Fronleichnamsprocession zu München im 18. Jahrhundert

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Autor: Karl Albert Regnet
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Titel: Fronleichnamsprocession zu München im 18. Jahrhundert
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 356-357, 368
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1885
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Blätter und Blüthen
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[356-357]

Fronleichnamsprocession auf dem alten Schrannenplatz (Marienplatz) zu München im 18. Jahrhundert.
Nach dem Oelgemälde von Ludwig von Hagn. Photographie im Verlag von Fr. Hanfstängl in München.

[368] Fronleichnamsprocession zu München im 18. Jahrhundert. (Mit Illustration S. 356 und 357.) München war bis in unser Jahrhundert herein eine ausschließlich katholische Stadt, und so konnte es nicht fehlen, daß auch das öffentliche Leben nach dieser Richtung hin ein streng ausgesprochenes Gepräge trug. Den ersten Platz unter den zahlreichen kirchlichen Festen, an denen sich die Bevölkerung massenhaft betheiligte, nahm die Fronleichnamsprocession ein, namentlich seit die Jesuiten in München ein prächtiges Kollegium besaßen. Sie waren es auch, welche der Fronleichnamsprocession einen stark theatralischen Charakter gaben. Außer einer Schar weißgekleideter Engel mit goldenen Flügeln sah man im Zuge auch den leibhaftigen Gottseibeiuns mit Hörnern, Schwanz und Klauen, der durch allerlei Späße die Andächtigen im Gebete zu stören suchte, dafür aber auf dem Schrannenplatze von den Engeln angegriffen und schließlich durch den Rathbogen ins „Thal” hinab gejagt wurde.

Gleichzeitige Aufschreibungen lehren uns, wie große Mühe und Sorgfalt auf die Inscenirung der Fronleichnamsprocession verwendet ward. So bestimmte eine bezügliche Vorschrift vom Jahre 1580, daß die Person des Gottvaters lang, gerade, stark und wohlgeformt sein müsse, „fast einer solchen Gestalt, wie der alte Doktor Six seligen Andenkens ausgesehen“. Er mußte „einen stetigen Gang an sich nehmen, wenig umsehen und nicht sauer, noch lächerlich, sondern fein sittsam aussehen”. In Betreff der Person Christi mußte man vierzehn Tage zuvor auf den Straßen, in den Kirchen etc. fleißig Obacht haben, um Personen zu wählen „von gehöriger Manneslänge, nicht zu dicke, von guter gesunder Farbe, wohlgebildetem, länglichem Angesichte, ohne unförmliche Nasen, Schielen und Zahnlücken, von feinen Physiognomien, nicht langen grauen, sondern ziemlich kurzen kastanienbraunen oder doch etwas lichteren Bärten mit zwei Spitzen und sonst am Leibe nicht tadelhaftig, insonderheit aber sittsam und gottesfürchtig”. Marien erschienen 16 im Zuge; die schönste kam zuletzt, fuhr auf Wolken und setzte den Fuß auf einen „Mondschein”.

Zum heiligen Georg nahm man den schönsten und stärksten Mann der ganzen Stadt. Er hatte den die heilige Margaretha bedrohenden Lindwurm „stark und richtig zu durchbohren, daß die darin verborgene riesige Blutwurst das zuschauende Frauenzimmer selbst in den zweiten Häuserstöcken und alles Volk unter ungemeinem Hin- und Herflüchten und Gelächter mit dunklem Blut übergösse”. Andererseits mußten die Hohenpriester Melchisedek, Aaron, Kaiphas etc. theils „lange dicke, graue Bärte, theils gar kurze Knebelbärtchen zwei kleine Zipfel am Kinnbacken, dicke aufgeblasene Gesichter haben, auch sonst von Leib dick sein“. Der Teufel spie Feuer und erhielt einen halben Gulden und Schwefel, Branntwein und Baumwolle. Und neben Adam und Eva fehlten auch die Götter des Olymp nicht.

Von diesem Gepränge war um die Mitte des vorigen Jahrhunderts so manches in Ausfall gekommen, aber immerhin noch vieles Eigenartige und Auffällige geblieben, dem wir auf L. von Hagn’s trefflichem Bilde im Repräsentationssaale des von Meister Hauberisser erbauten neuen Rathauses begegnen. Da wandelten geflügelte Genien in reich gestickter Kleidung hinter mächtigen Fahnen drein; da schleppten sich Juden mit den Weintrauben aus Kanaan und führte der heilige Mauritius eine Schar prunkhaft einherschreitender Ritter. Auch der alttestamentarische goldene Tisch mit den Schaubroten fehlte nicht, noch die Arche Noah’s, und ein Wagen trug den Saal mit sieben Säulen, in welchem Christus mit seinen Jüngern das Abendmahl einnahm. Die Bruderschaft des heiligen Georg trug das spitz zulaufende Zelt mit sich, unter dem ihr Patron der Sage nach die Feldmesse gehört, und zwölf Schweizer führten dessen Roß, während Alexandra, die bekehrte Gemahlin des Kaisers Diocletianus, auf einem Triumphwagen einherfuhr. Und zwölf Türken mit gewaltigen Turbanen zogen nicht minder die Augen auf sich als der alte Jakob mit seinen zwölf Söhnen und einer Schar israelitischen Volkes. Den Schluß des Zuges aber bildete, unter kostbarem Baldachine, dicht hinter dem Sanktissimum wandelnd, der Kurfürst mit seinem Hofstaat, Beamten, Trabanten und Hartschieren.

Der Feststimmung jener Zeit hat Mathias Etenhueber, „privilegirt unbezahlter Hofpoet”, wie er sich in bitterer Selbstironie nannte, in einem seiner zahllosen Gedichte – er gab von 1759 bis 1773 ein „Münchnerisches Wochenblatt” in Versen heraus – charakteristischen Ausdruck gegeben:

„Ich höre schon den Klang der Paucken und Trompeten,
     Man giebet das Signal zu der Procession.
Die Häuser sind behengt mit persischen Tapeten,
     Von denen Thürmen schallt der Gloggen munterer Thon.

Die Bürgerschaft zu Fuß und Pferd steht in Parade,
     Recht glänzet im Gewöhr der Bayrische Soldat.
Auf denen Wällen kracht eine Freudenkanonade,
     In einen Mayenwald verwandelt sich die Stadt u. s. f.

Karl Albert Regnet.