MKL1888:York von Wartenburg

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „York von Wartenburg“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 16 (1890), Seite 804805
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York von Wartenburg. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 16, Seite 804–805. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:York_von_Wartenburg (Version vom 26.10.2021)

[804] York von Wartenburg, Hans David Ludwig, Graf, preuß. Feldmarschall, geb. 26. Sept. 1759 zu Potsdam aus einer Familie, die nach der Familientradition aus England stammte und in der Zeit der Stuarts nach Schweden, unter Karl XII. nach Pommern auswanderte, wo sie das Gut Gutkow erwarb. Doch hieß die dem kleinen kassubischen Adel angehörige Familie richtiger wohl Jarcken. Yorks Großvater Johann Jarcken war Prediger in Rowe bei Stolpe, sein Vater David Jonathan v. Jork trat 1747 in die preußische Armee und ward im Siebenjährigen Krieg Hauptmann. Y. trat 1772 in das Regiment v. Luck, ward 1777 Leutnant und machte den Feldzug 1778 mit, ward aber wegen Insubordination 1779 kassiert und trat nach in Königsberg abgebüßter einjähriger Festungsstrafe 1781 in holländische Dienste, in denen er als Kompaniechef bei dem Schweizerregiment Meuron 1783–84 die Feldzüge in Ostindien mitmachte. 1785 nach Preußen zurückgekehrt, trat er 1787 als Kapitän in das neuerrichtete Füsilierbataillon Plüskow, ward 1792 Major, wohnte 1794 dem Feldzug in Polen bei und zeichnete sich besonders in der Schlacht bei Szekoczyn aus. 1797 erhielt [805] er das Kommando eines Füsilierbataillons in Johannisburg; 1799 ward er Kommandeur eines Fußjägerregiments, bei dem er 1805 zum Brigadier befördert wurde. In dieser Eigenschaft deckte er auf dem Rückzug der Armee 26. Okt. 1806 bei Altenzaun den Elbübergang des Korps des Herzogs von Weimar gegen eine sehr überlegene Abteilung des Soultschen Korps. Auf dem weitern Rückzug führte er die Nachhut des Blücherschen Korps bis Lübeck, wo er schwerverwundet in Gefangenschaft fiel. Mit Blücher gleichzeitig im Februar 1807 ausgewechselt, ward er in Königsberg zum Generalmajor ernannt und erhielt nach dem Tilsiter Friedensschluß das Kommando von Memel und der Reserve, Ende 1808 das der westpreußischen Brigade und 1810 auch die Generalinspektion über sämtliche leichte Truppen, um deren Ausbildung er sich große Verdienste erwarb. 1811 ward er zum Generalgouverneur der Provinz Preußen ernannt. Im Feldzug von 1812 dem zum französischen Heer stoßenden preußischen Hilfskorps unter Grawert als Generalleutnant und zweiter Kommandant zugeteilt, übernahm er nach Grawerts Abgang das Kommando über das zur Blockade von Riga verwendete Korps. Als im Dezember 1812 das Macdonaldsche Armeekorps nach Vernichtung der großen Armee auch den Rückzug antrat, erhielt Y. die Führung der Nachhut, schloß aber, ohne von seinem König dazu ermächtigt zu sein, doch im Bewußtsein, daß der Zeitpunkt zur Befreiung Deutschlands da sei und nur sein Abfall von den Franzosen diese zum Rückzug bis zur Elbe zwingen könne, 30. Dez. 1812 in der Mühle von Poscherun eine Konvention mit dem russischen General Diebitsch, kraft welcher das preußische Korps neutrale Quartiere bezog und dem König die weitere Entscheidung anheimstellte. Zwar mußte der König, der sich noch in der Gewalt der Franzosen befand, den Vertrag verwerfen und eine Untersuchung über Y. verhängen. Indes blieb Y. im Besitz seines Kommandos und leitete als Generalgouverneur von Preußen die Volksbewaffnung in dieser Provinz. Nachdem er 17. März 1813 in Berlin eingezogen war, sprach der König in einem Armeebefehl Yorks Rechtfertigung aus und bestätigte ihn in dem Kommando seines Armeekorps. Im Frühjahr 1813 nahm Y. unter Wittgenstein rühmlichen Anteil an den Schlachten bei Großgörschen und bei Bautzen. Bei der neuen Formierung des preußischen Heers erhielt Y. den Befehl über das 1. Armeekorps, das dem schlesischen Heer zugeteilt wurde und hauptsächlich den Sieg an der Katzbach (26. Aug.) erkämpfte, wie denn das Yorksche Korps den Hauptanteil an den glänzenden Erfolgen der schlesischen Armee hatte, obwohl Y. mit Blüchers und Gneisenaus Heeresleitung keineswegs einverstanden war und die rücksichtslose Aufopferung der Truppen scharf tadelte. Wegen seiner unermüdlichen Fürsorge für die Mannschaften hingen diese Y. auch mit großer Liebe an, obwohl er streng verfuhr und wenig zugänglich war. Am 3. Okt. lieferte er das blutige Gefecht bei Wartenburg, durch welches er Blücher den Übergang über die Elbe öffnete. Die Schlacht bei Möckern (16. Okt.) schlug er fast allein mit seinem Armeekorps. Zwar erlitt es dabei so bedeutenden Verlust, daß es 18. und 19. Okt. in Reserve gestellt wurde; doch drängte es dann die geschlagenen Franzosen auf dem Rückzug über die Unstrut. Y. bewerkstelligte in der Nacht auf den 1. Jan. 1814 bei Kaub den Übergang über den Rhein, nahm St.-Dizier (30. Jan.), griff 4. Febr. Châlons an, das Macdonald am Morgen darauf durch Übereinkunft räumte, und rettete in dem Gefecht bei Montmirail (11. Febr.) den russischen General Sacken vom völligen Untergang. In der Schlacht von Laon (9. März) kommandierte Y. den linken Flügel des schlesischen Heers, und der Angriff, den er beim Einbruch der Dunkelheit mit Kleist unternahm, hatte die fast gänzliche Auflösung des feindlichen 6. Armeekorps zur Folge. Auch bei der Schlacht unter den Mauern von Paris (30. März) wirkte Y. thätig mit. Nach eingetretener Waffenruhe erhielt er das Generalkommando in Schlesien, ward zum General der Infanterie befördert und unter Beilegung des Namens „von Wartenburg“ und Verleihung einer Dotation in den Grafenstand erhoben. Während des Feldzugs von 1815 mit dem Oberbefehl des zwischen Elbe und Rhein zurückbleibenden Reservekorps betraut, nahm er, hierin eine Zurücksetzung erblickend, nach abgeschlossenem Frieden sein Entlassung und lebte seitdem zurückgezogen in Schlesien. Am 5. Mai 1821 ward er zum Generalfeldmarschall ernannt. Er starb 4. Okt. 1830 auf Kleinöls bei Breslau. 1855 ward in Berlin sein Standbild (von Rauch) errichtet und 1889 das ostpreuß. Jägerbataillon Nr. 1 Jägerbataillon Graf Y. benannt. Vgl. Droysen, Das Leben des Feldmarschalls Grafen Y. (10. Aufl., Leipz. 1889, 2 Bde.). – Sein und seiner Gemahlin Johanna Seidel, einer Kaufmannstochter aus Namslau, mit der er sich 1797 vermählte, Sohn, Graf Ludwig, geb. 31. Mai 1805, Majoratsherr der Herrschaften Kleinöls und Bischwitz, gehörte zu den liberalen Mitgliedern des preußischen Herrenhauses und starb 12. Juli 1865. Dessen Sohn Paul, geb. 1. März 1835, ist erbliches Mitglied des Herrenhauses. Ein Bruder desselben, Graf Maximilian Y., geb. 20. Juni 1850, Hauptmann im Generalstab und Militärattaché in Petersburg, schrieb: „Napoleon I. als Feldherr“ (2. Aufl., Berl. 1888, 2 Bde.).