MKL1888:Schuh

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Schuh“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Schuh“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 14 (1889), Seite 643644
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Schuh
Wiktionary-Logo
Wiktionary: Schuh
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Schuh. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 643–644. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Schuh (Version vom 04.03.2024)

[643] Schuh, Längenmaß, s. v. w. Fuß (s. d., S. 801).

Schuh, Fußbekleidung, jetzt meist aus Leder oder aus Geweben oder Filz mit lederner Sohle, aus Kautschuk, aber auch aus Rinde, Holz (Holland, Dänemark, Norddeutschland, Elsaß), Esparto (Spanien), Schilf (Böhmen), Bast (Rußland) etc. handwerksmäßig durch Handarbeit, jetzt vielfach mit Maschinen im Fabrikbetrieb dargestellt. Bei der modernen Schuh- (und Stiefel-) Fabrikation, welche sich besonders großartig in Nordamerika entwickelt hat (Massachusetts liefert zwei Drittel aller in den Vereinigten Staaten verbrauchten Schuhwaren), liegt das Bestreben vor, die Hausindustrie mit ihren selbständigen Existenzen innerhalb der Fabrikation beizubehalten. Einzelne Fabrikanten entnehmen von ihren Lieferanten die fertige Ware, andre überweisen ihnen das Leder oder Halbfabrikate zur Vollendung, während noch andre die Gesamtarbeit durch Lohnarbeiter in besondern Fabrikräumen vornehmen lassen. Zum Vorbereiten des gegerbten Leders dienen Walzen und Hämmermaschinen, welche das Leder dichter und geschmeidiger machen sollen, während zur Erzielung gleichmäßiger Dicke Lederspaltmaschinen in Anwendung kommen. In diesen letztern wird das Leder der ganzen Breite nach so gegen ein Messer geführt, daß der zu benutzende stärkere Teil über demselben und unter einer verstellbaren Anschlagleiste, d. h. durch einen auf die Lederdicke eingestellten Spalt, hindurchgeht, während die zu dicken Stellen an der Fleischseite des Leders als zusammenhängendes Fell unter dem Messer herausfallen. Das Hindurchziehen des Leders durch diese Maschine erfolgt durch eine Walze, an welcher es befestigt wird. Zum Ausschneiden der Sohlen und der Absatzstücke dienen Stanzmaschinen, welche mit einem nach der Form der Sohle etc. gebogenen Messer dieselbe durch einen einzigen Druck erzeugen; da diese Maschinen jedoch ebenso viele Messer wie Sohlenformen erfordern, so hat man Maschinen konstruiert, die nach Art der Bandsägen wirken, aber statt der Säge ein scharfes Bandmesser besitzen. Zum Zusammenstellen der einzelnen Flecke zu einem Absatz dient eine Absatzpresse und zum Beschneiden desselben eine Fräsmaschine, die zur Wirkung gelangt, nachdem die Absätze an die Fußbekleidung angeheftet sind, was auch auf besondern Maschinen sehr vollkommen gemacht werden kann. Zur Bearbeitung des Oberleders dienen ebenfalls Ausschneidemaschinen, welche jedoch der Handzuschneiderei gegenüber von geringerer Verbreitung sind, sodann aber die sehr wichtigen Walkmaschinen, welche dem Leder die eigentümliche knieförmige Gestalt im Fußgelenk geben, die Pappmaschinen zum Aufkleben des Futters und der sogen. Oberlederkleinigkeiten, Abschärfmaschinen zum Abschärfen der Lederkanten zu einem Keil und endlich Maschinen zum Aufzwicken des Oberleders auf den Leisten, um das Oberleder mit der Brandsohle richtig zu verbinden. Durch eine Anzahl Zangen wird das Oberleder an verschiedenen Punkten gefaßt und über den Leisten gespannt, worauf es durch schwache Stiftchen festgezwickt wird. Zum Nähen und Steppen der Schäfte und des Oberleders dienen Steppmaschinen, welche nur mit einem Faden arbeiten, der gepicht und während der Arbeit leicht erwärmt wird. Nach dem Aufzwicken wird die Sohle aufgelegt und durch Stifte in der Mitte aufgezwickt. Die Sohle ist bereits vorher auf der Rißmaschine mit einem die ringsum gehende Naht verzeichnenden Riß in 6 mm Entfernung vom Rand versehen worden, welcher zur Aufnahme der Naht bestimmt ist. Der Zwicker öffnet nun den Riß und schlägt in kürzern Abständen Rißnägel in die Kante, damit beim Nähen die Sohle nicht verschoben werden kann. Hierauf wird der Leisten aus dem Stiefel gezogen, dieser aber an die Sohlennähmaschine (Besohlmaschine) abgeliefert. Bei dieser wird der zu nähende S. oder Stiefel auf ein um seine senkrechte Achse bewegliches Horn gesteckt, in welchem Apparate und Maschinenteile von unten thätig sind, während von oben die Nadel gerade durch den Riß hindurch durch die Sohle, den Rand des Oberleders und die Brandsohle einen gepichten Faden zieht. Der Faden wird hierbei so fest angezogen, daß sich der auf der Brandsohle, also im Innern, bildende Kettenstich ganz in das Leder hineinzieht, also nicht drücken kann. Dadurch entsteht eine ganz vollkommen wasserdichte Verbindung, da auch die Löcher vollkommen dicht durch den gepichten Faden ausgefüllt werden, welcher sich so fest mit dem Leder verbindet, daß er auch noch hält, wenn die Sohle abgelaufen ist und die Schlingen geöffnet sind. Bei aller Vollkommenheit des Produkts arbeitet die Maschine so schnell, daß in 11/2 Minute ein Paar Sohlen aufgenäht sind, während man hierzu mit der Hand wenigstens eine halbe Stunde braucht. Dieser Arbeit schließen sich nun diejenigen zur Befestigung des Absatzes an, von denen bereits die Rede war, sowie kleine Vollendungsarbeiten, z. B. das Zudrücken des Risses über der Naht, das Abputzen der Sohlen etc. Zur Befestigung der Sohlen benutzt man auch vielfach die Holznagel- oder Pflockmaschine, welche das Holzpflockschlagen so schnell und vollkommen ausführt, daß das Produkt hinter den genähten Schuhwaren nicht zurücksteht. Bei dieser Maschine wird der Holzstift zunächst in ein nach unten verjüngtes Rohr gebracht, durch welches vorher eine Ahle gegangen [644] war, die in das darunter befindliche Leder ein Loch gestochen hatte. Wird nun der Holzstift durch einen in das Rohr hineinragenden Hammer getroffen, so wird er in dem Rohr zunächst zusammengepreßt und tritt sodann mit Leichtigkeit in das etwas dünner gebohrte Loch in dem Leder ein, welches er, indem er sich wieder ausdehnt, sehr vollkommen ausfüllt. Die Holzpflöcke werden bei dieser Maschine von langen, aufgerollten Holzbändern von der Dicke der Pflöcke und einer Breite gleich der Länge der Pflöcke abgeschlagen. Alle hier vorkommenden Einzeloperationen, zu denen auch die selbstthätige Fortschiebung der Sohle und die gewünschte Distanz zweier Löcher gehören, werden von der Maschine selbstthätig und mit großer Geschwindigkeit vollzogen. Neuerdings werden die Sohlen auch oft mittels besonderer Maschinen durch Schrauben befestigt. Das Glätten der Sohlen besorgt die Glätt- oder Glaspapiermaschine. Die Maschinen-Schuhmacherei liefert ein gleichmäßigeres und besseres Produkt zu billigerm Preis als die Hand-Schuhmacherei und wird sich daher trotz alles Widerstrebens der letztern immer mehr Bahn brechen. Vgl. Schneider, Die moderne Schuhfabrikation (Weim. 1877, mit Atlas); Knöfel, Lehrbuch der Fußbekleidungskunst (2. Aufl., Leipz. 1879); Rodegast, Die Fußbekleidungskunst (Weim. 1888); Franke, Die Schuhmacherei (3. Aufl., Artern 1887).

[Hygieinisches.] Das Schuhwerk soll sich naturgemäß dem Bau des Fußes anpassen, unsre moderne Fußbekleidung aber ist so unnatürlich gestaltet, daß man selbst bei heranwachsenden jungen Leuten schwerlich noch einen normal gebildeten Fuß findet, da das Schuhwerk sehr frühzeitig zur Verkrüppelung der Zehen und zu Mißbildungen des Fußskeletts führt. Da sich der Fuß beim Aufsetzen auf den Boden um 1/10 verlängert und um mehr als 1/30 verbreitert, so sollte das Maß nicht im Sitzen genommen werden. Beim Gehen löst sich der Fuß derartig vom Boden los, daß schließlich die Spitze der großen Zehe gegen den Boden abdrückt. Hierzu bedarf sie freien Spielraums, aber auch alle übrigen Zehen, die behufs seitlicher Stützung des Fußes sich krümmen und fest an den Boden andrücken sollen, müssen im Schuhwerk frei beweglich bleiben. Letzteres muß daher, anstatt in eine Spitze auszulaufen, berücksichtigen, daß die Zehenränder mit der durch die Köpfchen der Mittelfußknochen gezogenen geraden Linie ein unregelmäßiges Viereck bilden. Die Sohle ist richtig geformt, wenn eine Linie, die um die halbe Breite der großen Zehe entfernt von dem vordern Teil des innern Sohlenrandes parallel mit diesem gezogen wird, in ihrer Fortsetzung durch den Mittelpunkt des Absatzes geht. Letzterer muß groß, breit und höchstens 15–20 mm hoch sein, weil bei zu hohem Absatz der Unterstützungspunkt des Körpers zu weit von seinem Schwerpunkt entfernt ist und das Körpergewicht auf die Zehen drückt, so daß die Wadenmuskeln nur unvollkommen fungieren können und das Gehen und Stehen sehr unsicher wird. Der Fußrücken ist wegen der hier verlaufenden Gefäße und Nerven ganz besonders vor Druck zu schützen. Das Oberleder soll weich und geschmeidig erhalten werden. Der Fuß wird am besten durch wollene Strümpfe vor Erkältung geschützt, doch ist notwendig, daß das Schuhwerk die Ausdünstung nicht behindere, um das Feuchtwerden zu vermeiden. Deshalb ist dauerndes Tragen von Gummischuhen ungesund, und besser als die über dem Fuß fest anschließenden Stiefeletten sind Stiefel mit halbhohem, weitem Schaft oder Schuhe. Vgl. Meyer, Die richtige Gestalt der Schuhe (Zürich 1858); Derselbe, Die richtige Gestalt des menschlichen Körpers in ihrer Erhaltung und Ausbildung (Stuttg. 1874); Günther, Über den Bau des menschlichen Fußes und dessen zweckmäßigste Bekleidung (Leipz. 1863); Starcke, Der Militärstiefel etc. („Deutsche militärische Zeitschrift“ 1880).