MKL1888:Glas

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 7 (1887), Seite 382397
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Glas. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 382–397. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Glas (Version vom 23.12.2022)

[382] Glas (hierzu die Tafeln „Glasfabrikation I u. II“), eine durch Schmelzen erzeugte, bei hoher Temperatur dünnflüssige, beim Erkalten allmählich aus dem zähflüssigen in den starren Zustand übergehende, vollständig amorphe Masse, welche aus Verbindungen der Kieselsäure mit mindestens zwei Basen besteht und in Wasser unlöslich ist. Der Begriff des Glases ist keineswegs ein nur chemischer; es gibt sehr viele Verbindungen von Kieselsäure mit mehr als einer Base, welche darum durchaus nicht G. sind. Zum Begriff des Glases gehört vielmehr auch die physikalische Beschaffenheit, der vollkommen amorphe Zustand, mit welchem die Substanz auch den Charakter des Glases vollständig verliert. Die verschiedenen Glassorten sind auch keine chemischen Verbindungen; sie enthalten allerdings bestimmte Kieselsäuresalze, diese aber besitzen in hohem Grade die Eigenschaft, im feurigen Fluß einander aufzulösen und in diesem Zustand des gleichförmigen Gemenges zu erstarren; selbst völlig heterogene Körper können in das G. eingehen, ohne daß dadurch seine wesentlichen [383] Eigenschaften gestört werden. Die nähere Beschaffenheit des Glases aber hängt, wie bei den meisten chemischen Verbindungen und Gemengen, von der Natur der Bestandteile ab. Als wesentliche Bestandteile sind Kieselsäure, ein Alkali (Kali oder Natron) und Kalk zu betrachten; doch wird die Kieselsäure bisweilen zum Teil durch Borsäure oder Fluor vertreten, und neben den genannten Basen kommen auch Baryt, Bleioxyd, Wismutoxyd und als zufällige Beimengungen Magnesia, Thonerde, Eisen- und Manganoxyde vor. Für ganz bestimmte Zwecke, namentlich zur Färbung der Gläser, werden auch Verbindungen andrer Metalle eingeführt.

Eigenschaften.

Das spezifische Gewicht des Glases schwankt für Alkalikalkgläser zwischen 2,4 und 2,6; bei Alkalibarytgläsern steigt es auf 2,9, bei Alkalibleigläsern auf 3,0 bis 3,8. Manche Gläser werden schon beim gewöhnlichen Gebrauch kantenstumpf und blind, andre werden nur schwer von guten Feilen angegriffen. Im allgemeinen steigt die Härte mit dem Gehalt an Kieselsäure und wird am meisten durch Alkalien und Bleioxyd beeinträchtigt. Stets ist die Oberfläche des Glases, welche sich beim Erstarren desselben bildet, härter als die nach deren Entfernung durch Schleifen erzeugte Oberfläche, überhaupt als das Innere der Glasmasse. Der Widerstand gegen das Zerdrücken ist beim G. sehr bedeutend; auffallend geringer ist der gegen das Zerreißen. Die Sprödigkeit nimmt mit der Dicke des Glases rasch ab, und ganz dünne Blättchen und Fäden sind ausgezeichnet elastisch und biegsam (s. Glasspinnerei). Eine und dieselbe Glassorte ist um so spröder, je schneller die Masse abgekühlt wurde. Läßt man geschmolzenes G. in kaltes Wasser tropfen, so zeigen die einzelnen erstarrten, in eine lange Spitze auslaufenden Tropfen (Glasthränen) große Härte; doch genügt das Abbrechen der äußersten dünnen Spitze, um sie vollständig in Staub zerfallen zu machen. Ebenso genügt bei den dickwandigen, in der Luft schnell abgekühlten Bologneser Fläschchen das Schütteln mit einem scharfen Quarzsplitter, um das Gefäß zu zersprengen. Man nimmt an, daß bei der schnellen Abkühlung infolge der frühzeitigen Erstarrung der Oberfläche das noch nicht erstarrte Innere eine Spannung seiner kleinsten Teile erleidet und infolge derselben durch die geringste Erschütterung den Zusammenhang verliert. Kühlt man dagegen langsam ab, so finden die einzelnen Schichten und ihre kleinsten Teilchen Zeit, sich einer festerm Zusammenhang entsprechenden Anordnung zu fügen. Hierauf beruht der in den Glashütten übliche Kühlprozeß, durch welchen namentlich dickere Gläser erst für den Gebrauch tauglich werden. Bei einer besondern Leitung des Kühlprozesses entsteht das sogen. Hartglas, welches ungewöhnliche Härte, Festigkeit, Elastizität, namentlich auch große Widerstandsfähigkeit gegen Temperaturwechsel besitzt. Letzterm erliegt auch das bestgekühlte G. sehr leicht, indem sich Sprödigkeit und geringes Wärmeleitungsvermögen vereinigen; die erhitzte Stelle dehnt sich aus, die nahe angrenzenden, kalt gebliebenen Stellen geben nicht nach, und so entsteht der Bruch. Ebenso wie für die Wärme ist das G. auch für die Elektrizität ein schlechter Leiter. Der Glanz wird nur zum Teil durch die Zusammensetzung bedingt, er ist großenteils abhängig von besondern Verhältnissen bei der Fabrikation. Das Lichtbrechungsvermögen ist bei Bleiglas viel größer als bei gewöhnlichem G., am stärksten bei Gläsern, welche statt des Bleies Wismut und statt des Kalis Thalliumoxyd enthalten. Derartige Gläser zeigen im geschliffenen Zustand prachtvollstes Farbenspiel. In hinreichend dicken Schichten besitzt jedes G. einen deutlichen Farbenton. Kieselsäure, Kalk, Bittererde, Baryt färben am wenigsten, die Alkalien, besonders Natron, viel mehr und am stärksten die Schwermetalle, von denen nur Bleioxyd und Wismutoxyd farbloses G. liefern. Vollkommen farbloses G. herzustellen, ist sehr schwer, weil sich fast unvermeidlich färbende Verbindungen, namentlich Oxyde des Eisens, mit den Rohmaterialien einschleichen und Schwefelmetalle (besonders Schwefelnatrium) beim Schmelzen des Glases entstehen. Man erkennt die Farbe des Glases am Tafelglas, wenn man auf die hohe Kante desselben sieht; aber diese Farbe verändert sich fast stets nach längerer oder kürzerer Zeit unter dem Einfluß des Lichts und kehrt nur beim Ausglühen oder Umschmelzen zurück. Mit Braunstein als Entfärbungsmittel geschmolzenes G. wird am Licht sehr deutlich violett.

Beim Erhitzen geht das G. sehr allmählich aus dem festen in den flüssigen Zustand über; es läßt sich etwa beim Eintritt der Glühhitze biegen und ausziehen, bei beginnender Rotglut durch Eintreiben von Luft aufblasen und zu den feinsten Fäden spinnen (s. Glasspinnerei), auch kneten und schweißen; bei voller Rotglut neigt es zum Abtropfen und wird dann flüssig, aber auch bei Weißglut behält es die Konsistenz eines dünnen Sirups. Kieselsäure macht das G. strengflüssig; durch Basen, besonders durch Bleioxyd, am wenigsten durch alkalische Erden, wird es leichtflüssiger, ebenso durch Borsäure und Fluor, die einen Teil der Kieselsäure ersetzen können. Erhält man G. längere Zeit auf der Temperatur, bei welcher es erweicht, so tritt Entglasung ein, und es verwandelt sich in eine undurchsichtige kristallinische, steinartige, sehr feste, wenig spröde Masse (Réaumurs Porzellan). Gegen chemische Agentien verhält sich G. mit seiner natürlichen, im Feuer gebildeten Oberfläche viel widerstandsfähiger als nach Bloßlegung des Innern durch Schleifen etc. Wasser greift bei anhaltendem Kochen das G. mehr oder weniger an; Glaspulver reagiert meist sofort nach dem Befeuchten mit Wasser alkalisch und wird beim Kochen mit letzterm stark zersetzt, besonders bei Anwendung von Hochdruck. In feuchten Räumen bedeckt sich G. meist mit einem irisierenden Häutchen, welches aus Kieselsäure besteht und daher mit Kalilauge abgewaschen werden kann. Je nach der Zusammensetzung des Glases erfolgt die Zersetzung mehr oder weniger schnell und vollständig. Manche Glassorten erblinden sehr leicht und bedecken sich entweder mit leichtem Tau (hygroskopischen Kalisalzen) oder mit feinem Pulver (nicht hygroskopischen Natronsalzen). Um zu erkennen, ob ein G. in verhältnismäßig kurzer Zeit erblinden wird oder nicht (namentlich wichtig für optische Gläser), setzt man es sorgfältig gereinigt bei gewöhnlicher Temperatur der Einwirkung von Salzsäuredämpfen aus, indem man es unter einer Glasglocke 24–30 Stunden auf einer Schale, die rohe Salzsäure enthält, liegen läßt. Dann bringt man es in einen verschließbaren Schrank und läßt es wieder 24 Stunden stehen. Hierbei ist jede Spur Ammoniak oder Staub höchst sorgfältig abzuhalten. Zeigt sich nun ein zarter, weißer Beschlag, der sich leicht abwischen läßt, so sind die Gläser verwerflich. Bemerkt man im durchgehenden Licht keinen Beschlag, so betrachtet man das G. im schräg auffallenden Licht und zieht mit einer abgerundeten Messerschärfe einen Strich darüber. Hierbei wird auch der leiseste Anflug sichtbar, aber gutes G. erweist sich stets vollkommen klar. Ist der Anflug [384] sehr stark, so eignet sich das G. kaum zu Fensterscheiben. Bleiglas ist leichter zersetzbar als Kalkalkaliglas. Intensiver als durch Wasser wird G. durch Säuren und namentlich durch ätzende Alkalien zersetzt. Auch Ammoniaksalze mit starken Mineralsäuren greifen das G. an; kohlensaures Natron verstärkt den Angriff des Wassers, ebenso kohlensaures Ammoniak (Fensterscheiben in Ställen). Am leichtesten wird G. durch Fluorwasserstoffsäure zersetzt. Die größte Widerstandsfähigkeit entsteht nicht durch Vorwalten irgend eines Bestandteils, sondern durch ein richtiges Verhältnis aller Bestandteile zu einander.

Zusammensetzung.

Die Gläser des Handels zeigen ungemein abweichende Verhältnisse der Bestandteile; scheidet man aber die notorisch schlechten Gläser und die ordinären Bouteillengläser aus, so ergeben die Alkalikalkgläser schon eine größere Übereinstimmung. Man hat von denselben zwei Gruppen zu unterscheiden: kalkreiche, zu denen besonders die besten Tafelgläser gehören, und alkalireiche mit oft höherm Kieselsäuregehalt, zu welchen die antiken Gläser, ein großer Teil des modernen weißen und halbweißen Hohlglases sowie namentlich älteres Spiegel- und Fensterglas zu zählen sind. Die Tafelglashütten sind in neuerer Zeit fast überall zur Fabrikation kalkreichen Glases geschritten, weil solches größere Härte, Elastizität, schönern Glanz, größere Widerstandsfähigkeit gegen die atmosphärischen Einflüsse zeigt, auch vermöge des allmählichen Erstarrens vortreffliche Bildsamkeit besitzt. Die mittlere Zusammensetzung des guten Kalknatronglases ist etwa 75,4 Proz. Kieselsäure, 11,8 Proz. Natron, 12,8 Proz. Kalk, und man kann annehmen, daß die Zusammensetzung in der Praxis im wesentlichen schwankt zwischen Na2O, CaO, 6SiO2 und 5Na2O, 7CaO, 36SiO2. Gleiches gilt für die Kalikalkgläser (71,1 Proz. Kieselsäure, 16,9 Proz. Kali, 12,0 Proz. Kalk) und für die Bleigläser, in denen PbO an die Stelle von CaO tritt (52 Proz. Kieselsäure, 12,8 Proz. Kali, 35,2 Proz. Bleioxyd). Nur die optischen Alkalibleigläser sind reicher an Bleioxyd, während der sogen. Halbkristall, ein Natronkalkbleiglas (etwa 56 Proz. Kieselsäure, 8,9 Proz. Natron, 2,6 Proz. Kalk, 32,5 Proz. Bleioxyd), sich wieder obiger Zusammensetzung anschließt, wenn man für den Kalk die äquivalente Menge Bleioxyd dem an letzterm bereits vorhandenen zuzählt.

Nach ihrer chemischen Zusammensetzung kann man die Gläser des Handels in vier Gruppen ordnen: 1) Kalikalkglas oder böhmisches Kristallglas, vollkommen farblos, äußerst strengflüssig, hart, durch chemische Beständigkeit ausgezeichnet. Das Spiegelglas ist häufig ein Gemisch von dieser Glassorte mit der folgenden. 2) Natronkalkglas, französisches G., Fensterglas, bläulichgrün, etwas härter als das vorige, weniger strengflüssig. Hierher gehört das zu optischen Zwecken dienende Crown- oder Kronglas. 3) Kalibleiglas, Kristall- oder Klingglas, ist weich, leicht schmelzbar, ausgezeichnet durch hohes spezifisches Gewicht, Farblosigkeit, Glanz, Lichtbrechungsvermögen und schönen Klang. Hierher gehören das Flintglas, welches noch reicher an Blei ist, zuweilen auch Wismut und Borsäure enthält, und der Straß, die Grundlage der künstlichen Edelsteine. Eine Zwischenstellung nimmt der Halbkristall ein, welcher Kalk, Blei und Natron enthält. 4) Aluminiumkalkalkaliglas, Bouteillenglas, Buttelglas, mit geringem Alkaligehalt, enthält öfters beträchtliche Mengen von Eisen und Mangan und an Stelle des Kalks oft Magnesia; es ist rötlich gelb oder dunkelgrün.

Fabrikation des Glases.
(Vgl. die Tafeln „Glasfabrikation I u. II“.)

Als Rohmaterialien benutzt die Glasfabrikation zur Beschaffung der Kieselsäure meist möglichst eisenfreien Sand, welcher gewaschen und in Flammöfen geglüht wird, außerdem Feuerstein, Quarz und Quarzfels, den man nach der Handscheidung glüht, in Wasser abschreckt und zerkleinert. Kali liefert Pottasche, selten Weinstein und schwefelsaures Kali. Von Natronsalzen verwendet man Soda, schwefelsaures Natron mit 6–8 Proz. Kohle, um schwefligsaures Natron zu bilden, welches durch Kieselsäure leichter zersetzt wird, dann Kochsalz, welches durch Glühen mit Kieselsäure im Dampfstrom zunächst in kieselsaures Natron verwandelt wird, seltener Natronsalpeter. Die Natronsalze gewähren Vorteile, weil sie billiger sind und überdies 10 Teile kohlensaures Natron 13 Teilen kohlensaurem Kali entsprechen. Kalk verwendet man in Form von Marmor, Kreide, Kalkstein, seltener Wollastonit (kieselsaurer Kalk). Phosphorsaurer Kalk (gebrannte Knochen oder Bakerguano) dient zur Darstellung von Milchglas, ebenso Flußspat und das bei der Verarbeitung von Kryolith abfallende Fluorcalcium. Magnesia findet sich mehrfach in Dolomiten und in manchen Silikaten als ein für die Glasindustrie unliebsamer Begleiter des Kalks, sie erhöht die Schwerschmelzbarkeit des Glases. Baryt (kohlensauren und schwefelsauren, letztern mit Kohle) schätzt man als erweichenden, das spezifische Gewicht und den Glanz des Glases erhöhenden Zuschlag. Thonerde wird nur in Form von Kryolith oder Natronaluminat, welches aus letzterm dargestellt wird, dem G. direkt zugesetzt; namentlich ist das Kryolithglas oder Hot-cast porcelain der Amerikaner reich an Thonerde; ein geringer Thonerdegehalt findet sich infolge des Abschmelzens der Häfen in allen Gläsern. Ordinäres Flaschenglas stellt man aus unreinem Sand mit Mergel und Lehm, Holz- und Torfasche, Seifensiederäscher, Feldspat, Pechstein, Amphibol, Phonolith, Basalt, Lava, trachytischen Gesteinen, Hochofen- und Eisenfrischschlacken dar. Granit wird unter Zuschlag von Baryt zu Bouteillenglas verschmolzen, und Feldspat gibt mit Bleioxyd sehr brauchbares G. Borsäure (Borax) dient als teilweises Ersatzmittel der Kieselsäure, sie erhöht die Schmelzbarkeit, den Glanz und ist ein treffliches Mittel gegen das Entglasen. Bleioxyd wird gewöhnlich in Form von Mennige angewandt. Auch Zinkoxyd und Wismutoxyd werden bisweilen benutzt.

Zur Darstellung von farblosem G. dienen gewisse Entfärbungsmittel (Glasmacherseifen), die auf verschiedene Weise wirken. Der Braunstein (Mangansuperoxyd) bildet in der Glasmasse kieselsaures Manganoxydul, welches amethystrot färbt und dadurch die grünliche Färbung durch kieselsaures Eisenoxydul aufhebt und das G. farblos macht. Sicherer wirkt Nickeloxydul, welches den Braunstein mehr und mehr verdrängt. Auch Antimonoxyd und Kobaltoxyd dienen als Entfärbungsmittel. Arsenige Säure, welche am häufigsten angewandt wird, gibt im G. Sauerstoff ab, oxydiert Kohle, Schwefelnatrium, Eisenoxydul zu farblosen Verbindungen und erzeugt, indem sie oder das reduzierte Arsen sich in Dampf verwandelt, eine starke Bewegung der Glasmasse. Das fertige G. enhält in der Regel keine Spur von Arsen. Auch Mennige, Chilisalpeter und salpetersauren Baryt benutzt man als oxydierende Entfärbungsmittel.

Als Färbemittel dienen außer Braunstein u. Nickel (zum neutralen Grau des Glases für Schutzbrillen)

[Ξ]

Glasfabrikation I.
Fig. 7–9. Siemens’ Regenerativgasofen.
Fig. 7. Grundriß.
Fig. 8. Durchschnitt.
Fig. 9. Durchschnitt.
Fig. 10. Siemens’ Wannenofen.

[Ξ]

Glasfabrikation II.
Fig. 4. Glasofen mit Holzfeuerung.
Fig. 5. Deutscher Glasofen, Durchschnitt.
Fig. 11. Bontemps Ofen zur Darstellung von optischem Glas.
Fig. 17. Kühlofen für Bleiglas.
Fig. 20. Streckofen für Tafelglas, wagerechter Durchschnitt.
Fig. 21. Streckofen für Tafelglas, senkrechter Durchschnitt.
Fig. 22. Gießen des Spiegelglases.

[385] Kobaltverbindungen (Schmalte und Kobaltoxyd) zum Blaufärben; Uran gibt in Bleiglas reines, völlig durchsichtiges Gelb, in Kalikalkglas eine etwas getrübte, durch Fluoreszenz grünlich schimmernde, gelbe Färbung. Kupferoxyd färbt blaugrün, wird aber meist neben Chromoxyd angewandt, dessen Gelbgrün es dämpft und blauer macht. Bei Gegenwart von reduzierenden Agenzien wird das Kupferoxyd in Oxydul verwandelt, welches eine leuchtend blutrote Färbung gibt. Durch eine besondere Behandlung geht das mit Kupferoxydul gefärbte G. unter reichlicher Kristallausscheidung in Aventurin über. Chromoxyd erzeugt eine lebhafte gelblichgrüne Farbe (Annagrün). Die Schwerlöslichkeit des Chromoxyds benutzt man zur Herstellung von Chromaventurin. Silber färbt G. hellgelb bis orange, wird aber nur selten zu Färbungen in der Masse benutzt. Gold gibt das prachtvolle Rubinglas. Zinnoxyd macht das G. trübe (Alabasterglas) bis völlig opak und weiß. Eisenoxydul erzeugt eine bouteillengrüne, Eisenoxyd eine gelbe Färbung. In verschiedenen Verhältnissen gemengt, vermögen die Oxyde des Eisens alle Färbungen des Glases hervorzurufen. Die durch Eisenoxydul gefärbten Gläser werden im Sonnenlicht gelb, indem stets vorhandenes schwefelsaures Natron Eisenoxyd und Schwefelnatrium bildet. Durch Erhitzen geht die Reaktion wieder zurück. Einigermaßen erwünscht ist das Eisen nur im Bouteillenglas, da seine leicht schmelzbaren Silikate die erhärtende Wirkung der Thonerde zum Teil paralysieren. Kohle erzeugt Schwefelmetalle, durch welche das G. gelb bis braun wird.

Die Rohmaterialien werden in gut zerkleinertem Zustand nach bestimmten Verhältnissen sorgfältig gemischt und dann unter Zusatz von Glasbrocken, welche die Glashütten aufkaufen, sortieren und reinigen oder auch aus eignem Abfall sammeln, eingeschmolzen.

Zum Einschmelzen dienen die Glashäfen, welche aus schwer schmelzbarem Thon unter Zusatz von Schamotte und Hafenscherben dargestellt werden, von rundem oder elliptischem Querschnitt, nach dem Boden zu verjüngt sind und etwa 60–600, ja bisweilen 2500 kg G. fassen, oben offen oder (für Bleiglas) gedeckt, nach oben zu durch eine seitlich mit kurzem Hals versehene und durch diese mit der Arbeitsöffnung des Ofens in Verbindung stehende Kuppel gegen den innern Ofenraum völlig abgeschlossen sind. Häfen für kontinuierlichen Betrieb bestehen aus drei Abteilungen, indem an der der Arbeitsöffnung des Ofens zugewandten Seite des Hafens durch eine doppelt gekrümmte, nach unten und vorn geneigte Wand ein Stück des Innenraums abgesondert ist, während der übrige, im Horizontalschnitt sichelförmige Raum des Hafens durch eine von der erwähnten Scheidewand bis zur gegenüberliegenden Hafenwand gehende zweite Wand in zwei gleiche Teile geteilt wird. In der einen dieser Abteilungen wird das Gemenge der Rohmaterialien eingeschmolzen, die geschmolzene Masse steigt vom Boden durch ein Rohr empor, ergießt sich in die zweite Abteilung, wird auf diesem Weg sehr stark erhitzt, läutert in der zweiten Abteilung, sinkt zu Boden und tritt durch eine unten angebrachte Öffnung in die dritte Abteilung, aus welcher sie bei der Verarbeitung entnommen wird.

Die Öfen, in welchen die Häfen erhitzt werden, sind stehende Flammöfen, fassen 6–10 Häfen und müssen Raum enthalten, um Arbeitsstücke von jeder Form und Große wiederholt darin erweichen zu können, ohne sie mit den Wänden, Häfen etc. in Berührung zu bringen. Bei der empfindlichen Natur des Glases braucht man ein möglichst reines und klares, von Asche- und Kohlenteilen reines Feuer, wie es am leichtesten durch Holz erzeugt wird. In neuerer Zeit hat die Notwendigkeit der Brennstoffersparnis zur Benutzung von Stein- und Braunkohlen und Torf geführt. Holzfeuerung findet man gegenwärtig noch im Böhmerwald, im Bayrischen Wald, in einigen deutschen Mittelgebirgen, wie im Thüringer Wald, und im süddeutschen Oberland. Textfig. 1, 2, 3 zeigen einen Glasofen für Holzfeuerung. Auf dem Fundament f‌f erheben sich zu beiden Seiten die

Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 1–3. Glasofen für Holzfeuerung.

massiven Mauerkörper, der äußere aa und der innere bb, welche eine langgestreckte Grube c (Piepe, Tonne) umgrenzen. Mit letzterer stehen die Feuerungen xy in Verbindung. Diese dienen zur Erzeugung, die Tonne als Raum zur Entwickelung der Flamme. Die Häfen hh stehen in zwei Reihen auf dem Mauerkörper bb (den Bänken). Die aus c aufsteigende Flamme schlägt zunächst zwischen den beiden Häfenreihen, also durch die Gasse e durch, verbreitet sich in dem Arbeitsraum gg bis an das Deckengewölbe ii und nimmt durch die zugleich zum Ausarbeiten des Glases dienenden Öffnungen oo in den Seitenmauern nn ihren Ausweg. Die Öffnungen rr werden nur beim Auswechseln der Häfen benutzt. Das Holz, am besten Nadelholz in 10 cm breiten und halb so [386] dicken Scheiten, wird zunächst in Gerüsten über dem Ofen im Dachgebälk der Hütte stark gedörrt und dann, wie in Fig. 4 (Taf. II) ersichtlich, benutzt. Die Feuerung besteht aus den beiden Räumen A und B, welche durch die Thonplatte aa mit der runden Öffnung ϑ voneinander getrennt sind. A ist durch die Thonplatte Ci verschlossen; der Raum B hat nach außen eine weitere Öffnung, bei welcher der Luftzutritt durch die Platte d mit der Öffnung x geregelt wird. Solange der Ofen in Betrieb ist, steht der ganze Feuerraum in lebhafter Rotglut, und sobald ein Scheit durch die Öffnung o eingeschoben wird, daß es frei in den Feuerraum hineinragt, wird es schnell in eine mächtige Flamme und einen Kohlenrückstand aufgelöst. Die Kohlen fallen auf den Rost a und durch ϑ nach B, wo sie nun weiter verbrennen. Während das Scheit an dieser Schüre verzehrt wird, bedient der Arbeiter die zweite Schüre und kehrt zur ersten zurück, um sofort ein neues Scheit durch o einzuschieben. Gegenwärtig benutzt man bei dieser alten Ofenkonstruktion gewöhnlich eiserne, mit Thon gefütterte Thüren und eiserne Roste. Bei dem deutschen Ofen (Fig. 5, Taf. II) wird auf der größten Schüre

Fig. 6.
Siemensscher Regenerativgasofen für Kohlen- und Torffeuerung.

A mit grobem, auf der andern Schüre B mit dünn gespaltenem Holz geschürt. Die durch die Schüröffnungen oo eingeschobenen Scheite liegen mit dem einwärts gekehrten Ende auf Bogenstücken bdf, zwischen welchen bei gghh sich die Kohlen sammeln. Durch EExxy wird der Luftzutritt zu dem Raum CC geregelt. Bei Steinkohlenfeuerung braucht man zur Erzielung einer mächtigen, heißen Flamme große Roste, welche die ganze Länge des Ofens durchsetzen oder wenigstens den größten Teil desselben für sich in Anspruch nehmen. Den größten Fortschritt in den Ofenkonstruktionen brachte die Einführung der Gasfeuerung (s. d.), durch welche aus geringwertigen Brennstoffen ein ebenso reines Feuer erzielt wird wie aus Holz. Namentlich hat der Siemenssche Regenerativgasofen große Verbreitung gefunden und bezeichnet den Beginn einer neuen Ära für die Glasindustrie. Man hat an demselben drei Teile zu unterscheiden: den Generator, den Schmelzofen mit dem Verbrennungsherd und die Regeneratoren. Der Generator richtet sich in seiner Form nach dem zur Heizung benutzten Brennmaterial. Textfig. 6 zeigt den für Kohlen und festen Torf bestimmten, räumlich vom Schmelzofen getrennten, stets außerhalb des Hüttengebäudes aufgestellten Generator. In diesen wird alle 2–4 Stunden das Brennmaterial durch Füllöffnungen g eingebracht; es stürzt auf die schiefe Ebene bb und auf den Treppenrost cc und staut sich vor diesem im untersten Teil des Generators. Bei der dicken Schicht des Brennmaterials findet eine unvollkommene Verbrennung und auf der schiefen Ebene bb nur eine trockne Destillation desselben statt. Zur Regulierung der Verbrennung sind bei o und h kleine, für gewöhnlich verschlossene Öffnungen angebracht, durch welche Schürstangen eingeführt werden können. Eine Eigentümlichkeit dieses Generators besteht in der Zuführung von Wasser aus x durch das Rohr nn nach dem Trog u, aus welchem Wasserdampf aufsteigt, um sich mit dem glühenden Brennmaterial in Kohlenoxyd und Wasserstoff umzusetzen. Die im Generator B entwickelten brennbaren Gase entweichen durch l, steigen im Rohr D auf und strömen durch die Rohrleitung und den Kanal E zum Glasofen. Bevor dieselben nun aber in den Verbrennungsraum gelangen und hier mit zugeführter Luft verbrennen, passieren sie ebenso wie die letztere die Regeneratoren, welche kurz zuvor durch die aus dem Ofen abströmenden Verbrennungsprodukte erhitzt worden sind. Die Heizgase und die Luft nehmen hierbei eine sehr hohe Temperatur an; allmählich aber kühlen die Regeneratoren ab, und nun wird die ganze Zugrichtung im Ofen umgekehrt: durch die abgekühlten Regeneratoren strömen von jetzt an wieder die Verbrennungsprodukte, während die Generatorgase und die Luft durch das zweite Paar der Regeneratoren geleitet werden, durch welches bis dahin die Verbrennungsprodukte gegangen waren. Diese Umkehrung der Zugrichtung wird durch besondere Wechselklappen erreicht. Die Regeneratoren sind Kanalerweiterungen, welche mit einem aus feuerfesten Steinen hergestellten Netzwerk gefüllt sind. Fig. 7, 8, 9 (Taf. I) zeigen einen Hohlglasofen mit stehenden Regeneratoren. Der Kanal G (Fig. 7) ist das dem Ofen zugekehrte Ende des Kaminkanals, das bei A mit dem offenen untern Ende des Gas-, bei a mit demjenigen des Luftwechselklappenrohrs kommuniziert. Mit diesem Rohr steht über A der vom Generator kommende Gaskanal in Verbindung, und aus diesem wird das Gas je nach der Stellung der Wechselklappe nach B oder B′ geleitet, wobei im ersten Fall B′, im entgegengesetzten Fall B mit dem Kamin kommuniziert. Ebenso wird bei a die Luft mit Hilfe der Wechselklappe entweder nach b oder nach b′ dirigiert und auch hier im ersten Fall b′, im zweiten Fall b mit dem Kamin in Verbindung gebracht. Auf dem heller schraffierten Teil des Horizontalquerschnitts (Fig. 7) ruht nun der eigentliche Ofen. Über den als gleichzeitiger [387] Gas- und Luftzuzug zusammengehörigen Kanälen C′ und c′ sowie C und c befindet sich zunächst je ein sich über die halbe Länge des Ofens erstreckendes Paar Regeneratoren, von denen die rechts von der Mittellinie liegenden D′ und D in die Gas-, die links liegenden d′d in die Luftzuführung des Ofens eingeschaltet sind. Steigen nun Gas und Luft, ersteres durch Öffnungen im Gewölbe des Kanals C′, letztere in derselben Weise aus c′, in die Räume D′ und d′ auf, so werden sie auf ihrem Weg durch das heiße Steinnetzwerk erhitzt, bevor sie aus den Hälsen E′e′ in die durch Zwischenwände getrennten Feuerzüge F′f′ der Ofensohle und aus diesen in den Schmelzraum treten. Die Züge kommunizieren unten sämtlich mit einer der zu beiden Seiten des Ofens zwischen den Regeneratoren gelegenen Kammern H′ und H (Glastaschen), die aus dem Schmelzraum etwa abfließendes G. aufnehmen und flüssig erhalten; sie sind durch die Vorsatzkuchen h′h geschlossen und durch die Formsteine i′i vor Abkühlung geschützt. Durch die Mauerung der Sohle, auf welcher die Häfen stehen, zieht sich ein Kanalsystem K′K′KK, dessen horizontale Leitungen mit ihrem einen offenen Ende außerhalb der Ofenmauerung beginnen, mit dem andern in die an beiden Breitseiten des Ofens errichteten Kamine K′K münden. Diese Kanäle bezwecken eine Abkühlung der Herdsohle. An den Breitseiten liegen noch die Hafenthore l, in der Mauerung der Langseite vor jedem Hafen die Aufbrechlöcher mit ihren Vorsetzkuchen mm, über diesen die Formsteine mit auf ihnen ruhenden, ihre Breite vergrößernden Eisenplatten sowie die die Arbeitslöcher nn umschließenden Ringsteine. Die Umkehrung der Zugrichtung im Ofen wird etwa halbstündlich wiederholt. Bei dem neuern Siemensschen Wannenofen fallen die Häfen ganz fort, und die passend vertiefte, ausgehöhlte Ofensohle bildet das das G. aufnehmende Schmelzgefäß. Der Ofen besitzt ebenfalls Regenerativgasfeuerung, und die Wanne ist ähnlich wie der Hafen für kontinuierlichen Betrieb in drei Kammern geteilt, so daß ein kontinuierlicher Betrieb ermöglicht und das G. in dem Ofen, der sich besonders für Massenfabrikation eignet, fertig gemacht werden kann. Fig. 10 (Taf. I) zeigt einen Vertikalschnitt desselben. Unter dem hintern Teil desselben A befinden sich die Regeneratoren, von denen in der Figur das eine Paar DD′ sichtbar ist. Sie kommunizieren mit zwei zu beiden Seiten des Ofens sich lang hin erstreckenden Kanälen, von denen einer mit dem Gas-, der andre mit dem Luftgenerator verbunden ist. Aus diesen Kanälen treten Gas und Luft in gesonderten Partialströmen durch die Zuleitungen hh in den Ofen, entzünden sich in demselben bei ihrem Zusammentreffen, und die Verbrennungsprodukte ziehen durch die an der gegenüberliegenden Seite des Ofens mündenden Kanalöffnungen des zweiten Regeneratorpaars ab. Unter der Sohle des Ofens ist ein Hohlraum f‌f ausgespart, der am vordern Teil des Ofens mit der freien Luft, am hintern Teil mit den Luftkanälen g kommuniziert. In diesem Hohlraum findet ein fortwährender Luftwechsel statt, welcher eine Überhitzung des Wannenbodens verhindert. In dem Raum A, der durch eine mit kühlenden Luftzügen versehene Zwischenwand abgegrenzt ist, wird das durch a aufgegebene Gemenge geschmolzen; das rohe G. tritt, durch bb aufsteigend, in den Läuterraum B und muß hierbei in dünner Schicht über die Brücke strömen, auf welcher es sehr stark erhitzt wird. In B vollzieht sich die Läuterung, und das reine G. tritt nun unter der zweiten Scheidewand durch c in den nicht mehr mit eigner Feuerung versehenen Arbeitsraum C, aus welchem es von den Arbeitslöchern dd aus verarbeitet wird; ee sind kleine Löcher in der Außenwand und dienen zum Vorwärmen der Pfeifen.

Zur Herstellung des Glases beschickt man die stark erhitzten Häfen mit dem Gemenge der Rohmaterialien, füllt nach dem Niederschmelzen weiteres Rohmaterial nach und setzt, wenn auch dieses geschmolzen ist, Glasbrocken hinzu, um den Hafen vollständig zu füllen. Die beim Schmelzen sich ausscheidende Glasgalle besteht im wesentlichen aus schwefelsauren Alkalien, enthält oft auch bedeutende Mengen von schwefelsaurem Kalk und wird abgeschöpft oder durch Umrühren mit Holz oder Zusatz von Kohle in schwefligsaures Salz verwandelt, welches von dem G. aufgenommen wird. Reinere Materialien liefern sehr wenig Galle. Nach Beseitigung derselben bringt man den Ofen auf die höchste Temperatur (Heißschüren), um das G. dünnflüssig zu machen. Es steigen dann alle noch eingeschlossenen Glasbläschen an die Oberfläche empor, die Masse kommt in lebhafte Bewegung und gewinnt dadurch erheblich an Homogenität. Gleichzeitig setzen sich bei dieser Läuterung ungelöste Körper und Klümpchen in dem Hafen zu Boden, und schließlich bewirkt man noch lebhaftes Aufwallen durch Umrühren mit frischem Holz, durch Einwerfen von Arsenik oder durch Niederstoßen einer Kartoffel in das G. Nach beendigter Läuterung, welche etwa 4–6 Stunden erfordert, folgt das Kaltschüren, d. h. ein Ablassen der Ofentemperatur, bis das G. denjenigen Grad von Zähflüssigkeit erreicht hat, welcher zum Verarbeiten erforderlich ist. Dabei sinkt aber die Temperatur des Arbeitsraums über den Häfen zu tief, und man muß von neuem feuern (Glut machen), um während der Ausarbeitung eine helle Rotglut zu erhalten.

Formgebung.

Das fertige G. unterliegt in allen Fällen einer formgebenden Behandlung, und zwar beginnt diese entweder erst nach langsamem völligen Erstarren der Masse (optisches G., Flüsse), oder in noch halb flüssigem, zähem Zustand des Glases (vor der Pfeife oder mit der Zange bearbeitetes G.), oder endlich schon bei hoher Temperatur und dünnflüssigem Zustand der Masse (gegossenes und gepreßtes G.).

Das zu optischen Zwecken bestimmte Flintglas muß vollkommen farblos u. sehr homogen sein. Durch Steigerung des Bleioxydgehalts auf 43–44,5 Proz. erhält es hohes spezifisches Gewicht u. Lichtbrechungsvermögen; der Gehalt an Kieselsäure beträgt etwa ebensoviel und der Natron- (oder Kali-) Gehalt 11–11,75 Proz. Man schmelzt das Flintglas aus sehr reinem Sand (früher Feuerstein, engl. flint, daher der Name), Mennige, Pottasche, oft unter Zusatz von salpetersaurem Bleioxyd, erhitzt das fertige G. zuletzt bis zu vollkommenster Dünnflüssigkeit, rührt dann, um Entmischung, zu der dies G. stark neigt, zu vermeiden, mit einem Thoncylinder, der an einem Eisenstab befestigt ist, bis es sehr zähflüssig geworden ist, läßt es möglichst schnell bis auf dunkle Rotglut erkalten (um der Entglasung vorzubeugen) und verschließt dann alle Öffnungen des Ofens, um die weitere Abkühlung auf 6–8 Tage auszudehnen. Fig. 11 (Taf. II) zeigt Bontemps’ Ofen zur Darstellung von optischem G. Derselbe gleicht einem stehenden Cylinder mit halbkugelförmigem Gewölbe E. In seiner Mitte befindet sich die Bank A, an zwei gegenüberliegenden Seiten je eine Feuerung mit ihrem Rost a. Der Ofenzug wird durch seitlich in der Höhe H und l die Außenmauer durchbrechende, mit den niedrigen, unter einem [388] gemeinsamen Blechmantel ausmündenden Essen in Verbindung stehende Füchse besorgt. Der gedeckte Hafen K mündet mit seinem Halsansatz b in der einzigen Arbeitsöffnung des Ofens. Die Platte gg verschließt das Hafenthor und läßt nur die Öffnung e frei, durch welche der auf L ruhende Stab c mit dem Thoncylinder d bewegt wird. Versuche, die Kieselsäure im Flintglas teilweise durch Borsäure zu ersetzen, haben keinen guten Erfolg gehabt; dagegen hat vielleicht ein mit kohlensaurem Thalliumoxyd anstatt mit kohlensaurem Kali dargestelltes Flintglas große Zukunft. In den optischen Instrumenten kommt zur Erzielung vollkommener Achromasie eine Flintglaslinse in Kombination mit einer Linse aus Crownglas (Kronglas) zur Verwendung. Das Kronglas ist meist nichts andres als ein Tafelglas bester Qualität von gewöhnlicher Zusammensetzung (Alkalikalkglas: Kieselsäure 70,4, Kalk 10,3, Kali 19,3) und wird ähnlich wie das Flintglas dargestellt. Die in den Häfen erkaltete Glasmasse wird durch Picken von der Hafenwand befreit und an mehreren diametral entgegengesetzten Stellen angeschliffen und poliert, um die Beschaffenheit des Glasblocks zu ermitteln. Nach dem Befund wird die Masse dann mit Kupferstreifen und Schmirgel zersägt, worauf man die Bruchstücke zur Erzielung größter Homogenität bis zum Erweichen, ja zum beginnenden Fließen erhitzt.

Sehr alt ist die Nachahmung von Edelsteinen durch Glasflüsse, aber erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts bildete sich die Fabrikation der falschen Steine zu einem eignen Gewerbszweig aus. Straßer in Wien komponierte ein Bleiglas von vorzüglichem Lichtbrechungsvermögen (Straß), und Douauld-Wieland lieferte Produkte, welche die bis dahin berühmtesten „böhmischen Steine“ an Glanz und Feuer übertrafen. Zur Darstellung dieser Glasflüsse benutzt man gemahlenen Bergkristall, durch Alkohol gereinigtes Ätzkali, chemisch reine Mennige und wiederholt umkristallisierten Borax; man schmelzt das Gemenge in kleinern Tiegeln unter Umrühren und läßt das G. im Tiegel erkalten oder gießt es auf eisernen Platten aus. Der farblose Straß gibt die künstlichen Diamanten, während er für die Imitation andrer Edelsteine gefärbt wird. Über Aventuringlas und Hämatinon s. d. Hier schließen sich die Schmelzgläser an, welche schon in sehr früher Zeit zur Dekoration von Thon- und Glasgegenständen benutzt wurden, im 10. und 11. Jahrh. unter der Bezeichnung Smaltum zur Ausschmückung von Metallarbeiten dienten und schon im kaiserlichen Rom das Material für das Opus alexandrinum, musivum und tesselatum, die reiche Mosaik, mit welcher Wände und Fußböden bekleidet wurden, abgaben. In Byzanz und Venedig weiter ausgebildet, geriet die Herstellung und Verwendung in Vergessenheit, bis Salviati in Venedig in neuester Zeit die Glasmosaik von neuem ins Leben rief. Man unterscheidet durchsichtige Schmelzgläser (Flüsse) und undurchsichtige (Email). Die Flüsse werden aus Kalibleiglas, welches man beliebig färbt, hergestellt, und das weiße Email ist ein etwa 10 Proz. Zinnoxyd enthaltendes Kalibleiglas (s. Email).

Hohlglas.

Die zweite Gruppe von Gläsern, welche im zähflüssigen Zustand der Masse geformt werden, umfaßt das Hohlglas und das geblasene Tafelglas. Die Grünglas- oder Bouteillenfabrikation hat aus billigstem Rohmaterial ein sehr festes, auch chemisch widerstandsfähiges G. zu liefern. Man verarbeitet neben eisenhaltigem Sand Lehm, Mergel, Holz- und Torfasche, Seifensiederäscher, Basalte, Laven und ähnliche Gesteine (s. S. 384), erhitzt den Glassatz in einem besondern Ofen bis zu beginnendem Schmelzen, trägt die halbgeschmolzene (gefrittete) Masse glühend in die Häfen ein, bringt sie in vollständigen Fluß und läßt sie nach kurzer Läuterung bis auf einen gewissen Grad der Zähigkeit abkühlen. Zur weitern Verarbeitung dient die Pfeife, ein 1–1,3 m langes, im Lichten 1 cm weites schmiedeeisernes Rohr, welches am untern Ende knopfartig verdickt oder trompetenartig erweitert, am obern Drittel mit einer Umhüllung von Holz oder Leder und am obern

Fig. 12. Fig. 13.
Fig. 14.

Ende mit einem Mundstück versehen ist. Diese Pfeife taucht der Arbeiter in die zähflüssige Glasmasse, dreht sie ein paarmal um ihre Längsachse, zieht sie dann heraus, hält sie mit dem Knopf nach unten, nimmt nach dem Erstarren des Glases auf gleiche Weise eine zweite, auch wohl noch eine dritte Portion G. heraus, verteilt die ganze Glasmasse durch Hin- und Herwälzen auf der eisernen Marbelplatte möglichst gleichförmig um den Pfeifenkopf und bringt sie zum größten Teil vor den Knopf der Pfeife. Indem der Arbeiter nun das G. in der Arbeitsöffnung des Ofens wieder anwärmt und wiederholt stark in die Pfeife bläst, bringt er die erste Höhlung in dem G. hervor (Textfig. 12); nach abermaligem Anwärmen und bei lotrechter Haltung der Pfeife streckt sich das G. (Textfig. 13), und wenn nun von neuem und stärker unter beständigem Drehen der horizontal gehaltenen Pfeife angewärmt wird, läßt sich das G. in einem Thonring leicht zu der in Textfig. 14 angegebenen Form ausblasen. Durch einen Druck mittels eines stumpfen Eisens wird nun der Boden der Flasche nach innen eingedrückt und in der Mitte der Vertiefung

Fig. 15.
Fig. 12–15. Darstellung einer Flasche.

mittels einer geringen Quantität flüssigen Glases das Hefteisen befestigt (Textfig. 15). Ein Tropfen Wasser und ein kurzer Schlag trennen die Flasche von der Pfeife, worauf der Flaschenhals im Arbeitsloch rund geschmolzen und nahe der Mündung mit einem vom Fadeneisen herablaufenden Faden flüssigen Glases umwunden wird. Man trennt dann die Flasche vom Hefteisen und bringt sie in den Kühlofen. Diese einfachste Form der Flaschenbildung ist im Lauf der Zeit wesentlich ausgebildet worden; man hat Formen nicht nur zur Herstellung von Flaschen von gleicher Höhe, sondern auch solche, welche die Bildung des Flaschenhalses regeln. Die Einstülpung des Bodens wird durch besondere Werkzeuge erleichtert, man vermeidet durch Benutzung eines zangenartigen Instruments die Anwendung des Hefteisens und formt die Mündung korrekter und gefälliger mit [389] Hilfe einer federnden Zange etc. Die Kühlöfen der Bouteillenfabriken sind weite Flammöfen mit niedrigen Gewölben und seitlicher Feuerung; man heizt sie bis nahe auf die Temperatur, bei welcher das G. zu erweichen beginnt, schichtet auf der Sohle die Flaschen, reihenweise liegend, übereinander, verschließt den Ofen vollständig und läßt ihn langsam erkalten. Ein besonderer Artikel der Bouteillenhütten sind die großen Ballons, bei deren Herstellung der Arbeiter schließlich ein wenig Wasser durch die Pfeife einspritzt, um durch den sich entwickelnden Dampf das G. weiter aufzutreiben. Die folgende Tabelle zeigt die Zusammensetzung von fünf verschiedenen Sorten guten Bouteillenglases:

  Proz. Proz. Proz. Proz. Proz.
Kieselsäure 59,0 58,4 59,6 60,0 66,04
Eisenoxyd 7,0 8,9 4,4 4,0 2,78
Manganoxyd 0,4 1,2
Thonerde 1,2 2,1 6,8 8,0 2,65
Magnesia 7,0
Kalk 19,9 18,6 18,0 22,3 22,88
Natron 10,0 9,9 3,2 3,1 2,83
Kali 1,7 1,8 2,82

Das ordinäre halbweiße Hohlglas wird aus unreinern Materialien als Weißhohlglas, häufig unter Benutzung von Mergel und Asche und meist mit Glaubersalz mit Kohle dargestellt. Das Weißhohlglas ist ein Natronkalkglas mit geringem Kalkgehalt und, um das G. recht hart und die Politur haltbar zu machen, mit hohem Kieselsäuregehalt. Das böhmische Schleifglas ist dagegen kieselsäurereiches Kali-Kalkglas, dessen Schwerschmelzbarkeit bisweilen durch etwas Natron gemäßigt wird. Beispiele sind:

  Weißhohlglas böhmisches
Schleifglas
Proz. Proz. Proz. Proz. Proz. Proz.
Kieselsäure 72,0 77,3 78,39 74,71 71,4 77,0
Manganoxyd 0,15 0,21
Eisenoxyd 4,5 Spuren 0,21 0,14
Thonerde 0,24
Kalk 6,4 6,4 7,10 8,77 13,1 10,3
Natron 17,0 16,3 13,91 15,74 5,0
Kali 15,5 7,7

Die Materialien zum Weißhohlglas müssen sehr rein sein; vielfach frittet man noch das Gemenge, muß dann aber für gute Mischung des geschmolzenen Glases sorgen. Die Bearbeitung beginnt nach dem Läutern und Abkühlen, und nachdem man die Häfen abgeschäumt hat, und wird von dem Arbeiter auf dem Glasmacherstuhl sitzend ausgeführt, indem er die Pfeife über die vorstehenden Führungsarme hinrollt und sich im übrigen höchst primitiver Werkzeuge bedient, dabei aber große Kunstfertigkeit entwickelt. Als Beispiel reiner Stuhlarbeit zeigt Textfig. 16 die Bildung eines Kelchglases mit Fuß. Das mit der Pfeife herausgenommene G. wird in die richtige Form gebracht (A), aufgeblasen (B), durch Aufstampfen auf die Marbelplatte, Anwärmen und Behandeln mit dem Plätteisen unten abgeplattet (C); dann klebt man eine Quantität G. a unten an (D) und arbeitet dies, während die Pfeife horizontal rotiert, mit einer federnden Zange zu dem Stengel b des Fußes aus (E). Ein Gehilfe fertigt inzwischen an einer zweiten Pfeife eine kleine, dickwandige Hohlkugel, klebt diese an den Stengel b und sprengt sie durch einen Tropfen Wasser und einen Schlag von seiner Pfeife ab. Nach dem Anwärmen wird diese Hohlkugel unter fortwährender Rotation der Pfeife aufgetrieben (Fc) und dann die Scheibe mit der Schere beschnitten und in der Arbeitsöffnung des Ofens glatt geschmolzen (Gd). Nun heftet man den Fuß durch ein wenig G. an das Hefteisen (H), sprengt das Arbeitsstück bei e von der Pfeife ab, wärmt es an der Öffnung des Ofens an, bearbeitet es mit dem Auftreibeeisen und formt die Kelchwände mit dem Plätteisen nach Bedürfnis. Schließlich beschneidet man den obern Rand des Kelchs mit der Schere (J), schmelzt ihn rund (K) und sprengt das G. von dem Hefteisen ab.

Fig. 16.
Bildung eines Kelchglases.

Der reinen Stuhlarbeit steht die Formarbeit (das Aufblasen des Glases in Formen) gegenüber, bei welcher weniger geübte Arbeiter verwendbar sind. Da die Formarbeit aber niemals gleichmäßig glatte Flächen liefert, so vermeidet man solche und überladet lieber die Gegenstände mit Schmuck, welcher indes, wo er Kristallschliff nachahmen soll, auch nur stumpfkantig ausfällt. Die Formarbeit, für die Massenproduktion sehr geeignet, macht die Arbeit des Glasbläsers zu einer rein mechanischen; eine geschickte Kombination von Stuhl- und Formarbeit aber erhöht die Leistungsfähigkeit des Arbeiters ungemein. Man kann z. B. das noch nicht völlig aufgeblasene G. in eine geriefte oder sonstwie ausgearbeitete Form senken und durch kräftiges Einblasen in deren Vertiefungen eintreiben. Bläst man dann das G. nach dem Anwärmen weiter auf, so werden sich zwar die in der Form erhaltenen Ausbauchungen, Eindrücke etc. etwas abflachen, aber sie schwinden nicht ganz und nehmen durch das Aufblasen ihren vollen Glanz wieder an. Zum Kühlen des Weißhohlglases benutzt man meist Flammöfen mit niedrigem, flachem Gewölbe, gegenwärtig auch eine zunächst für Bleikristallglas bestimmte Ofeneinrichtung [390] (Fig. 17, Taf. II) mit zwei seitlichen Feuerungen und einer ebenen Sohle, auf welcher sich ein paar Schienengeleise zur Bewegung niedriger eiserner Wagen hinziehen. Man bringt ein paar solcher Wagen dicht vor die Eintragthüren, besetzt sie mit den zu kühlenden Gläsern, schiebt sie tiefer in den Ofen, führt durch die Thüren ein paar neue Wagen ein, besetzt auch diese und fährt so fort, bis der Ofen gefüllt ist. Dann wird derselbe verschlossen und erst nach 1–2 Tagen ganz allmählich geöffnet. Bei allem Weißhohlglas sind schließlich die Näbel, d. h. die Stellen, an welchen das G. an der Pfeife gesessen hat, ab-, bei Flaschen die Stöpsel einzuschleifen. Ersteres geschieht auf sehr schnell rotierenden Scheiben und zwar zuerst auf einer gußeisernen Scheibe, auf welche mit scharfem Sand versetztes Wasser träufelt, dann auf einer Scheibe von feinkörnigem Sandstein, auf welche reines Wasser träufelt, und zuletzt auf Polierscheiben von weichem Holz, Blei oder Kork mit Englischrot. Das Alkalikalkglas kommt nicht nur farblos und durchsichtig, sondern auch getrübt (Alabasterglas, Reisglas, Milchglas, Beinglas, Achatglas) und gefärbt vor; in den meisten Fällen aber ist das getrübte oder farbige Hohlglas Bleikristall, weil in diesem die Färbungen fast durchgängig glänzender ausfallen.

Das Bleiglas (Bleikristall), ausgezeichnet durch Farbenspiel, Glanz und vollen Klang, wird fast ausschließlich in England und Frankreich hergestellt und vor der Pfeife verarbeitet; nur einzelne Beleuchtungsartikel (Lampencylinder, die weniger leicht springen sollen), durch Zinkoxyd getrübtes Milchglas und zum Überfangen bestimmtes farbiges G. werden auch in andern Ländern erschmolzen. Analysen von Bleiglas ergeben folgende Resultate:

  Proz. Proz. Proz. Proz. Proz.
Kieselsäure 51,93 57,5 59,2 51,1 54,2
Bleioxyd 33,28 32,5 28,2 38,3 34,6
Kalk 0,4
Kali 13,67 9,0 9,0 7,6 9,2
Natron 1,0 1,7 0,9
Thonerde 1,4 0,5 0,5
Eisenoxyd 0,3
Manganoxyd 0,5

Die Rohmaterialien: Sand, Mennige, Pottasche (zum Teil ersetzt durch Soda), Kalisalpeter müssen sehr rein sein, trotzdem zeigt das Bleiglas durchgängig einen Stich ins Gelbliche und bedarf der Anwendung eines Entfärbungsmittels (Braunstein oder Nickeloxyd). Der Halbkristall, in welchem ein Teil des Bleioxyds durch Kalk ersetzt ist und bisweilen auch Baryt zur Anwendung kommt, zeichnet sich vor gewöhnlichem Hohlglas durch höhern Glanz, leichtere Schmelzbarkeit und geringere Härte aus und wird namentlich in England und Belgien auf in der Form erblasenes Hohlglas niederer Gattung und ordinäres Preßglas verarbeitet. Bei Holzfeuerung und bei Regenerativfeuerung benutzt man zum Schmelzen des Bleiglases offene Häfen, während bei Steinkohlenfeuerung gedeckte Häfen erforderlich sind. Die formgebende Ausarbeitung (Stuhl- und Formarbeit) erleidet nur geringe, durch die Leichtschmelzbarkeit, die Weichheit und leichte Reduzierbarkeit des Bleiglases bedingte Abweichungen; der Kühlprozeß erfordert sorgfältigsten Abschluß der Heizgase vom Kühlraum und gestattet Anwendung niederer Temperaturen. Sehr häufig wird Bleiglas gefärbt und zwar nicht nur in der Masse, wie andres G., sondern auch dadurch, daß man eine Glasmasse mit einer dünnen Schicht einer anders gefärbten Glasmasse überzieht (Überfangglas). Man erreicht dies durch einfaches Eintauchen des an der Pfeife sitzenden, nur wenig aufgeblasenen Glases in gefärbtes G. oder umgekehrt durch Eintauchen einer kleinen Menge gefärbten Glases in ungefärbtes, wobei man die Menge des anzuwendenden Farbglases mehr in der Gewalt hat. Man kann auch das farbige G. in Form von massiven Stangen anwenden, eine hinreichende Menge desselben an das farblose G. anschmelzen und mittels eines Eisens gleichmäßig über dasselbe ausbreiten. In allen diesen Fällen wird das überfangene G. durch Aufblasen weiter verarbeitet, wobei sich die farbige Schicht bedeutend verdünnt. Man kann auch mehrere verschiedenfarbige Schichten übereinander anbringen und später durch Schliff bald die eine, bald die andre derselben oder die farblose Grundmasse zu Tage treten lassen. Ein interessantes Produkt dieser Art ist das Rubinglas (s. d.). Getrübtes Bleiglas bildet das Milchglas (s. d.). Eisglas (Craquelé) ist auf seiner Oberfläche von zahllosen feinen Rissen nach allen Seiten hin durchzogen und dadurch zerklüftetem Eis ähnlich. Man erhält es, indem man den noch nicht völlig aufgeblasenen Gegenstand momentan in kaltes Wasser taucht, so daß er zahlreiche feine Risse erhält, und dann weiter bearbeitet, wobei sich jene Risse öffnen. Das befrorne G. ist mit einer Mischung von nicht allzu feinem Bleiglaspulver von gleichmäßigem Korn und wenig leicht schmelzbarem Fluß bestreut und dann so weit erhitzt, daß das Pulver, ohne völlig zu schmelzen, an das G. anklebt.

Wie das Alkalikalkglas erhält auch das Bleiglas formgebenden und sehr häufig ornamentalen Schliff mit Hilfe von Schleifscheiben, welche aber für den ornamentalen Schliff viel kleiner sind als für den formgebenden; als Schleif- und Polierpulver benutzt man Zinkweiß. Auf der Drehbank läßt sich das G. bearbeiten, wenn man die Bohrer etc. mit Terpentinöl oder mit verdünnter Schwefelsäure befeuchtet. Zum Schleifen des Glases benutzt man auch das Sandstrahlgebläse, indem man durch einen kräftigen Luftstrom Sand gegen das G. treibt. In wenigen Sekunden wird ein vollständiges Matt erreicht, und unter Anwendung von Schablonen aus weichem, elastischem Material kann man auf diese Weise die zartesten, auf Überfangglas auch farbige, abschattierte Muster ausführen. Über das Ätzen des Glases s. Ätzen. Die farbige Dekoration des Glases geschieht durch Bemalen mit Farben, welche aus sehr leicht schmelzbarem G. und färbenden Metallpräparaten bestehen. Derartige leicht schmelzbare Glasflüsse erhält man aus Sand und Mennige, auch unter Zusatz von Borsäure, und färbt sie schwarz oder grau durch Eisenoxyd mit Kobaltoxyd, grün durch Chromoxyd, gelbgrün durch Chromoxyd mit Thonerde, blaugrün durch Chromoxyd mit Kobaltoxyd und Thonerde, braun durch Eisenoxyd mit Zinkoxyd und Kobaltoxyd oder durch Nickeloxyd, orange durch Eisenoxyd, rot durch Goldpurpur, blau durch Thénards Blau, gelb durch Antimonoxyd. Die mit diesen Oxyden zusammengeschmolzenen Gläser werben sehr fein gepulvert, mit etwas verdicktem Terpentinöl angerieben, mit dem Pinsel aufgetragen und eingebrannt. Wenig haltbar ist die Vergoldung auf G. Man benutzt durch Eisenvitriol aus Goldchloridlösung gefälltes metallisches Gold, welches ausgewaschen, getrocknet, mit etwas kalciniertem Borax gemischt, mit Terpentin- oder Lavendelöl angerieben, mit dem Pinsel aufgetragen, eingebrannt und mit Blutstein oder Achat poliert wird. Vgl. auch Spiegel.

[391] Glasröhren werden auf die Weise dargestellt, daß man an dem Boden des an der Pfeife zu einem Kölbchen ausgeblasenen Glases ein Hefteisen befestigt und nun Pfeife und Hefteisen nach entgegengesetzten Seiten hinzieht, indem sich die beiden Arbeiter, welche diese Instrumente halten, schnell voneinander entfernen. Hierbei entsteht ein nach beiden Seiten hin allmählich sich erweiterndes Rohr, welches aber im übrigen regelmäßige Gestalt annimmt, wenn man nur beim Ziehen Pfeife und Hefteisen gleichmäßig dreht und andauernd neue Luft in die Pfeife bläst. Die erstarrten Röhren werden zerschnitten und die für Wasserstandsröhren an Dampfkesseln bestimmten einem Kühlprozeß unterworfen. Die Röhren, welche höchst mannigfache Verwendung finden, dienen unter anderm auch zur Darstellung der Perlen (s. d.). Zieht man an Stelle des aufgeblasenen Kölbchens ein massives Glasstück in der angegebenen Weise aus, so erhält man einen Glasstab. Volle Glasstäbe aus buntem G. geben das Material zu den Mosaik- und Filigrangläsern (Millefiori etc.); s. Millefiori. Über Glasinkrustationen s. d.

Tafelglas.

Das Tafelglas, ein Alkalikalkglas, wird jetzt bedeutend kalkreicher dargestellt und ist daher auch härter, elastischer und weniger geneigt zum Erblinden als früher. Die Zusammensetzung dreier neuern Sorten im Vergleich zu älterm (erste Kolumne) zeigt folgende Tabelle:

  Proz. Proz. Proz. Proz.
Kieselsäure 72,30 71,97 73,31 71,90
Eisenoxyd und Thonerde 2,42 1,77 0,83 1,40
Kalk 8,34 12,84 13,24 13,60
Natron 16,89 13,33 13,00 13,10

Früher war das Tafelglas Kaliglas, gegenwärtig aber benutzt man statt der Pottasche allgemein schwefelsaures Natron mit Kohle, seltener Soda, und erhält also ein Natronkalkglas, welches dem Kaliglas durchaus nicht nachsteht. Das G. wird in sehr großen Häfen dargestellt. Bei der Ausarbeitung stellt der Glasbläser zunächst einen Hohlkörper von der Form

Fig. 19. Fig. 18.
Fig. 18 u. 19. Tafelglas.

der Textfig. 18 dar, wärmt die untere Partie desselben an und gestaltet sie zu der „Walze“ oder dem „Cylinder“, an deren halbkugelförmigen Boden eine kleine Quantität heißen Glases angeheftet wird. Dann bläst er wieder in die Pfeife, verschließt die Mündung derselben mit dem Daumen u. wärmt den vordern Teil der Walze an, bis die eingeschlossene, sich ausdehnende Luft den Boden durchbricht. Nun weitet der Arbeiter die entstandene Öffnung etwas aus, beschneidet sie mit der Schere (Fig. 19), wärmt wieder an und dreht die herabhängende Pfeife rasch um ihre Längsachse, so daß der konische Teil der Walze durch die Wirkung der Zentrifugalkraft sich erweitert und man einen nur noch an der Pfeife geschlossenen, geradwandigen Cylinder erhält, welcher durch ein Sprengeisen von der Pfeife getrennt wird. In neuerer Zeit wendet man Häfen an, welche 2500 kg G. fassen, benutzt den Ofen nur als Schmelzraum, arbeitet stets nur aus einem Hafen und erbläst die Walze vor einem in der Nähe stehenden Trommelofen mit eigner Feuerung und lediglich für diesen Zweck berechneter Konstruktion. Der von der Pfeife abgesprengte Cylinder wird mit einem Sprengeisen der Länge nach aufgesprengt oder mit dem Diamanten aufgeschnitten, im Streckofen auf einer Thonplatte mit sehr glatter Oberfläche so weit erhitzt, daß er mit Hilfe einer eisernen Krücke ausgebreitet werden kann und nun eine Tafel bildet, die durch Überfahren mit der Krücke geebnet und geglättet wird. Auf der Platte gelangt die Tafel in einen kühlern Teil des Ofens, wobei in der Regel Schienengeleise und niedrige Wagen angewendet werden, auf denen die Platten ruhen. Die erstarrte Tafel wird auf die Platte eines andern Wagens gehoben, und dieser gelangt, nachdem er zwölf Tafeln aufgenommen hat, in den kanalförmigen Kühlofen, in welchem die nach und nach eingeschobenen Wagen in immer schwächer erhitzte Teile gelangen, so daß sie endlich, hinreichend gekühlt, entleert werden können und mithin ein kontinuierlicher Betrieb möglich ist. Die fertigen Tafeln werden mit dem Diamanten oder mit einem kleinen, scharfkantigen Rädchen aus glashartem Stahl von 3 mm Durchmesser, welches in einem Heft um seine Achse leicht drehbar ist und wie der Diamant benutzt wird, zerschnitten. Der Schnitt dringt tief ein; man kann mit dem Rädchen selbst Kurven ausführen, und seine Dauerhaftigkeit kommt der des Diamanten mindestens gleich. Die größten Schwierigkeiten bei der Tafelglasfabrikation bot und bietet zum Teil noch heute der Streck- und Kühlprozeß, und es sind daher seit Beginn dieses Jahrhunderts eine große Anzahl von Streckofensystemen hervorgetreten, welche in einer oder der andern Weise möglichst günstige Verhältnisse herzustellen strebten. Der in Fig. 20 und 21 (Taf. II) abgebildete Ofen besteht aus der Zuführungsröhre B, dem Streckraum A und dem Kühlraum C. Zu A gehört die Feuerung b mit den Austrittsöffnungen für die Flamme m und n, zu C die Feuerung d (S) mit der Öffnung o (s). Der Streckraum ist vom Kühlraum durch eine Scheidewand g bis auf einen niedern Durchgang unter dem flachen Bogen h getrennt und kann durch den an Kette und Gegengewicht hängenden Schieber ii vollständig abgeschlossen werden. p, q und ϑ sind Arbeitsöffnungen. Die beiden Streckplatten a und c, aus Thon gefertigt und in eiserne Rahmen gefaßt, sind auf den Schienen ee verschiebbar und gleiten übereinander fort. Beim Betrieb werden die aufgesprengten Walzen f‌f durch die Röhre B auf den Schienen yz in den Streckraum gebracht. Der Arbeiter faßt die erweichende Walze mit dem Stab t und hebt sie auf die Streckplatte a; dann begibt er sich nach der Arbeitsöffnung p, bewirkt mit Hilfe einer Holzkrücke das vollständige Auseinanderlegen der Tafel und ebnet und plättet sie durch Überfahren mit der Krücke, indem er die Arbeit durch das Schauloch k beobachtet. Nach Vollendung derselben schiebt er die Platte mit der Tafel in den Kühlraum und zieht dafür die leere Platte aus letzterm heraus. Die Platten besitzen zu diesem Zweck die Ösen ω. Wenn nötig, wird die Tafel im Streckraum noch einmal mit der Krücke bearbeitet, dann nach dem Erstarren [392] gegen die durch die Öffnungen uu gestreckten eisernen Stäbe ll aufrecht gestellt, und so bilden sich beim Fortschreiten der Arbeit die Tafelstöße vv. Nach Vollendung der Streckarbeit verschließt man den Ofen, läßt sämtliche Feuer ausgehen und einige Tage abkühlen. – Ganz verschieden von der Herstellung des Walzenglases ist die des Mondglases, welches in England noch eine große Bedeutung hat. Der Arbeiter bläst eine große Hohlkugel mit einem der Pfeife diametral gegenüberstehenden Knopf und flacht die Kugel ab; ein Gehilfe heftet dann den flachen Hohlkörper mit seinem Knopf an ein Hefteisen und verwandelt ihn nach dem Absprengen von der Pfeife unter wiederholtem Anwärmen und schneller Rotation des Hefteisens durch die Wirkung der Zentrifugalkraft in eine völlig ebene, gleichmäßig dicke, kreisrunde Scheibe. Dies Tafelglas besitzt vor dem Walzenglas den Vorzug der ebenen, reinen und glänzenden Oberfläche, liefert aber wegen seiner kreisrunden Form beim Zerschneiden in viereckige Tafeln viel Abfall. Mondglas im kleinern Maßstab bilden die Butzenscheiben, die im Mittelalter zum Verglasen der Fenster benutzt wurden und in der neuern Zeit von der Mode wieder begünstigt worden sind. Eine besondere Sorte von Tafelglas ist das Kathedralglas, welches eine rauhe Oberfläche besitzt, daher das grelle Tageslicht dämpft und für Kirchenfenster, auch für moderne Verglasungen in Verbindung mit Butzenscheiben farblos und farbig dargestellt wird.

Spiegelglas.

Das Spiegelglas wird jetzt fast ausschließlich in dünnflüssigem Zustand gegossen. Es enthält:

  Proz. Proz. Proz.
Kieselsäure 73,0 73,17 71,88
Thonerde und Eisenoxyd 0,30 0,90
Kalk 15,5 13,67 15,40
Natron 11,5 12,80 11,96

Die Rohmaterialien sind: Sand, Kalkstein, Glaubersalz und Kohle, und wegen der bedeutenden Stärke des Spiegelglases (Schaufenster), und weil Entfärbungsmittel die Durchsichtigkeit des Glases zu benachteiligen pflegen, muß das Material sehr rein sein und das G. sorgfältig geläutert werden. Die Öfen sind durchweg mit Gasheizung versehen und so eingerichtet, daß die Häfen zum Guß möglichst leicht herausgenommen werden können. Da das Durchschnittsmaß der herzustellenden Glastafel gegenwärtig etwa 5–6 bei 3–3,5 m und das Gewicht etwa 800 kg beträgt, so benutzt man Häfen, welche wenigstens 1000 kg G. fassen. Ein Ofen enthält 10–12 derartige Häfen. Die Gußplatte besteht aus Gußeisen, ruht auf niedrigen, starken Rädern und besitzt auf ihrer Oberfläche Leisten, die der Stärke der zu gießenden Platte entsprechen. Zum Guß wird der Ofen geöffnet, der Hafen mit einer Zange erfaßt, herausgeholt und in einer an einem Kran A (Fig. 22, Tafel II) hängenden Hafenschlinge B befestigt, während gleichzeitig das G. mit einer Abschäumkrücke gereinigt wird. Der Kran läuft auf Schienen bis vor die Gußplatte D, hier wird der Hafen C in Schwingungen versetzt und bei der zweiten oder dritten Schwingung das G. quer über die Platte hin vor die Walze E gegossen. Während nun der Hafen schnell wieder in den Ofen gebracht wird, setzen Arbeiter die Kettentrommeln des wie die Gußplatte auf Schienen laufenden Walzenwagens F in Bewegung und ziehen dadurch die Walze in gleichmäßigem Tempo über die Gußplatte weg. Dabei wird das glühende G. gleichmäßig über die Platte ausgebreitet und geebnet; die Walze aber gelangt schließlich auf den Wagen F, der sich mit ihr schleunigst entfernt. Nun wird das zuletzt ausgewalzte Ende der Glastafel mit einem spatelförmigen Eisen unterfahren, emporgehoben und zurückgeschlagen, während die Klappe H des Zwischenwagens G herabgeklappt wird. Gleichzeitig wird an das andre Ende der letztern die Einschiebekrücke gelegt und die Glasplatte in den Kühlofen J geschoben, in welchem sie 24–36 Stunden liegen bleibt. Die ganze Operation erfordert wegen der außerordentlichen Kürze der Zeit, welche ihr gegönnt ist, die größte Präzision und korrektes Zusammenwirken eines großen Arbeiterpersonals. Die Sohle des Kühlofens wird meist aus beweglichen, feuerfesten, auf der Oberfläche abgeschliffenen und in losen Sand gebetteten Steinen von der Größe der gewöhnlichen Ziegel hergestellt. Die gekühlte Glastafel wird unter Berücksichtigung etwaniger Fehler auf dem Schneidetisch zerschnitten. In England stellt man nach einem ähnlichen, nur weniger umständlichen Verfahren ein dünneres gewalztes Tafelglas für Dachdeckungen und das Durchsehen nicht gestattende Fensterverglasung dar, welches meist 3–5 mm stark ist und, um Blasen und andre Fehler weniger auffällig zu machen, auf der einen Seite mit einem aus feinen, erhabenen Streifen oder aus Rauten bestehenden Muster, dessen Linien in den Gußtisch eingegraben sind, versehen wird. Die gekühlten Spiegelscheiben besitzen eine rauhe Oberfläche und werden durch vier aufeinander folgende Schleifoperationen (Rauhschleifen, Klarschleifen oder Doucieren, Feindoucieren und Polieren) mit Maschinen sehr verschiedener Konstruktion, in einzelnen Stadien aber auch durch Handarbeit poliert. Man benutzt sie zur Verglasung von Schaufenstern oder zu Spiegeln (s. d.).

Gepreßtes Glas und Hartglas.

Einen wichtigen Zweig der Glaskurzwarenindustrie bildet das gepreßte G., welches in Hohlformen aus Messing gegossen und zur bessern Ausfüllung der Form mit Hilfe eines durch einen Hebelapparat eingetriebenen Metallkerns einem starken Druck ausgesetzt wird. Da es nicht gelingt, die Oberfläche des gepreßten Glases glatt und gleichmäßig herzustellen, so vermeidet man alle ebenen Flächen und wendet eine möglichst reiche, deckende Ornamentation an; auch körnt man den Grund zwischen den Ornamenten oder schleift ihn nachträglich matt. Befriedigende Resultate ergibt das Anwärmen des gepreßten Glases bis zum Erweichen, wobei die Oberfläche Glanz erhält. Anfangs benutzte man zu gepreßten Sachen nur das weiche, leicht schmelzbare Bleiglas, und erst in neuerer Zeit wendet man auch Kalkbarytnatronglas an. Hohlglas für den täglichen Gebrauch und kleine Kurzwaren bilden die hauptsächlichsten Produkte der Preßglasfabriken, welche indessen auch gläserne Spindelpfännchen und Achsenlager für Maschinen und die für Leuchttürme benutzten großen, von kreisförmig gekrümmten Prismen umgebenen Linsen und prismatischen Ringstücke liefern.

Wird verblasenes und geformtes G. bis zum Erweichen erhitzt und dann plötzlich gleichmäßig auf eine bestimmte Temperatur abgekühlt, so erlangt es sehr große Elastizität, Festigkeit und Härte sowie außerordentliche Widerstandsfähigkeit gegen schroffen Temperaturwechsel (Hartglas). Die Temperatur der Härtebäder, in welche man das heiße G. zur Abkühlung eintaucht, beträgt bei Bleiglas 60–120°, bei Natronkalkgläsern 150–300°, bei Kalikalkgläsern nicht unter 300°. Man benutzt zu den Bädern Mischungen [393] von Fetten und Ölen, auch von Glycerin, Paraffin, Mineralölen, konzentrierten Salzlösungen und leichtflüssigen Metalllegierungen. Auch wurde Wasserdampf vorgeschlagen (Vulkanglas) und mit großem Erfolg die Formgebung mit der Härtung verbanden, indem man das bis zum Erweichen erhitzte G. in thönernen oder eisernen Formen von bestimmter Temperatur und Wandstärke preßt (Preßhartglas). Letzteres Verfahren eignet sich besonders gut für Tafel- und Spiegelglas, überhaupt für gegossenes Plattenglas aller Art. Schiebt man ein Blatt Papier oder feines Metallgewebe zwischen G. und Form ein, so wird der Härtungsgrad ein höherer, und die Gläser springen weniger leicht. Das Hartglas besitzt große Widerstandsfähigkeit gegen äußere Angriffe. Eine Hartglasplatte von 16 cm Länge, 12 cm Breite und 5 cm Dicke ertrug den Fall eines Gewichts von 200 g aus einer Höhe von 1–4 m, während eine gleiche, aber nicht gehärtete Platte durch ein Gewicht von 100 g aus 30–40 cm Fallhöhe zerbrochen wurde. Hartglas erträgt vierfach größere Belastung als gewöhnliches, es kann sehr stark erhitzt und dann mit Wasser besprengt werden, ohne zu zerspringen. Dagegen zerfällt es, sobald es verletzt wird, unter Detonation in zahllose kleine Bruchstücke, auch kann man es nur in der Richtung der schwarzen Linien schneiden, welche es im polarisierten Licht zeigt. Nicht selten zerspringt Hartglas ohne jede sichtbare Veranlassung. Am haltbarsten sind auch beim Hartglas Gegenstände mit gleichmäßiger Wandstärke, und am besten eignen sich zum Härten solche Artikel, welche Angriffen gegen die Kanten weniger ausgesetzt sind als gegen die Flächen, da die geringste Beschädigung, die an den Kanten viel leichter vorkommt als an den Flächen, die Zertrümmerung des ganzen Gegenstandes zur Folge hat. Über die Verwendbarkeit des Hartglases hat die Praxis noch nicht entschieden. Die übertriebenen Erwartungen, welche man für dasselbe hegte, haben sich aber bei weitem nicht erfüllt. Die bei der Hartglasfabrikation gesammelten Erfahrungen führten zu einem neuen Kühlverfahren, welches um so wichtiger ist, als von der Kühlung die Haltbarkeit des Glases in erster Linie abhängt. Schlecht, d. h. zu schnell, gekühltes G. ist außerordentlich zerbrechlich. Je höher die Temperatur des zu kühlenden oder zu härtenden Glases ist, um so schneller kann es gleichmäßig abgekühlt werden, und um so größer wird seine Widerstandskraft. Am haltbarsten wird das G., wenn man es in einen entsprechend erhitzten, luftdicht verschlossenen Kühltopf einhängt, ohne daß es die Topfwand berührt, und dann erkalten läßt. Im großen kann man Wagen mit doppelten eisernen Wänden benutzen, die zu kühlenden Flaschen werden auf eine Lage Sand gelegt und die Wagen mit doppelten luftdicht schließenden Deckeln verschlossen. Diese Wagen passieren Kühlöfen, deren Temperatur um 200° höher als die der gewöhnlichen Kühlöfen gehalten wird, und werden dann ins Magazin geschafft. 2–4 Stunden nach der Anfertigung können die Flaschen zum Versand gelangen.

Geschichte der Glasindustrie.

Über den Ursprung der Glasmacherkunst ist nichts Sicheres bekannt; jedenfalls reicht sie in die entlegensten Perioden des Altertums zurück, und in der That konnte den in Thon und Erz arbeitenden Völkern die Existenz schmelzbarer Schlacken und ihre Verwertbarkeit zu Glasuren, gegossenen und gepreßten Gegenständen nicht verborgen bleiben. Der bekannten Erzählung des Plinius, nach welcher phönikische Schiffer auf sandreicher Küste in der Nähe der Mündung des Belus in Ermangelung von Steinen Stücke natürlicher Soda, die sie an Bord hatten, zur Unterstützung ihrer Kochgeschirre benutzt und nach dem Erlöschen des Feuers aus Sand und Soda zusammengeschmolzenes G. gefunden hätten, wird von dem Erzähler selbst wenig Wahrscheinlichkeit beigemessen; sie ist auch aus chemisch-technischen Gründen nicht glaubhaft und bietet für den Nachweis des Ursprungs der Kunst, G. mit Hilfe der Glasmacherpfeife zu verarbeiten, gar keinen Anhalt. Wo jenes Instrument erfunden, und wer es zuerst angewandt, darüber schweigen Geschichte und Mythe gleichmäßig. Die ältesten Gläser, von welchen wir Kunde haben, stammen aus Phönikien und Ägypten. Die phönikischen Städte Sidon und Tyros lieferten mit Hilfe des Sandes von den Ufern des Belus treffliches Hohlglas; die Blüte dieser Industrie fällt vor die römische Kaiserzeit, und noch im 12. Jahrh. wird sie rühmend erwähnt. Älter ist wohl die ägyptische Glasmacherkunst. Auf den Reliefs der Königsgräber von Beni Hassan, welche um etwa 1800 v. Chr. zu setzen sind, sieht man Glasbläser in voller Thätigkeit, und aus dem 17. Jahrh. v. Chr. ist eine gläserne Urne erhalten, welche zeigt, daß man schon damals die Kunst des Überfangens und die Anwendung des Schleifrades kannte. Was uns aus etwas späterer Zeit an ägyptischen Gläsern erhalten ist, bekundet eine ungemein hoch entwickelte Technik; man schuf in Form und Farbe ausgezeichnete Sachen und auch, wie die Phöniker, kolossale Artikel (Sarkophage, menschliche Figuren, Obelisken). Das größte Ansehen besaßen später die Fabriken von Alexandria, welche mit farbigem Hohlglas und Mosaiken bis in die späteste römische Kaiserzeit ein sehr bedeutendes Exportgeschäft betrieben. In Rom wird ägyptisches G. zuerst von Cicero erwähnt, zur Zeit des Augustus war es allgemein geschätzt und beliebt. Während Ägypten und Phönikien Hauptproduzenten für feines und Luxusglas waren, wurden ordinäre Gläser auch in andern Ländern vielfach dargestellt; nur im alten Griechenland scheint keine Glashütte existiert zu haben. Die Prunksucht der römischen Kaiserzeit begünstigte die Entwickelung der Glasindustrie in Rom, und nun fertigte man auch hier Luxusgläser in glänzenden Farben mit kunstvoller Filigran-, Mosaik- und angeschliffener Dekoration (Portlandvase, s. d.), ja mit frei stehendem Netzwerk (Diatreta, s. d.) umgeben. Glastafeln dienten zur Bekleidung der Wände, als Oberlichter, und in Pompeji wie in Rom hat man Fensterscheiben benutzt. Sehr allgemein diente G. zur Nachahmung von Schmuck- und Edelsteinen. Vorwiegend war die antike Glasmacherei überall Luxusindustrie, und ihre Hauptfabrikate waren farbige Gläser, während farbloses G. nur mit besonderer Anstrengung erzeugt werden konnte und dann auch ungemein hoch geschätzt wurde. Viele altrömische Gläser, unter andern auch die Goldgläser (s. d.), haben sich in den christlichen Katakomben gefunden. Von Rom verbreitete sich das Glasmachen nach Spanien und Gallien, ohne dort vorerst festen Fuß fassen zu können; nach dem Eindringen der Barbaren in Italien aber gerieten auch hier die Glashütten in Verfall und produzierten nur noch ordinäres G. An ihre Stelle trat Byzanz, wo unter dem Einfluß ägyptisch-römischer und phönikischer Meister sowie des Orients, wo die Araber diese Kunst übten, eine eigenartige Industrie sich entwickelte, welche bald den Weltmarkt beherrschte und sich ein halbes Jahrtausend hindurch in Ansehen erhielt. Nach [394] dem Fall des oströmischen Reichs wanderten aber die Glasmacher aus, und nun begann Venedig, die Mutter der westeuropäischen Glasfabrikation, den hervorragendsten Platz einzunehmen. Die Glasindustrie hatte sich hier seit alter Zeit festgesetzt und entwickelt; wiederholt herangezogene auswärtige Arbeiter importierten neue Kunstzweige (die Byzantiner z. B. die Glasmosaik), und in Venedig selbst wurden verschiedene Gattungen erfunden. Das tiefe und durch Androhung schwerer Strafe behütete Geheimnis, mit welchem die 1289 nach Murano verlegten Fabriken umgeben waren, sicherte auf lange Zeit ein Monopol. – Unter dem Einfluß der Renaissance entwickelte sich eine Glasmacherkunst, welche im 16. und 17. Jahrh. ihre größten, noch heute mustergültigen Meisterwerke in Form und Farbe (Gefäße, Spiegel) schuf. Man behandelte das G. durchgehends nur als weiche, bildsame Masse und erzeugte seine weichen und gerundeten Formen ausschließlich vor der Pfeife und mit der Pinzette. Der biegsame Faden war das Hauptmittel der Ornamentation, Filigranglas und Perlen sind spezifische Produkte Venedigs. Der hohen Blüte folgte hier aber ein schneller Verfall.

Die Römer hatten in allen Teilen des Reichs Glashütten angelegt, aber neben dieser römischen ist an vielen Orten auch eine aus barbarischen Elementen hergeleitete Thätigkeit in der Glasmacherei zu erkennen. Bedeutungsvoll ist, daß im Norden bei Germanen und keltischen Galliern die Wertschätzung des Glases einst bis zur Einmischung seines Begriffs in die religiösen Vorstellungen des Volkes steigen konnte. Die Edda und die deutschen Mythen erzählen von Glasbergen und vom gläsernen Himmel. In Grabstätten sind mehrfach Glasgegenstände gefunden worden, und im frühen Mittelalter bestand in Deutschland schon eine recht entwickelte Glasindustrie, welche in Formgebung und Ornamentation von der byzantinischen und venezianischen abwich. Namentlich im Süden und Westen des Reichs ansässig, konkurrierte sie früh mit dem Ausland, selbst auf venezianischem Markte. Das deutsche G., aus Holzasche dargestellt, war meist grünlich, übertraf aber das venezianische an Härte und Widerstandsfähigkeit. Fensterglas war jedoch selbst zu Luthers Zeiten noch nicht allgemein verbreitet. Das Hohlglas zeigte einfache, wenig schwunghafte Formen, vielleicht, um möglichst ausgedehnte Bemalung zu gestatten. Edelsteinimitationen und gläserne Ringe waren sehr beliebt. Kleine Spiegel, aus im Innern mit einer Metallkomposition überzogenen Glaskugeln geschnitten, wurden im 12. und 13. Jahrh. als Schmuck getragen, und die großen, zuerst mit Blei-, seit dem 14. Jahrh. mit Zinnamalgam belegten Spiegel scheinen eine deutsche Erfindung zu sein. Zu Anfang des 16. Jahrh. wurde in Venedig mit Neid anerkannt, daß ein deutsches und ein flandrisches Haus alle Welt mit Spiegeln versorge. Hier sind von litterarischen Arbeiten auf diesem Gebiet des Theophilus, eines deutschen Mönchs, „Diversarum artium schedulae“ aus dem 11. oder 12. Jahrh. und vor allen Agricolas „De re metallica“ (1530) zu erwähnen, in welchem zuerst eine Hütte mit Ofen und Utensilien abgebildet ist. Diese Arbeit wurde ergänzt durch Mathesius’ „Sarepta oder Bergpostill“ (1564), in welcher hessisches Tafelglas und die Glasproduktion am Spessart, in der Pfalz und im Meißnischen erwähnt wird. Im 15. Jahrh. begann auch die böhmische Glasindustrie eine Rolle zu spielen. Das böhmische G., aus sehr reinen Materialien dargestellt, wetteiferte in Farblosigkeit und Glanz mit dem venezianischen. Man verarbeitete es aber in wesentlich abweichender Weise, indem die Steinschleifer, die in Prag seit alter Zeit einen gewerblichen Mittelpunkt gehabt, daraus Formen im reinen Kristallstil zu bilden suchten (böhmischer Kristall). Auch die Tafelglasfabrikation gelangte hier zu hoher Blüte; aus Venedig wurde die Bereitung der Schmelzfarben und die Glasmalerei importiert, und so kam man, wie in Murano, zur Perlenfabrikation, zur Anfertigung falscher Steine etc. Zur Zeit des Verfalles der venezianischen Glasmacherei beherrschte Böhmen den Weltmarkt und behauptete seine Stellung bis gegen Ende des vorigen Jahrhunderts, wenn auch unter allmählichem Sinken der Leistungen. Später belegten fast alle Staaten Europas das böhmische G. mit hohem Einfuhrzoll und begünstigten die Einwanderung böhmischer Arbeiter, so daß die Industrie allmählich in Verfall geriet, aus welchem sie sich erst in neuester Zeit wieder erhoben hat. Erwähnenswert ist die Förderung, welche die Glasindustrie in Deutschland durch mehrere Fürsten fand. Der Große Kurfürst errichtete z. B. auf der Pfaueninsel bei Potsdam eine Glashütte, welche unter Kunckels Leitung namentlich durch ihren Goldrubin großen Ruf gewann. Kunckel veröffentlichte eins der bedeutendsten ältern Werke über Glasmacherei, die „Ars vitraria experimentalis“ (1689), eine erweiterte Bearbeitung von Neris Rezeptensammlung von 1612 und deren englischer Bearbeitung von Merret, ein Werk, welches bis in unser Jahrhundert hinein der gelehrte Ratgeber des Glasmachers blieb. Das antike G. war Kalknatronglas; im Innern des europäischen Kontinents aber bereitete man ausschließlich Kaliglas aus Pflanzenasche, bis die Begründung der Sodaindustrie (1791) einen völligen Umschwung herbeiführte. Gegenwärtig hat das Natronglas weitaus die größte Bedeutung. Auch Glaubersalz (schwefelsaures Natron) ward schon im 17. Jahrh. angewandt, die ersten Versuche damit in größerm Maßstab führte Laxmann in Sibirien 1764 aus; aber erst durch Baader wurde 1808 ein Verfahren bekannt, nach welchem man gutes Glaubersalzglas darstellen konnte, und nun verbreitete sich die Verwendung des Glaubersalzes in Böhmen und andern Ländern sehr schnell. Um dieselbe Zeit etwa wurde auch die Fabrikation des Bleiglases bei uns eingeführt, dessen Fabrikation zu Anfang des 18. Jahrh. in England bereits schwunghaft betrieben worden war. Übrigens war Bleiglas bereits Neri 1612 bekannt, und in manchen antiken Gläsern findet sich Bleioxyd als wesentlicher Bestandteil. 1806 fabrizierte Utzschneider in Benediktbeuern ein vorzügliches optisches G. Erwähnenswert sind die frühzeitige Darstellung von Walzenglas und die hohe Ausbildung der Strecköfen in Deutschland. Als Heizmaterial benutzte man bei uns ehedem ausschließlich, wie noch jetzt in erheblichem Maß, das Holz, und erst zu Anfang des 19. Jahrh. wandte man sich allmählich der Heizung mit Steinkohle, Braunkohle und Torf zu. Seit 1850 benutzte Fickentscher in Zwickau einen Gasofen mit in abgesondertem Generator erzeugtem Braunkohlengas, und 1856 erhielt Siemens das Patent auf seinen Regenerativgasofen (s. oben, S. 386), der mit desselben Erfinders Wannenofen für kontinuierlichen Betrieb eine neue Ära in der Glasindustrie begründete.

Frankreich besaß schon zu Beginn unsrer Zeitrechnung eigne Glashütten; allein an der Darstellung bessern Glases beteiligte es sich so spät, daß es noch im 18. Jahrh. besseres Fensterglas ausschließlich aus Böhmen und Deutschland beziehen mußte. 1740 wurde von Drolinvaux eine Gesellschaft zur Fabrikation [395] von Walzenglas gebildet und zu Lettenbach (St.-Quirin) eine Fabrik mit deutschen Arbeitern gegründet, welche zu großem Ruf gelangte und die Mutterfabrik der modernen französischen, belgischen und einiger englischer Tafelglashütten wurde. Noch heute findet sich unter den französischen Glasarbeitern eine weit überwiegende Mehrzahl deutscher Namen, und unter den terminis technicis sind viele deutsche Ausdrücke. Großes und Selbständiges leistete Frankreich im 18. Jahrh. in der Spiegelfabrikation. Letztere gilt, wie erwähnt, für eine deutsche Erfindung; durch dal Gallo in Venedig wurde 1507 die Herstellung geblasener Spiegel wesentlich verbessert, um 1665 fand diese Kunst ziemlich gleichzeitig Eingang in Frankreich und England, und 1695 wurde mit französischen Arbeitern eine Fabrik für geblasene Spiegel in Neustadt a. d. Dosse angelegt. Wahrscheinlich hat man schon im Altertum G. gegossen, auch wurden um die Mitte des 17. Jahrh. in England Tafeln zu kleinen Spiegeln durch Guß hergestellt; zu praktischer Brauchbarkeit erwuchs das neue Verfahren aber erst durch die Bemühungen von Lucas de Nehou, welcher 1688 in Tour la Ville bei Cherbourg den Hafen aus dem Ofen nahm und das gegossene G. mit einer Walze ausbreitete. Diese Erfindung wurde einer Gesellschaft auf den Namen Thévarts patentiert, und man gründete in Paris eine Fabrik, die bald darauf nach St.-Gobin verlegt wurde, seit 1701 mit gutem Erfolg arbeitet und die Mutter aller Gußglasfabriken der Welt geworden ist. In Österreich legte der Graf Rechtskron 1701 mit Hilfe von Arbeitern aus St.-Gobin eine Spiegelgießerei in Neuhaus an, die 1728 an den österreichischen Staat überging; eine bedeutende Entwickelung aber fand die Darstellung von gewalztem Spiegelglas zunächst nur in England seit 1773. In Deutschland wurde die erste Spiegelfabrik zu Stolberg bei Aachen 1852 gegründet. Die ältesten Nachrichten über englische Glasindustrie datieren aus dem 15. Jahrh., zu welcher Zeit schlechtes Fensterglas dargestellt wurde. Wichtig ist die durch Mansell eingeführte Verwendung der Steinkohlen in Glasöfen um 1635, nachdem freilich schon 1619 d’Azémar in Rouen mit Steinkohle gefeuert hatte. Im J. 1670 gründete der Herzog von Buckingham mit Hilfe venezianischer Arbeiter die erste englische Fabrik geblasener Spiegel in Lambeth. Die erste Bleikristall- oder Flintglashütte wurde zu Anfang des 18. Jahrh. angelegt. In Nordamerika legte Hewes 1790 die erste Glashütte im Wald von New Hampshire an, aber erst seit 1803 entwickelte sich die amerikanische Glasindustrie lebhafter; 1811 konnte bereits die Hälfte des Bedarfs an Fensterglas von den eignen Hütten gedeckt werden. Preßglas wurde bis Anfang dieses Jahrhunderts nur gelegentlich hergestellt und trat erst seit dieser Zeit als englische oder amerikanische Erfindung selbständig auf. Das Hartglas wurde 1874 von de la Bastie in Richmont (Departement Ain) erfunden, bald darauf brachten Siemens, Pieper u. a. neue Härtungsverfahren in Vorschlag, von welchen wenigstens das Siemenssche Eingang in die Praxis gefunden hat.

Aus prähistorischer Zeit fand man außer in den altitalischen Nekropolen zuerst in Hallstatt Glasperlen, die dann in der La Tène-Periode häufiger werden. Auch größere Ringe (Armbänder) sind gefunden worden. In der Römerzeit treten auch Gefäße auf, und in der merowingischen Zeit sind solche und Perlen sehr häufig und letztere oft sehr kunstvoll mosaikartig zusammengesetzt.

Die moderne Glaskunstindustrie.
(Hierzu die Tafel „Moderne Glaskunstindustrie“).

Die Glasindustrie hat in unserm Jahrhundert, namentlich in der zweiten Hälfte desselben, seit dem Beginn der 50er Jahre, dank dem durch die Weltausstellungen erzeugten Wetteifer einen solchen Aufschwung und eine so reiche Vielseitigkeit gewonnen, daß sie sich unter den Zweigen der modernen Kunstindustrie eine erste Stellung erobert hat. In Böhmen erzeugte man schon in den ersten Jahrzehnten unsers Jahrhunderts vorzügliches Kristallglas, durch Gold in der Masse gefärbtes Rubinglas, das dunkelblaue und tiefgrüne G. und das milchweiße, welche Arten schon die Alten kannten. Man verstand es auch, das Kristallglas an der Innen- oder Außenseite mit blassem Rot oder Blau zu überfangen, es rubinrot oder gelb zu ätzen, und hatte im Schleifen und Gravieren, Vergolden und Bemalen des Glases eine große technische Fertigkeit. Friedrich Egermann in Blottendorf bei Haida führte um 1810 das Mattschleifen des gewöhnlichen sogen. Kreideglases ein, welches dann Achatglas genannt wurde. Das farbige und das weiße Beinglas, welches er später ebenfalls mattierte, nannte er Biskuit- und Alabasterglas und verzierte es mit weißem oder farbigem Email, mit Gold- und Bronzefarben. Er erfand die jetzt noch vielfach geübte Gelbätzung für Kristallglas wie die Bemalung desselben mit durchsichtiger blauer, rosa oder violetter Farbe, was wieder eine reiche Anwendung der Gravierung zur Folge hatte. Um 1824 erwarb er sich ein Patent auf ein Edelsteinglas, das er Lithyalin benannte. Bei demselben kam ein Beisatz von Pflanzenaschen und Metalloxyden in Anwendung, und durch das Abätzen der Schmelzfläche traten sehr feine Marmorierungen zu Tage. Gegen 1830 erfand er das Rubinieren des Glases und verbesserte später die Emailmalereien und Vergoldungen unter Beihilfe seines Sohns Ambros, welch letzterer nebst manchem andern auch das Polieren der Tiefgravierungen mit Korkrädern u. dgl. einführte. Auf der gräflich Buquoyschen Fabrik Silberberg erzeugte man 1830 in vorzüglicher Weise das schwarze, obsidianartige G. der Alten, dem man den Namen Hyalith gab, zinnoberrotes und achatartiges G. Um 1840 wurden von Wilhelm Kralik auf den Johann Meyrschen Fabriken bei Winterberg das Alabasterglas und die andern milchig-opaken Glasarten, die man Aquamarin oder Türkis, Beryll, Mattrosa- oder Alabasterrosaglas benannte, neu hergestellt. Man erzielte bald, teils durch Überfangen des Beinglases, teils durch Färbung in der Masse, völlig opake grüne, gelbe, blaue und violette Glasarten. Man fand ein ganz sattes weißes Email, das sich zum Überfangen des Kristallglases wie andrer Glassorten besonders eignete, und kam so immer mehr dazu, dem Porzellan Konkurrenz zu machen, auf der andern Seite aber das mehr berechtigte Gebiet der Glasindustrie, die Kultivierung des transparenten farbigen Glases, entschiedener zu vernachlässigen. Auch in Frankreich, dem mächtigsten Rival Böhmens in Bezug auf das farbige G., wurde diese verfehlte Richtung maßgebend und ist es noch bis heute geblieben. In Österreich trat ein Umschwung zum Bessern durch die Bemühungen des 1864 eröffneten österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien ein. Lobmeyr in Wien suchte als geschulter Zeichner selbstschaffend nicht nur die Formen der Prunkgeräte und des kostbarern Glasgeschirrs, sondern auch die der gewöhnlichen Gebrauchsgegenstände mehr und mehr zu veredeln; auch brachte er mit

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Moderne Glaskunstindustrie.
Fig. 1. Gläser von Lobmeyr in Wien.
Fig. 2. Französische Gläser (Baccarat).
Fig. 3. Englische Gläser.
Fig. 4. Schlesische Gläser (Josephinenhütte).
Fig. 5. Rheinische Gläser (Rauter in Ehrenfeld).
Fig. 6. Kaiserl. russische Fabrik.
Fig. 7. Kaiserl. russische Fabrik.
Fig. 8. Venezianische Gläser (Salviati).
Fig. 9. Venezian. Kronleuchter (Salviati).
Fig. 10. Kronleuchter von Lobmeyr in Wien.

[396] Benutzung der besten alten Muster und durch Schaffung neuer Arten das transparente Farbenglas mannigfach zur Anwendung und verdrängte dadurch das opake Farbenglas allmählich vom Markt (Fig. 1). Seinem Beispiel ist es zu verdanken, daß andre böhmisch-österreichische Fabrikanten dieselben Wege eingeschlagen haben. Auch auf dem Gebiet der Glaskurzwarenindustrie, der sogen. Quincaillerie, sind die Raffineure von Gablonz und Umgebung wie nicht minder ihre deutschen Rivalen in Schwäbisch-Gmünd, Pforzheim und Hanau bemüht, ihre mannigfachen Erzeugnisse durch dem Material entsprechendere stilvollere Formen zu veredeln. Eine neue Erscheinung auf diesem Gebiet sind die irisierenden Gläser. Schon in Kaiser Hadrians Briefen ist von farbenwechselnden ägyptischen Gläsern die Rede. Ob diese irisierende waren, wie solche in neuester Zeit hergestellt werden, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit bestimmen. Jedenfalls ist das kolibrigefiederartig, prächtig Schimmernde mancher antiker Glasgefäße, überhaupt das Schillernde vieler ausgegrabener alter Gläser nur ein Produkt der Verwitterung. Die sogen. irisierenden Gläser der Neuzeit verdanken ihre Entstehung einem Zufall, durch welchen man in der ungarischen Fabrik in Zlatno 1856 entdeckte, daß das Irisieren der Gläser ein Produkt metallischer Dämpfe ist. Seit 1874 wurden irisierende Gläser auch in Böhmen erzeugt und dann überall nachgeahmt.

In Frankreich brachten die Fabriken Baccarat und St.-Louis wie zahlreiche andre kleinere, gut geleitete die Glaskunstindustrie zu fortschreitender Entwickelung. In den erstgenannten Etablissements führte man um 1830 das Preßglas ein, wozu die weichere, bleihaltige Masse sich vorzüglich eignete. Die derart erzeugten Gefäße hatten reiche Ornamente auf gesandetem Grund und waren in ihrer Erscheinung so neu und bestechend, auch verhältnismäßig so billig, daß sie epochemachend wirkten. St.-Louis, auf elsässischem Boden, zählt nunmehr zu Deutschland. Baccarat (Fig. 2) ist die bedeutendste Glasfabrik Frankreichs geblieben, nimmt trotzdem aber keine Führerrolle auf dem Gebiet der Glaskunstindustrie ein. Die Glaskunstindustrie Frankreichs steht zweifellos, nicht nur was Massenartikel betrifft, sondern auch in anbetracht der feinen Erzeugnisse, auf verhältnismäßig hoher Stufe. Ihre Produkte zeichnen sich durchweg durch Eleganz und gefällige Grazie aus, leiden aber unter starker Neigung zu naturalistischen Auswüchsen. Eine erste Rolle spielt sie nicht. In England erfand man im 17. Jahrh. ein Kristallglas, das wegen seiner herrlichen Farbenbrechung richtiger den Namen Diamantglas verdiente und das bis heute nirgends gleich schön erzeugt wird. Das böhmische Kristallglas ist die richtige Nachbildung des Bergkristalls, farblos und sowenig farbenbrechend wie der Bergkristall. Das englische Kristallglas dagegen zeigt, namentlich wenn es brillantartig geschliffen ist, ein Farbenspiel, das dem des facettierten Diamanten sehr nahekommt. Man kultivierte in England die Brillantierung des Kristallglases in hervorragender Weise, so daß man schließlich dazu kam, auch dünne Gläser mit solchem Schliff auszuführen (Fig. 3). Das englische G. ist nicht so weich wie das venezianische, doch ungleich weicher als das böhmische und darum auch bildsamer. Die Engländer kultivieren auch die Gravierung des Kristallglases mit großem Aufwand, wobei sie allerdings noch sehr dem Naturalismus huldigen. Die Portlandvase im Britischen Museum drängte die englischen Glasindustriellen zur Nachbildung. Auf der Weltausstellung von 1878 brachten Thomas Webb and Sons, A. B. Daniels and Sons und Hodgetts, Richardson and Son vorzügliche Kopien jener Vase. In Deutschland wird die Glaskunstindustrie zumeist auf der gräflich Schaffgotschschen Fabrik Josephinenhütte bei Warmbrunn in Schlesien (Fig. 4) und durch Heckert ebendaselbst gepflegt, wo man vorwiegend die verschiedensten Sorten Farbenglas mit Malereien, dann Nachahmungen von Venezianer Fadenglasgegenständen, von Gläsern mit Perlendekorationen, von orientalischen Gläsern u. dgl. fertigt. Auch die Steigerwaldsche Fabrik war um 1850 unter so tüchtiger Leitung, daß sie, namentlich was die milchigen Glassorten betrifft, für die damaligen Verhältnisse Mustergültiges lieferte. Eine neue Errungenschaft sind die Leistungen der Fabrik Ehrenfeld bei Köln a. Rh. (Fig. 5), welche die alten deutschen Römer mit ihrem aus einem Glasfaden geringelten Fuß und andre derartige Becher, Humpen, Weinkelche etc. mit ihren hübschen Buckeln, Butzen, Traubenansätzen etc., die römischen Krüge mit ihren besondern Henkeln, welche in den ersten Jahrhunderten nach Christo den Rhein entlang erzeugt wurden, endlich manche Venezianer Arbeiten, welche hervorragende Glasmacherfertigkeit bedingen, wie z. B. jene mit einem frei stehenden Glasnetz umsponnenen Gefäße, ausgezeichnet nachzubilden weiß, aber auch vortreffliche freie Schöpfungen aufzuweisen hat. Die kaiserlich russische Fabrik in Petersburg brachte auf die Weltausstellung 1873 eine Serie sehr interessanter Gefäße aus weißem, grünlichem und andersfarbigem Glas mit Emailverzierungen im frühbyzantinischen oder russischen Stil (Fig. 6 u. 7). Die venezianische Glasindustrie (Fig. 8) erzeugt nur Spezialitäten, wie sie allgemein in andern Ländern nicht gemacht werden. Das venezianische G. ist das weichste. Es lassen sich damit die feinsten und zierlichsten Gebilde schaffen; das weiße G. ist nicht so farblos wie das Kristallglas, das man anderwärts erzeugt, und ebensowenig feurig und klar wie das blaue, grüne oder violette G., das man dort schmelzt, was alles jedoch den Reiz der venezianischen Gefäße eher erhöht, als vermindert. Der Hauptwert derselben liegt in der kunstvollen Glasmacherarbeit. Schliff kommt bei den venezianischen Gefäßen eigentlich nicht vor, von Gravierungen nahezu nur solche mit Diamanten, von Malereien nur wenige mit Emailfarben. Die Artikel sind fast ausschließlich nur Ziergerät. Eigentliche Gebrauchsgegenstände werden nicht erzeugt, was vielleicht einen Vorzug, gewiß aber auch die Schwäche der venezianischen Glaskunstindustrie bildet, da, wenn einmal der Markt mit solchen Ziergefäßen übersättigt sein wird, wie dies schon einmal der Fall war, diese Industrie wieder dem Rückgang verfallen dürfte. In Venedig war in der ersten Hälfte unsers Jahrhunderts die Glasfabrikation, mit Ausnahme der Erzeugung von Perlen und andrer kleinerer Gegenstände, auf das tiefste gesunken. Wohl hatte Lorenzo Radi sich schon vor 1840 mit Geschick und einigem Erfolg bemüht, die Technik der Glasmosaik wieder zu erwecken; der Schöpfer der neuen Epoche der venezianischen Glaskunstindustrie wurde indes Salviati. Begeistert durch die herrlichen alten Leistungen, die er in den verschiedenen Sammlungen gesehen hatte, entschloß er sich 1859, dahin zu wirken, daß die Kunstfertigkeit der Väter wieder erreicht werde. Er zog Radi und einige andre der tüchtigern Glasarbeiter heran und sammelte mit rastlosem Eifer aus alten Schriften und Überlieferungen die Behelfe, um wieder [397] das eine oder das andre Verfahren zur Übung zu bringen. Als Salviatis Mittel nicht mehr ausreichten, übernahm 1866 eine englische Gesellschaft nicht nur die Fortführung des von ihm seither geleiteten Unternehmens, sondern baute eine neue Fabrik, Salviati anfangs mehr, später weniger als Leiter benutzend, bis im Mai 1877 sein Austritt erfolgte. Castellani, der nun die Leitung übernahm, bewährte sich bald, indem er eine immer exaktere Arbeit bei Nachahmungen alter Muster oder Ausführungen neuer Schöpfungen erzielte, die Wiedererzeugung der sog. Katakombengläser vervollkommte und die römischen Mosaikschalen, Achatgläser u. dgl., welche die alten Venezianer nicht fabrizierten, mit der gleichen Kunstfertigkeit ausführen ließ, mit welcher sie zu Anfang unsrer Zeitrechnung hergestellt wurden. Solche Mosaikschalen im Durchmesser von ca. 15 cm kosten, nebenbei bemerkt, 600–1500 Frank das Stück. Salviati hat Ende 1877 eine andre Fabrik in Murano eröffnet, schafft in gleicher Weise rührig fort wie früher und wendet namentlich den Wandmosaiken seine Thätigkeit zu. (S. Mosaik.)

Einen besondern Zweig der Glaskunstindustrie bilden die Kronleuchter. Die ersten aus nur weißem oder teils auch farbigem G., an welchen auch die Arme aus solchem Material waren, dürften wohl im 14. oder 15. Jahrh. in Murano erzeugt worden sein. Man formte Blüten und Blätter, wozu das weiche venezianische G. sich vorzüglich eignete, und setzte daraus Blumenkronen zusammen, in die man hin und wieder noch Früchte oder Vögel einfügte. Man wußte dabei eine so reiche Abwechselung zu erzielen, daß man heute noch in Murano jene phantasievollen, schönen Gebilde früherer Zeit nachahmt (Fig. 9). Als im 17. Jahrh. die böhmische Glasindustrie sich immer bedeutender entwickelte, wendete man sich auch bald der Nachbildung der Bergkristallbehänge zu, mit welchen man damals Messing- oder Stahllüster schmückte. Die viel billigern, teils nur gepreßten Glasbehänge ermöglichten deren reichere Anwendung. Man schuf jene Kronleuchter, deren Gerippe aus verzinnten, flachen Eisenstäben besteht, die mit platt gedrückten, kurzen Glasröhren und Rosetten ganz belegt und mit meist breiten, geschliffenen oder gepreßten Behängen geziert sind. Solche Lüster finden sich noch zahlreich in alten österreichischen und deutschen Schlössern und werden, da ihre Form ebenso edel wie charakteristisch ist, so daß sie stets geschätzt bleiben wird, heute noch, besonders in Wien, vielfach nachgebildet, nur daß die neuen weit mehr Kerzenarme haben müssen. Es wurden ferner mancherlei Kronen aus zartern Messinggerüsten mit größern oder kleinern Glassteinen oder Glasketten reich verziert, auch solche mit geschliffenen Glasarmen im 17. und in unserm Jahrhundert erzeugt, welche die größte Mannigfaltigkeit und Originalität der Formen aufweisen. Frankreich kam anscheinend erst etwas später daran und hat hierin wohl nicht minder Gutes, doch kaum Eigentümliches geleistet; ebenso folgte England erst nach, auch dabei bald seine Vorliebe für das Massige und Bizarre zur Geltung bringend. Seine Kronleuchter sind meist für den Export nach Indien berechnet. Auch Böhmen erzeugt zumeist in Haida und Steinschönau für den ganzen Orient ähnliche Lüster. Lobmeyr in Wien hat auch von diesem Artikel, teils alte Vorbilder verwertend, sich seine eignen Spezialitäten geschaffen (Fig. 10).

[Litteratur.] Vgl. Benrath, Die Glasfabrikation (Braunschw. 1875); Tscheuschner, Handbuch der Glasfabrikation (Weim. 1884); Gerner, Glasfabrikation (Wien 1881); Schür, Praxis der Hohlglasfabrikation (Berl. 1867); Dralle, Anlage und Betrieb der Glasfabriken (Leipz. 1886); Gräf, Der praktische Glaser (2. Aufl., Weim. 1885); Schebeck, Böhmens Glasindustrie (Prag 1878); Lobmeyr, Die Glasindustrie (Stuttg. 1874, mit Ilg u. Böheim); Minutoli, Über Anfertigung und Nutzanwendung der farbigen Gläser bei den Alten (Berl. 1836); Demmin, Keramik-Studien, 4. Teil: Das G. (Leipz. 1883); Friedrich, Die altdeutschen Gläser (Nürnb. 1884); Flamm, Le verrier du XIX. siècle (Par. 1863); Bontemps, Guide du verrier (das. 1868); Sauzay, La verrerie depuis les temps les plus reculés, etc. (4. Aufl., das. 1884); Deville, Histoire de l’art de la verrerie dans l’antiquité (das. 1873); Fröhner, La verrerie antique (das. 1879); Gerspach, L’art de la verrerie (das. 1885); Garnier, Histoire de la verrerie et de l’émaillerie (Tours 1886); Pellatt, Curiosities of glassmaking (Lond. 1849); Dunlop, Glass in the old world (das. 1882).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 384385
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[384] Glas. Zur Herstellung achromatischer Linsen haben Hall (1733) und Dollond (1757) Kombinationen von Crown- und Flintglas angewandt (vgl. Achromatismus, Bd. 1). Es gelang ihnen auf diese Weise, das primäre Spektrum zu beseitigen, und noch heute benutzt man Kombinationen von Crown- und Flintglaslinsen, um für gewöhnliche optische Zwecke die roten und blauen Strahlen, für photographische die grünen und violetten oder auch ultravioletten zu vereinigen. Blair und Hastings haben dann auch drei Farben vereinigt, indem sie ein drittes Medium (eine Flüssigkeit oder G.) der achromatischen Linse hinzufügten. Dabei erhält man aber infolge der Absorption ein so viel schwächeres Bild, daß man sich in der Regel auf Kombination von zwei Linsen beschränkt. Die Strahlen, welche durch eine gewöhnliche achromatische Linse nicht vereinigt werden und die Deutlichkeit des Bildes beeinträchtigen, bilden das sogen. sekundäre Spektrum, welches verschwinden würde, wenn man Kombinationen von zwei Gläsern anwendete, deren Zerstreuungsvermögen (wenn auch nicht für das ganze Spektrum, so doch für gewisse Teile desselben) proportional sind. Solche Gläser aufzufinden und zugleich eine größere Mannigfaltigkeit in der Abstufung des Brechungsindex und der mittlern Dispersion zu erzielen, haben sich Fraunhofer, Harcourt und Stokes bemüht; aber erst Schott, welcher sich auf Anregung von Abbe mit der Sache beschäftigte, gelangte 1881 zu praktischen Erfolgen, welche 1884 die Gründung des glastechnischen Laboratoriums in Jena veranlaßten. Die neuen Gläser sind nicht ausschließlich Silikate, wie alle bisherigen Gläser, sondern zum Teil Phosphate und Borate von eigentümlicher Zusammensetzung. Die Phosphate enthalten als Basen Kali, Thonerde, Baryt, Magnesia, die Borate Kali, Natron, Zinkoxyd, Bleioxyd, Lithiumoxyd, Thonerde, auch Kieselsäure, die Silikate außer Bleioxyd, Kalk, Kali, Natron noch Zinkoxyd, Thonerde, Magnesia, Baryt. Während bisher das optische G. von Feil in Paris und Chance in Birmingham für die Optiker nahezu aller Länder geliefert wurde und nur Merz in München vorherrschend für den eignen Gebrauch Flintglas erzeugte, hat das Laboratorium in Jena diese Verhältnisse vollständig geändert und Deutschland nicht nur vom Ausland unabhängig gemacht, sondern auch optisches G. exportiert. Das optische Institut von Zeiß in Jena benutzte zuerst das neue G. zu apochromatischen Linsen für Mikroskope, deren Bilder wegen ihrer größern Reinheit eine stärkere Vergrößerung durch das Okular ertragen. Handelt es sich nicht um eine solche, so kann man bei stärker vergrößerndem Okular ein Objektiv von größerer Brennweite benutzen, um die Übelstände zu beseitigen, welche Objektive von sehr kurzer Brennweite haben. Bei den bisherigen Silikatgläsern ist die [385] Dispersion um so größer, einen je größern Brechungsindex sie haben; das Jenaer Laboratorium hat nun aber auch Gläser hergestellt, bei denen Refraktion und Dispersion in anderm Verhältnis zu einander stehen, und dadurch für viele optische Zwecke ein sehr erwünschtes Material geliefert. Bamberg hat das Jenaer G. mit großem Vorteil für Fernrohre angewandt, womit erwiesen ist, daß die Astronomie von demselben nicht minder Vorteile erzielen wird wie die Mikroskopie.

Bei Thermometern beobachtet man eine sogen. thermische Nachwirkung, welche darin besteht, daß in den ersten Monaten oder Jahren nach der Anfertigung der Eispunkt etwas steigt, während auch bei ältern Thermometern nach einer bedeutenden Temperaturerhöhung eine zeitweilige Erniedrigung des Eispunktes eintritt. Die thermische Nachwirkung ist besonders groß bei Gläsern, welche neben Kali viel Natron enthalten, und es ist in Jena gelungen, ein Normalthermometerglas herzustellen, welches so vortreffliche Instrumente liefert, daß bei einer Erwärmung auf 100° die Depression des Eispunktes nur 0,05° beträgt. Dies G. enthält Kieselsäure, Natron, Zinkoxyd, Kalk, Thonerde, Borsäure, also nur ein Alkali.

Die verschiedenen Glassorten zeigen sehr ungleiche Widerstandsfähigkeit und verwittern zum Teil sehr schnell, indem die Oberfläche durch die darauf einwirkenden Agenzien angegriffen wird. Zur Prüfung des Glases legt man es in eine erwärmte konzentrierte Zinknitratlösung. Die Erscheinung des Abblätterns, welche sich sonst erst nach Jahren zeigen würde, kommt hierbei sofort zum Vorschein. Über eine sehr feine Prüfungsmethode mit Salzsäuredämpfen s. Glas, Bd. 7, S. 383. Nach einer andern Methode verwandelt man das G. in Pulver von bestimmter Feinheit und behandelt eine abgewogene Probe so lange mit kochendem Wasser, bis das Filtrat ganz neutral reagiert. Man verdampft letzteres dann in einer Platinschale, trocknet den Rückstand und wägt. Gutes G. ist nach sechs- bis achtmaligem Aufgießen von heißem Wasser erschöpft und gibt an dasselbe nicht mehr als 1,5–2 Proz. ab, während Gläser vorkommen, die nach Verlust von 50 Proz. das Wasser noch alkalisch machen. Eine sehr empfindliche Methode hat Mylius angegeben. Er löst 0,1 g farbloses Jodeosin in 100 ccm mit Wasser gesättigtem Äther und bringt diese Lösung mit dem G. in Berührung, nachdem dieses mit Wasser, dann mit Alkohol und Äther sorgfältig gereinigt worden war. Das Wasser des Äthers greift das G. an, setzt Alkali in Freiheit, und dies bildet mit dem Jodeosin eine farbige Verbindung, die sich auf das G. niederschlägt. Nach 24 Stunden beurteilt man aus der Intensität der gefärbten Schicht den Grad der Zersetzbarkeit des Glases. Schlechtes G. färbt sich mit der Lösung sofort, gutes erst nach mehreren Stunden. Die meisten Glassorten verfärben sich am Lichte. Durch Eisenoxydul grün gefärbtes G. wird durch Sonnenlicht gelb, indem aus Eisenoxydul und nie fehlendem Natriumsulfat Eisenoxyd und Schwefelnatrium entstehen. Manganhaltiges G. färbt sich unter höherer Oxydierung des Mangans violett. Bei Tafelglas sind diese Farbenveränderungen oft nur in dicker Schicht (wenn man durch die Schnittkante in die Scheibe hineinsieht) wahrnehmbar, und um sie zu kontrollieren, muß man von zwei gleichen Scheiben die eine belichten, die andre im Dunkeln aufbewahren. Die Wirkung der Sonnenstrahlen auf die zu prüfende Scheibe wird verstärkt, wenn man hinter letzterer ein gelbes oder rotes G. oder einen Spiegel anbringt, um die chemisch wirkenden Strahlen zurückzuwerfen. Die Durchsichtigkeit des Glases prüft man mit einem Photometer und chemische oder physikalische Ungleichheiten in der Masse mit Hilfe des von Töpler angegebenen Schlierenapparats.

Die Arbeiter in den Glashütten sind vielen Schädlichkeiten ausgesetzt. Die Pocher sind meist durch das Einatmen des scharfen Quarzstaubes lungenkrank. Bei Darstellung von Bleiglas sind Bleivergiftungen möglich, und wenn Arsen zum Reinigen des Glases angewandt wird, so leiden zwar die Arbeiter nur wenig, aber die Umgegend wird durch den entweichenden Arsendampf geschädigt. Die Arbeiter vor den Öfen leiden durch die starke Hitze, den häufigen Temperaturwechsel und an den Augen durch den Feuerschein. Zur Milderung der Hitze hat man mechanisch in Bewegung gehaltene Fächer angewandt, welche einen gelinden kühlenden Luftzug hervorbringen; die Augen sucht man durch Glimmerbrillen zu schützen, da Glimmer die Wärmestrahlen zurückhält. Das Glasblasen bewirkt Blutandrang nach dem Kopf und im Alter asthmatische und emphysematische Beschwerden, so daß die Bläser nur bis zum 50. Lebensjahr am Ofen arbeiten können. Wird eine und dieselbe Pfeife von mehreren Arbeitern benutzt, so kann sie Gelegenheit zur Übertragung von Syphilis bieten, zumal die Glasbläser oft mit Geschwüren an den Lippen und im Mund behaftet sind. Die Glasschleifer leiden sehr häufig an Tuberkulose. Der Schleifstaub wirkt in der gewöhnlichen Weise, erzeugt aber keine Tuberkulose, deren Übertragung vielmehr durch das Arbeiten in überfüllten, schlecht ventilierten, nicht hinreichend saubern Räumen veranlaßt wird. Schlechte Ernährung, häufige Erkältung und die harte Arbeit wirken zusammen, so daß es in einzelnen Glashütten nur selten 30jährige Schleifer gibt. Bleivergiftungen, Gefährdungen durch Staub, durch Fluorwasserstoffsäure (beim Ätzen des Glases) kommen bei mehreren Stadien der Glasfabrikation vor und erfordern die gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 369370
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[369] Glas, ein aus Kieselsäure, zuweilen unter Zuhilfenahme von Borsäure, Phosphorsäure und Fluor mit fixen Alkalien und alkalischen Erden, zuweilen auch Thonerde und unter Anwendung geringer Mengen färbender oder entfärbender Metalloxyde in der Weißglut erschmolzenes und bei niederer Temperatur zu einer amorphen, meist durchsichtigen Masse erstarrendes Gemenge von Silikaten. Der Bruch des Glases ist muschelig; mit dem Aufhören seiner amorphen Beschaffenheit verliert es seinen Charakter. Unter gewissen Umständen, z. B. bei langandauerndem Erhitzen der Glasmasse nahe ihrem Schmelzpunkt, scheiden sich während des Erkaltens aus der dünnflüssigen Masse zähe, kristallinische Silikate aus, d. h. das G. entglast. Hierauf beruht z. B. die Erzeugung des Réaumurschen Porzellans. Die chemische Zusammensetzung ist gleichfalls von Einfluß auf die Neigung zum Entglasen; Kali- und Bleigläser entglasen weit schwerer als Natron- oder Kalkgläser; kieselsaures Natron von der Zusammensetzung 2Na2O, 9SiO2 entglast fast ohne Umstände, desgleichen hat Weber gezeigt, daß man durch Zusatz von Thonerde, sei es als Kaolin oder als Feldspat, das Entglasen zum Teil verhindern, bez. es erschweren kann, und daß die Thonerde die Bearbeitung des Glases begünstigt. Wie Weber weiter hervorhebt und auch vor ihm schon Seger nachwies, befördert die Thonerde entgegengesetzt frühern Annahmen unter Umständen die Leichtflüssigkeit des Glasflusses.

Die Zusammensetzung des Glases ist auch auf sein spezifisches Gewicht von Einfluß; das Alkalikalkglas mit etwa 2,4 ist am leichtesten, es folgt das Thonerdekalkglas und zuletzt das Thalliumglas mit einem spezifischen Gewicht von 5,62. Ebenso brechen die schweren Blei- und Wismutgläser das Licht am stärksten. Auf den luftleeren Raum als Einheit bezogen, hat der Diamant einen Brechungsexponenten von 2,506; das Flintglas von Fraunhofer (spez. Gew. 3,77) hat einen Brechungsexponenten von 1,639, das Thalliumglas von Lamy (spez. Gew. 5,62) einen solchen von 1,71–1,965.

Unter dem Einfluß der Luft bedeckt sich besonders das in Steinkohlenstrecköfen gearbeitete Tafelglas sehr oft mit einer irisierenden Haut. Ein Teil dieser Schicht wird von Wasser gelöst, ein andrer Teil wird von Salzsäure nicht angegriffen, dagegen leicht von Natronlauge. Jolles und Wallenstein fanden in den Lösungen verhältnismäßig viel Natron, Schwefelsäure und Kohlensäure. Es wirkt die in den Brenngasen enthaltene schweflige Säure zersetzend auf die Glasoberfläche, indem sich neben Natriumsulfat Wasserglas bildet. Letzteres zersetzt sich unter dem Einfluß der Atmosphärilien in kohlensaures Natron und Kieselsäure, die sich amorph ausscheidet.

Auch das anhaltende Kochen mit Wasser greift das G. je nach seiner Zusammensetzung mehr oder weniger schnell an. Mit zunehmendem Kalkgehalt nimmt die Löslichkeit der Gläser ab; die Natrongläser sind gegen den Einfluß des Wassers widerstandsfähiger als die Kaligläser. Dabei stellten Mylius und Förster ziffernmäßig fest, daß dieser Unterschied um so mehr verschwindet, je kalkreicher die Gläser hergestellt werden, wie denn schon Schwarz beobachtet hatte, daß es für die Angreifbarkeit der Gläser von der Zusammensetzung , , ohne Belang sei, ob sie Kali oder Natron enthalten. Die Angreifbarkeit der Gläser durch wasserhaltigen Äther ist, wie Rieth u. endgültig auch Weber gezeigt haben, eine der Hauptfehlerquellen für die Herstellung der Libellen. Ein G. von 69,0 SiO2, 0,9 Al2O3 12,2 CaO, 18,5 K2O entspricht, wenn es mit gutem Äther, der über gebranntem Marmor gestanden hat und bei gelinder Temperatur destilliert ist, gefüllt wird, vollständig allen Anforderungen.

Bemerkenswert ist die von Weber beobachtete Eigentümlichkeit des Glases, daß die gleichzeitige Anwesenheit von Kali und Natron die Ursache der Depressionserscheinungen an den Thermometern ist. Der Gehalt an Kieselsäure kann in weiten Grenzen schwanken und der Kalkgehalt bei wechselnden Verhältnissen zum Alkali zwischen 10 und 15 Proz. variieren. Thonerde bis 4,39 Proz. ist nicht von Einfluß. Selbst ein hoher Natrongehalt gibt gute Resultate. Die durch das gleichzeitige Vorhandensein von Kali und Natron hervorgerufenen Depressionserscheinungen können durch einen größern Kalk- oder Kieselsäuregehalt nicht korrigiert werden. Der Gehalt an Kali kann in den Natrongläsern jedoch 1 Proz. übersteigen, ohne Einfluß auf die Depression auszuüben, was für die Praxis von Bedeutung ist.

Zu den Eigenschaften des Glases gehören endlich seine Festigkeit, Härte und Elastizität. Durch ein eignes, von de la Bastie zuerst angewendetes Kühlverfahren, nämlich das G. schnell und gleichmäßig zu kühlen und in Bädern zu härten, erlangt es diese Eigenschaften in besonders hohem Maße. Dieses sogen. Hartglas ist von ganz bedeutender Elastizität. Eine Hartglasplatte von 16 cm Länge, 12 cm Breite und 5 mm Dicke ertrug nach Luynes den Fall eines Gewichts von 200 g aus 1–4 m Höhe; es entspricht das ungefähr dem vierfachen des Gewichtes, durch welches nicht gehärtete Platten zertrümmert werden. Besonders vervollkommt ist dies Verfahren von Schott und Siemens, welche das G. zwischen erwärmten Thonplatten, bez. durch Guß in Metall- oder Sandformen härten und auf diese Weise glatte und gemusterte Glastafeln zu Bedachungen, für Gewächshäuser, Laternen, Geschäftsräume, endlich Fußboden- und Wandbekleidungsplatten, Mühlsteine und Eisenbahnschwellen herstellen.

Die Zusammensetzung des Glases entspricht etwa folgender allgemeiner Formel: , , .

Wie schon oben ausgeführt wurde, ist die Zusammensetzung des Glases für seine mannigfachen Eigenschaften am bestimmendsten. Hinsichtlich seiner Undurchsichtigkeit zur Herstellung des sogen. Milchglases scheint gleichfalls nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft und Technik die Anwesenheit gewisser Verbindungen im G. angenommen werden zu müssen. Benrath hatte die Trübung der Milchgläser ausgeschiedener Thonerde zugeschrieben, Williams nahm das Kieselfluornatrium (einen in der Glühhitze wenig beständigen Körper) als trübenden Bestandteil des Milchglases an, eine Ansicht, die durch Ebells Untersuchungen gestützt zu werden schien. Letzterer schmolz 1 Teil Kryolith mit 2 Teilen Sand zusammen und [370] fand darin (entgegen Benraths Behauptung) 1,74 Proz. Fluor. Auch Hagemann und Jörgson fanden in Gläsern, die mit Flußspat oder Kryolith geschmolzen waren, Fluor. Endlich hat Weinreb die Frage zur Entscheidung gebracht und durch Versuche zur Evidenz bewiesen, daß Fluornatrium allein sowie Thonerde allein keine Trübung im G. hervorrufen, daß man aber durch Gemenge beider tadellose Milchgläser erzeugen kann. Zsigmondy kommt zu derselben Ansicht; mit aller Wahrscheinlichkeit ist Fluoraluminium der trübende Bestandteil des Kryolithglases. An Stelle von Kryolith wird auch Fluornatrium, gemengt mit thonerdehaltigen Materialien, verarbeitet. Trotz des hohen Preises, welchen der Kryolith hat, sind die französischen mittels Zusatz von Fluß- und Feldspat hergestellten sogen. Spatgläser infolge der umständlichern Fabrikation teurer als die Kryolithgläser. Während letzteres seine Eigenschaft (trübe zu sein) direkt beim Schmelzen erhält und ein aus solcher Glasmasse geformter Gegenstand sogleich die Beschaffenheit des Milchglases hat, muß das Spatglas wiederholt angewärmt werden, um völlig opak zu erscheinen. Auch hinsichtlich der Fabrikationsmethode stellen sich die eigentlichen Milchgläser, welche in Formen geblasen werden können (eine für Massenartikel allein mögliche Arbeitsweise), billiger als die französischen Spatgläser, welche aus freier Hand geblasen und zum Zwecke des Formens und zur Erzeugung des Opakwerdens öfter angewärmt werden müssen.

Zur Darstellung weißen Glases, wie es für die Spiegelfabrikation und für Hohlgläser gebraucht wird, müssen alle Rohstoffe möglichst eisenfrei sein; in den weitaus meisten Fällen erreicht man die Farblosigkeit des Glases nur durch Zusatz von Entfärbungsmitteln, deren Wirkung, wie zuerst Liebig erkannte, darauf beruht, daß die dem Glasfluß eigentümliche Farbe durch die Komplementärfarbe des Entfärbungsmittels neutralisiert wird. Unter gewissen Bedingungen kann jedoch auch durch Einführung eines nicht färbenden Stoffes, wie z. B. des Salpeters, welcher, der Glasschmelze zugesetzt, als Oxydationsmittel wirkt (z. B. grünes Eisenoxydulsilikat in das weit weniger stark färbende Eisenoxydsilikat), eine Entfärbung des Glases auf chemischem Wege herbeigeführt werden. Interessant, aber nicht weiter begründet ist die von Henrivaux („Le verre et le cristal“) empfohlene Einführung des Zinkoxyds anstatt Braunsteins als Entfärbungsmittel.

Einen schätzenswerten Beitrag zur Erzeugung gefärbter Gläser bilden die mit Metallsulfiden von Zsigmondy hervorgerufenen Glasfärbungen: dunkelrotbrauner Rubin durch Molybdänglanz, sepia- bis sienafarbig durch Schwefelkupfer. Durch Zusatz von 0,5 Proz. Schwefelnickel zu einem gewöhnlichen Glassatz erhielt Haller eine amethystviolette Färbung.

Von größter Bedeutung für die Fabrikation ist die Anfertigung der Glashäfen. Hinsichtlich ihrer Formgebung und Größe waren in Deutschland seither weit kleinere Dimensionen gebräuchlich als in Belgien, Frankreich und besonders in England. In neuerer Zeit wendet man sich jedoch auch bei uns den größern Formen zu, die in den meisten Fällen den Vorzug verdienen, erstens was den Schmelzprozeß des Glases selbst anbelangt, und zweitens, weil die kleinern Öfen verhältnismäßig mehr Brennstoff gebrauchen. Für die Güte der Häfen ist in erster Linie das Schamotte- und Thonmaterial entscheidend. Die Schamotte muß durch hohes Brennen möglichst hart und gedichtet sein. Man benutzt zur Herstellung guter Schamotte möglichst feuerfeste, thonerdereiche Schieferthone, wie sie in Saarau in Schlesien, Rakonitz in Böhmen und Müglitz in Mähren vorkommen, zerstampft auch wohl alte Schamottegegenstände und Häfen, um sie wieder für die Masse zu verwenden. Auch die Korngröße der Schamotte ist von Wichtigkeit; je feiner das Korn, desto mehr kann man zwar dem rohen Thon davon zusetzen, aber die Masse wird weniger widerstandsfähig gegen Temperaturwechsel. Am besten nimmt man je zur Hälfte gröberes und feineres Korn. Als plastische, roh zur Hafenmasse zu verarbeitende Thone haben die fetten Thone (von Großalmerode, Hettenleidelheim, Klingenberg, Grünstadt), die ungemein fett, aber nur von mittlerer Feuerfestigkeit sind, einen guten Ruf, weil sie schon bei niederm Feuer ihre Schwindung beendet haben und völlig dicht werden.

Einen großen Fortschritt in der Feuerungstechnik der Glashütten bedeuten die Siemensschen Wannenöfen mit Generatorgasfeuerung. Die Brennmaterialersparnis ist eine beträchtliche, und die Zerkleinerung der zur Glasmasse zu verwendenden Materialien braucht nicht eine so sorgfältige zu sein wie bei der Beschickung der Glashäfen. Der Ofen hat sich daher schnell durch alle Länder verbreitet; die Brennstoffersparnis stellt sich gegenüber dem alten System für den Zentner G. wie folgt:

a) Glashäfen:
8 Ztr. Holz
6–8 Braunkohle
3–4 Steinkohle
b) Wannenöfen:
1 Ztr. Holz
2 Braunkohle
0,5–0,75 Steinkohle.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 397
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[397] Glas, s. Vitrit.