MKL1888:Attis

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Attis“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 32
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Attis. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 32. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Attis (Version vom 27.04.2023)

[32] Attis (Attes, Atys), ein ursprünglich in Phrygien und Lydien einheimisches, dem Adonis (s. d.) verwandtes göttliches Wesen, der Liebling der Kybele und als Symbol der früh hinwelkenden Frühlingsblüte gefeiert. Nach der von Pausanias (7, 17) berichteten Sage war A. vom phrygischen Zeus (Manes?) und der Erdmutter durch wunderbare Mittelglieder (ein Zwitterwesen, das die Götter entmannten, und aus dessen abgeschnittenen Schamteilen ein Mandelbaum entstand, dessen Frucht Nana, die Tochter des Flußgottes Sangarios, genoß, welche nun den A. gebar) entsprossen. Unter den Hirten bei den Ziegen des Waldes aufgewachsen, gewinnt er durch seine Schönheit das Herz der Göttermutter (Kybele, Agdistis, Dindymene); aber auch die Königstochter von Pessinus liebt den Jüngling, und schon soll die Hochzeit mit ihr gefeiert werden, als die eifersüchtige Göttin unter den Gästen erscheint, Schrecken und Geistesverwirrung ringsum verbreitend. In wilder Hast rennt A. ins Gebirge und entmannt sich unter einer Fichte, in welche sein Geist entweicht, während Veilchen seinem Blut entsprießen. Ihn suchend, irrt die Göttin in wilder Trauer im Gebirge umher, bis sie ihn findet, worauf sie die Fichte, in welche sein Geist entwichen ist, in ihre Höhle trägt und unter ihr den Verstorbenen beweint. Als sie aber reuevoll um die Wiederbelebung des Geliebten bittet, erlangt sie von Zeus nur, daß sein Leib nie verwese und sein Haar immer wachse. Sein Grab befand sich auf dem Berg Dindymos im Heiligtum der Kybele, deren Priester um seinetwillen verschnitten sein mußten. Der Kult des A., der bald auch in Griechenland und in der ganzen Alten Welt Eingang fand, gipfelte in dem Hauptfest, das ihm alljährlich beim Anbruch des Frühlings gefeiert wurde. Die ersten Tage waren Trauertage: es wurde eine Fichte (das Symbol des A.) gefällt und, mit Veilchen bekränzt, in feierlicher Prozession in das Heiligtum der Göttin getragen. Dann wurde der verirrte A. mit tobender Musik und Raserei in den Bergen gesucht, wie ihn die Göttin gesucht hatte. Der dritte Tag des Festes war der Bluttag, d. h. der Tag der Entmannung und des Todes des A., an dem sich die Priester (Galli) unter wilden Wehklagen Brust und Arme verwundeten, worauf die Waschung des Bildes der Göttin und ein wildes Freudenfest die Feier beschlossen. Die griechisch-römische Kunst stellt den A. dar als jugendlichen Hirten von weichlicher Bildung, mit der phrygischen Mütze und dem Pedum (Hirtenstab), oft auch die Pinie und den Widder zur Seite. Vgl. Ed. Müller, De Attide et Sabazio (Ratibor 1828).