MKL1888:Eisenach

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eisenach“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 5 (1886), Seite 427428
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Eisenach. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 427–428. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eisenach (Version vom 29.04.2024)

[427] Eisenach, Stadt in Sachsen-Weimar und Hauptstadt des Kreises gleichen Namens, in 221 m Meereshöhe am Nordwestende des Thüringer Waldes, wo Hörsel u. Neffe zusammenfließen, und am Knotenpunkt

Wappen von Eisenach.

der Linie Kassel-Dietendorf der Preußischen Staatsbahn und der Werraeisenbahn anmutig gelegen, von sauberm, freundlichem Ansehen, hat fünf Vorstädte (darunter die Georgenvorstadt im W. und die Nikolaivorstadt mit dem schönen romanischen Nikolaiturm im O., welche nach den Bahnhöfen führt), ein 1742 erbautes großherzogliches Schloß am Markt (viele Jahre der Wohnsitz der Herzogin Helene von Orléans), 4 Kirchen (Georgenkirche am Markt) und (1885) mit Einschluß der Garnison (ein Inf.-Bataillon Nr. 94) 19,641 Einw. (darunter ca. 350 Katholiken, 100 Juden). Die Bewohner haben sich von jeher durch Gewerbfleiß ausgezeichnet. Im Mittelalter war die Wollweberei in Flor, gegenwärtig treten neben den gewöhnlichen bürgerlichen Gewerben Leder- und Farbenfabrikation, eine Kammgarnspinnerei, eine Fabrik für Thonwaren (etruskische Vasen und mittelalterliche Gefäße) und eine andre für Alabastergefäße hervor. E. ist Sitz eines Landgerichts (für die acht Amtsgerichte zu E., Geisa, Gerstungen, Ilmenau, Kaltennordheim, Lengsfeld, Ostheim und Vacha), besitzt ein Gymnasium (bis 1707 lateinische Schule, die bekanntlich Luther besuchte), ein Realgymnasium, eine Forstakademie, Bau- und Gewerkschule, ein Lehrer- und Lehrerinnenseminar, Landkrankenhaus und eine Korrektionsanstalt. E. ist eine vielbenutzte Eingangspforte nach dem Thüringer Wald und zur schönen Jahreszeit von Touristen und Sommergästen oft überfüllt, für die durch Pensionshäuser im nahen Marienthal gesorgt ist. Die Umgebung bietet außer der Wartburg (s. d.), [428] die sich 2 km südlich von der Stadt erhebt, noch manche reizende Partien, so: die Kartause, den Eichelschen Garten, das Roesesche Hölzchen mit dem Mädelstein und der Felsengruppe „Mönch und Nonne“, das liebliche Marien- und das enge, felsige Annathal, Wilhelmsthal, die Landgrafenschlucht etc. E. ist die Geburtsstadt von J. Seb. Bach (Geburtshaus am Frauenplan), dem 1884 eine Statue (von Donndorf modelliert) daselbst errichtet wurde, sowie Sterbeort des Humoristen Fritz Reuter (gest. 1874). – E. (Isenacum), eine der ältesten Städte Thüringens, ward 1070 von Ludwig dem Springer etwas südlich von einem ältern, durch Feuer zerstörten Ort angelegt, dessen Ursprung die Sage in die Zeiten Attilas versetzt. Im Mittelalter ist seine Geschichte mit der der Wartburg eng verflochten. Von 1596 bis 1741 war die Stadt Residenz einer Ernestinischen Herzogslinie. Am 1. Sept. 1810 ward sie durch das Auffliegen mehrerer französischer Pulverwagen arg beschädigt, woran noch der „Explosionsplatz“ erinnert. In E., einem bevorzugten Ort für Wanderversammlungen, tagt seit 1852 die sogen. Eisenacher Konferenz (s. Evangelische Kirchenkonferenz). Am 6. und 7. Okt. 1872 fand in E. eine Zusammenkunft deutscher Nationalökonomen statt, welche die Begründung einer neuen, der Theorie des volkswirtschaftlichen Kongresses entgegentretenden sozialistischen Partei beschloß, und aus der 1873 der „Verein für Sozialpolitik“ hervorging. Vgl. Schwerdt und Jäger, E. und die Wartburg (2. Aufl., Eisen. 1871); Senft, Geognostische Beschreibung der Umgegend von E. (das. 1857).

Das ehemalige Fürstentum E. kam 1440 an das Haus Wettin und bei der Teilung von 1485 an die Ernestinische Linie, bei der es verblieben ist. 1583 fielen die hennebergischen Ämter Lichtenberg und Kaltennordheim an E. Der jüngere Sohn Johann Friedrichs des Mittlern, Johann Ernst, stiftete 1596 die ältere Linie E., welche aber mit ihrem Stifter 1638 ausstarb; der sechste Sohn des Herzogs Johann von Weimar, Albrecht, 1640 die mittlere Linie E., welche ebenfalls mit dem Tod ihres Stifters 1644 erlosch. Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar überließ E. 1662 seinem ältesten Sohn, Adolf Wilhelm; diesem folgte 1668 sein Bruder Johann Georg, welcher der Stifter der jüngern Linie E. wurde. Dieselbe erlosch 1741 mit Wilhelm Heinrich, und das Land fiel wieder an Sachsen-Weimar. Mit den 1815 hinzugekommenen fuldaischen und hessischen Ämtern Geisa, Dermbach, Vacha und Frauensee bildet das Fürstentum E. den jetzigen Kreis E., der auf 1205 qkm (21,9 QM.) 90,852 Seelen zählt und in die Verwaltungsbezirke E. und Dermbach zerfällt.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 274
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[274] Eisenach, (1885) 19,743 Einw.