Koryphäen der Fortschrittspartei

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Autor: S. W.
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Titel: Koryphäen der Fortschrittspartei
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 206-207
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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2. 0Koryphäen der Fortschrittspartei.


Der 11. März im 14. Jahre des constitutionellen Staats in Preußen hat zum zweiten Male einer vom Volke frei und offen nach seinem Herzen gewählten Versammlung seiner Vertreter den Scheidebefehl der Krone gebracht. Das preußische Volk war in seinem Rechte, eine solche Versammlung zu wählen, und sein König war in seinem Rechte, sie aufzulösen. Soweit bietet der Act nichts Außerordentliches; seine besondere Bedeutung erhält er durch die Zeit, in welcher er geschah, und durch die Beweggründe, die ihn möglich machten. Das preußische Volk, die deutsche Nation kennen sie, und beiden stellt eine geschichtliche Parallele die letzte Nothwendigkeit vor die Augen: – wie einst dem Papstthum gegenüber gilt es heute in der Monarchie von einem schlecht unterrichteten an einen besser zu unterrichtenden König zu appelliren, und die unterrichtende Stimme kann einzig und allein aus der neuen Vertreterwahl des durch sehr ernste Erfahrungen über das, was ihm Noth thut, und das, was ihm zum Heil gereicht, nunmehr gründlich unterrichteten preußischen Volks sprechen.

Das aufgelöste Abgeordnetenhaus hielt außer der Hagen’schen bisher nur zwei bedeutende Sitzungen; sie waren der unglückseligen kurhessischen Frage gewidmet. Aber in der zweiten dieser Sitzungen ereignete sich Etwas, dessen Bedeutung nicht zu unterschätzen ist. Der Abgeordnete Schulze, seit vierzehn Jahren bekannt als Schulze-Delitzsch, brachte von der Tribüne herab den Parteinamen der Demokratie wieder in’s Leben und forderte stolz die Anerkennung ihrer Leistungen auf wirthschafllichem Gebiete. Die Partei, welche den Kern der linken Seite des Hauses bildete, ist in Wahrheit die preußische Demokratie, und es war ein Sieg für sie, daß Schulze-Delitzsch auf ihre dichten Phalangen hinzeigen konnte. Schulze-Delitzsch war der eigentliche Quirl dieser Partei im Abgeordnetenhause, die disciplinirende Seele. Es gab noch mehr Oberfeldherren; aber Schulze war der General in den Schlachten, vielfach sonach das eigentliche Haupt der Schaar. Seine ruhmvolle Thätigkeit auf dem Felde der Genossenschaften und Vorschußvereine für den kleinen Handwerker ist allgemein gekannt und auch in der „Gartenlaube“ früher schon des Ausführlichen erzählt worden. Wenn irgend Einer der preußischen Abgeordneten Thaten aufweisen konnte, um deren willen er den Platz auf dem curulischen Stuhl erhalten hatte, so war es dieser Mann, der durch rastloseste Arbeit, uneigennützig geleistete Mühen und seltenste Aufopferung für die Sache der Volkswohlfahrt ein echt demokratisches Princip zur Ausführung brachte und ein Wohlthäter für Millionen wurde. Begeisterung setzt ihn in einige Unruhe und Geschäftigkeit; man sah ihn selten still auf seinem Platze im Saale, sondern immer von einem Freunde zum andern eilen, plaudern, herzlich die Hand schütteln, lebhaft gesticuliren. Die gedrungene, kraftvolle Gestalt prägte sich augenblicks dem Gedächtniß ein, und das ausdrucksvolle Gesicht mit dem weißen Albabart, überschattet von blondem, fast künstlermäßig geordnetem Haar, erhöhte das Interesse des Betrachters nicht wenig. Schulze-Delitzsch ist vom seltenen Schlag der Volkstribunen; er war nicht nur der populärste, sondern auch der hinreißendste Redner des Hauses; er hat die Gabe, begeistern oder erschüttern zu können, denn die Worte entsteigen dem warmfühlendsten, bewegten Herzen. Der breite sächsische Dialekt heimelt sofort gemüthvoll an und namentlich, wenn die Ironie ihren Ausdruck erhält. Aber so ironisch Schulze in seinen Reden sein kann, um die Kleinlichkeit des Gegners sichtbar zu machen, so gewaltig rührt er die Tiefen seines inneren Ernstes auf, wenn er für seine Sache plaidirt. Dann strahlt aus den immer freundlichen, kleinen Augen der Glanz innerer Begeisterung und sie werden groß, ernst, ja drohend; dann verschwindet fast der Dialekt, und die Sprache tönt sonor und fest durch den Saal. Wucht der Gedanken kettet schnell Satz an Satz in klarer, fester Gliederung; Begeisterung giebt der Rede farbige Bilder und jene dämonische Macht, welche die Herzen der Zuhörer ohne Widerstand Unterthan macht, so lange bis sie vom Bann befreit sind.

Der Generalissimus der preußischen Demokratie, gewissermaßen der Stratege, war der Geheime Obertribunalrath Waldeck. Beim ersten Blick über die Versammlung fiel die hagere, große Gestalt mit dem schneeweißen Haupt in die Augen. Waldeck hat einen der charaktervollsten Köpfe; die Linien desselben haben etwas Antikes, Römisches; in dem durchfurchten Gesicht liegt gramvoller Ernst seltsam um einen fuchsartigen Ausdruck der Augen gebettet. Seit den Zeiten der Nationalversammlung ist dieser Mann der Führer der Demokratie, und die Leiden, die Verfolgungen, die ihm von der ersten Wuth der Reaction bereitet wurden, die strenge Redlichkeit, mit welcher er seinen Grundsätzen treu geblieben, hatten ihm diese Stellung gesichert, trotzdem in manchen Punkten, namentlich bezüglich der deutschen Frage, die Partei anders denkt als er. Im Jahre 1848 gruppirte Waldeck aus der Partei der äußersten Linken die am meisten nach rechts gelegene Schattirung um sich und operirte meist nur darauf hin, durch Transactionen mit den andern Fractionen sich die Majorität zu sichern. Dadurch wurde er das proclamirte Haupt der vielfach aus republikanischen Elementen bestehenden äußersten Linken der Nationalversammlung, und die Reaction sieht in ihm noch immer das rothe Gespenst. Gleichwohl hat Waldeck in der Vertheidigungsrede bei Gelegenheit seines Processes ausdrücklich den Beweis geführt, daß er republikanische Gesinnung niemals gehabt, und daß er als Katholik auch die Freisinnigkeit nicht so weit wie als Politiker versteht, bewies er durch die Energie, mit welcher er 1848 der Kirche nicht den Zehnten verkürzt wissen wollte. Um so eifriger erstrebte er jedoch Freiheit in der Gemeinde und der staatsbürgerlichen Rechte. In dieser Beziehung ist Waldeck’s Verdienst höchster Anerkennung werth und der geklärteste, autoritätsvollste Ausdruck des Demokratie. Bei einer Neuwahl 1860 gelang es ihm, zum ersten Mal wieder seit 1848 als Abgeordneter gewählt zu werden. Eben darum, weil er das Haupt der 1849 niedergeworfenen, beschimpften und verfehmten demokratischen Partei war, nahm diese Wahl die Größe eines politischen Ereignisses an. In der Rede, welche er vor etwa Jahresfrist von der Tribüne des Abgeordnetenhauses hielt, gab er das Glaubensbekenntniß der versöhnten, wieder in die öffentliche Arena eintretenden Demokratie ab, und danach hat sich vielfach die jetzige deutsche Fortschrittspartei organisirt.

Gleich hinter Waldeck saß im Hause der Abgeordneten Taddel, der alte Geheime Justizrath mit dem ehrenvollen a. D. (außer Diensten). Der kleine Herr mit dem kahlen, an den Schläfen mit Silberhaar gezierten Schädel und dem freundlich-vornehmen, klugen Gesicht ist der Bayard des preußischen Richterstandes, der Richter ohne Furcht und Tadel, welcher den Proceß Waldeck leitete und gegenüber der Polizeiarroganz Hinckeldey’s die Würde des Gerichtshofes mit unerbittlicher Strenge aufrecht zu halten wußte. Einen solchen Ehrenmann konnte die Reaction, die nur Schranzen zu benutzen weiß, nicht gebrauchen. Das Volk versteht wahre Tugenden des Charakters besser; daher gab es dem in Ungnade gefallenen Taddel ein Vertrauensmandat als Abgeordneter.

Etwas ähnlich in äußerer Erscheinung dem Vertreter des freien preußischen Richterstandes ist der Märtyrer der freien Pädagogik, Dr. Diesterweg. Nur ist die Structur dieser Gestalt derber; das kahle Haupt mit dem Kranz von weißem Haar scheint mehr Zeichen der Gedankenarbeit als schwindender Manneskraft zu sein; die Physiognomie hat etwas Schalkhaftes, die klugen Augen leuchten von innerem Feuer. Das ist der Mann, der im freien Geiste Pestalozzi’s gelehrt hat und deshalb von dem kleinlichen Geist der preußischen Schulregulative um sein Amt gebracht wurde; das ist der alte Diesterweg, der noch immer so viel lehrt, ohne gleichwohl eine Schule zu haben, der ein Schulmeister bester Art für das deutsche Volk geworden ist und als solcher den Geist predigt, [207] in dem geschulmeistert werden soll, damit aus deutschen Jungen keine Liebediener, sondern deutsche, freie Männer werden. Da ihn die preußische Regierung nicht vertragen konnte, so hat auch ihn das preußische Volk zu seinem Abgeordneten erwählt.

Neben ihm saß noch ein Verfolgter der Reaction, Herr von Kirchmann, Appellationsgerichts-Vicepräsident, im Jahre 1848 Mitglied der Nationalversammlung und fast immer genannt, wenn man Temme nannte. In Folge seiner Thätigkeit in jener Zeit als Mitglied der äußersten Linken ward er verfehmt und abgesetzt. Niemand konnte dies Unrecht eines Regierungssystems besser wieder gut machen als das Volk; daher sandten ihn die Schlesier diesmal in’s Abgeordnetenhaus, damit Beweise dafür geliefert würden, daß die Demokratie viel gelernt und viel vergessen habe.

Unter den neu eingetretenen demokratischen Mitgliedern des Abgeordnetenhauses ist vor Allem der Professor Dr. Virchow zu nennen, als Naturforscher und Anatom eine der Zierden seiner Wissenschaft. In seinen zahlreichen wissenschaftlichen und populären Vorträgen und speciell als Stadtverordneter von Berlin hat er die Unerschrockenheit seiner Gesinnung documentirt; auf seine Veranlassung hin namentlich begann der Magistrat den Proceß gegen Patzke, der wenigstens so viel eingebracht, daß die Herrschaft moralisch längst verurtheilter Beamten ihr klägliches Ende fand und daß abermals bewiesen wurde, die Nemesis bleibe doch für keine Schuld aus. Virchow macht den Eindruck eines noch jugendlichen Mannes; die Zierlichkeit der Gestalt, das weltmännische Benehmen, die dünnen, blonden Haare, das feine Gesicht mit geistvollem, in Ironie getauchtem Ausdruck geben der Erscheinung etwas Gewinnendes, so wie es bei Cicero mit praestantia und subrisus audientium bezeichnet wurde. Wie bei Schulze-Delitzsch die Herzlichkeit überall ihre Spuren gelassen, so bei Virchow der acute, durchdringende Verstand. Man möchte sagen, aus ihm hört man den Anatomen, der nur das Object behandelt und mitleidslos in den Eingeweiden des Cadavers nach Bereicherungen der allgemeinen Wissenschaft sucht. Jeden, auch den verwickeltsten Gegenstand – wie fremd er ihm sei – behandelt er mit erstaunlicher Gewandtheit, eignet sich die Kenntniß seines innersten Gefasers in höchster Weise an; er war deshalb ein wahrer Hercules für Commissionen, ein Talisman für deren Arbeiten. Aber weit davon entfernt, nur der trockene, denkende Wissenschaftler zu sein, ist Virchow als Redner geistreich, witzig, von feingespitztester Ironie: er gleicht einem Meister der französischen Fechtkunst mit dem Floret, sicher im Ausfall und elegant dabei, kaltblütig und mit Unfehlbarkeit den Gegner bei jeder Blöße verwundend. Aus der Monotonie seiner Sprache hört man die Arbeit des Räderwerks der Gedanken heraus; die Rede entspringt eben vor Allem dem Verstande und fließt schnell, klar und glänzend dahin; nur selten, daß die leichten Wellen sich kräuseln oder durch einen Strom seelischer Empfindungen einen Strudel bilden, dessen Spitze bis in die Tiefe der Gefühle dringt.

Der Stadtgerichtsrath Twesten saß auf derselben Bank mit Virchow. Er trägt noch immer den zerschossenen Arm in der Feldbinde der Gesinnung. Mit diesem Arm hat er die Freiheit und die Ehre des Schriftstellers gegen den General von Manteuffel vertheidigt, der ihn bekanntlich wegen der Angriffe auf das Militärcabinet in der Broschüre: „Was uns noch retten kann!“ zu einem Pistolenduell aufforderte. Twesten hat ein jugendliches Aussehen; das blühende Gesicht mit der etwas starken, gestülpten Nase, die offenen, großen Augen, die schwarzen Lockenhaare geben ihm etwas Studentenartiges, welches mit der übrigen Männlichkeit seines Wesens eine sehr glückliche Verbindung eingegangen ist. Seine Collegen rühmen die juristische Tüchtigkeit; über seinen Geist, sein Wissen, sein feines kritisches Talent, die Schönheit seines Denkens belehrt der große Aufsatz über „Schiller im Verhältniß zur Wissenschaft“, der sich in den neuesten Heften der von Oppenheim herausgegebenen, trefflichen „Deutschen Jahrbücher“ befindet und dessen größere Verbreitung durch Separatabdruck gewiß allgemeinen Dank eintragen würde. Daß Twesten auch ein sehr gewandter, ruhiger, klarer Redner ist, bewies er durch die Vertheidigung des Commissionsantrages in der kurhessischen Frage.

Dr. Lüning gehörte gleichfalls zu den parlamentarischen Novizen, welche bereits in die vordersten Reihen der Kämpfer eingetreten waren. Er ist von imposanter Figur, mit dem Kopf eines französischen Generals, welchen Ausdruck er namentlich durch den flachsfarbenen Henry IV.-Bart erhält. Auch er gehörte zu den besten Rednern des Hauses. – Unweit von ihm saß Dr. Beitzke, der treffliche Geschichtschreiber der Befreiungskriege von 1813– 1815; man sieht ihm, gleich den alten Major an. – Franz Duncker, der jüngste und vorgeschrittenste Sproß der Berliner Duncker, hatte sich ebenfalls hier niedergelassen; er war der Repräsentant der Volkszeitung, die er zum Theil redigirt und mit deren wachsender Bedeutung auch er mehr und mehr den Charakter einer politischen Person annahm, den Buchhändler dagegen in den Hintergrund treten ließ. Man könnte ihn den Adjutanten der demokratischen Partei in Berlin nennen. Das starke Haar und der dichte, zu früh grau melirte und einst rothe Vollbart geben ihm ein etwas grimmiges Aussehen; aber in Wirklichkeit ist Franz Duncker ein ganz sanfter und auch ein recht liebenswürdiger Mann, der Princip und Sache wohl zu trennen weiß.

Im Hintergrunde sah man den sogenannten „rothen Becker“, den Dortmunder Abgeordneten. Er gab während der Revolutionszeit 1848 die radicale „Rheinische Zeitung“ heraus, deren letzte Nummer in rother Schrift gedruckt wurde. Dann spielte er eine bedeutende Nummer in dem Communistenproceß zu Köln, der aus lauter Fälschungen des Polizeihasses jener Zeit zusammengebraut wurde. Man verurtheilte Becker damals zu fünfjährigem Gefängniß. Nach seiner Freilassung wollte ihm die Regierung, trotz der neuen Aera, nirgends ein Domicil gestatten; da mußten denn wohl die Dortmunder ihn als Abgeordneten nach Berlin schicken, damit er ein Asyl fand. Den Namen des „rothen Becker“ hat er übrigens seit seiner Schulzeit in Folge der röthlichen Haare. – Auch Dr. Rupp ist nicht zu vergessen, jener lange Mann mit dem grauen, zurückgestrichenen Lockenhaar und dem pastorischen Antlitz: er ist der Prediger der freien Gemeinde in Königsberg und befand sich hier, um die Religionsfreiheit zu vertreten. – Hinter ihm saß Prince-Smith, der philosophische Nationalökonom; unweit davon Michaelis, der praktische Volkswirth der Nationalzeitung; weiter links der französisch lebhafte, auf den Congressen agitirende Nationalökonom Jules Faucher.

Eine der bedeutendsten Persönlichkeiten war noch der Vicepräsident Behrendt, eine stattliche, kräftige Figur, die so recht Freiheit des Bürgerthums und die Routine eines öffentlichen Wesens repräsentirt. Aus dem Antlitz spricht Energie, Scharfsinn, Lebhaftigkeit und Geist, und alle diese Eigenschaften zeigten sich auch in den Reden Behrendt’s, der sowohl als politischer Charakter, wie als Redner schon eine parlamentarische Vergangenheit aufweisen kann. In der vorigen Session führte er die vorgeschrittenste Fraction der Vincke’schen Partei.

Als einer der interessantesten Geister unter den neu eingetretenen gab sich Dr. Frese zu erkennen, bekannt durch die Uebersetzung der Lewes’schen Biographie Goethe’s und als Herausgeber einer Kammercorrespondenz. Der blühende Mann mit jugendlich-üppigen Formen gehörte unter die Redner, welche ihre parlamentarische Schule noch durchzumachen haben, und erinnerte jetzt noch an den Ton der demokratischen Clubredner, denen der Effect über Alles geht. Wie ein Camille Desmoulins sprudelte dieser Feuerkopf witzig und unbekümmert um die Rücksichten der Persönlichkeiten seine Gedanken aus; er schoß hastig, oft in gewinnendster, liebenswürdigster Leidenschaftlichkeit seine Pfeile vom Bogen, als sei er sicher, daß sie treffen müßten. Die Menge der Feinde erließ freilich ein bedächtiges Zielen. Er streifte zum Gaudium der Tribünen stark an die äußersten Grenzen des parlamentarisch Erlaubten und gab doch dem Präsidenten keine Gelegenheit, das Damoklesschwert des Ordnungsrufes auf ihn fallen zu lassen; wenn der Präsident noch die letzte Keckheit der Rede überdachte, hatte der Uebermuth des jungblütigen Redners schon eine neue fallen lassen, unschuldig fast, wie ein Kind Blumen verliert. Frese war unstreitig frisches Blut für dies Haus der Abgeordneten; er rührte in dem alten Sauerteig, er tanzte auf einem Vulcan, er spottete über sehr Ehrbares, er sagte – was für das Volk nie, wohl aber für die Könige unangenehm ist – ganz ungeschminkt die Wahrheit über das, was das politisch aufgeweckte Volk fühlt, und denkt.

S.-W.