Eine helle Perle im dunkeln Kranz

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Textdaten
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Autor: Fr. Hfm.
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Titel: „Eine helle Perle im dunkeln Kranz“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 423–425
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[423]

Schwarzburg.
Nach der Natur aufgenommen von H. Heubner.

[424] „Eine helle Perle im dunkeln Kranz.“ (Mit Abbildung, S. 423) So haben wir vor zwei Jahren auf der Wanderung, auf welcher wir damals[1] unsere Leser mit Bild und Wort durch das Schwarzathal führten, die Burg genannt, die auf der Felsenfaust unter dem Trippstein (auf welchen wir unsere Leser heute stellen) emporleuchtet, vom glänzenden Silberring der Schwarza umschlungen.

Bis jetzt war die Schwarzburg eine, wenn auch noch so helle, dennoch vor der Hochfluth des Verkehrsstroms versteckte Perle; denn wenn es in der Touristenzeit auch nicht an Luftschnappern fehlte, welche, vom Rufe des Schwarzathals angezogen, durch die Wald- und Felsenthäler von Nord und Süd daherschwärmten, so waren es immer nur Post- und Privatwagen, welche neben der leider zu sehr aus der Mode gekommenen Fußwanderung die Beförderung hierher zu besorgen hatten. Wie viele Postwagen mit Passagieren muß Schwager Postillon auffahren, um mit diesen einen einzigen Eisenbahnwaggon zu füllen! Und welche Arche Noäh öffnet sich, wenn sich ein ganzer Eisenbahnzug entleert! Und solcher Entleerungen drohen in nächster Zeit drei das Schwarzathal und die Schwarzburg mit ihren Menschenströmen zu überschwemmen. Schon zieht das Dampfroß die Wagenreihen mit Thüringerwaldlustigen von Nordost über Gera, vom Norden die Saalbahn daher, und bald wird auch vom Süden her aus den Weingauen Frankens der Schienenstrang das Gebirg durchdringen und das nahe Saalfeld der Knotenpunkt dieser dreifachen Verkehrsverbindung sein; eine vierte von Westen nach Südosten, von Erfurt über Saalfeld nach Hof, wird nicht lange auf sich warten lassen.

Wie sehr wir auch als Menschen dieser vorwärtsstrebenden Zeit uns darüber zu freuen haben, daß durch den Donner solcher Dampfzüge der alte Industriegeist des Gebirgs da, wo er von erdrückender Concurrenz niedergebeugt oder unter harter Kriegs- und anderer Noth ganz versunken war, neu gestärkt oder wieder erweckt werde, so beschleicht uns doch ein leises Bangen um den schönen stillen Waldesfrieden, in welchem der von der Geschäftshatz Abgehärmte hier einst athmen und sich erquicken und stärken konnte. Diese „schönen Tage“ von Schwarzburg werden nun wohl dahin sein.

Zum Glück ist das Gebirg so reich an Wegen und Pfaden, denen der Bequemlichkeitssinn der großen Menge nur fahrender Gäste ausweicht, daß wir von ihnen unbehelligt immer noch bis zur Anblicksstätte unseres Bildes gelangen können, am schönsten von Rudolstadt aus. Man geht über Schaala, Eichfeld und Keilhau (wegen der von Fr. Fröbel hier gegründeten waldfrischen Erziehungsanstalt an sich ja besuchenswerth) auf den Steiger mit seiner prächtigen Aussicht; von da gelangt man in einem Stündchen über Watzdorf hinauf nach Kordegang und von da nach dreiviertelstündiger Lustwandelung durch den fürstlichen Thiergarten zu dem Borkenhäuschen des Trippsteins. Und wer da zum ersten Male durch das Fenster auf unser Bild hinabschaut, ruft sicherlich aus: „Ach, wie ist der Wald so schön!“

Der Wanderer, welcher den eben bezeichneten Fußweg überstanden, hat es verdient, daß er erfahre, wo man einen Guten schenkt. So geleiten wir ihn denn den Zickzackweg hinab zur Landstraße, die zum Schloß führt. Da stehen, wenige Minuten vor demselben, zwei Gasthöfe sich gegenüber, deren Besitzer beide den Namen Hübner tragen. Der Thüringer Volkswitz weiß sie dennoch zu unterscheiden: er heißt den Einen „Hübner“ und den Andern „Drübner“. Gut wohnen und weilen ist bei Beiden. Und hat der Mensch sich gelabt und so weit gestärkt, daß er der Wißbegierde wieder ein Opfer bringen kann, so rathen wir ihm durchaus nicht von einem Besuche des Schlosses ab, wenn wir ihm auch nicht etwas ganz [425] Absonderliches von Sehenswürdigkeiten versprechen können. Für den auf culturgeschichtliche Gegenstände aufmerksamen Reisenden enthält wohl jede alte Sammlung etwas Beachtenswerthes, und für einen solchen ist auch der Gang in die Schwarzburg kein vergeblicher. Mit drei Fünfgroschenstücken zu Trinkgeldern ausgerüstet, begeben wir uns an das Thor, wo der wachthaltende Invalide das erste empfängt und uns dem Büchsenmacher überantwortet, der uns die Rüstkammer zeigt. Hier wende der Gast sich besonders der Sammlung alter Sättel und Pferdegeschirre aus verschiedenen Jahrhunderten zu, welche culturgeschichtlichen Werth hat, und ebenso zeigt die Sammlung älterer Feuergewehre, guterhaltene und werthvolle Exemplare. Haben wir uns hier des zweiten Fünfgroschenstücks entledigt, so lassen wir für das dritte uns von der Beschließerin in das Innere des Schlosses führen. Der Jagdfreund findet hier als Schmuck der Galerien eine ausgezeichnete Sammlung von zum Theil sehr starken Hirschgeweihen; der Pferdeliebhaber kann zweihundertsechsundvierzig Pferdebilder bewundern, die sämmtlich von einem schwarzburgischen Fürsten, Ludwig Günther, in Oel gemalt sind; den Curiositätenfreund wird im Speisesaale u. A. ein gar seltsamer Mutherprober überraschen, der „Schwarzburger Willkomm“, ein stattlicher Pokal, dessen Leerung schon einen erprobten Trinker erforderte; aber ehe er den Pokal bis zur Neige hob, rollte im Boden desselben eine Kugel auf eine Zündmasse, die einen Schuß löste, und nur wer da nicht erschrak, sondern ruhig bis zur Nagelprobe austrank, war ein ganzer Mann. Im Kaisersaale sind jetzt, statt der alten schlechten, gute neue Kaiserbildnisse (vom Hofmaler Oppenheim) aufgestellt, und in der mit Thüringer Marmor und Alabaster ausgeschmückten Schloßkirche bewahrt man einen Gypsabguß des Grabdenkmals, welches dem Kaiser Günther von Schwarzburg († 1349) im Dom zu Frankfurt am Main errichtet ist.

Der Kaisersaal mit seiner viereckigen Kuppel ist ein Ueberrest der alten Burg aus dem zwölften Jahrhundert, und auch das Aeußere des Baues läßt errathen, welch ritterlichen Wohnsitz die großen Feuersbrünste, Ende des siebenzehnten und Anfang des achtzehnten Jahrhunderts, zerstörten. Das jetzige Schloß ist 1744 fertig geworden, aber wie! Als ein Denkmal der traurigsten Zeit Deutschlands auf noch vielen Gebieten menschlicher Thätigkeit, und insbesondere der Baukunst. Der Kasernenstil hat hier einen allzugroßen Triumph gefeiert, und die Späteren haben leider Nichts gethan, um durch veredelnde Nachhülfe dem Auge die trostlose Einförmigkeit der langen Wand- und Dachflächen ein wenig erträglicher zu machen. Nur zum Leuchten im dunklen Kranze sind die hellen Mauern gut; dies und der Kranz selbst schützen unsere Freude an der Schwarzburg vor jeder dauernden Störung. Ein Blick vom Schloßgarten oder der Balustrade oder aus den Fenstern des Salons im „Hirsch“ hinab in’s Thal, dessen Wiesengründchen am Morgen und Abend das äßende Wild belebt, läßt alle Bauten und Unbauten vergessen, und die köstliche Lust des Waldes bleibt völlig über uns Herr.

Oestlich am Fuße des Schloßfelsens durchrauscht die Schwarza das Dorf Schwarzburg, in welchem die „Thalleute“ wohnen und die „Männer von Schwarzburg“ in dem ehemaligen Eisenhammer schwarze Erdfarbe aus Döschnitzer Alaunschiefer bereiten. Westlich vom Schlosse erhebt der Quittelsberg sein über 2200 Fuß hohes Haupt und eröffnet auf seinem Gipfel, der Keilsburg, einen Rundblick voller Waldpracht, der von Neuhaus am Rennsteig bis zum Steiger bei Erfurt reicht und hoch über die leuchtende Schwarzburg hin bis zu der Burg, die durch ihren Namen leuchtet, zur Leuchtenburg.

Wird wirklich, wie unheimlich verlautet, die Eisenbahn von Westen her bis zur Schwarzburg vordringen und auch das Schwarzathal durchbrechen? Was ist der Industrie-Speculation heute unmöglich? Geschieht’s aber, so haben wir vor unseren Nachkommen, die wir sonst so gern beneiden, wenigstens Das voraus gehabt, daß wir Burg und Thal gesehen, als sie noch undurchräuchert und undurchschrillt waren vom Dampf und Pfiff der Eisenkönigin Locomotive.

Fr. Hfm.