Gesammelte Schriften über Musik und Musiker/„Die Zerstörung Jerusalems“. Oratorium von Ferdinand Hiller

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Die vier Ouverturen zu Fidelio Gesammelte Schriften über Musik und Musiker (1854)
von Robert Schumann
Alexis Lwoff


[214]
„Die Zerstörung Jerusalems.“
Oratorium von Ferdinand Hiller.[1]
1ste Aufführung in Leipzig. [H 1]


Das Urtheil über ein so großartiges complicirtes Werk nach einmaligem Hören kann nur ein andeutendes sein. Die Aufführung fand zum Besten der hiesigen Armen gestern Abend unter der persönlichen Leitung des Componisten statt. Chor und Orchester waren reich besetzt. Von den frühern Leistungen Ferdinand Hiller’s hat die Zeitschrift in immerwährender großer Theilnahme an seinem bedeutenden Streben von jeher getreulich berichtet. Nachdem wir mehre Jahre, die der Componist in Italien verlebte, nichts von ihm vernommen, tritt er in würdigster Weise mit einem Werke auf, das des Ausgezeichneten und Eigenthümlichen so viel enthält, daß wir mit Freuden dessen baldigster Veröffentlichung entgegensehen. Am meisten daran erfreut uns das kräftige Colorit, der Ernst und die Festigkeit des Styls, im [215] einzelnen das Reizvolle, Malerische und Phantastische. Italien, das uns unsere Jünger sonst immer mit verkehrten Ansichten zurückgeschickt, hat in seine Musik nur mehr Anmuth und Weichheit gebracht, ihm nichts von seiner deutschen Kraft genommen; man kann es nicht genug rühmen. Der Text (von Dr. Steinheim) ist ziemlich einfach, die Handlung eine gekannte.[H 2] Von Personen treten auf: Zedekia, König in Juda, Chamital, dessen Mutter, Jeremias, Achicam und dessen Schwester, und einige untergeordnete. Die Zeichnung der Charaktere ist scharf, namentlich der der Chamital. Den Jeremias wünschten wir vom Dichter energischer gehalten; die Musik mußte natürlich zunächst dem Texte folgen. Vorzüglichstes und in musikalischem Betracht das Tüchtigste und Kunstvollste enthalten die Chöre, die sämmtlich mit großem Antheil gehört wurden; unter diesen ragen namentlich hervor „Eine Seele tief gebeugt,“ die beiden der Diener Zedekia’s, der Schlußchor des ersten Theiles, der der Israeliten „du Gott der Langmuth,“ und „wir ziehn gebeugt.“ Vom „Paulus“[H 3] unterscheidet sich dies Oratorium wesentlich; es neigt sich mehr nach der Zukunft hin. Wir werden später bei Veröffentlichung des Werkes darauf zurückkommen. Die Aufführung unter des Componisten ruhiger und sicherer Leitung war eine ganz ausgezeichnete.




  1. Vgl. den spätern Artikel aus d. J. 1841.

Anmerkungen (H)

  1. [WS] am 2. April 1840
  2. [GJ] Das Oratorium war ursprünglich Jeremia benannt. Der Dichter des Textes erklärte später (1842, XVI, 84 Google), die Autorschaft ablehnen zu müssen, da der Componist nur einige Strophen desselben zu der „Zerstörung Jerusalems“ benutzt und selbst diese mit Willkürlichkeit durcheinander gewürfelt habe. II.241 Commons
  3. [WS] von Felix Mendelssohn Bartholdy
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