MKL1888:Nathusĭus

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Nathusĭus“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 12
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Nathusĭus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 1–2. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Nathus%C4%ADus (Version vom 21.01.2023)

[1] Nathusĭus, 1) Gottlob, Industrieller, geb. 30. April 1760 zu Baruth, lernte in Berlin bei einem Kleinhändler, konditionierte dann in dem Handelshaus Sengewald in Magdeburg, übernahm nach seines Prinzipals Tod mit dessen Schwager Richter das Geschäft unter der Firma Richter u. N. und brachte dasselbe, namentlich durch Errichtung einer Tabaksfabrik 1787, zu hoher Blüte. Das Ableben seines kinderlosen Kompagnons und der Witwe desselben machte ihn zum alleinigen Inhaber des Geschäfts. Nach Wiedereinführung des Tabaksmonopols wurde er königlicher Generalfabrikdirektor, legte aber diese Stelle bald nieder und übernahm unter Friedrich Wilhelm III. die Fabrik, die bis dahin als Kronfabrik fortbestanden hatte, wieder auf eigne Rechnung. Die Verminderung des Absatzes unter der westfälischen Regierung veranlaßte ihn, das Kloster Althaldensleben und das Gut Hundisburg zu kaufen, und auf diesem Güterkomplex begründete er neben großartigem und musterhaftem landwirtschaftlichen Betrieb eine ganze Reihe der umfassendsten industriellen Anstalten, wie Brauereien und Branntweinbrennereien, Öl-, Graupen-, Kartoffel- etc. Mühlen, eine Obstkelterei, Zuckerfabrik, Ziegelei, Steingut- und Porzellanfabrik. Er starb 23. Juli 1835.

2) Hermann Engelhard von, Tierzüchter, Sohn des vorigen, geb. 1809 zu Magdeburg, studierte Naturwissenschaften, übernahm das Gut Hundisburg und wandte sich nun ausschließlich der Landwirtschaft, speziell der Viehzucht, zu. Er führte mit Erfolg edle Zuchttiere aus England ein und wirkte für die Hebung der Viehzucht mit großem Erfolg. Vorgebildet durch zoologische Studien und durch genaue Bekanntschaft mit den Erfahrungen der englischen Züchter, sammelte er ein ungemein großes Beobachtungsmaterial in seinen Hundisburger Herden, deren Züchtung er persönlich leitete, und in seiner Skelettsammlung der Haustierrassen. Seine Schriften wurden zu grundlegenden Arbeiten für wissenschaftliche Behandlung der Tierzuchtlehre. Gegen die Darwinsche Theorie verhielt er sich ablehnend, obwohl aus seinen Werken viele Beweise für die Unterstützung derselben entnommen werden können. Er starb 29. Juni 1879 in Berlin. N. schrieb: „Ansichten und Erfahrungen über die Zucht von Fleischschafen“ (Berl. 1856); „Über die Konstanz in der Tierzucht“ (das. 1860); „Über Shorthorn-Rindvieh“ (2. Aufl., das. 1861); „Die Rassen des Schweins“ (das. 1860); „Vorstudien für Geschichte und Zucht der Haustiere“ (das. 1864); „Deutsches Gestütalbum“, Photographien vorzüglicher Pferde (das. 1868–70); „Vorträge über Viehzucht und Rassenkenntnis“ (das. 1872–80, 3 Bde.); „Wandtafeln für den naturwissenschaftlichen Unterricht“ (das. 1871–73, 2 Tle.); „Über die sogen. Leporiden“ (das. 1876). Mit Thiel gab er die „Landwirtschaftlichen Jahrbücher“ (Berl.) heraus. N. war Mitglied des preußischen Landesökonomiekollegiums, auch Direktor des Landwirtschaftlichen Zentralvereins für die Provinz Sachsen, Präsident der Deutschen Ackerbaugesellschaft etc. Vgl. W. v. Nathusius, Herm. v. N., Rückerinnerungen aus seinem Leben (Berl. 1880).

3) Philipp Engelhard von, Bruder des vorigen, geb. 5. Nov. 1815 zu Althaldensleben, war seit 1848 eifriger Mitarbeiter der „Kreuzzeitung“, gab dann, um den Grundsätzen und Anschauungen seiner Partei bei der Landbevölkerung Eingang zu verschaffen, das „Volksblatt für Stadt und Land“ heraus und ließ sich schließlich zu Neinstedt am Harz nieder, wo er eine Knabenerrettungsanstalt nach dem Vorbild des Rauhen Hauses bei Hamburg gründete. Er starb während einer Reise 16. Aug. 1872 in Luzern. Gegen die Union der protestantischen Bekenntnisse schrieb er: „Zur Verständigung über Union“ (Halle 1857); auch erschienen zwei Sammlungen Gedichte von ihm (1839 u. 1841). – Seine Gattin Marie von N., geborne Scheele, geb. 10. März 1817 zu Magdeburg, verheiratet seit 1841, gest. 22. Dez. 1857 in Neinstedt, hat sich durch eine Reihe sittlich-schöner, aber pietistisch gefärbter Erzählungen, wie: „Tagebuch eines armen Fräuleins“ (Halle 1854, 14. Aufl. 1886), „Elisabeth“ (das. 1858, 13. Aufl. 1887), „Langenstein und Boblingen“ (9. Aufl. das. 1886), „Die alte Jungfer“ (4. Aufl., das. 1869) etc., litterarischen Ruf erworben. Ihre „Gesammelten Schriften“ (Halle 1858–69, 15 Bde.) enthalten auch ihr „Lebensbild“ (Bd. 13–15).

4) Wilhelm von, Bruder des vorigen, geb. 1828 zu Hundisburg, studierte in Paris und Berlin Chemie, übernahm dann das Gut Königsborn, war 1852–78 Mitglied des Landesökonomiekollegiums und seit 1869 Direktor des Landwirtschaftlichen Zentralvereins der Provinz Sachsen. Er gehörte 1855 im preußischen Abgeordnetenhaus der Fraktion Gerlach [2] an und beteiligte sich lebhaft an den politischen Bewegungen. Von seinen wissenschaftlichen Arbeiten sind hervorzuheben die mikroskopischen Untersuchungen: „Das Wollhaar des Schafs“ (Berl. 1866) und „Über die Verwertung der Wolle nach geschehener Fabrikwäsche“ (Halle 1874); „Untersuchungen über nichtcelluläre Organismen, namentlich Krustaceenpanzer, Molluskenschalen und Eihüllen“ (Berl. 1877). – Sein Bruder Heinrich von N., geb. 14. Sept. 1824 zu Althaldensleben, 1854–63 Landrat des Kreises Neuhaldensleben, machte sich als Pferdezüchter bekannt. Er schrieb: „Über die Lage der Landespferdezucht in Preußen“ (Berl. 1872); „Das schwere Arbeitspferd“ (das. 1882); „Über die Zucht schwerer Arbeitspferde“ (das. 1885).

5) Philipp von N.-Ludom, preuß. Politiker, Sohn von N. 3), geb. 4. Mai 1842 zu Althaldensleben, studierte in Heidelberg und Halle Rechtswissenschaft und Geschichte, lernte dann die Landwirtschaft in Hundisburg u. a. O. kennen und trat 1865 den Besitz des Ritterguts Ludom im Kreis Obornik an. Im Herbst 1872 übernahm er die Redaktion der „Kreuzzeitung“, die er jedoch 1876 wieder niederlegte, um nach Ludom zurückzukehren. Doch behielt er die Leitung des von ihm gegründeten „Reichsboten“ bei und beteiligte sich auch an der Bildung der „deutsch- (streng) konservativen Partei“. 1877 ward er zu Minden in den Reichstag gewählt. Er schrieb: „Konservative Partei und Ministerium“ (Berl. 1872); „Die Zivilehe“ (das. 1872); „Ständische Gliederung und Kreisordnung“ (das. 1872) und „Konservative Position“ (das. 1876).