Man hüte sich vor einer Vergiftung mit verfälschtem Stern-Anis!

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Autor: Dr. Julius Erdmann
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Titel: Man hüte sich vor einer Vergiftung mit verfälschtem Stern-Anis!
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 204
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[204] Man hüte sich vor einer Vergiftung mit verfälschtem Stern-Anis![1] Neuerdings kommt eine Waare in den Handel, die neben den echten Früchten von Illicium anisatum die schädlichen von Illicium religiosum, dem „heiligen Stern-Anis“, enthält.

Der letztgenannte Baum hat seinen Namen vermuthlich daher, weil die Rinde desselben dazu benutzt wird, in den Tempeln Japans Wohlgerüche zu verbreiten. Man füllt die gepulverte Substanz in Röhren, die in Grade eingetheilt sind, und läßt sie darin verglimmen. Nach der Menge, die von der Binde des heiligen Baumes nach und nach verbrennt, wird dann von den Wächtern des Tempels die Zeit bestimmt. Die gefüllten Röhren bilden hiernach eine höchst eigentümliche Uhr. Um das Heiligthum herum aber prangt der Baum als Zierpflanze, und er schmückt auch die Gräber der Heimgegangenen. In Japan ist es schon seit langer Zeit bekannt, daß die Blätter von Illicium religiosum giftig sind, und die Früchte desselben sind früher nicht in den Handel gebracht worden.

Da die Letzteren indessen eine große Aehnlichkeit mit dem echten Stern-Anis haben und zu einem geringeren Preise jetzt angeboten werden, so hat man schließlich der Versuchung nicht widerstehen können, sie als Fälschungsmittel zu benutzen, unbekümmert darum, ob sie dem menschlichen Organismus auch zuträglich find. Die ersten Folgen dieser gewissenlosen Handlung zeigten sich im vorigen Jahre in dem holländischen Orte Leeuwarden, wo Vergiftungen mit einer derartig verfälschten Waare vorkamen. Nun erzählt man, daß augenblicklich ein großer Posten von Früchten des heiligen Stern-Anisbaumes in London lagern soll und zu einem mäßigen Preise in den Handel gebracht werde. Man darf mit Sicherheit annehmen, daß von diesem auch ein Theil nach Deutschland gelangt.

Ich halte es daher für meine Pflicht, das Publicum auf diesen wichtigen Umstand aufmerksam zu machen. Der Stern-Anis findet sowohl als Gewürz wie als Medicament eine vielfältige Anwendung, und es kann daher manches Unheil durch den Verkauf der giftigen Waare entstehen.

In Deutschland hat sich vorzugsweise der bekannte Toxikologe Th. Husemann in Göttingen mit Ermittelungen über die Giftigkeit der Früchte von Illicium religiosum beschäftigt, und hat darüber sowohl im vorigen Jahre, wie auch im Beginn dieses Jahres sehr beachtenswerthe Thatsachen veröffentlicht. Der genannte Gelehrte theilte mir kürzlich mit, daß er in nächster Zeit neue Versuche über die giftige Wirkung der Früchte vom heiligen Stern-Anis anstellen werde, da ihm hinreichendes Material gefälschter Waare zu Gebote stehe.

Tüchtige Pharmakognosten wie die meisten unserer deutschen Apotheker, sind allerdings leicht im Stande, bei einiger Aufmerksamkeit sich vor Ankauf der giftigen Waare zu schützen, anders sieht es dagegen mit manchen Detaildroguisten die nicht Apotheker gewesen sind, und mit den Kaufleuten aus. Von diesen kann man unmöglich die Kenntniß verlangen, die einander sehr ähnlichen Früchte der beiden Illicumarten auf den ersten Blick zu unterscheiden, zumal, wenn der Händler völlig arglos seine Waare, die sich bisher stets als unschuldig erwiesen hat, einkauft.

Daher will ich hier einige Merkmale anführen an welchen auch das größere Publicum die falschen Früchte zu erkennen vermag. Die symmetrisch sternförmig geordneten Fruchtblätter des falschen Stern-Anises, an deren Enden sich ein aufwärts gebogener Schnabel befindet, sind meist weit geöffnet, und man sieht in dem Fruchtgehäuse deutlich die hellbraungelben Samen liegen. Die Fruchtblätter des echten Stern-Anises sind dagegen nur wenig geöffnet oder ganz geschlossen, und die Samen desselben haben eine kastanienbraune Farbe.

Findet man nun solche verdächtige Früchte in der eingekauften Waare, so kann man sich noch durch den folgenden Versuch die Gewißheit verschaffen, daß man es mit giftigem Stern-Anis zu thun hat. Man stoßt das Fruchtgehäuse in einem Mörser zu Pulver und prüft den Geruch. Der unechte Stern-Anis läßt nämlich in diesem Zustande einen deutlichen Geruch nach Kampher und Terpentin erkennen, während der echte den bekannten süß aromatischen besitzt. Der Geschmack des ersteren ist außerdem anfangs scharf und dann bitter. Von weiteren Unterscheidungsmerkmalen will ich hier nicht reden, da ich nur die Absicht hatte, den Consumenten ein Mittel an die Hand zu geben, sich vor einer etwaigen Vergiftung zu schützen.

Dr. Julius Erdmann.



  1. Um Nachdruck wird gebeten.