Ergänzungsacte der alten Frankfurter Stadtverfassung, angenommen am 18. Jul. 1816

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Autor: Kommission der XIII
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Titel: Ergänzungsacte der alten Frankfurter Stadtverfassung, angenommen am 18. Jul. 1816
Untertitel:
aus: Die Constitutionen der europäischen Staaten seit den letzten 25 Jahren, Band 2, S. 385–430
Herausgeber: Karl Heinrich Ludwig Pölitz
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Entstehungsdatum: 1816
Erscheinungsdatum: 1817
Verlag: F. A. Brockhaus
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Erscheinungsort: Leipzig und Altenburg
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[385]
b) Ergänzungsacte der alten Frankfurter Stadtverfassung, angenommen am 18. Jul. 1816.
Artikel 1.

Wiedereinführung der alten Stadtverfassung, mit einigen durch den Artikel 46. der Wiener Congreßacte nöthig gewordenen und von dem Zeitgeiste gebotene Veränderungen und Zusätzen.

Die ehemahlige reichsstädtische Verfassung der hiesigen Stadt, wie solche vor der Besitznahme des Fürsten Primas, auf Privilegien, Verträge, insbesondere den Bürgervertrag, kaiserliche Resolutionen, reichsgerichtliche Entscheidungen, Verordnungen und Herkommen gegründet, unter allerhöchster Autorität kaiserlicher Majestät, als damaligem Reichsoberhaupt, seit so langen Jahren bestanden hat, soll mit Beobachtung der im Wiener Congreßinstrumente Artikel 46. anzutreffenden Vorschriften und mit den dadurch nöthig gewordnen, in gegenwärtiger Ergänzungsacte enthaltenen, von den veränderten staatsrechtlichen Verhältnissen und dem Zeitgeiste gebotenen wenigen Veränderungen und Zusätzen in allen ihren Theilen wieder eingeführt werden.

Artikel 2.
Fortsetzung,

insbesondere die eidliche Verpflichtung des Senats gegen die Bürgerschaft und Letzterer gegen Erstern betreffend.

Der Bürger-, Beisassen- und Schutzeid wird den veränderten staatsrechtlichen Verhältnissen gemäß für die Zukunft:

[386]

„auf Treue und Gehorsam gegen die freie Stadt und den Senat, und genaue Beobachtung der Stadtverfassung“

normirt.

Durch die Annahme gegenwärtiger Constitutions-Ergänzungsacte von der Mehrheit der abstimmenden hiesigen christlichen Bürger, wird der, dem Senat von den hiesigen Bürgern, Beisassen und Schutzangehörigen früher geleistete, Eid, als hierauf ausgedehnt und wirklich geleistet, vorerst angesehen und angenommen. Nach erfolgtem Vollzug gegenwärtiger Constitutionsacte und Ergänzung des Senats, soll die solenne Eidesleistung sowohl des Senats dahin:

„daß er das ihm übertragene städtische Regiment nur nach Vorschrift der alten Stadtverfassung und dieser Acte führen, auch die Bürger bei ihren Rechten und Freiheiten so viel an ihm liegt, schützen und schirmen wolle,“ –

als jene der gesammten zu versammelnden Bürgerschaft in die Hände des Senats als obrigkeitlichen, die freie Stadt repräsentirenden regierenden Collegiums feierlich geschehen.

Artikel 3.

Fortsetzung,

insbesondere Abschaffung Fürstlich Primatischer Gesetze und Einrichtungen betreffend.

In Gefolge des im Artikel 1. ausgesprochenen Grundsatzes wird als abgeschafft angesehen:

1) das fürstlich primatische sogenannte hiesige Bürgerstatut,
2) die fürstlich primatische Gesindeordnung,
3) die fürstlich primatische Vormundschaftsordnung, und namentlich das französische auf einen Familienrath gegründete und daher nach teutschen Gesetzen nicht wohl anwendbare Institut der Beivormünder,
4) der unter der fürstlichen Regierung, bei dem Gericht erster Instanz eingeführt wordene weitläufige und kostspielige Insatz- und Restkaufschillings-Proceß –

[387] jedoch, daß das 14tägige und zweijährige Entschüttungsrecht abgeschafft bleibt, sammt

5) dem, von den alten Gesetzen und Gerichtsbrauche abweichenden jetzo beobachtet werdenden Verfahren bei Zwangsversteigerungen der Immobilien und öffentlichem Ausgebot der unbeweglichen Güter der Minderjährigen. Ueberhaupt[WS 1] sollen
6) von allen unter der fürstlichen und großherzoglichen Regierung, sowohl im Stadtverwaltungs- Polizei- als im Justizfache ergangenen und unter der bisherigen provisorischen städtischen Regierung entweder beibehaltenen oder aufs neue publicirten Gesetzen und Verordnungen, nur jene, welche
a) die Bestimmung des Alters der Großjährigkeit auf das vollendete 21te Lebensjahr,
b) die abgeschaffte Nothwendigkeit der Insatz-Prolongationen, bei Strafe der Erlöschung der Pfandschaft,
c) das Verbot der anmaßlichen Vindication au porteur lautender Staatspapiere,
d) die Wiederherstellung und den Fortbestand der alten, obgleich unter der fürstlichen Regierung nicht gerichtlich angezeigten, Familienfideicommisse und
e) die Verabfolgung der Acten in den Originalien bei Appellationen

betreffen, als definitive beibehalten und gültig angesehen werden; hingegen alle andere nur einstweilen, und bis zur Bestätigung abseiten des gesetzgebenden Körpers, Gesetzeskraft behalten. Der Senat hat zu dem Ende von den Archivarien ein genaues Verzeichniß über die letztern fertigen zu lassen, und solches der ersten gesetzgebenden Versammlung, um wegen Abschaffung, Bestätigung, oder Modificirung derselben das Geeignete beschließen zu können, vorzulegen.

Artikel 4.
Herstellung aller bürgerlichen Rechte, Privilegien und Freiheiten, und mehrere Bestätigung derselben.

Die hiesige Bürgerschaft ist in den vollesten Genuß aller und jeder ihrer alten Privilegien, Rechte, Freiheiten und [388] Gesetze wieder eingesetzt; und wird zu deren Schutze noch ferner bestimmt,

a. daß das im Art. 19. der teutschen Bundesacte bestimmte Recht des freien Wegziehens aus einem teutschen Bundesstaate in den andern, mit der Freiheit von Nachsteuer – worunter jedoch die Abfindung und der Beitrag zur Kriegsschuldenlast nicht begriffen ist – sobald nur der Abziehende die gleiche Beobachtung von Seiten des Bundesstaats, in welchen er abzieht, beizubringen vermag – unter keinerlei Vorwand geschmälert, auch den, um ein desfallsiges obrigkeitliches Zeugniß Nachsuchenden, damit ohne Anstand an Handen gegangen werden soll,

b. daß die Bürger hiesiger Stadt keine öffentlichen Abgaben und Lasten zu entrichten haben, welche nicht von den competenten Staatsbehörden im verfassungsmäßigen Wege bestimmt und förmlich ausgeschrieben worden sind, wo sodann gegen deren Entrichtung keinerlei Einreden noch Rechtsmittel Statt finden. Doch sollen alle außerordentliche Abgaben auf länger als drei Jahre im voraus nicht bestimmt werden,

c. daß auf eine allgemeine Vermögens-Confiscations-Strafe von den hiesigen Behörden und in deren Namen, nie, auf die besondere oder die eines Theils des Vermögens aber in Defraudationsfällen der öffentlichen Abgaben und Lasten nur dann erkannt werden darf, wenn die Gesetze solches ausdrücklich verordnen. In diesem letzteren Falle soll jedoch dem ganzen Senate die Milderung und Herabsetzung des Confiscations-Quanti aus bewegenden Ursachen und unter Berücksichtigung des größeren oder minderen Verschuldens und der dadurch betroffen werdenden Personen ex gratia allerdings freistehen – derselbe auch hierunter an die Einwilligung des ständigen Bürgerausschusses nicht gebunden seyn.

Die Preßfreiheit wird der gesetzgebende Körper gleichförmig mit demjenigen reguliren, was nach Art. 18. Lit. D. der teutschen Bundesacte auf der teutschen Bundesversammlung festgesetzt werden dürfte.

[389]
Artikel 5.
Die Hoheitsrechte der Stadt stehen der Gesammtheit der christlichen Bürgerschaft zu.

Alle, der – durch Art. 46. der Wiener Congreßacte für frei und zum Mitgliede des teutschen Bundes erklärten – Stadt Frankfurt – zustehenden Hoheits- und Selbstverwaltungsrechte beruhen in ihrem weitesten Umfange auf der Gesammtheit ihrer christlichen Bürgerschaft.

Artikel 6.
Gleichheit der drei christlichen Confessionen- Indigenats- und Vermögens-Erfordernisse.

Die gesammte christliche hiesige Bürgerschaft bildet nur ein Ganzes. Die kirchliche Verschiedenheit der drei christlichen Confessionen hat auf die Rechte und Verhältnisse, welche aus dem bürgerlichen Staatsverbande entstehen, fernerhin nicht den mindesten Einfluß; vielmehr sind alle hiesige christliche Bürger der drei Confessionen einander an Rechten und Obliegenheiten durchaus gleich.

Bei Besetzung der Staatsverwaltungs- und Justiz-Stellen, auch bei allen andern Stadt- und Gerichtsämtern, Anstellungen und Diensten, muß zwar auf das Bekenntniß der christlichen Religion schlechterdings, – es darf aber darauf, ob sich jemand zu dieser oder jener der drei christlichen Confessionen bekennt, nicht gesehen werden.

Im Senate müssen fortwährend mehrere Mitglieder aller drei christlichen Confessionen wirklich seyn. Auch geschieht dieser Vorschrift dadurch kein Genüge, daß sich etwa nur ein oder zwei Mitglieder der einen oder der andern Confession darin befinden. In Zukunft soll (mit Ausnahme dessen, was am Schlusse dieser Acte transitorisch verordnet wird): Niemand in den Rath, oder zu einem besoldeten Stadtdienste gelangen können, welcher nicht entweder eingebohrner Bürger (im Sinne der hiesigen Statuten) ist, oder – wäre er dieses nicht – seit 10 Jahren dahier im Bürgerrechte steht, und während dieser Zeit [390] ununterbrochen seinen Wohnsitz in hiesiger Stadt gehabt hat.

Der Senat darf im Wege der Gnade künftig Niemanden das hiesige Bürgerrecht ertheilen, der nicht ein Vermögen von wenigstens 5000 fl. – des 24 fl. Fußes beweislich inferiren kann. Dem gesetzgebenden Körper bleibt jedoch auf Antrag des Senats die Dispensation zu Gunsten vorzüglicher Talente vorbehalten.

Artikel 7.
Christliche Beisassen, Einwohner jüdischer Religion, und Landbewohner.

Außer der christlichen Bürgerschaft befinden sich von ältesten Zeiten her, in der Stadt Frankfurt auch noch christliche Beisassen, ingleichen Einwohner jüdischer Religion und auf den Dorfschaften sogenannte Nachbarn.

Die Beisassen-Ordnung bestimmt den Inbegriff der Rechte und Obliegenheiten der christlichen Beisassen. Den Beisassen-Schutz soll der Senat Personen, welche nicht aus der Beisassen-Ordnung einen gegründeten Anspruch darauf haben, aus Gnade nicht verleihen, wenn solche nicht ein Vermögen von wenigstens 500 fl. des 24 fl. Fußes glaublich nachweisen können.

Da es, soviel die hiesigen Einwohner jüdischer Religion betrifft – keinen Zweifel leidet, daß jeder christliche Staat nicht nur die Befugniß, sondern auch die Pflicht hat, die bürgerlichen Rechte seiner jüdischen Einwohner, nach den eigenen Localitäten so zu reguliren, daß der Nahrungs- und Gewerbstand der christlichen Bürgerschaft, als des wesentlichsten Beltandtheils des christliche Staats, daneben bestehen kann; so soll der Senat durch eine aus Gliedern seiner Mitte und aus jener des beständigen Bürgerausschusses zusammengesetzte Commission, ein, dem Zeitgeiste und der Billigkeit entsprechendes, Regulativ der bürgerlichen Rechte der hiesigen Einwohner jüdischer Confession unverzüglich entwerfen lassen, und solches dem gesetzgebenden Körper in seiner ersten Zusammenkunft zur Deliberation und Sanctionirung vorlegen.

[391] Die Emancipation der Landbewohner auf den hiesigen Dorfschaften und die Regulirung ihrer künftigen Verhältisse, auch auf welche Weise sie bei den ihr Interesse betreffenden Gegenständen in dem gesetzgebenden Körper zu vertreten sind, wird von dem gesetzgebenden Körper in nähere Berathung genommen werden.

Artikel 8.
Bestimmung der Staatskörper zur Ausübung der gesammten Hoheitsrechte.

Die hiesige christliche Bürgerschaft kann die, aus der ihr zustehenden Hoheit fließenden, Rechte in ihrer Gesammtheit nicht selbst ausüben. Sie überträgt daher deren Ausübung auf die drei folgenden aus ihrer Mitte und Autorität ausgehenden Behörden, welche durch die Benennungen:

1) der gesetzgebenden Versammlung oder des gesetzgebenden Körpers
2) des Senats als obrigkeitlichen Collegiums, und
3) des ständigen Bürgerausschusses

bezeichnet werden.

Artikel 9.
Bestandtheile des gesetzgebenden Körpers.

Der gesetzgebende Körper besteht:

a) aus 20 Mitgliedern des Senats,
b) aus 20 Mitgliedern des ständigen Bürgerausschusses, und
c) aus 45 aus der Mitte der übrigen Bürgerschaft gewählt werdenden Personen.
Artikel 10.
Wahlart der Mitglieder des gesetzgebenden Körpers.

A. Der Senat, und

B. der ständige Bürgerausschuß wählen zu jeder jährlichen gesetzgebenden Versammlung ihre Mitglieder selbst. Ersterer ist hierbei an die Wahl aus allen drei [392] Rathsordnungen überhaupt, oder in gleicher Anzahl schlechterdings nicht gebunden, sondern hat darauf vorzüglich zu sehen, daß Männer, welchen die besten Kenntnisse über die zu verhandelnden Gegenstände beiwohnen und die daher im Stande sind die gesetzgebende Versammlung mir ihren Einsichten und Erfahrungen zu unterstützen, zu bereichern und aufzuklären, gewählt werden. Von gleicher Ansicht geht der ständige Bürgerausschuß bei seinen Wahlen aus, und es müssen in dieser Hinsicht allezeit einige Mitglieder der Stadtrechnungsrevision mitgewählt werden.

C. Die Mitglieder des gesetzgebenden Körpers aus der übrigen Bürgerschaft werden jährlich von der gesammten christlichen Bürgerschaft durch Bildung eines Wahlcollegs von 75 Bürgern gewählt, wie folgt:

Artikel 11.
Bildung eines neuen Wahlcollegs durch Abstimmung aller christlichen Bürger, nach drei Abtheilungen.

Um ein Wahlcollegium von 75 hiesigen christlichen Bürgern zu bilden, sollen alle christliche Bürger an bestimmten Tagen in drei verschiedenen hiezu angewiesenen Localen, nach drei Klassen oder Abtheilungen – welche übrigens keinen Rang noch Vorzug geben – auf nachbeschriebene Weise zu stimmen berechtigt seyn.

Den Vorsitz in diesen drei Abtheilungen führen die Quartiervorstände, welche sich nach ihrem Ermessen in die drei Abtheilungen vertheilen, auch für jede Abtheilung sechs Gehülfen aus der Bürgerschaft zu sich nehmen. Ein Notar führt das Protokoll. Der Senat und der ständige Bürgerausschuß schicken zur Aufsicht, daß alles in der[WS 2] festgesetzten constitutionellen Ordnung vor sich gehe, besondere Commissarien zu denselben.

Abtheilung I.

In einer dieser Abtheilungen stimmen die Adelichen, die Gelehrten aller Facultäten, die darunter gehörigen Staatsdiener und Geistlichen der drei christlichen Confessionen, [393] die Procuratoren und Notarien einbegriffen; alle andere zum Gelehrtenstande nicht gehörige Staatsdiener, die Linien-Officiere aller Grade, die Gutsbesitzer, die als Rentenierer eingeschriebenen Bürger, die Schul-, Sprach- und sonstigen Lehrer, so wie alle nicht zünftige Künstler.

Abtheilung II.

In einer andern Abtheilung stimmen die Handelsleute und zwar, ohne Unterschied, Banquiers, Groß- und Kleinhändler, die Gastwirthe, verbürgerte Buchhalter und Handlungs-Commis, die geschwornen Mäkler, die Krämer und alle zu keiner Zunft gehörige Wirthe.

Abtheilung III.

In einer dritten Abtheilung stimmen die zünftigen Handwerker und Künstler, auch alle den zwei andern Abtheilungen nicht bereits zugewiesene Bürger, welche irgend ein sonstiges gesetzlich erlaubtes Gewerb und Nahrung dahier treiben.

Jeder hiesige christliche Bürger – die Mitglieder des Senats und des ständigen Bürgerausschusses mit eingeschlossen – kann an dem bestimmten Tage und am Orte seiner Abtheilung, nachdem er sich benöthigten Falls durch Vorzeigung seines Schatzungsbuchs, oder sonst, daß er Bürger sey, und zu der Abtheilung, wohin er sich wendet, gehört, legitimirt hat, einen Stimmzettel einreichen, worauf er 25 christliche Bürger mit genauer Andeutung des Namens, Standes und der Wohnung, ohne alle Berücksichtigung des Stadtquartiers, worin solche wohnen, die aber – (welches wohl zu merken ist) – zu dieser seiner Abtheilung gehören, verzeichnet hat, und die er zu Wahlmännern bestimmt. Mitglieder des Senats und des ständigen Bürgerausschusses können, obgleich sie mitstimmen, zu Wahlmännern nicht gewählt werden. Dieser Stimmzettel wird übrigens von dem Ueberreicher nicht unterschrieben, sondern nur sein persönliches Erscheinen und die geschehene Einreichung seines Stimmzettels zum Protokoll bemerkt, der Zettel aber in eine verschlossene Lade geworfen. Welcher hiesige christliche Bürger [394] an den bestimmten Tagen bis Abends 6 Uhr in seiner Abtheilung nicht erschienen ist, und seinen Stimmzettel nicht eingereicht hat, wird dafür angesehen, als habe er sich für dieses Mal seines Stimmrechts begeben wollen.

Nach geschlossenem Abstimmungsacte, wird die Lade eröffnet, und ein genaues Verzeichniß derjenigen Bürger, welche Stimmen und wie viele erhalten haben, und auf welche die Mehrheit ausgefallen ist? nach den Stimmzetteln verfertigt.

Findet sich bei Gewählten eine Stimmengleichheit; so entscheidet, so weit es zur Bestimmung der 25 Wahlmänner nöthig ist, zwischen denjenigen, welche gleiche Stimmen haben, das Loos. Ihre Namen werden nämlich auf Looszettel geschrieben, in eine Büchse geworfen, und von dem ältesten Quartiervorstande in Beiseyn der übrigen Gehülfen, ingleichen des Notars unter Aufsicht der Commissarien des Senats und des ständigen Bürgerausschusses, daraus gezogen. Der Quartiervorstand, die Beisitzer und der Notar errichten sofort das Verzeichniß der 25 Wahlmänner jeder Abtheilung, beglaubigen dasselbe, und stellen es dem ältern Bürgermeister zu. Das Protokoll über diejenigen, welche nächst den 25 Gewählten die mehrsten Stimmen in jeder Abtheilung erhalten haben, wird zu dem Ende aufbewahrt, damit auf den Fall, daß einer der 25 Gewählten durch Abwesenheit, Krankheit oder Sterbefall am Vollzug oder Vollendung seiner diesmaligen Obliegenheit verhindert werden sollte, es keiner neuen Wahl bedarf, sondern der- oder diejenigen, welche in ihrer Abtheilung gleiche oder die zunächst mehrere Zahl der Stimmen für sich vereinigt haben, ohne weiteres oder bei gleichen Stimmen, nach dem Loos eintreten können.

Artikel 12.
Versammlung des Wahlcollegs der 75 christlichen Bürger.

Sobald dem ältern Bürgermeister die Verzeichnisse der, in jeder der drei Abtheilungen gewählten 25 christlichen, Bürger zugekommen sind, macht derselbe einem jeden die auf ihn ausgefallene Wahl mit der Einladung, sich an einem [395] bestimmten Orte, Tage und Zeit einzufinden, schriftlich bekannt. Es versammeln sich nun diese 75 Wahlmänner in einem Locale des Römers, ersehen sich sogleich einen Director, Vicedirector und zwei Secretarien aus ihrer Mitte, und wählen sofort aus allen Ständen der gesammten hiesigen christlichen Bürgerschaft, ohne Rücksicht auf das Stadtquartier, worin jemand wohnt, durch absolute Stimmenmehrheit 45 christliche Bürger, in deren Rechtschaffenheit und Kenntnisse sie Vertrauen setzen, zu Mitgliedern des diesjährigen gesetzgebenden Körpers.

Das Protokoll der Abstimmung, mit dem Bemerken, welche Personen nächst den 45 die meisten Stimmen erhalten haben, wird zu dem Ende sorgfältig aufgehoben, damit wenn einer oder mehrere der Gewählten durch Abwesenheit, anhaltende Krankheit oder Todesfall abgehen sollte, es keiner neuen Wahl bedarf, sondern der- oder diejenigen, welche zunächst die meisten Stimmen gehabt haben, einrücken können.

Es versteht sich von selbst, daß Mitglieder des Senats und des ständigen Bürgerausschusses – weil sie in anderem Wege zum gesetzgebenden Körper gelangen – nicht gewählt werden können.

Sonst aber dürfen zu Mitgliedern des gesetzgebenden Körpers nicht gewählt werden:

1) Wer noch nicht 30 Jahre alt ist;
2) Wer in besoldeten Diensten eines Privaten steht;
3) Wer eines peinlichen Verbrechens halber bestraft worden, oder desfalls noch in Untersuchung befangen ist;
4) Alle Falliten, es sey nun, daß jemand sein Zahlungsunvermögen gerichtlich angezeigt oder mit seinen Gläubigern insgeheim Nachlaß- oder Anstands-Verträge errichtet hat, bevor er seine Gläubiger vollständig d. h. ohne Abzug oder Nachlaß bezahlt haben wird.

[396]
Artikel 13.
Verpflichtung zur Annahme der Wahl. Zusammenberufung des gesetzgebenden Körpers.

Der Gewählte muß, bei Verlust seines Bürgerrechts, die auf ihn ausgefallene Wahl annehmen.

Der Director des Wahlcollegii stellt dem älteren Bürgermeister und dem Senior des ständigen Bürgerausschusses das von ihm und den Secretarien unterschriebene Protokoll zu. Der ältere Bürgermeister, nachdem ihm auch der ständige Bürgerausschuß die seiner Seits getroffene Wahl von 20 Mitgliedern bekannt gemacht hat, veranstaltet hierauf die schriftliche verfassungsmäßige Bekanntmachung und Einladung der gesetzgebenden Versammlung.

Artikel 14.
Zeit der Versammlung des gesetzgebenden Körpers und dessen Dauer.

Eine solche gesetzgebende Versammlung muß von dem Senate jedes Jahr auf den ersten Montag des Novembers zusammenberufen werden, sonst sie sich aus eigenem Rechte constituirt. Zu dem Ende müssen die Einleitungen zur Abstimmung nach Ständen und zur Bildung des Wahlcollegs 14 Tage vorher getroffen werden, die Wahlen aber in 8 Tagen beendigt seyn.

Dieser gesetzgebende Körper dauert in der Regel sechs Wochen, wonächst er sich selbst wieder auflöset. Nur auf Antrag des Senats kann die Dauer verlängert, wohl aber von der Versammlung selbst wegen früherer Erledigung der Geschäfte abgekürzt werden.

Nach Beendigung der jährlichen Versammlung treten sämmtliche Mitglieder in ihre früheren Verhältnisse zurück; sie dürfen jedoch in dem folgenden Jahre und sofort wieder gewählt werden.

Sollten außerordentliche Fälle eintreten, derenthalben der Senat das Zusammenberufen des gesetzgebenden Körpers in der Zwischenzeit für nöthig erachtet; so wird nicht zu neuen Wahlen geschritten, sondern auf diesen besonderen [397] Fall wird der Auftrag und die Vollmacht der sämmtlichen Mitglieder der letzten Versammlung als verlängert angesehen.

Wenn ein oder das andere Mitglied der 45 Bürger immittelst verstorben, krank oder abwesend wäre; so wird es wie in Artikel 11 und 12 gedacht ist, gehalten. Der Rath und der ständige Bürgerausschuß hingegen erwählen, wenn der nämliche Fall bei Mitgliedern aus ihrer Mitte eintritt, sogleich andere.

Artikel 15.
Innere Einrichtung des gesetzgebenden Körpers.

Da der gesetzgebende Körper die Gesammtheit der christlichen Bürgerschaft im weiteren und republikanischen Sinne, das heißt, mit Einschluß der Mitglieder des Senats und des ständigen Bürgerausschusses, vorstellt; so soll es mit dessen innerer Einrichtung folgendermaßen gehalten werden.

Auf Einladen des ältern Bürgermeisters, versammeln sich zum ersten Male die vom Senat, von dem ständigen Bürgerausschusse und von dem Wahlcolleg der 75 gewählten 85 Personen in einem bestimmten Locale.

Die Stühle sind mit 85 Nummern bezeichnet, und am Eingange des Zimmers befindet sich ein lederner Beutel, mit eben so viel Nummerzetteln, woraus jeder eintretende Bürger eine Nummer zieht, welche für diese Sitzung seinen Platz bestimmt. Die Versammlung wählt hierauf in der ersten Sitzung einen Präsidenten aus den 20 Mitgliedern des Senats und zwei Vicepräsidenten aus den übrigen Mitgliedern der Versammlung, welche den Präsidenten unterstützen.

Das Protokoll führen vier von dem gesetzgebenden Körper aus seiner Mitte gewählt werdende Secretairs. – In dieser ersten Sitzung schwören sämmtliche Mitglieder des gesetzgebenden Körpers folgenden Eid:

     „Ich schwöre, daß ich ohne Gunst und ohne Haß gegen irgend jemand, und ohne alle Rücksicht auf irgend einen frühern Verband oder persönliches Verhältniß, [398] nur gemeiner Stadt Wohlfahrt nach meinem besten Wissen und Gewissen rathen und fördern; auch was gedachter Stadt Wohlfahrt geheim zu halten gebietet, vor Jederman bis in mein Grab geheim halten will. So wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium.“

Die nachfolgenden Sitzungen bestimmt das Präsidium, welches nebst den beiden Vicepräsidenten einen besonderen Sitz in der Mitte des Versammlungssaals mit den Secretarien nimmt. Die Plätze der übrigen verbürgerten Mitglieder aber bestimmen sich für jede Sitzung, wie bei der ersten, fortwährend nach dem Loose, deren Zahl sich nun um sieben vermindert.

An den gesetzgebenden Körper gelangen in der Regel alle Vorträge von dem Senate durch das Präsidium.

Der Präsident, unter Mitberathung der beiden Vicepräsidenten, fertigt zu dem Ende ein Verzeichniß der zu berathenden Gegenstände, dessen Einsicht sämmtlichen Mitgliedern einige Tage früher offen liegt. Findet es die Versammlung nöthig; so werden besondere Ausschüsse zur Vorbereitung der einzelnen Gegenstände ernannt, welche sodann in der Deliberationssession einen Vortrag darüber erstatten.

Bei allen Deliberationen steht es jedem Mitgliede frei, bevor umvotirt wird, seine Gründe für und wider die Annahme mündlich vorzutragen und hören zu lassen, zu welchem Ende man sich Tags vor der Sitzung bei dem Secretariat anmeldet. Dieses verzeichnet die Namen der Mitglieder, welche für oder wider sprechen wollen, in der Ordnung, wie sich solche angemeldet haben, und stellt solches Verzeichniß dem Präsidenten zu seiner Maasnehmung und um diese Ordnung im Aufrufen beobachten zu können, zu. Sind die Discussionen über einen Gegenstand geschlossen; so wird nur mit wenigen Worten ohne Einmischung von Gründen auf den Aufruf des Präsidenten oder Vicepräsidenten, welche zuletzt stimmen, votirt.

[399]
Artikel 16.
Ausnahme von der Regel, daß alle Deliberationspuncte nur vom Senate an den gesetzgebenden Körper zu gelangen haben.

Ausnahmsweise sollen außer dem Senat an den gesetzgebenden Körper schriftliche Vorträge gelangen lassen können:

1) Der ständige Bürgerausschuß als solcher, und
2) jedes einzelne Mitglied des gesetzgebenden Körpers.

In diesen beiden Fällen tritt aber eine besondere Verfahrungsweise ein. Es entscheidet nämlich der gesetzgebende Körper vorerst durch Mehrheit der Stimmen über die Zulässigkeit des Gegenstandes überhaupt zur Deliberation.

Wird für die Zulässigkeit beschlossen; so wird der Antrag dem Senate, um sich darüber zu äußern, mitgetheilt. Hält der Senat dafür und erklärt sich dahin, daß der Gegenstand nicht bei dieser gegenwärtigen gesetzgebenden Versammlung, oder doch alsbald nicht in Deliberation kommen sollte; so wird der Gegenstand in zwei auf einander folgenden Sitzungen ablesend vorgetragen und es kann erst in einer dritten Sitzung und zwar nur durch eine Mehrheit von 2/3 der Stimmen entschieden werden, daß der Gegenstand dessen ungeachtet in der jetzigen Versammlung in einer kürzern oder längern Zeitfrist zur Abstimmung gebracht, oder daß er der nächstkünftigen Jahresversammlung vorbehalten seyn soll. Andere zur Handhabung der Stimmfreiheit, der Ordnung und sonsten hinzielende Vorschriften, bleiben dem gesetzgebenden Körper lediglich überlassen.

Artikel 17.
Wirkungskreis des gesetzgebenden Körpers.

Zum Wirkungskreise des gesetzgebenden Körpers gehört:

1) Die Gesetzgebung überhaupt, doch mit Ausnahme der organischen Grundverfassungsgesetze, als womit es nach Artikel 50. zu halten ist. Insbesondere wird zu der Gesetzgebung gerechnet:

[400]

a. Die Besteuerung, es sey nun, daß die alten Steuern abgeschafft, abgeändert, oder neue eingeführt werden sollen, nebst Bestimmung der Erhebungsweise.
b. Die Anordnung und Einrichtung der bewaffneten Macht.
2) Die Sanction aller Staatsverträge.
3) Die Uebersicht über den gesammten Staatshaushalt, mithin die Einsicht aller Stadtrechnungen durch Ausschüsse und Genehmigung der jährlichen Statuum exigentiae.
4) Die Entscheidung in Fällen, welche dem Senate in Concurrenz mit dem ständigen Bürgerausschuß verfassungsmäßig überlassen sind, wenn beide Collegien verschiedene Ansichten hegen, und sich darüber nicht vereinigen können.
5) Die Einwilligung zu der Veräußerung städtischer Gemeindegüter, doch so, daß der Senat die Macht behält, mit Einwilligung des ständigen Bürgerausschusses, städtische Immobilien, welche unter dem Taxationswerthe von 4000 fl. des 24 fl. Fußes stehen, selbst ohne öffentliches Ausgebot; andere von höherem Taxationswerthe aber, nur in öffentlichem Ausrufe zu veräußern; nur müssen die Kaufgelder lediglich zur Tilgung hiesiger Stadtschulden verwendet werden, und muß dem gesetzgebenden Körper von der Veräußerung sowohl als von der Verwendung des Kaufschillings die Anzeige geschehen.
Soll hingegen die Veräußerung städtischer Immobilien von einem Taxationswerthe von mehr als 4000 fl. des 24 fl. Fußes außer der Verganthung geschehen, oder soll der Erlös und der Verkauf städtischer Immobilien überhaupt zu andern Zwecken als zur Tilgung hiesiger Stadtschulden verwendet werden; so tritt die Eingangs gedachte absolute Nothwendigkeit eines vorgängigen Beschlusses des gesetzgebenden Körpers ein.
6) Die Mitwirkung bei Wiederbesetzung vacanter Stellen im Senate, und in dem ständigen Bürgerausschuß, durch Mitglieder, welche in beiden Hinsichten nicht zum

[401] Senate, in letzterer aber auch nicht zum ständigen Bürgerausschuß gehören dürfen;

7) Die Bewahrung und Erhaltung der Verfassung. Bei dem gesetzgebenden Körper können Verletzungen der Verfassung, dafern solche Stufenweise den geeigneten Behörden, bis zum Senate, vorher angezeigt worden sind, von einem jeden schriftlich angebracht werden.
Der gesetzgebende Körper untersucht durch einen Ausschuß die Zulässigkeit der Denunciation, und verwirft entweder dieselbe sogleich, oder theilt sie dem Senate zur Erläuterung mit. Nach deren Einlangung während der Dauer dieser gesetzgebenden Versammlung verfügt letzterer hierauf.
Sollte hierbei einem einzelnen Staatsbeamten etwas zur Last fallen; so muß derselbe mit seiner Vertheidigung gehört, und die Acten zum Spruche, nach Verlangen desselben, entweder an das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht oder an eine auswärtige Juristenfacultät gesandt werden. Gegen diesen Spruch kann nicht vom Fiscus, wohl aber vom Betheiligten eine weitere Revision eingelegt und ein ferneres Erkenntniß durch Actenversendung eingeholt werden. Bei diesem letztern Erkenntniß behält es sein Bewenden.
In sofern die Denunciation sich als Calumnie nach gepflogener Untersuchung darstellen sollte; so ist gegen den etwanigen falschen Denuncianten, welcher den gesetzgebenden Körper zu so bedauerlichen Schritten veranlaßt hat, rechtlicher Ordnung nach, als Calumnianten durch Verweisung an die Gerichte zu verfahren.
Artikel 18.

(Ad Art. 8. II.)

Vom Senate als obrigkeitlichem Collegio. Bestandtheile des Senats.

Der Senat, als obrigkeitliches Collegium, besteht in Zukunft (mit Ausnahme dessen, was unten transitorisch verordnet wird) aus 42 Personen mit Einschluß jener vier [402] Rathsglieder, welche zwar das Syndicatsamt in seinen bisherigen Obliegenheiten – wobei es belassen wird – versehen, doch aber in allem Betrachte einen integrirenden Theil des Senats ausmachen, auch gleich andern Senatoren entscheidende Stimmen führen.

Der Senat theilt sich, wie von Alters her, in drei Ordnungen oder Bänke, nämlich:

a) in die Ordnung der älteren Senatoren oder Schöffen, bestehend aus 14 Personen,
b) in jene der jüngeren Senatoren, gleichfalls 14 Mitglieder zählend, und
c) in die der Rathsverwandten dritter Bank von 14 Mitgliedern.

Aus der ersten Ordnung wird jährlich der ältere, und aus der zweiten Ordnung der jüngere Bürgermeister gewählt. Ein Stadt- oder Gerichtsschultheißenamt besteht ferner nicht in den Rathsversammlungen, sondern vereinigt sich in der Person des jeweiligen Präsidenten des Appellationsgerichts, welcher aber in den Rathsversammlungen gleich andern Sitz und Stimme nur als Rathsglied der ersten Ordnung fortbehält.

Artikel 19.
Qualification zu Rathsstellen.

Die Geburt giebt kein Vorrecht und keinen positiven Anspruch auf Rathsstellen, und die Verschiedenheit des christlichen Religionsbekenntnisses ist schlechterdings kein Hinderniß; vielmehr muß deßfalls die allgemeine Vorschrift des Artikel 6. genau beobachtet werden. Die Bestimmung der Grade der Verwandtschaft und Schwägerschaft mit Rathspersonen oder mit dem Consulenten des ständigen Bürgerausschusses, welche eine Ausschließung bewirken, bleiben die nämlichen, wie solche durch kaiserliche Resolutionen festgesetzt worden sind, mit Ausnahme dessen, was unten transitorisch verordnet wird.

Auf die erste Rathsordnung wird von der zweiten nach dem Dienstalter fortgerückt. Auf die zweite und dritte gelangt man durch Wahl und Kugelung.

[403] Zur Rathsstelle wird, außer dem allgemeinen Erforderniß zu allen besoldeten Stadtämtern und Diensten (Art. 6.), ein Alter von 30 Jahren erfordert, und darf man nicht in den Diensten eines andern Staats stehen. Nach geschehener Wahl muß solchen und allen fremden Titeln entsagt werden. Zur zweiten Rathsordnung können gewählt werden: Gelehrte, Adeliche, Militairpersonen, Kaufleute und andere angesehene hiesige Bürger, wie auch verdiente Mitglieder der dritten Rathsordnung.

Zu zwölf Plätzen der dritten Rathsordnung wird aus allen hier zünftigen Handwerkern ohne Unterschied gewählt, und zwar so, daß von einem und demselben Handwerke oder Zunft nie mehr als ein Genosse im Rath seyn darf.

Zu den zwei anderen Plätzen der dritten Rathsordnung wird aus der gesammten übrigen nichtzünftigen hiesigen christlichen Bürgerschaft, ohne Berücksichtigung des Gewerbes, gewählt.

Artikel 20.
Rathswahlen.

Um der gesammten Bürgerschaft Antheil an den Rathswahlen zu verschaffen, und dadurch das Vertrauen der zu Regierenden in die Regierenden zu erhöhen und zu verstärken, soll in Zukunft, wenn Rathsstellen erledigt werden, der gesammte Rath durch Scrutinium, ganz frei und ohne Berücksichtigung der Rathsbänke, sechs Wahlherren aus seiner Mitte wählen. Ein gleiches geschieht von den 65 Mitgliedern des gesetzgebenden Körpers, welche nicht zu dem Rathscollegio gehören.

Diese zwölf Personen treten zusammen, und nachdem sie in die Hände des ältesten Wahlherrn des Senats einen auf die alleinige Berücksichtigung des Wohls hiesiger Stadt gerichteten Wahleid, welchen der Abnehmende gleichfalls in die Hände des ältesten von den 6 mitwählenden Bürgern leistet, abgelegt haben, wählen durch absolute Stimmenmehrheit, welche der zu Wählende für sich haben muß, drei nach der hiesigen Verfassung qualificirte Bürger.

[404] Nach vollzogener Wahl begeben sich die 12 Wahlherren in die versammelte Rathssitzung und eröffnen derselben die getroffene Wahl. Die sechs Rathsglieder nehmen ihre gewöhnlichen Sitze ein. Den sechs andern bürgerlichen Wahlherren werden besondere Stühle in der Mitte des Rathszimmers gestellt und sofort wird in ihrem Beiseyn die alt herkömmliche Kugelung, auch Verpflichtung des Gewählten vorgenommen.

Artikel 21.
Wahlart der Stadtsyndiken.

Die Stadtsyndiken, als wirkliche Rathsmitglieder, werden in Zukunft nur aus den rechtsgelehrten Mitgliedern des Senats vom Senate selbst durch Scrutinium ohne Kugelung gewählt, wenn vorerst die durch ihren Abgang erledigte Rathsstelle auf die im Artikel 20. vorgeschriebene Weise wiederum besetzt worden ist. Bei Verlust der Rathsstelle ist das Senatsmitglied, auf welches die Wahl gefallen, das Syndicatsamt anzunehmen verbunden. Hat jedoch Jemand das Syndicatsamt 20 Jahre lang versehen; so kann er um Abnahme dieser Function nachsuchen, wodurch derselbe aber auch den höhern Gehalt einbüßt. Der Gewählte behält im Senate seinen bisherigen Rang und Sitz und rückt nach dem Dienstalter fort.

Artikel 22.
Zusammenberufung des gesetzgebenden Körpers zu den Rathswahlen.

Wenn die vorzunehmende Wiederbesetzung einer oder mehrerer vacant gewordenen Rathsstellen bis zum Termin der jährlichen Versammlung des gesetzgebenden Körpers nicht verschoben werden kann; so wird es nach dem, was Artikel 14. für dringende Fälle verordnet ist, gehalten, und kann der Senat die Mitglieder des gesetzgebenden Körpers zu diesem Endzweck zusammenberufen.

[405]
Artikel 23.
Wahlart der beiden Bürgermeister.

Alle Jahre wird, wie von Alters her, zur neuen Wahl der Bürgermeister geschritten und kein Rathsglied darf zwei Jahre hinter einander das Bürgermeisteramt führen.

Die Bürgermeisterwahlen geschehen im ganzen Rath auf die Weise, daß durch Scrutinium drei Personen aus den 14 Mitgliedern, welche die erste Rathsordnung bilden (transitorisch, aus den mehreren) für die Stelle des älteren Bürgermeisters, und drei aus den 14 (transitorisch, aus den mehreren) Mitgliedern der zweiten Rathsordnung, zur Stelle des jüngeren Bürgermeisters vorerst gewählt werden. Jedes Rathsmitglied der ersten und zweiten Ordnung kann wählen und gewählt werden, unangesehen ob dasselbe bei dem Appellationsgerichte, Syndicat oder Stadtgerichte angestellt ist. Daß die Senatsglieder der dritten Bank mitwählen, versteht sich von selbst.

Im letzteren Falle werden des Gewählten Functionen, respective von dem nächstfolgenden ältesten Rath eines jeden Gerichts, oder wo nöthig, von einem andern rechtsgelehrten Mitgliede des Senats, während der Dauer des Bürgermeisteramts versehen.

Unter den so Gewählten entscheidet hiernächst die Kugelung.

Artikel 24.
Amtsobliegenheiten der beiden Bürgermeister.

a) Aelterer Bürgermeister.

Der ältere Bürgermeister und in Subsidium der jüngere führt bei den Rathsversammlungen das Directorium.

Der ältere Bürgermeister theilt alle einkommende und zu des Senats Deliberation geeignete Gegenstände, über welche er nicht selbst den Vortrag machen will, unter die Rathsglieder als Referenten in den gewöhnlichen Verwaltungs-Rathssitzungen aus, und bringt solche hiernächst auf den gewöhnlichen Proponendenzettel.

[406] Sämmtliche Rathsglieder sind verpflichtet, solche Referate zu übernehmen.

Findet die Rathsversammlung die Gegenstände so wichtig, daß nach vernommenem Berichte des betreffenden Stadtverwaltungsamts und nach angehörtem Vortrag des Senatsreferenten, welcher jederzeit ein anderer als der Amtsdeputirte seyn muß, eine noch weitere Prüfung für nöthig erachtet wird; so können Gutachten der Syndiken oder mit ihrer Zuziehung von einer aus dem Verwaltungsrath, ad publica, zu formirenden Rathsdeputation gefordert werden.

Außerdem ist dem ältern Bürgermeister die gesammte Leitung der bewaffneten Macht anvertraut.

b) Jüngerer Bürgermeister.

Der jüngere Bürgermeister versieht, wie schon gedacht, in den Rathsversammlungen subsidiarisch die Stelle des älteren; außerdem aber leitet er

1) unter Mitwirkung eines Senators der zweiten und eines Rathsverwandten der dritten Rathsordnung das gesammte Polizeiwesen. Bei polizeilicher Bestimmung der Taxen wird ein Mitglied des ständigen Bürgerausschusses zugezogen.
Die Polizei soll neu organisirt, auch sollen alle vormalige bauamtliche Polizeisachen an das Bauamt zurückverwiesen werden; ferner und
2) präsidirt der jüngere Bürgermeister dem, mit der Sicherheitspolizei so nahe in Verbindung stehenden, peinlichen Verhöramte; auch gehören
3) alle vorbereitende Untersuchungen des Bürgerrechts, und sonstiger Gesuche um den Beisassen- und anderen Schutz, sodann
4) alle Handwerkssachen vor den jüngern Bürgermeister. Bei letztern, und in soweit nöthig, auch bei den unter No. 3. gedachten Untersuchungen, hat der jüngere Bürgermeister zwei Rathsglieder der dritten Ordnung beizuziehen.

[407]
Artikel 25.
Wirkungskreis des Senates im Ganzen und Abtheilung desselben.

Dem Senate ist die executive Gewalt, und die Stadt- und Justizverwaltung im Allgemeinen, als obrigkeitlichem, die ganze Stadt repräsentirenden, Collegio anvertraut. In soweit diese Ergänzungsacte keine Abänderung gemacht hat, sind des Senats Befugnisse die nämlichen, wie in der alten Verfassung. Die alte Verfassung bestimmt genau, in welchen Verwaltungsfällen der Senat an die Einwilligung des ständigen Bürgerausschusses gebunden ist, wobei es denn auch sein Bewenden behält.

Vorliegende Ergänzungsacte der älteren hiesigen Verfassung setzt eben so genau in dem Artikel 17. aus einander, welche Gegenstände, den veränderten Verhältnissen nach, einer besondern gesetzgebenden Versammlung vorbehalten seyn sollen, in welcher zwar auf der einen Seite die Einsichten und Erfahrungen der Rathsglieder mitbenutzt werden, auf der andern aber letztere, auch nur durch Uebergewicht der Gründe einen wirksamen Einfluß in Ansehung der gegenüberstehenden großen Majorität der mitstimmenden Bürger erhalten können.

Bei allen endlichen Deliberationen des Senats über Gegenstände, die zur Entscheidung des gesetzgebenden Körpers gehören; bei Bestätigung oder Milderung der peinlichen Urtheile und bei allen sogenannten Gnadensachen, mit Einschluß der Aemter und Dienstvergebungen, müssen sämmtliche Rathsglieder zugezogen werden.

Doch kann der Verwaltungssenat sowohl selbst, als durch die obgedachte Rathsdeputation erstere Gegenstände vorbereiten.

Alle andere Verwaltungsgegenstände hingegen werden in den gewöhnlichen Rathssitzungen ohne Zuziehung derjenigen Rathsglieder, welche mit der Justizverwaltung beschäftigt sind, deliberirt und entschieden.

Es müssen aber zu Fassung eines gültigen Beschlusses immer 2/3 der Mitglieder des Verwaltungssenats gegenwärtig seyn.

[408] Diese Verordnung ist auch auf die Versammlung bei ganzen Raths anwendbar.

Damit nun aber die dritte Rathsordnung in dem alten Zahlverhältniß ihrer Mitglieder zu den beiden obern Rathsordnungen, wie vorhin, verbleibe und kein nachtheiliges Uebergewicht entstehe, sollen – wenn die zwei oberen Rathsbänke jede nur aus 14 Mitgliedern – bestehen, nur die 7 ältesten Mitglieder der dritten Bank den ordinairen Rathssitzungen beiwohnen, und die andern desto anhaltender Stadtverwaltungs-Aemtern obliegen. Während der – (nach dem, was unten transitorisch verordnet ist) – fortdauernden vermehrten Zahl der zwei oberen Rathsordnungen, wird das passende numerische Verhältniß gegriffen.

Artikel 26.

Verwaltungsämter.

I. Geheime Deputation.

Die in der reichsstädtischen Verfassung bestandene geheime Rathsdeputation mit dem Befugniß der Exogationen in exteros, soll, so wie sie in den kaiserlichen Resolutionen organisirt ist, auch ferner, nur mit dem Zusatze bestehen, daß, um allem Argwohn ungleicher Verwendungen etwa zum Nachtheil einer oder der anderen Religionsparthei zuvorzukommen, der Senat derselben wenigstens ein Rathsglied von jeder Confession beizuordnen hat.

II. Armen-Stiftungs-Anstalten.

Die Armen-Stiftungs-Anstalten bleiben in ihrer jetzigen Verfassung und es wird in einer besonderen Stiftungs-Verwaltungs-Ordnung das Nähere, über ihre Rechte, Befugnisse und Pflichten, über ihre Verwaltung durch Bürger, nach ihrer jetzigen zweckmäßigen Einrichtung, und über den bei ihnen einzuhaltenden Geschäftsgang von dem gesetzgebenden Körper das Weitere bestimmt.

III. Medicinal- und Sanitäts-Colleg.

Eben so soll das Medicinal- und Sanitäts-Colleg nach den Vorschriften der alten Verfassung unter dem Vorsitz des [409] jüngeren Bürgermeisters hergestellt werden. Es hat sich mit Revision der Medicinal-Ordnung zu befassen, und sein Gutachten dem Senate, und durch diesen dem gesetzgebenden Körper vorzulegen.

In Ansehung aller sonstigen Stadt-Verwaltungsämter, verbleibt es bei demjenigen, was desfalls die städtische Verfassung angeordnet hat. Doch soll der Senat prüfen, ob die bisherige Zahl und Abtheilung der Stadtämter beizubehalten oder ob es zweckmäßiger sey, einige derselben zusammenzuschmelzen oder doch wenigstens die Obliegenheiten eines zu sehr mit Geschäften überladenen Stadtamtes unter andere minder occupirte zu vertheilen und desfalls an den gesetzgebenden Körper das Nöthigfindende gelangen lassen. Die Vergebung der Stadt-Verwaltungsämter an Senatsdeputirte, welche nicht bei der Justizverwaltung angestellt sind, geschieht in vollem Rathe durch Scrutinium und jederzeit auf drei Jahre. Der abgehende Rathsdeputirte ist aber nicht nur wieder erwählbar, sondern er muß sich auch diese erneuerte Wahl gefallen lassen.

Ferner soll:

A) eine Central-Finanzcommission eigens zusammengesetzt aus Gliedern des Senats und des ständigen Bürgerausschusses bestehen, welche ohne alle Einmischung in die Administration selbst, von allen Stadtämtern regelmäßig die Ausweise ihrer Einnahme und Ausgabe abzufordern hat, um mittelst dieser Materialien eine genaue Uebersicht des Finanzzustandes in einen Centralpunct zu vereinigen und über die Einführung, Abschaffung oder Modificationen der Steuern, Erhöhung der Intraden, so wie über die etwa möglichen Staatsersparnisse, in verfassungsmäßigem Wege, Vorschläge an den Senat zu bringen.

Weniger nicht soll:

B) der bisherige Handlungsvorstand, unter dem Namen einer Handlungskammer, fortbestehen. Die nähere Organisation der letztern und ihr eigentlicher Wirkungskreis soll in verfassungsmäßigem Wege bei der nächsten gesetzgebenden Versammlung genau bestimmt werden.

[410]
Artikel 27.
Rechtsmittel gegen alle Straf- und Confiscations-Verfügungen der Stadt-Verwaltungsämter.

Findet sich ein hiesiger Bürger durch Straf- oder Confiscations-Verfügungen eines administrativen Stadtamtes oder einer sonstigen Erhebungsbehörde beschwert; so steht ihm binnen 10 Tagen die Einlegung der Berufung an das hiesige Appellationsgericht und deren Rechtfertigung innerhalb den auf die Interposition folgenden 14 Tagen, bei Strafe der Erlöschung, offen, und darf das Erkenntniß – die Accisestraffälle ausgenommen – vor deren Erledigung nicht vollstreckt werden; vermeint der Appellant, daß er sich auch bei der Entscheidung des hiesigen Appellationsgerichtes nicht beruhigen könne; so darf er das Rechtsmittel der Actenversendungen in vim revisionis einwenden.

Artikel 28.
Civil- und peinliche Justizverwaltung.

Der Senat verwaltet die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen und peinlichen Sachen, daher auch an ihn der Recurs wegen verweigerter oder verzögerter Justiz ergriffen wird. Zur Justizverwaltung sind vorhanden:

I. a) ein Appellations- und peinliches Gericht, mit
b) dem ihm untergeordneten peinliche Verhöramte.
II. ein Stadtgericht,
III. ein Stadt- und Landamt.
Artikel 29.
I. a) Appellations- und peinliches Gericht.

Das Appellationsgericht, welchem zugleich die Verwaltung der peinlichen Gerichtsbarkeit anvertraut ist, besteht aus 7 Rathsgliedern, nämlich:

1) aus einem mitarbeitenden rechtsgelehrten Präsidenten oder Schultheiß, welcher auf drei Jahre aus den

[411] rechtsgelehrten Rathsgliedern der ersten Ordnung, einschließlich derer, welche das Syndicatsamt bekleiden, vom Rath per Scrutinium gewählt wird, und jederzeit reeligibel ist.

2. 3. 4. 5) aus den das Syndicatsamt versehenden Rathsgliedern, als beständigen Appellationsgerichtsräthen.
6. 7) aus zwei, oder, wenn ein Syndicus zum Präsidenten gewählt wird, aus drei sonstigen Senatsmitgliedern der ersten Ordnung, von welchen wenigstens der eine ein Rechtsgelehrter seyn muß, und welche auf drei Jahre per Scrutinium vom Rath gewählt werden, aber immer reeligibel sind.

Im Verhinderungsfalle vertritt der älteste Rath die Stelle des Präsidenten.

Dieses Appellationsgericht bildet in denjenigen Sachen, welche als minderen Belangs bei dem Stadtamte, oder bei dem Landamte in erster Instanz angebracht werden müssen, und an das Stadtgericht in zweiter Instanz gelangt sind, die dritte und letzte Instanz, in denjenigen Sachen aber, welche bei dem Stadtgericht in erster Instanz vorgekommen sind, die zweite, so daß in diesem Falle gegen dessen Erkenntnisse das Remedium transmissionis actorum in vim revisionis, oder die fernere Berufung an das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht der freien Städte, nach jenen Bestimmungen, welche darüber in der Proceßordnung werden getroffen werden, Statt findet.

Ferner wird an dieses Appellationsgericht der Recurs von den Straf- und Confiscationserkenntnissen der administrativen Stadtämter, dessen in Artikel 27. gedacht worden, ergriffen.

Hierunter sind jedoch bloße Straf- und Confiscations-Milderungs- oder Erlassungsgesuche aus Gnaden, nicht begriffen, sondern diese werden bei dem ganzen Senate angebracht und von demselben erledigt.

Endlich ist das Appellationsgericht zugleich das Criminalgericht für die hiesige Stadt und deren Gebiet.

Peinliche Erkenntnisse auf Lebensstrafe oder auf eine derselben nahe kommende Leibesstrafe werden dem ganzen Senate vor dem Vollzuge zur Bestätigung oder Milderung [412] vorgelegt, so wie denn überhaupt Abolitions-Strafmilderungs- und Erlassungsgesuche in allen peinlichen oder polizeilichen Straffällen dem ganzen Senate vorbehalten sind.

Gegen alle peinliche Erkenntnisse des hiesigen Criminalgerichts findet, wenn der Verurtheilte die Kosten selbst bestreiten kann, eine weitere Vertheidigung und Versendung der Acten an eine auswärtige Rechtsfacultät Statt. Wenn aber das Stadtärarium die Kosten bestreiten soll; so kann nur die Actenrevision dahier bei dem nämlichen Gerichte durch Anordnung eines andern Referenten verlangt werden, es wäre denn, daß auf eine mehr als dreimonatliche Gefängniß- oder Schanzenstrafe erkannt worden wäre, welchen Falls bei der Armuth des Sträflings das Aerarium die Kosten der weiteren Vertheidigung und Actenversendung zu übernehmen hat.

Artikel 30.
I. b) Peinliches Verhöramt.

Das peinliche Verhöramt verbleibt bei der jetzigen Einrichtung, mit dem Zusatze, daß der zeitige jüngere Bürgermeister das Präsidium dabei führt. Wenn der zeitige Criminalrath durch Krankheit oder Abwesenheit verhindert wird; so hat das Criminalgericht eines seiner jüngern Mitglieder zur interimistischen Uebernahme der Functionen des Criminalraths zu committiren, welches dann hierzu allerdings verbunden ist.

Artikel 31.
II. Das Stadtgericht.

Das Stadtgericht, als Gericht erster Instanz für alle, dem Stadtamt und dem Landamt nicht zugewiesene Rechtssachen, und als zweite Instanz für diejenigen, wo jene Aemter in erster entscheiden, bildet zugleich das Obervormundschaftliche Amt.

Es wird außer dem Director mit sieben rechtsgelehrten Senatoren der zweiten oder auch der ersten Ordnung besetzt.

[413] Aus allen Rechtsgelehrten des Senats erster und zweiter Ordnung wählt der Senat durch Scrutinium einen mitarbeitenden Director auf ein Jahr, welcher nur im nächstfolgenden Jahre nicht reeligibel ist.

Seine Stelle vertritt im Verhinderungsfalle der älteste Rath.

Als Mitglieder des Stadtgerichts werden sämmtliche sieben rechtsgelehrte Senatoren auf drei Jahre gewählt, sind aber nicht nur reeligibel, sondern müssen sich auch diese Wahl schlechterdings gefallen lassen, und ändert das Fortrücken auf die erste Rathsordnung hierunter nichts.

Zwei dieser Senatoren und Stadtgerichtsräthe werden zur Curatelsection vom Senate auf drei Jahre deputirt, und wird ihnen ein im Rechnungsfache geübter Rathsverwandter der dritten Ordnung, von jenen, welche die gewöhnlichen Rathsversammlungen nicht besuchen, zur Hülfe beigegeben. Auch diese sind reeligibel.

Von allen und jeden Erkenntnissen und Verfügungen des Stadtgerichts, ohne Ausnahme der in Concursfällen und sonsten ergehenden Straferkenntnisse, Personalarrest-Verfügungen und dergleichen, kann an das Appellationsgericht die Berufung ergriffen werden.

Artikel 32.
III. Stadtamt und Landamt.

Das errichtete Stadtamt eben sowohl, als das Landamt, sollen zur Erleichterung des Stadtgerichts, und um den hiesigen Bürgern und den Landbewohnern in Rechtsstreitigkeiten von minderem Belange eine beförderliche und wenig kostspielige Justizverwaltung zu verschaffen, auch die Entscheidung in drei einheimischen Instanzen für solche Rechtsstreitigkeiten möglich zu machen, fortbestehen.

Wegen der Competenz dieser beiden Justizämter, soll mit Abstellung aller hohen Taxen und Gebühren, nach vernommenem gutachtlichen Vorschlage der beiden höheren Justizbehörden, das Weitere vom Senate an den gesetzgebenden Körper gebracht werden.

Wenn gleich bei diesen Justizbehörden der summarische Proceß Statt findet und jedem litigirenden Theile freistehet, [414] seine Angelegenheit persönlich und mündlich zum Protokoll zu verhandeln; so soll doch auch Niemanden ferner verwehrt seyn, schriftliche Recesse statt der mündlichen daselbst einzureichen.

In Fällen, wo die beiden Stadtamtmänner verschiedener Ansicht sind, sollen sie den zeitigen Landamtmann zu den Entscheidungen beiziehen.

Artikel 33.
Allgemeine, das Gerichtswesen angehende, Verordnung.

Da jeder Gerichtsstelle ihr Wirkungskreis angewiesen ist und soweit es noch nicht geschehen, in der zu entwerfenden Gerichts- und Proceßordnung angewiesen werden soll; so darf keine der hiesigen höheren Gerichtsstellen Gegenstände, welche nach der Gerichtsordnung zu eigenem oder ihres Canzleipersonals Ressort und nicht zur Competenz des Stadtamtes oder des Landamtes gehören, von sich oder ihrer Canzlei an letztere Auftragsweise verweisen, sondern solche Commissionen müssen Mitgliedern des Gerichts oder, nach Beschaffenheit, dem eigenen Canzleipersonale aufgetragen werden.

In Handelssachen sollen die Gerichte nach Befinden das Gutachten der Handelskammer erfordern.

Wenn in Civilrechtsverhandlungen den Partheien oder ihren Anwälden und Advocaten Strafen angesetzt werden; so kann nicht nur davon der Recurs an die höhere Instanz ergriffen werden, sondern es soll auch den Gerichten frei stehen, die angesetzten Strafen auf desfallsige Imploration zu mildern, oder aus bewegenden Gründen ganz zu erlassen.

Jeder hiesige Bürger kann, zwar nicht in der ersten Instanz, aber doch bei dem Appellationsgerichte, auf Versendung der Acten ad concipiendam sententiam antragen, zu welchem Ende, wenn das Gesuch sogleich im Gravatoriallibell angebracht wird, das Appellationsgericht in solchem Falle die Appellation ohne Unterschied zu recipiren hat.

[415]
Artikel 34.
Fiscalis und Executor in Civilibus.

Weil

a) zu den Hülfsvollstreckungen in Auftrag sowohl der Justiz- als Administrativbehörden,
b) zur Erforschung der Fälle, in welchen Vormünder und Curatoren zu bestellen sind und zu deren Vorschlag an die vormundschaftliche Behörde, auch zu dem eingeführten Signiren der Beerdigungserlaubniß, wofür aber in Zukunft nichts ad Aerarium zu bezahlen ist,
c) zur Direction der Verganthungen sub hasta publica, so wie
d) zur Wahrung des interesse fisci in Recursfällen gegen Straf- und Confiscationserkenntnisse der Verwaltungsämter, eine persona publica ohnehin erforderlich ist; so soll zu diesen und etwa andern analogen Verrichtungen ein Fiscalis und Executor in Civilibus (vormaliger Oberstrichter) wiederum angestellt werden, welchem von allen hiesigen Verwaltungs- und Justizbehörden desfallsige Aufträge geschehen können, und dem, je nach Beschaffenheit und Wichtigkeit des Falles, aus der Zahl der hiesigen Advocaten, von dem Senate oder von dem Verwaltungsamte ein Advocatus fisci beigeordnet wird.
Artikel 35.

Von den geistlichen und Schulsachen.

Allgemeine Grundsätze.

Alle und jede sowohl christliche und andere kirchliche Gemeinden, gleichwie sie auf den Schutz des Staats Anspruch zu machen haben, sind auch der Oberaufsicht des Staats untergeordnet, und dürfen keinen besondern Staat im Staate bilden.

Allgemeine, von den unmittelbar vorgesetzten kirchlichen Behörden eines Religionstheils verfaßte, Verordnungen bedürfen der Sanction des Staats – rein bischöfflichen [416] Diöcesangerechtsamen – so viel die katholische Gemeinde betrifft – wie solche nach geläuterten Grundsätzen des teutschen Staats- und Kirchenrechts, ohne Rücksicht auf das, nicht ferner anwendbare Entscheidungsjahr des westphälischen Friedensinstruments, bestehen, oder in Zukunft durch Concordate für ganz Teutschland regulirt werden dürften – durchaus unvorgreiflich.

Dem gesammten Senate bleibt die Oberaufsicht übertragen, und dem gesetzgebenden Körper ist die Sanction organischer Einrichtung und die Genehmigung allgemeiner Verordnungen vorbehalten; doch kann der Senat in Fällen, in welchen nach bekannten staatsrechtlichen Principien das landesherrliche Placet zu bischöfflichen Anordnungen vor deren Vollzug erfordert wird, solches ertheilen.

Jede Gemeinde der drei christlichen Confessionen besorgt, abgesondert unter der gedachten Oberaufsicht des Senats und der Sanction des Staats, ihre religiösen, kirchlichen, Schul- und Erziehungsangelegenheiten.

Artikel 36.

I. Protestantische Gemeinden.

a) Protestantisch-Lutherische.

Für die religiösen, kirchlichen, Schul- und Erziehungsangelegenheiten der protestantisch-lutherischen Gemeinde wird das unter der Reichsstadt schon bestandene lutherische Consistorium hergestellt. Es bestehet dasselbe

1. und 2) aus zwei lutherischen Senatoren der ersten oder zweiten Rathsordnung, wovon der ältere das Directorium führt,
3. 4. und 5) aus dem Senior des evangelisch-lutherischen Ministeriums und den zwei vordersten Pfarrherren, als Consistorialräthen, sodann
6) aus einem rechtsgelehrten Consistorialrathe.

Letzterer wird so gewählt, daß das Consistorium, nach vernommenem Gemeindekirchenvorstande, dem Senate drei Subjecte vorschlägt, wovon dieser einen wählt.

Mit Ausnahme der Ehesachen, welche an das Stadtgericht verwiesen bleiben, ist der Wirkungskreis dieser Behörde, [417] ganz der nämliche, wie solcher vor dem Jahre 1806 gewesen, nur daß sie allein auf lutherische Religions-, Kirchen- und Schulsachen beschränkt ist.

Artikel 37.
b) Protestantisch-reformirte Gemeinde.

Dem freien Willen und Gutbefinden der reformirten hiesigen Gemeinde bleibt die Errichtung eines reformirten Consistoriums unter der Direction zweier reformirten Rathsglieder nach dem Muster des evangelisch-lutherischen überlassen.

Da inzwischen diese kirchliche Gemeinde alle Kosten ihres Religionscultus, Vertragsgemäß, ohne Concurrenz des Stadtärarii aus eigenen Mitteln bisher bestritten hat; so soll, so lange dieses Verhältniß fortbesteht, selbst in dem Falle der Errichtung eines eigenen reformirten Consistoriums, doch der reformirten Gemeinde oder den Behörden, welche sie dazu bestimmt, ausschließlich alle jene Befugnisse verbleiben, welche dieselbe bisher durch Wahl und Einberufung ihrer Prediger, Kirchendiener u. dergl. ausgeübt hat.

Artikel 38.

II. Katholische Gemeinde.

Katholische Kirchen- und Schul-Commission.

Zu Besorgung der Kirchen-, Schul- und Erziehungssachen der hiesigen katholischen Gemeinde besteht die rubricirte besondere Commission.

Zwei katholische Senatoren der ersten oder zweiten Rathsordnung, der zeitige Parochus, einer der Kirchendirectoren, nebst einem verbürgerten Rechtsgelehrten, welcher eben so wie jener des lutherischen Consistoriums vorgeschlagen, und vom Senate gewählt wird, bilden dieselbe.

[418]
Artikel 39.
Dotation der lutherischen und katholischen Kirchen, mit Vorbehalt des etwaigen gleichen Anspruchs der reformirten Kirche.

Es soll, nach ausgemitteltem Bedarf, für die eigene Dotation des lutherischen und katholischen Religionscultus und Schulwesens gesorgt werden, und zu dem Ende Vorschläge des Senats an den gesetzgebenden Körper gelangen. Immittelst werden die Kosten aus den dazu bereits bestimmten Fonds, und soweit diese nicht zureichen, aus dem Stadtärario bestritten.

Der reformirten Gemeinde soll hierdurch an ihrem wirklichen oder vermeinten Rechte auf gleichen Anspruch nichts benommen seyn.

Artikel 40.
Kirchenvorstände der drei christlichen Gemeinden.

Eine jede der drei christlichen Gemeinden kann, außer jenen für ihre religiösen kirchlichen und Schulangelegenheiten sorgenden Consistorien und Commissionen noch überdem einen besondern kirchlichen Gemeindevorstand anordnen.

Dieser hat in kirchlichen Angelegenheiten die Gemeinde bei der einschlagenden Behörde zu vertreten, über die äußere Disciplin zu wachen, das Kirchengut zu verwalten, für die Unterhaltung der Kirchen und Pfarrhäuser zu sorgen, die niedern Kirchenofficianten zu ernennen und zu inspiciren.

Artikel 41.
Das hiesige Gymnasium und andere gemischte Lehrinstitute.

Das hiesige Gymnasium soll künftig eine, allen christlichen Confessionen gemeinschaftlich angehörende, jüdische Religionsbekenner nicht ausschließende, jedoch dem evangelischen Consistorio wie ehedem allein untergeordnete Unterrichtsanstalt seyn und bleiben. In diesem Falle sollen [419] die katholischen Schüler des Gymnasiums ihren eigenen Unterricht in der Religion, und, wenn es gewünscht wird, auch in andern wissenschaftlichen Zweigen erhalten und behalten; auch bei der Wahl der Lehrer durchaus keine Rücksicht auf ein besonderes christliches Bekenntniß genommen werden. Sollte aber die katholische Gemeinde die Wiederherstellung des Fridericianums, als des vormaligen katholischen Gymnasiums unter ihrer alleinigen Direction, lieber wünschen; so ist sofort diese Wiederherstellung vorzunehmen.

Andere gemischte Privatinstitute, in welchen der Religionsunterricht nach den protestantischen und katholischen Religionsbekenntnissen ertheilt wird, stehen unter einer, aus den protestantischen Consistorien und der katholischen Kirchen- und Schulcommission delegirten, Inspection von Mitgliedern aller drei Confessionen.

Zu den Attributionen dieser gemischten Commission gehört ferner: die Aufsicht

a) über die Lehranstalten der jüdischen Gemeinde,
b) über die Führung der Kirchenbücher mit Einschluß der jüdischen Geburts- und Sterbelisten,
c) über die Kirchhöfe und Begräbnißsachen, und
d) die Handhabung der Sittenpolizei bei gemischten Ehen, und Ertheilung der Dispensationen in bürgerlich verbotenen Graden bei Eingehung solcher Ehen.
Artikel 42.
Kirchen und Schuldienste.

Im Betrachte der großen Zahl der in Frankfurt und in Sachsenhausen wohnenden Lutheraner, soll die Zahl der lutherischen Pfarrherren für beide Gemeinden nie unter zwölf seyn, auch, um Einheimische zu dem Studium der Gottesgelahrtheit aufzumuntern, zu diesen Pfarrstellen und zu jenen auf hiesigen Dorfschaften keine Candidaten der Theologie befördert werden, welche nicht entweder eingeborne Bürger sind, oder wären sie dieses nicht, doch seit zehn Jahren im hiesigen Bürgerrechte stehen.

[420] Bei Vergebung anderer Lehrstellen der Sprachen und Wissenschaften, leidet dieses jedoch eine Ausnahme, und sind solche überhaupt unter der allgemeinen Vorschrift des Art. 6. eben so wenig, als die bei dem Religionscultus der katholischen und reformirten Gemeinden erforderliche Pfarrherren und Geistliche begriffen.

Doch muß ein jeder, der zu einem Kirchen- oder Schuldienste anher berufen wird, das hiesige Bürgerrecht annehmen.

Artikel 43.
Differenzien in Kirchen- und Schulsachen.

Alle entstehende Differenzien der Mitglieder beider protestantischen Consistorien und der katholischen Kirchen- und Schulcommission unter sich; – alle Klagen der besonderen Religionstheile oder einzelner Mitglieder über Mißbrauch oder Ueberschreitung der Befugnisse der angeordneten kirchlichen Behörden, können bei dem Senate angebracht werden.

Dieser läßt die Beschwerden durch Senatsmitglieder des betreffenden Religionstheils untersuchen, und hilft, nach eingelangtem Berichte, gegründeten Beschwerden ab, durch Zurechtweisung der kirchlichen Behörden in das gehörige Geleise.

Etwaige – in allen Wegen zu vermeidende Irrungen der verschiedenen christlichen Gemeinden unter sich, sey es über religiöse und kirchliche Gegenstände oder über vermeinte Rechte, welche als davon abhängig in Anspruch genommen werden, sollen, so viel nur immer möglich, schiedsrichterlich beigelegt werden.

Artikel 44.
Dem Senate vorbehaltene kirchliche Anordnungen.

Vorübergehende, zeitige kirchliche Anordnungen, welche in allen Staaten von der weltlichen Obrigkeit auszugehen pflegen, alle drei christliche Confessionen in gleicher Maase betreffen, und auf den verschiedenen Religionscultus an [421] und für sich keinen Einfluß haben, z. B. die Begehung und Anordnung von Dankfesten wegen wichtiger weltlicher Ereignisse und dergleichen, verfügt der Senat, bald nach eigenem Gutbefinden, bald nach dem Vorschlag der verschiedenen kirchlichen Behörden, und macht letzteren solche zur Befolgung bekannt.

Artikel 45.
Ständige Bürgerrepräsentation oder Bürgerausschuß (vorhin Bürgercolleg).

Außer dem Senate, als dem Regierungs- und Verwaltungscollegio, bestehet fortwährend eine eigene Bürgerrepräsentation oder ein Bürgerausschuß von 51 hiesigen Bürgern, gewählt aus allen Ständen der hiesigen christlichen Bürgerschaft, mit Berücksichtigung aller drei christlichen Confessionen, von welchen sich zu aller Zeit mehrere Mitglieder darin befinden müssen. Stets soll auch dieses bürgerliche Repräsentationscolleg wenigstens sechs Rechtsgelehrte in seiner Mitte zählen.

Dieser Bürgerausschuß wählt sich selbst einen Senior auf drei Jahre, welcher aber fortwährend reeligibel ist. Er nimmt auch einen rechtsgelehrten Consulenten an, und kommt mit dem Gewählten über die Zeit und Bedingnisse nach Convenienz überein.

Sollte die Erfahrung die Zahl von 51 Mitgliedern des Bürgerausschusses als zu gering bewähren; so kann das Collegium auf eine Vermehrung bei dem gesetzgebenden Körper antragen.

Artikel 46.
Wahlart der Mitglieder des Bürgerausschusses.

Abgesehen von der transitorischen ersten Wahl des Bürgerausschusses[WS 3] soll die Wahl der Mitglieder desselben bei hiernächst erledigt werdenden Plätzen folgendermaßen geschehen.

Der Bürgerausschuß wählt aus seiner Mitte sechs Personen und ein gleiches geschiehet von jenen 45 Bürgern, [422] welche einen Theil des gesetzgebenden Körpers ausmachen.

Diese 12 Wahlherren treten zusammen und wählen durch absolute Stimmenmehrheit drei qualificirte Subjecte.

Sie begeben sich hierauf in das versammelte Colleg der ständigen Bürgerrepräsentation, und es wird in ihrem Beiseyn die Kugelung vorgenommen, sofort auch dem Senate die getroffene Wahl bekannt gemacht.

Artikel 47.
Qualification der Mitglieder des Bürgerausschusses.

Verpflichtung zur Annahme. Entschuldigungsgründe[WS 4].

Jeder christliche hiesige Bürger, ohne Unterschied der Confession, des Standes und Gewerbes, welcher nicht bereits in andern Diensten des hiesigen Staats steht, kann in den Bürgerausschuß gewählt werden. – In Ansehung der Verpflichtung zur Annahme, verbleibt es bei demjenigen, was unter der reichsstädtischen Verwaltung als Gesetz gegolten hat. Hierbei treten folgende nähere Bestimmungen ein:

a) solche Bürger, welche Art. 12. von der Wahl in den gesetzgebenden Körper ausschließt, sind auch nicht wahlfähig zu dem Bürgercollegio.
b) Vater und Sohn, Bruder, Schwiegersohn und Schwiegervater, können nicht zu gleicher Zeit in den Bürgerausschuß gewählt werden. Wenn jedoch das Affinitätsverhältniß erst entsteht, zwischen Personen, die bereits im Colleg sind; so veranlaßt dies keine Nothwendigkeit zum Austritt.
c) Wer zur Zeit der Wahl bereits 60 Lebensjahre vollendet hat, ist zwar wahlfähig, er kann sich aber – wenn er will – die Annahme verbitten.
d) Die Mitglieder des Bürgerausschusses bleiben es lebenslänglich, dafern sie nicht in den Senat gelangen.

[423]

e) Wenn jedoch ein hiesiger Bürger 5 Jahre lang im Bürgerausschuß gesessen hat; so kann er um seine Entlassung nachsuchen.
f) Da es möglich wäre, daß ein solcher wegen vorübergehender Verhinderungen, als Schwächlichkeit der Gesundheit, vorhabenden Reisen, überhäuften Gewerbsbeschäftigungen u. dgl. seine Entlassung nähme, sich aber nach in der Folge gehobenem Hinderniß den Rücktritt in dieses Colleg wohl gefallen ließe; so sollen solche Personen immer reeligibel seyn, es hängt aber von ihnen ab, ob sie die Wahl annehmen wollen oder nicht.
Artikel 48.
Wirkungskreis der ständigen Bürgerrepräsentation.

Der Wirkungskreis des ständigen Bürgerausschusses verbleibt der nämliche, wie solcher durch kaiserliche Resolutionen in der alten reichsstädtischen Verfassung sich bestimmt findet, in sofern nicht diese Constitutionsergänzungsacte durch Einrichtung der jährlichen gesetzgebenden Versammlung und deren Attributionen darin, in gleicher Maase, wie bei dem Senate, eine Abänderung eingeführt hat.

Der Bürgerausschuß[WS 5] soll aber, wenn nicht wenigstens zwei Drittheile seiner Mitglieder in der Versammlung gegenwärtig sind, keine Entschließung fassen.

Artikel 49.
Stadtrechnungs-Revisionscolleg (vormals Neunercolleg).

Das unter der reichsstädtischen Regierung bestandene Neunercolleg soll künftig nicht mehr als vom Bürgerausschuß getrennter Körper bestehen, sondern der Bürgerausschuß hat zu dem städtischen Rechnungsrevisionsgeschäfte neun seiner Mitglieder, welche übrigens im Bürgerausschuß Sitz und Stimme behalten, zu erwählen. In Ansehung dieses besonderen Rechnungsrevisionsgeschäfts, stehen diese Mitglieder des Bürgerausschusses in besonderen [424] Pflichten, und sind von dem Collegio der 51er unabhängig.

Sie können auch, in Beziehung auf dieses Rechnungsrevisionsgeschäft collegalische Erklärungen an das Colleg der 51er und an den Senat abgeben, und bedürfenden Falles, wie ehehin, einen rechtsgelehrten Actuar annehmen, welcher zugleich ihre Registratur besorgt.

Artikel 50.
Beschluß.

a) Soll in den, in der alten Stadtverfassung und in der vorliegenden Ergänzungsacte enthaltenen organischen Gesetzen eine Abänderung vorgenommen werden; so wird, um eine solche Abänderung in Deliberation setzen zu können, erfordert, daß der Senat und der gesetzgebende Körper darüber beide, und zwar durch eine Mehrheit der Stimmen von 2/3 in jedem Körper, für deren Zulässigkeit vorerst bejahend entschieden haben.

Ist nicht bejahend entschieden worden; so kann der Gegenstand erst nach drei Jahren wieder in Vorschlag gebracht werden. Im Gegenfalle wird der Gegenstand in dem gesetzgebenden Körper in Deliberation gesetzt, und über die Annahme oder Nichtannahme der in Vorschlag gekommenen Abänderung gestimmt. Zur Annahme wird eine Mehrheit der Stimmen von 2/3 erfordert. Wenn aber auch diese Annahme beschlossen ist; so erhält der Beschluß doch nur erst dann Gesetzeskraft, wenn über denselben in den drei verschiedenen Abtheilungen der Bürgerschaft durch die Mehrheit abgestimmt worden, und zwei Abtheilungen für die Annahme gestimmt haben.

b) Die authentische Erklärung aller Artikel dieser Constitutionsacte gehört vor die gesetzgebende Versammlung.

Endlich

c) sollen dem gesetzgebenden Körper sämmtliche bei der Commission der XIII von Seiten der Löblichen Bürgerschaft übergebene Monita, sammt der darüber geführten Registratur vom Senate zugestellt werden, um von den darin enthaltenen guten und gemeinnützigen Vorschlägen, in soweit solche allzusehr in’s Specielle eingehen, und eben darum [425] von der Commission der XIII vorerst nicht benutzt werden konnten, noch in Zukunft geeigneten Gebrauch zu machen.

Artikel 51.
Transitorische Verordnungen.

I. Die sämmtlichen jetzo lebenden Mitglieder des Senats, mit Einschluß der bisherigen vier Syndiken und Appellationsgerichtsräthe, sind und werden hiermit in ihren Rathsämtern und Würden, ein jeder nach seinem bisherigen Rang und Ordnung, bestätigt.

Diejenigen unter ihnen, welchen auf ihr Ansuchen wegen Alters oder körperlicher Schwäche vom Senate mit Entlassung willfahrt werden kann, behalten den dermalen genießenden vollen Gehalt.

II. Der Senat in seinen jetzo lebenden Mitgliedern, mit Einschluß der vier Syndiken, wird alsbald nach Genehmigung dieser Constitutionsacte außerordentlicher Weise – wie solches zur Zeit des errichteten alten Bürgervertrags geschehen ist – mit 20 neu zu wählenden Mitgliedern vermehrt.

Zwei werden auf die dritte Rathsordnung aus den zünftigen Handwerkern, und 18 auf die zweite Rathsordnung gewählt.

Unter den letztern 18 müssen sich, um das, in seinem jetzigen, ad Corpus Senatus nicht gehörigen, Personale, mit dem Vollzug dieser Constitutionsergänzungsacte für aufgehoben erklärt werdende bisherige Gericht erster Instanz, ersetzen zu können, 12 Rechtsgelehrte befinden, während die sechs andern aus den Adelichen, angesehenen Handelsleuten, Rentenirern und Gutsbesitzern gewählt werden können.

Auch sollen unter den 20 zu wählenden Rathsgliedern dieses Mal wenigstens vier der katholischen und zwei der reformirten Religion zugethan seyn. Um die Gleichstellung der Anzahl der Mitglieder der ersten und zweiten Rathsordnung herzustellen, rücken so viele der jetzigen Mitglieder der zweiten Ordnung auf die erstere über, als hierzu – nachdem die Syndiken unter die Mitglieder der ersten Ordnung [426] nach ihrem jetzo habenden Range mitgerechnet worden – nöthig ist, ohne jedoch darum, so lange nicht die bestimmte Zahl von nur 14 mit Einschluß der vier Syndiken hergestellt ist, den höhern Gehalt der Mitglieder der ersten Ordnung in Anspruch nehmen zu dürfen.

III. Wer von den jetzigen Räthen des Gerichts erster Instanz bei der von ihnen selbst angetragenen und allgemein gewünschten veränderten Gerichtsverfassung nicht alsbald in den Senat gewählt wird, verbleibt in dem vollen Genusse seines jetzigen Gehalts, muß sich aber in andern, seiner jetzigen Kategorie gleichkommenden angesehenen, Stadtdiensten, sobald solches jetzo oder in Zukunft ihm angesonnen wird, gebrauchen und anstellen lassen.

IV. Zwar behält der zeitige bisherige Stadtschultheiß lebenslänglich seinen Rang als vorderstes Rathsglied, und ist als Schultheiß Präsident des Appellationsgerichts; dahingegen wird vom Senate sofort nach erfolgter Wahl der 20 neuen Rathsglieder zu einer neuen Wahl der Bürgermeister und Besetzung aller Stadtämter, weniger nicht der Gerichte, soweit letzteres nöthig, nach Maasgabe dieser Constitutions-Ergänzungsacte vorgeschritten.

V. Um die Wahl der neuaufzunehmenden Senatsmitglieder, besonders aus den katholischen und reformirten Gemeinden, ingleichen die Wahl der jetzigen Räthe des Gerichts erster Instanz in den Senat nicht zu erschweren, soll diesesmal, und ohne Consequenz für die Zukunft, auf die ausschließenden Grade der Verwandt- oder Schwägerschaft, so wenig als auf das Indigenat oder den zehnjährigen Besitz des hiesigen Bürgerrechts, von den Wählenden müssen reflectirt werden; vielmehr sollen diese ersten Rathswahlen gleich, wie sie auf eine besondere Art vollzogen werden, also auch vollkommen frei seyn. Nur Talente, Rechtschaffenheit, Fleiß und Genuß des öffentlichen Vertrauens, sollen die Wählenden zu ihrem Augenmerke nehmen. Eben so wenig ist die Verordnung dieser Constitutionsacte, daß zu hiesigen Stadtämtern und Diensten nur solche Personen gelangen können, welche entweder eingebohrne Bürger sind, oder seit 10 Jahren dahier im Bürgerrechte stehen, auf die so genannten Pensionisten der hiesigen freien Stadt anzuwenden, vielmehr tritt in Ansehung ihrer eine Ausnahme ein.

[427] VI. Bis die Anzahl der Rathsmitglieder mit Einschluß der Syndiken auf die Zahl der 42 sich vermindert hat, werden keine neue Rathswahlen vorgenommen; es wäre denn, daß die Befolgung des Artikel 6 dieser Constitutions-Ergänzungsacte, daß nämlich Mitglieder aller drei christlichen Confessionen im Senate seyn müssen, solche neue Rathswahlen erforderte. Auch soll erst, wenn die Zahl der Rathsglieder auf 42 vermindert worden, die dritte Rathsordnung auf 14 vermehrt werden.

VII. Bei aller Anerkenntniß der Verdienste der Mitglieder des bisherigen Bürgercollegs um die hiesige Stadt und Bürgerschaft, soll doch, um der künftigen neuen ständigen Bürgerrepräsentatation den eigentlichen Charakter einer von der Bürgerschaft selbst gewählten Repräsentation zu verschaffen, und um dessen jetzige Mitgliedern von den Collegien der 75. und 45. diesesmal nicht auszuschließen, in Gemäßheit der eigenen Erklärung dieses Collegs vom 6. November 1815, sofort nach erfolgter Annahme dieser Constitutions-Ergänzungsacte[WS 6], zu einer neuen Wahl des Bürgerausschusses geschritten werden.

VIII. Die Wahlen geschehen diesesmal in nachstehender Reihenfolge, und auf die hiernächst beschriebene Weise:

a) Es wird durch die, in dem Artikel 11. diesen Constitutionsergänzungsacte angeordneten, drei Bürgerabtheilungen ein Wahlcollegium von 75 Bürgern formirt.
b) Dieses Wahlcollegium der 75 wählt nach Artikel 12. der Constitutionsergänzungsacte 45 Personen. Die jetzigen Mitglieder des Bürgercollegs sind in diesem transitorischen Falle, weder von der Zahl der 75, noch jener der 45 ausgeschlossen, sondern können durchaus wählen und gewählt werden.
c) Von diesen 45 hiesigen Bürgern wird sofort der aus 51 Personen bestehende Bürgerausschuß gewählt, oder, wenn sie es für besser oder gerathener fänden das ganze Colleg der jetzigen 61er, statt einer individuellen Wahl seiner Mitglieder, bestätiget. In

[428] diesem Falle werden die Ueberzähligen allmählig abgehen.

Wer im erstern Falle aus den jetzigen Mitgliedern des Bürgercollegs gewählt wird, nimmt seinen vorigen Anciennetätsrang ein, und ob man gleich zu dem Patriotismus dieser Bürger sich versehen darf, daß sie die Annahme dieser Wahlen, nicht von sich ablehnen werden; so sollen doch diejenigen von ihnen, welche dem gemeinen Stadtwesen schon fünf Jahre lang im Bürgercolleg Dienste geleistet haben, zur Annahme nicht können gezwungen werden.
d) Hierauf constituirt sich das neue Colleg des Bürgerausschusses als ständige Bürgerrepräsentation, wählt seinen Senior und Consulenten.
e) Diejenigen Personen, welche aus der Zahl der 45 Wählenden in den Bürgerausschuß etwa kommen, werden sogleich und schon während dem Wahlact der 51 wieder durch Einrücken jener, welche bei dem Wahlcolleg der 75 nach ihnen die mehrsten Stimmen gehabt haben, ersetzt. Hierauf vereinigen sich
f) diese 45 mit den 51 Mitgliedern des neu gewählten oder respective im Bestätigungsfalle – mit den 61 Mitgliedern des bestätigten Bürgerausschusses, und legen in die Hände des älteren Bürgermeisters einen Wahleid dahin ab:
„Daß sie, bei dem ihnen nun obliegenden Vorschlage zu Rathspersonen, lediglich auf das Wohl der hiesigen Stadt, nach besten Einsichten, Wissen und Gewissen, Rücksicht nehmen wollen.“

Sie machen sofort durch absolute Stimmenmehrheit einen Vorschlag von vier Candidaten zu Rathsstellen an den versammelten Senat, woraus dieser zwei wählt. Mit diesem Vorschlage wird successive fortgefahren, bis die 20 neuen Rathsglieder gewählt sind.

Doch stehet in dem vorliegenden besonderen Falle nicht nur dieser Versammlung frei, in Rücksicht der Verdienste der Mitglieder des bisherigen Gerichts erster Instanz die sämmtlichen jetzigen Stadtgerichtsräthe dem Senate zur Aufnahme in das Rathscollegium auf einmal [429] zu präsentiren, sondern der Rath soll auch ermächtigt seyn – ob derselbe will – diese in Vorschlag kommende Gesammtaufnahme durch Stimmenmehrheit zu genehmigen.

Artikel 52.
Vorschlag wegen Annahme dieser Constitutions-Ergänzungsacte, durch die Stimmenmehrheit der hiesigen Bürgerschaft.

Dieser gutachtliche Entwurf einer Constitutions-Ergänzungsacte wird dem Senate von der Commission der XIII sammt den geführten Protokollen und bei der Commission eingekommenen Monitis mit Bericht übergeben.

Nach dem solcher hiernächst sammt dem Commissionsberichte, jedoch ohne die Anlagen, gedruckt, und in allen Stadtquartieren ausgetheilt worden, verfügt der Senat die Abstimmung über die Annahme, mit Ja, oder die Nichtannahme mit Nein, in den Stadtquartieren auf die Weise, daß bei den Quartiervorständen mit Zuziehung einiger Beistände und eines Notars ein Protokoll eröffnet wird, zu welchem ein jeder hiesiger christlicher Bürger, binnen einer zu bestimmenden Frist und zwar persönlich, mit Ja oder Nein abstimmt.

Die Einreichung anderweiter Modificationen und Vorschläge – schriftliche Verwahrungen, Erklärungen Mehrerer zusammen, können nach Beschaffenheit des Gegenstandes hierbei um so weniger beachtet und angenommen werden, als es theils der gesammten Bürgerschaft um Beendigung des bisherigen provisorischen Zustandes dermalen hauptsächlich zu thun ist, und anderntheils in dieser Acte ein gesetzlicher Weg zu allen künftighin nöthig befunden werdenden weiteren Abänderungen und Verbesserungen der hiesigen Stadtverfassung eröffnet ist, es auch in der Unmöglichkeit liegt, allen Ansichten und Wünschen auf einmal zu genügen.

Hat die Mehrzahl der gestimmt habenden hiesigen christlichen Bürger für die Annahme zu den Quartiersprotokollen, welche von dem Quartiersvorstand, [430] den Beiständen und dem Notar zu beglaubigen und dem Senate einzureichen sind, gestimmt; so wird diese Constitutions-Ergänzungsacte als Verfassungsgesetz vom Senate publicirt und alsbald in Vollzug gesetzt.

Frankfurt den 29. Junius 1816.

 Kommission der XIII

 und in deren Namen Kraft besonderen Auftrags

 Dr. J. Büchner, Synd. prim.

 J. P. Frhr. v. Leonhardi.

 Joh. Gottlieb Dietz, b. R. Dr.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Urberhaupt
  2. Vorlage: des
  3. Vorlage: Bür|ausschusses
  4. Vorlage: Entschuldigungsgünde
  5. Vorlage: Bürgerausschluß
  6. Vorlage: Ergänzunsacte