Franz Drake

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Autor: S. J.
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Titel: Franz Drake
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aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 220, 222–223
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Franz Drake.


Es war im September des Jahres 1513. Ein Zug bewaffneter Spanier, von Bluthunden begleitet, von Indianern geführt, klomm die Pässe der Anden hinauf. Sie waren von der Küste des Atlantischen Oceans aufgebrochen und wollten die Landenge von Panama durchqueren, um das große Meer jenseit Amerikas zu erreichen, das bis Tahiti noch keines Europäers Auge geschaut hatte und das den Spaniern nur aus den Berichten der Eingeborenen bekannt war.

Am 25. September um 10 Uhr morgens traten die indianischen Führer an den Befehlshaber der Spanier, den kühnen Ritter Vasco Nuñez de Balboa, heran und theilten ihm mit, daß er von der nächsten Anhöhe das andre Meer erblicken werde. Ein denkwürdiger Augenblick in der Geschichte der Eroberung der Erde nahte.

Balboa fühlte es, und so befahl er seinen Begleitern, zurückzubleiben, und ging allein auf die Spitze der waldentblößten Anhöhe. Von hier erblickte er einen gliederreichen Golf, der sich nach dem andern Weltmeer öffnete. Da warf sich der Entdecker auf die Kniee, jauchzte mit erhobenen Armen den australischen Gewässern zu und dankte inbrünstig Gott für die Gnade, die er ihm erwiesen. Bald darauf standen die Spanier an der Mündung des kleinen Savanasflusses, und als die Fluth herankam und das halbentleerte Bett sich füllte, da sprang Balboa in voller Rüstung, die Fahne mit dem Bilde der Jungfrau in der Linken, das gezückte Schwert in der Rechten, bis an die Kniee in das brandende Meer und ergriff für die Krone von Kastilien Besitz „von diesen australischen Meeren, Ländern, Gestaden, Häfen und Inseln, mit ihren Reichen und Marken vom Nordpol bis zum Südpol!“

So wurde im Jahre 1513 der Große Ocean entdeckt. Aber den Namen erhielt er damals noch nicht; die Spanier, die von Norden gekommen waren, nannten ihn die „Südsee“, und sie hatten keine Ahnung von seiner wirklichen Größe.

Sieben Jahre später segelte ein Portugiese in spanischen Diensten durch die von ihm entdeckte Straße im Süden Amerikas vom Atlantischen Ocean in die Südsee hinein. Es war Magalhães, der erste Weltumsegler; er trat die Heldenfahrt durch das unbekannte Meer an, welches nunmehr in seiner wahren Größe erkannt wurde – „als ein ungeheueres Meer, das größer ist, als man fassen kann“, wie einer seiner Begleiter schrieb.

Magalhães fiel am 27. April 1521 im Kampfe mit den Eingeborenen auf der Insel Matan, aber sein Steuermann Sebastian del Cano vollendete die Erdumseglung, und am 6. September 1522 lief die „Victoria“, von Würmern zerfressen, geflickt, mit gebrochenen Masten und zerrissenen Segeln, in den Hafen von San Lucar ein, den sie vor drei Jahren verlassen hatte.

Der Große Ocean war erschlossen; aber er blieb ein spanisches Meer. Spanische Schiffe befuhren ihn; sie brachten die Schätze Perus nach Panama, von wo sie nach der Küste des Atlantischen Oceans befördert wurden. Man scheute die mühselige Fahrt durch die Magellanstraße. Ja, wenige Jahrzehnte nach Magalhães’ Tode schrieb ein Spanier, „die Straße sei den spanischen Piloten jetzt verloren gegangen, entweder weil man ihre richtige Lage nicht mehr wisse, oder vielleicht, weil eine von dem stürmischen Meere und wüthenden Winden losgerissene Insel sie verstopft habe."

Erst als Spaniens Stern zu sinken und England nach der Herrschaft der Meere zu trachten begann, erstand ein Nachfolger Magalhães’ in dem englischen Seehelden Franz Drake; erst im [222] Jahre 1578 drangen wieder Schiffe in die düstere, sturmdurchtobte Magellanstraße ein, durchquerten wieder den Großen Ocean, um rund um die Erde über Afrika nach Europa heimzukehren.

England ist mit Recht stolz auf Franz Drake, denn er zählt zu den Begründern seiner Seemacht und war für viele Söhne Albions durch seinen verwegenen Muth und seine rastlose Thatkraft ein leuchtendes Vorbild. Seine Gegner fürchteten und haßten ihn zugleich und gaben ihm den Beinamen eines „Erzpiraten des Erdglobus.“

Francis Drake wurde vermuthlich zu Tavystock in Devonshire geboren. Ueber sein Geburtsjahr herrscht keine Klarheit; man nimmt an, daß er um 1540 das Licht der Welt erblickt habe. Auch über den Stand seines Vaters ist man nicht genau unterrichtet; die einen behaupten, er sei Schiffsprediger, die anderen, er sei Matrose gewesen. Soviel aber steht fest, daß der junge Franz frühzeitig zur See ging. Als er selbständig wurde, trieb er Handel in Guinea und den westindischen Gewässern.

Da wurde er eines Tages von Spaniern überfallen und ausgeplündert. Wie einst Hannibal den Römern, so schwur er den Spaniern ewige Rache – und er hat seinen Schwur gehalten.

Im Mai des Jahres 1572 verließ Drake mit zwei wohlausgerüsteten Schiffen den Hafen von Plymouth, aber nicht als ein friedlicher Kauffahrer, sondern als Seeräuber. Westindien war sein Ziel, und er wählte die Landenge von Panama zum Schauplatz seiner Thaten. Nombre de Dios war die erste Stadt, für die sein Name schrecklich werden sollte. Es gelang ihm, die Stadt zu uberrumpeln und einen reichen Raub an Silberbarren, Gold und Edelsteinen davonzutragen. Hier erfuhr er aber auch, daß eine reiche Karawane von Panama am Großen Ocean nach dem Hafen von Nombre de Dios aufgebrochen war. Diese Gelegenheit wollte er sich nicht entgehen lassen. Er verband sich mit den Indianern, welche ihre spanischen Bedrücker haßten, und marschierte an der Spitze von achtzehn Matrosen gegen Panama, um der Karawane aufzulauern. Dieser Marsch begann am 3. Februar 1573; am 11. desselben Monats wurde auf beschwerlichen Wegen der Rücken des Berggrates erreicht, welcher sich über die Landenge hinzieht.

Da zeigten ihm seine indianischen Führer einen Baum und sagten ihm, daß er vom Gipfel desselben die Nordsee würde sehen konnen, von der er gekommen sei, und zugleich die Südsee, deren Gestade er jetzt erreichen wolle. Drake bestieg den Baum auf Stufen, die in den Stamm gehauen waren – und er war nun der erste Engländer, welcher den Großen Ocean erblickte.

Der Anblick der beiden Weltmeere wirkte auf ihn überwältigend, namentlich die ihm noch unbekannte Südsee erfüllte ihn mit brennendem Verlangen, und er faßte hier den Entschluß, alles dran zu setzen, um auf einem englischen Schiffe in diesen Ocean einzudringen. Bald darauf stieß er auf die erwartete Karawane; er griff sie mit tollkühnem Muthe an, erbeutete zwei mit Silber beladene Maulthiere und entkam glücklich nach seinen Schiffen, mit denen er im August 1573 nach England zurückkehrte.

Hier trat er eine Zeitlang in die Dienste der Regierung und nahm theil an den Kämpfen gegen Irland; vor allem aber suchte er seinen Plan, in die Südsee einzudringen, zu verwirklichen. Er trug ihn der Königin Elisabeth vor, und diese billigte ihn. So rüstete er im Jahre 1577 ein Geschwader von fünf Schiffen („Pelikan“, „Elisabeth“, „Ringelblume“, „Schwan“ und „Christopher“) aus und segelte nach der Magellanstraße. Der Zweck seiner Fahrt war die Plünderung der reichen Küstenstädte Perus; das Schicksal fügte es aber, daß diese Fahrt zu der denkwürdigsten aller Korsarenfahrten wurde und sogar die Bedeutung einer Entdeckungsfahrt erhielt.

Als Drake die Magellanstraße erreichte, taufte er zur Feier des Ereignisses sein Flaggschiff um, das fortan nicht mehr „Pelikan“, sondern „Die goldene Hindin“ hieß. Auf die Freude über das erreichte Ziel folgte aber bald Trauer, denn bei der Umschiffung Amerikas verlor Drake, durch Stürme nach Süden verschlagen, die meisten seiner Schiffe, von denen eins nach England zurückkehrte.

Seine Kräfte waren dadurch geschwächt, allein sein Muth sank nicht. In der That hatte er hier auch ein leichtes Spiel. Die Gewässer des Großen Oceans längs der amerikanischen Küste waren bis dahin, wie wir das schon angedeutet haben, ein spanisches Meer, die Städte an den Küsten des ehemaligen Peru fühlten sich durchaus sicher, denn in diesen Gewässern waren Seeräuber unbekannt. Als daher Drake zuerst vor Valparaiso erschien, ergriffen die Bewohner in panischem Schrecken die Flucht, und fast ungestört plünderte er die Stadt und den Hafen. Der Ruf von dem Auftauchen eines Seeräubers breitete sich zwar rasch in Peru aus; die Küstenstädte wurden gewarnt, aber bei der Unzulänglichkeit der damaligen Verkehrsmittel war Drake schneller als die spanischen Boten, und so konnte er ziemlich ungefährdet sein Räuberhandwerk fortsetzen, Hafenstädte plündern und Schiffe kapern. Seine Beute an Gold, Silber und Edelsteinen wurde schließlich auf 150000 Pfund Sterling, etwa drei Millionen Mark, geschätzt.

Der Rachedurst des Piraten war nunmehr gelöscht und er mußte an die Heimkehr denken. Sollte er wieder über die Magellanstraße England zu erreichen suchen? Das erschien ihm zu gefährlich; denn es waren nunmehr seit seiner Abfahrt von Plymouth anderthalb Jahre verflossen, und es stand sicher zu erwarten, daß die Spanier inzwischen eine Flotte ausgerüstet hatten, die ihm den Weg an der Magellanstraße verlegen sollte.

Um mit dieser nicht zusammenzutreffen, faßte Drake einen kühnen Entschluß.

Man glaubte damals, daß im Norden Amerikas eine ähnliche Durchfahrt vom Atlantischen nach dem Großen Ocean vorhanden sei, wie dies im Süden bei der Magellanstraße der Fall war. Drake beschloß nun, diese Durchfahrt aufzusuchen, und so ging er am Schlusse seiner Korsarenfahrt auf Entdeckungen aus. Er segelte nordwärts, „um Amerika in nordöstlicher Richtung zu umsegeln“, drang auch gegen 1400 Seemeilen in dieser Richtung vor, aber nirgends zeigte sich die erhoffte Durchfahrt, überall versperrte ihm das Festland den Weg. Schließlich gelangte er bis zum 48° nördlicher Breite, wo die Kälte so groß war, daß ihm die Lebensmittel gefroren, und vor ihm erhob sich an der Küste ein hohes schneebedecktes Gebirge. Nun sah er sich zur Umkehr gezwungen; er lief in einen bequemen Hafen des heutigen Kaliforniens ein, wo er seiner Mannschaft einige Zeit Ruhe gönnte.

Die Magellanstraße schien ihm gesperrt, die nordöstliche Durchfahrt unerreichbar, so kam er auf den Gedanken, weiterhin den Spuren Magalhães zu folgen und quer durch den Großen Ocean, über die Gewürzinseln und das Kap der Guten Hoffnung nach England zurückzukehren. Das Glück war ihm günstig, und am 26. September 1580 landete die „Goldene Hindin“ in England, wo Drake mit ungeheurem Jubel als der erste englische Weltumsegler empfangen wurde. Die Spanier führten bei der englischen Regierung Klage gegen den kühnen Seeräuber, und Drake mußte auch einen Theil des Raubes herausgeben; es blieb ihm aber noch immer genug übrig und dazu erntete er noch unverhoffte Ehren.

Am 4. April 1581, als die morsche „Goldene Hindin“ im Hafen zu Deptford lag, erwies die Königin Elisabeth Drake die Ehre, daß sie ihn auf seinem Schiffe besuchte und auf demselben ein Festmahl abhielt. Bei dieser Gelegenheit wurde Drake zum Ritter geschlagen und hieß nunmehr Sir Francis Drake; die Königin verlieh ihm ein neues Wappen, auf dem ein Schiff und ein Erdglobus abgebildet waren, indessen hat Drake auch in späterer Zeit sein altes einfacheres Wappen benutzt, das einen Adler mit ausgebreiteten Flügeln darstellte. An den Mastbaum des Schiffes aber schlug man die bekannten Verse:

„Und könnten Menschen von dir schweigen,
Die Sterne müßten redend zeugen,
Die Sonne kann sich nicht vermessen,
Je dein Geleite zu vergessen!“

Die „Goldene Hindin“, das erste englische Schiff, welches die Erde umsegelt hatte, sollte auf Befehl der Königin als Nationalheiligthum im Hafen von Deptford aufbewahrt werden; da aber das morsche Holz bald in Stücke zerfiel, so wurde aus den besten Theilen desselben ein Stuhl gezimmert, der noch heute in der Universität zu Oxford aufbewahrt wird.

Drake gehörte nicht zu den Männern, die auf ihren Lorbeeren ausruhen können. Schon wenige Jahre darauf tauchte er wieder – ein Schrecken der Spanier – plündernd und sengend in den westindischen Gewässern auf. Von hier aus besuchte er die englische Niederlassung in Virginien, und von dort soll er auch zum ersten Male die Kartoffel nach England gebracht haben. Aus diesem Grunde wurde ihm im Jahre 1853 der badischen Stadt Offenburg ein Denkmal errichtet; aber die neuere Forschung [223] hat erwiesen, daß die Kartoffel schon früher in Europa bekannt war und Drake sich nur um die Verbreitung der wichtigen Pflanze verdient gemacht hat.

Endlich sollte der Seeräuber als englischer Admiral auftreten. Zwischen England und Spanien zog sich ein Kriegsgewölk zusammen, und Drake erschien plötzlich vor Cadix, um die spanischen Rüstungen zu verhindern. In der That gelang es ihm, eine große spanische Transportflotte zu zerstören.

Nun rüstete Spanien die berühmte unüberwindliche Armada aus. 130 große und 30 kleinere Kriegsschiffe mit 30 000 Mann, 2630 Kanonen, dem Großinquisitor und 150 Dominikanern an Bord bedrohten England. Königin Elisabeth konnte diesem Feinde nur eine kleine Flotte unter dem Oberbefehl Lord Howards entgegenstellen, aber unter diesem wirkten als Admirale ausgezeichnete Seeleute wie Hawkins, Frobisher und vor allem Drake. So erscheint der ehemalige Korsar als Vertheidiger der Freiheit seines Vaterlandes und seines Glaubens, und sein Antheil an der Vernichtung der Armada war ein hervorragender; man erzählt, daß spanische Schiffe schon bei Nennung von Drakes Namen sich dem gefürchteten Feinde ergeben hätten.

Drake setzte nunmehr als Admiral seine Kämpfe gegen die Spanier fort. Wir sehen ihn zuletzt an der Spitze einer Expedition, die gegen Westindien gerichtet ist. Die Landenge von Panama, auf welcher er seine ersten kriegerischen Lorbeeren gepflückt hatte, wurde wieder zum Schauplatz seiner Thaten. Es waren die letzten. Das Glück war ihm nicht hold, und als ihm ein Angriff auf Panama mißlang, fühlte er sich in seinem Ehrgeiz derart gekränkt, daß er in Fieber verfiel und starb. Wie über seinen Geburtstag die Angaben der Geschichtschreiber sich widersprechen, so ist auch sein Todestag nicht genau festgestellt; die bewährtesten Quellen nennen den 28. Januar 1595.

Am 29. Januar wurden seine sterblichen Ueberreste in einen bleiernen Sarg gethan und dieser in die Tiefe des westindischen Meeres versenkt. So wurden die Wogen sein Leichentuch und die Wasser der See sein Grab, aber – singt ein unbekannter englischer Dichter jener Zeit – „der Ocean war zu klein, um seinen Ruhm zu fassen“.

Das ist nun freilich eine starke poetische Uebertreibung. Ohne Zweifel eröffnet Sir Francis Drake die lange Reihe der englischen Seehelden, aber in der Geschichte der geographischen Forschung, unter den großen Weltentdeckern nimmt er einen untergeordneten Rang ein. Hoch überragen ihn die Gestalten eines Kolumbus, Magalhães und Vasco da Gama und sein Ruhm kann sich mit dem seines großen Landsmannes James Cook nicht messen. S. J.