aufmerksamkeit den Blättern zuwandte, brachte er sofort das Gespräch auf dieselben und verfiel nach und nach in eine wahre Lobeshymne auf die Spiritualisten, als deren Anhänger oder Mitglied er sich hierbei ganz unumwunden bekannte. Die Unterhaltung ging weiter und hierbei stießen wir in unseren Ansichten ziemlich hart aufeinander, denn nach seiner Ansicht war unter der Sonne nichts unmöglich – was mit Menschenhänden nicht zu erreichen war, konnte erreicht werden, indem man eben die Geister zu Hülfe rief oder doch wenigstens ihren Rath einholte.

„Glauben Sie denn,“ rief er mir unter Anderem zu, „daß die vielen Tausende, die sich in Amerika zu unserem Glauben und unseren Ansichten bekennen, so treu an der Sache bis heutigen Tages festgehalten haben würden, wenn das Ganze nicht eine wirkliche Grundlage hätte? Fast in jeder nur einigermaßen großen Stadt der verschiedenen Staaten werden Sie Gesellschaften finden, die allwöchentlich einige Abende zusammenkommen, und sich ihre neuen Erlebnisse und Entdeckungen über den Verkehr mit Geistern mitzutheilen und zu ergänzen. Sie werden demnach auch nicht an die Schreibmaschine glauben, und dennoch kann ich Ihnen selbst ganz erstaunliche Proben dieses geheimen Instrumentes vorlegen.“

Ich rückte mit allen nur möglichen Vernunftgründen in’s Feld, aber der Mann war nicht von seinem Irrthum abzubringen, und als ich schließlich den Wunsch äußerte, doch einmal eine solche Schreibmaschine zu sehen und zu untersuchen, rief er:

„Diesen Wunsch will ich Ihnen sogleich erfüllen, ich habe eine bei mir. Freilich werden Sie nichts daran entdecken, was einem Geheimniß ähnlich sieht,“ fügte er dann hinzu. „aber die Maschine selbst ist auch Nebensache; sie ist nur das irdische Werkzeug, das der Geist nöthig hat, um seine Enthüllungen auf eine für den Menschen verständliche Art klar zu machen. – Hier ist eine –“ damit stellte er das Ding vor mich hin auf den Tisch.

Als ich das Ding in die Hand nahm und mir näher betrachtete, konnte ich mich kaum eines Lächelns erwehren, denn wie unwillkürlich mußte ich an die Maschine denken, die der gute Mann seiner Angabe nach mit Hülfe des Glasfabrikanten, [605] Drechslers und Buchbinders herstellen ließ, und lasse zum bessern Verständniß hier eine kurze Beschreibung des ganzen Apparates folgen. Das Ganze besteht aus einer flachen, schildförmigen, aus halbstarkem Pappdeckel gefertigten Platte (Figur 1), die auf beiden Seiten mit gewöhnlichem farbigen Glanzpapier überzogen ist. Von c nach d mißt die Platte ungefähr zehn Zoll, von a nach b vielleicht sechs Zoll. Da die Geister jedenfalls auch Verzierungen lieben, so ist der Rand auf der Oberseite mit einer schmalen Borde von gepreßtem Goldpapier überklebt. An den drei Ecken a b c befinden sich die Löcher, in welche die zwei Zoll hohen Füße, auf welchen die Platte wagerecht ruht, eingesetzt werden. Bei a und b ist der Fuß, der einfach aus Holz gedrechselt ist, ungefähr wie Figur 2 zeigt, beschaffen. Unten ist im Innern des Fußes eine runde Höhlung, in welcher eine einfache Glaskugel zur größeren Hälfte steckt, die sich frei darin herumbewegen kann. Da das Einsetzen der Kugel so nicht gut möglich wäre, wird der Fuß in zwei gleiche Hälften zersägt, und nachdem die unten hervorsehende Kugel eingelegt worden, wieder

Amerikanische Schreibmaschine für Geisterseher.

zusammengeleimt. Figur 3 zeigt den Durchschnitt ohne Kugel. In das Loch bei c wird der dritte Fuß eingesetzt, der unten an der Spitze mit einem Bleistift versehen ist. Die Platte steht also ganz einfach in den drei in ihr vermittelst einfacher Kupferschrauben befestigten Füßen und läßt sich, wenn man die Hand mit den Fingerspitzen nach c gerichtet auflegt, durch die sich in den zwei Löchern leicht und frei bewegenden Kugeln nach allen Richtungen bequem hin- und herschieben.

Eine andere Vorrichtung oder geheime Arbeit ist an dem ganzen Apparat nicht. Wenn der Schwindel losgehen, das heißt der beorderte Geist schreiben soll, so wird das Ding nun auf folgende Weise in Bewegung gesetzt. Der, welcher vom Geiste etwas wissen will, legt einfach seine flache Hand auf die Pappplatte und hält dieselbe dort eine Viertel- oder halbe Stunde still. Durch die Abspannung der Nerven kommt die Hand nun selbstverständlich nach und nach in’s Zittern und der Apparat rutscht auf dem unter ihm liegenden Stück Papier hin und her, wobei die wunderlichsten Krikelkrakel zu Tage kommen, die dann gedeutet werden. Wenn der Schwindel speculativ getrieben werden soll, zu welchem Zwecke ohne Zweifel auch die Maschine erfunden wurde, kann der die Hand Auflegende natürlich das Ding schon bequem so dirigiren, daß auch Zeichen, die der wirklichen Schrift nahe kommen, erscheinen.

Mein lehrbegieriger Amerikaner legte mir eine ganze Mappe voll solcher Geisterschriften vor. Als ich sie durchsah, fiel mir ein Blatt auf, welches nachstehende Verse und die Unterschrift „Byron“ trug:

„O tell me na o’ wind and rain;
Upbraid na me wi’ cauld disdain;
Gae back the gate ye cam again,
I winna let you in, jo.“

Ich mußte unwillkürlich auflachen und bemerkte dem guten Manne, daß diese Verse ja gar nicht von Byron seien, sondern den Anfang eines Gedichtes von Robert Burns bildeten, das, wenn ich mich recht erinnerte, die Ueberschrift „Her Answer“ trüge. Er bestritt Dieses ganz energisch und schien weit eher anzunehmen, daß sich der große Britte Byron mit fremden Federn habe schmücken wollen, als daß der ganze Geisterkram Larifari sei. Auf einem andern Blatte, „Franklin“ unterzeichnet, stand folgender deutsche Kernspruch: „Der rechte Mann kann Eichen biegen“. Ob der Geist des großen Staatsmannes hierbei vielleicht an seine Landsleute, die Spiritualisten, gedacht haben mag? – Schwerlich.

Nach der Versicherung des Geisterschriftenbesitzers schreiben die beschworenen Seelen der Abgestorbenen nicht blos, wenn ihnen gewisse Fragen vorgelegt werden, sondern auch wenn sie einmal gerade Lust bekommen, ihr poetisches oder philosophisches Talent sprudeln zu lassen, und zeigen ihr Verlangen dann durch Klopfen an, worauf natürlich sofort die Schreibmaschine herbeigeholt werden muß; auch lieben sie es nicht, daß ihnen, wenn sie schreiben sollen, barsch befohlen wird. Hier wie überall heißt es jetzt „immer nur höflich“, denn

„Die Cultur, die alle Welt beleckt,
Hat auch auf Geister sich erstreckt.“

Nachdem ich die Raritäten mir alle durchgesehen, nahm ich die Schreibmaschine noch einmal in die Hand und sagte zu ihrem Besitzer: „Nun, jetzt weiß ich doch auch endlich, welcher Art die Maschinen sind, die Sie in Ihrem Etablissement in Amerika verfertigen lassen. Gestehen Sie es offen, daß es solche sind. Die Glaskugeln liefert der Glasfabrikant, die Füße der Drechsler und die Platte natürlich der Buchbinder.“

Er lächelte und sagte nach einiger Zeit: „Da Sie es doch getroffen haben, so will ich es nur zugestehen, denn das thut der Richtigkeit meiner Behauptung über die Geisterschrift ja keinen Abbruch. Ich kann Sie dabei auch versichern, daß ich durch die Maschinen mein Glück gemacht habe. Ein anderes Mal will ich Ihnen das erzählen.“

Bei einer nächsten Zusammenkunft erinnerte ich ihn an sein Versprechen und erfuhr nun Folgendes: Der Mann war kein Amerikaner von Geburt, sondern ein Mecklenburger und seines Handwerkes eigentlich Schneider. Da er jedenfalls geglaubt, daß in Amerika die gebratenen Tauben nur auf ihn warteten, um sich fangen zu lassen, war er ausgewandert, hatte aber wohl bald eingesehen, daß, wenn man keine rechte Lust zum Arbeiten hat, es sich dort wie hier gleich schwer mit der Nadel gegen den Mangel ankämpfen läßt. Er versicherte mich nämlich, er habe nicht vorwärts kommen können und deshalb bald alle Freude an seinem Schneiderhandwerke verloren. Längere Zeit hierauf hatte er dann alle möglichen Geschäfte getrieben, es aber auch zu nichts gebracht.

Während dieser Zeit war nun die Geisterklopferei durch die Schwestern Fox zu Hydesville im Staate New-York das Tagesgespräch geworden, und wie bei jedem neuerfundenen Schwindel gleich eine Menge speculativer Köpfe aufstehen, um die Sache nach dieser oder jener Seite auszubeuten, so war es auch hier der Fall gewesen. Neben vielen anderen albernen Dingen war auch die Schreibmaschine erdacht worden. Der ehemalige Schneider war durch einen Spiritualisten (wenn ich nicht irre, hieß dieser Mann Dr. Ackley) mit dem Treiben der Geisterbeschwörer bekannt geworden, hatte Lust, Liebe und Glauben an dem Dinge gefunden und sich, wie selbstverständlich, einen solchen Apparat angeschafft. Bei genauer Besichtigung der Maschine hatte er da entdeckt, daß dieselbe sich sehr billig herstellen lasse, und da dergleichen gesucht und theuer gekauft wurde, war ihm sofort der Gedanke gekommen, Schreibmaschinenfabrikant zu werden. Das Geschäft war eingeschlagen und die Dinge gingen zu Hunderten ab, so daß der gute Mann schließlich gar nicht genug liefern konnte und sich genöthigt sah, mehrere Drechsler und Buchbinder ausschließlich allein für seine Zwecke zu beschäftigen. Die Zusammensetzung hatte er selbst besorgt; da indessen seine Kraft bei dem außerordentlich großen Absatze nicht mehr zugereicht, hatte er Arbeiter annehmen müssen und die Sache fabrikmäßig betrieben, wie er sie eben heute noch betreibt. Bedenkt man, daß die Herstellungskosten einer solchen Schreibmaschine, wenn das Ding nämlich im Großen betrieben wird, höchstens einige Groschen betragen und daß in der ersten Zeit, wo der Absatz rasend war, das Stück zu einem Dollar verkauft wurde, so läßt sich leicht ermessen, welch eine Einnahme der Mann durch Aufnahme dieser Schwindel-Industrie gehabt haben muß.

Genug, der ehemalige Schneider ist eben jetzt ein reicher Mann und betreibt sein Geschäft noch, denn trotz allen Predigens und aller Aufklärungsversuche blüht die Dummheit unter den Spiritualisten im Geheimen fort und zählt namentlich im Staate Ohio, wo der Schneider sein Californien entdeckte und noch heute [606] seine zweite Heimath hat, Anhänger in Hülle und Fülle. Aber auch die übrigen Staaten bleiben nicht zurück, wie dieses namentlich die Organe der Spiritualisten und die zahllosen Broschüren und Werke, in welchen der Blödsinn dieser Tausendkünstler plausibel gemacht wird, beweisen. Das Broschürenschreiben, wobei bald Dieser, bald Jener seine Erlebnisse und Conferenzen mit den Geistern mittheilt, scheint dort zu einer wahren Seuche geworden zu sein, und wenn man diese Schreibereien, von denen mir mehrere vorliegen, die ich als Geschenk von dem Herrn Fabrikanten erhalten, durchliest, könnte man leicht auf die Meinung geführt werden, daß das liebe Amerika einen ungeheuren Mangel an Irrenhäusern haben müsse, da man so viele hirnverrückte Sauertöpfe frei herumlaufen läßt. So werden in einer von einem gewissen Samuel H. Paist in Philadelphia herausgegebenen siebenundvierzig Seiten starken Broschüre Geschichten über den Geisterverkehr aufgetischt, bei welchen man nicht weiß, ob man die Bornirtheit oder die Frechheit, mit welcher sie als pure Wahrheit und Selbsterlebtes vorerzählt werden, mehr bewundern soll. Unser Erstaunen muß sich noch steigern, wenn wir vernehmen, daß die Mitglieder dieser Geisterklopfer- und Geisterschreibergesellschaften zum größern Theile aus Leuten bestehen, bei denen man etwas Bildung und Scharfsinn voraussetzen könnte. Wir finden da Doctoren und Professoren der Medicin, Geologen, Geistliche, Mathematiker, Schriftsteller und ähnliche Gelehrte vertreten, so daß es fast scheint, als habe das Sprüchwort „Je gelehrter, je verkehrter“ seine eigentliche Heimath in Amerika.

Wie weit übrigens die Dummheit geht, mag schon daraus erhellen daß z. B. der Schreibmaschinenfabrikant, trotzdem er ja die Apparate fertigt, fest und treu an den wirklichen Verkehr mit den Geistern glaubt und sich durch nichts auch nur ein Haar breit von seinem Glauben abbringen läßt. Freilich giebt er zu, daß die Maschine an sich nichts Uebernatürliches habe, sondern nur das Werkzeug sei, womit sich eben der Geist dem Menschen begreiflich machen könne, und muß dieses sogar thun, denn es wäre doch wahrlich etwas zu viel zugemuthet, wenn man von den Leuten verlangen würde, zu glauben, daß dieser ehemalige Schneidergeselle durch irgend ein überirdisches Vermögen seinen Fabrikaten ein Selbstbewußtsein einpflanze. Aber nehme man die Sache so gelind, wie man wolle, so ist dieselbe doch immer mehr oder weniger ein Betrug, und es ist geradezu unbegreiflich, wie in der letzten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts dergleichen noch möglich sein kann. Wie mir der Fabrikant ganz offen selbst mittheilte, hatte er anfänglich die ganze Geisterbannerei auch nicht so recht glauben können. Die Gesellschaft indessen, in welche er durch seinen Lehrer Dr. Ackley eingeführt wurde, hatte ihm eines Abends den Glauben beigebracht, der von dieser Zeit an dann fest saß. Er erzählte nämlich, eines Abends habe man erklärt, daß Tische und Stühle, ohne daß sie ein Mensch berühre, herumspazieren könnten, sobald nämlich der dazu gehörige Geist gefunden und Diejenigen beisammen wären, die an ihn glaubten. Er habe zu diesen Erklärungen die Achsel gezuckt und scherzweise geäußert, ein wahrer Geist werde doch wahrlich nicht in Tische und Stühle fahren – und siehe da, kaum eine Minute später habe ein Tisch gerückt und sei dann wirklich in der Stube herum- und auf ihn zugegangen; er habe sich dann in eine Ecke gedrückt und der Tisch sich schließlich fest vor ihn hin gestellt. Nach einiger Zeit sei derselbe dann wieder in Bewegung gekommen und an seinen alten Platz hin spaziert. Seit jener Zeit vermöge ihm nun kein Mensch den Glauben an ein Hereinragen überirdischer Mächte streitig zu machen, was seine Augen gesehen, glaube sein Herz, etc. Uebrigens habe er auch später einige Male sich den Tisch genauer betrachtet und nichts davon wahrgenommen, was etwa auf Taschenspielerei oder Täuschung hindeuten könne. – In was der Hokuspokus eigentlich bestand, den man dem Fabrikanten vorgezeigt, wollen wir nicht untersuchen, ebensowenig, ob die Gesellschaft, die ihn überführte (?), aus überspannten Selbstbetrügern oder Betrogenen zusammengesetzt war.

Um nun auf meinen Amerikaner zurückzukommen, so habe ich schließlich nur mitzutheilen, daß, wie ich schon erwähnte, sein Geschäft noch blüht. Der Mann beschäftigt eine große Anzahl Menschen mit der Zusammensetzung der famosen Maschinen, und obgleich dieselben im Verlaufe der Zeit im Preise gefallen sind, macht er doch immer noch eine gute Einnahme damit. Die Dummen werden nicht alle!

v. G.