Hut ab

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Friedrich Hofmann
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Hut ab
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 224
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Der Sprachschatz der Sassen: ein Wörterbuch der plattdeütschen Sprache in den hauptsächlichsten ihrer Mundarten, Bd. 1: A-H, MDZ München, 1880; Bd. 2: I-N, MDZ München, 1883.
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[224] Hut ab! In unserer Zeit, wo die Zahl der „jungen Greise“ zum Schrecken überhand nimmt, muß man mit ebenso viel Freude als Ehrfurcht einen Mann begrüßen, der sich Körper- und Geistesfrische genug bewahrt hat, um an ein vor sechszig Jahre begonnenes Werk jetzt die letzte Hand zu legen. Dieser Mann ist Dr. Heinrich Berghaus, der berühmte Kartograph und Schriftsteller auf dem Gebiete der Geographie und Ethnographie, der am 3. Mai dieses Jahres seinen zweiundachtzigsten Geburtstag feiert; jenes Werk sein „Sprachschatz der Sassen“.

Der „alte Berghaus“ – sein Neffe Hermann ist auch schon ein Fünfziger und ganz in die Fußstapfen des Oheims getreten – rühmt sich, ein niederrheinischer Westfale zu sein, der das Plattdeutsche in Cleve als seine Muttersprache gelernt hat. Er besuchte in Münster, Marburg und Berlin die Schulen, während seine Heimath königlich westfälisch wurde, und erhielt, erst fünfzehn Jahre alt, eine Stelle als Conducteur für den Brücken- und Straßenbau in dem damaligen Lippe-Departement. Als Jérôme’s Reich zu Ende war, ging Berghaus unter die Freiwilligen, kam in die Armee-Verwaltung und mit dem Tauenzien’schen Corps bis in die Bretagne; eine Frucht dieses Feldzuges für Berghaus war seine 1824 erschienene Karte von Frankreich. Nach kurzem Aufenthalte in Weimar wurde der neunzehnjährige junge Mann als Ingenieurgeograph im zweiten Departement des Kriegsministeriums nach Berlin berufen und an der großen trigonometrischen Landesvermessung des preußischen Staats betheiligt. Vier Jahre später war er Lehrer, und nur drei Jahre nachher Professor der angewandten Mathematik an der Bau-Akademie, welche Stelle er zweiunddreißig Jahre lang bekleidete.

Wir können hier keine Aufzählung aller der Kartenwerke geben, die durch ihn allein oder unter seiner Hülfe vollendet worden sind. Es genüge hier, zu sagen, daß Heinrich Berghaus ein kleiner Columbus seines Faches ist, ein Meister, der für die kartographische Kunst neue Gebiete entdeckte: nicht blos seine Darstellung der Bodenplastik, welche allerdings für die Kartographie epochemachend war, sondern auch der kühne Griff verdient hohe Anerkennung, mit welchem Berghaus seinem großen „Physikalischen Atlas“ auch noch das neue Bereich der pflanzen- und thier-geographischen und ethnographischen Karten hinzufügte. Eine derselben, die im Jahre 1847 von ihm entworfene Karte von „Deutschland, Niederlande, Belgien und Schweiz nach deren National-, Sprach- und Dialektverschiedenheit“, führt uns zu seiner schriftstellerischen Thätigkeit, die ebenfalls eine sehr fruchtbare war, sowohl in selbstständigen Werken, wie in Sammel- und periodischen Schriften. Seine meistens mehrbändigen ethnographischen und geographischen Werke sind Fundgruben des interessantesten Wissens. Von den von ihm begründeten Zeitschriften ist sein „Geographisches Jahrbuch“ durch seinen berühmten Schüler und Pflegesohn A. Petermann in dessen „Mittheilungen etc.“ fortgesetzt worden, bis dieser hochverdiente Mann – dem Greise voran – aus dem Leben ging.

An die Sprach- und Dialektkarten und ethnographischen Schriften von Berghaus schließt sich sein oben erwähntes Werk an: „Sprachschatz der Sassen. Wörterbuch der plattdeutschen Sprache in den hauptsächlichsten ihrer Mundarten“ (Brandenburg, Adolf Müller).

Wissenschaftliche Arbeiten über die „Deutschen Mundarten“ fanden noch bis in neuere Zeit geringe Theilnahme selbst bei unserem gelehrten Publicum. Man vermochte noch nicht zu erkennen, daß wir in den Volksmundarten eine Quelle zur Erfrischung der Schriftsprache besitzen, und ebenso wenig, welche Schätze für Sitten- und Rechtsgeschichte durch die Erforschung der Dialekte zu Tage gefördert werden. Wie wäre es sonst möglich gewesen, daß eine Fundgrube solchen Wissens, wie J. Andreas Schmeller’s „Bayerisches Wörterbuch“ weit über dreißig Jahre im Laden lag, ehe Karl Frommann an die Bearbeitung einer zweite Auflage des unschätzbaren Buches gehen konnte. Ja, Frommann’s, des ausgezeichneten deutschen Sprachforschers, musterhafte Monatsschrift „Die deutschen Mundarten“ mußte mit dem sechsten Jahrgange aus Mangel an Theilnahme schließen und ist erst in jüngster Zeit wieder zu neuem Lebe erstanden.

Hoffen wir, daß dem Unternehmen unseres ehrwürdigen Veteranen auf diesem Arbeitsfelde der Aufschwung zu Gute komme, welchen die plattdeutsche Literatur durch Fritz Reuter, Klaus Groth, Quitzow, Giese, Wilhelm Schröder und Andere genommen, und der auch auf die Dialektpoesie Mittel- und Oberdeutschlands belebend eingewirkt hat. Der Berghaus’sche „Sprachschatz der Sassen“ erweist sich jetzt, wo derselbe mit dem fünften Hefte von A bis Eed (Eid) vor uns liegt, als eine außerordentlich reiche Fundgrube für Sprach- und Geschichts-, namentlich Culturgeschichtsforscher. Die alte Wörter führen zur Erklärung vieler alten Bräuche und Sitten, Rechte und Herkommen etc.. Selbst des Plattdeutschen kundige Richter und Sachwalter, Geschäftsleute und Industrielle werden in diesem Buche sich nicht selten mit Nutzen Raths erholen, während für den in’s Niederland versetzten Oberdeutschen die ausgiebigste Belehrung in jedem Berufsleben, das den engeren Verkehr mit dem Volke bedingt, dargeboten ist. Da zu einer vorzügliche Eigentümlichkeit des Volkes das Kernige, Derbe und Bilderreiche der Witz- und Scheltworte, Sprüchwörter und Gewerksredensarten gehört, so ist auch davon ein belebender Vorrath den trockenen Erklärungen eingewebt, sodaß Belehrung und Unterhaltung, Ernst und Scherz dem Buche entquillt wie dem Munde eines erfahrungsreichen munteren Greises.

Fr. Hfm.