MKL1888:Abwesenheit

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Abwesenheit“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 7172
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Abwesenheit. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 71–72. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Abwesenheit (Version vom 22.01.2023)

[71] Abwesenheit (Absentia), das Gegenteil von Anwesenheit an einem bestimmten Ort, insbesondere am Wohnort. Im juristischen Sinn ist derjenige abwesend, welcher sich nicht an dem Ort befindet, wo ein rechtliches Interesse seine Thätigkeit erheischt, und daher nicht für dasselbe wirken kann, z. B. eine Person, die auf ergangene Vorladung nicht zur festgesetzten Zeit an Gerichtsstelle erscheint. Der so Abwesende muß die Rechtsnachteile, welche sich aus der Nichtwahrnehmung seiner Interessen durch die A. ergeben, über sich ergehen lassen. Dies kann unbillig erscheinen, wenn die A. eine unverschuldete war. Deshalb gewährt in solchem Fall das Recht „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ (s. d.). Auch gelten z. B. in der Lehre von der Verjährung für den Abwesenden mildere Grundsätze, indem gegen den in einer andern Provinz (Obergerichtssprengel) Wohnenden (inter absentes) zur Ersitzung eine längere [72] Besitzzeit des Ersitzenden nötig ist als gegenüber demjenigen, welcher in derselben Provinz seinen Wohnsitz hat (inter praesentes). Um Verlusten infolge der A. vorzubeugen, ist ferner das Institut einer besondern Vormundschaft für A., das der Abwesenheitsvormundschaft (cura absentis), angeordnet. Der Staat läßt dem Abwesenden vormundschaftlichen Schutz angedeihen; er bestellt für die Güter des Abwesenden, der nicht selbst eine hinlängliche Verwaltung derselben angeordnet hat, einen Kurator, welcher für die Bewachung und Erhaltung des Vermögens Sorge zu tragen und dabei für jeden verschuldeten Schaden einzustehen hat. Diese Vormundschaft endigt, wenn der Abwesende zurückkehrt oder zur Verwaltung seines Vermögens Auftrag gibt, wenn sein Tod bewiesen oder er für tot erklärt wird (s. Verschollenheit). In staatsrechtlicher Beziehung ist zu bemerken, daß nach den Gesetzen verschiedener Länder durch die bloße während einer bestimmten Zeit fortgesetzte A. von dem Heimatstaat das Unterthanenrecht in diesem verloren geht. In Deutschland galt dies früher nur in einzelnen Staaten, wie in Preußen, Sachsen, Mecklenburg, Oldenburg, während in andern noch die förmliche Entlassung aus dem Unterthanenverband, wie in Schleswig-Holstein, Kurhessen, Braunschweig, oder doch die dauernde Niederlassung außerhalb des Staatsgebiets, so daß daraus auf den Willen, nicht zurückzukehren (animus non revertendi), geschlossen werden konnte, hinzukommen mußte, wie in Hannover, Sachsen, Koburg-Gotha, Hessen-Homburg. Durch das nunmehrige deutsche Reichsgesetz, betreffend die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit, vom 1. Juni 1870 ist bestimmt, daß die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat und damit die Bundesangehörigkeit einfach durch zehnjährige A. vom Heimatstaat und Aufenthalt im Ausland, d. h. außerhalb des Bundesgebiets, verloren geht, was jedoch dadurch zu vermeiden ist, daß man sich in die Matrikel eines Bundeskonsulats eintragen läßt. Über die Folgen der A. auf ergangene richterliche Ladung im bürgerlichen und Strafprozeß s. Ungehorsam.