Mathias Schmid

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Autor: Ludwig Ganghofer
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Titel: Mathias Schmid
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 606–608
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Mathias Schmid.

Von Ludwig Ganghofer.

Wenn wir der allseitigen, tiefinnerlichen Hinneigung zum Volksthümlichen gewahr werden, welche unsere ganze deutsche Kunst von heute, und die Malerei besonders, kennzeichnet, und wenn wir gleicherzeit unter Jenen Umschau halten, welche auf dem Gebiete dieser letzteren Kunst als die hauptsächlichsten Förderer jener volksthümlichen Richtung erscheinen, so fällt uns eine eigenartig interessante Thatsache in die Augen, die uns als Beweis gelten kann, daß solch eine Vorliebe für volksthümliche Stoffe keine willkürliche, malerische Moderichtung ist, sondern eine den Entwicklungsgang der modernen Malerei bedingende und aus diesem selbst bedingte nothwendige Erscheinung. Fast zu gleichen Zeitläuften hat sowohl im nördlichen Deutschland wie aus dem südlichen Deutschthum je ein Künstlerpaar sich herangebildet, von denen jedes einzelne für die malerische Darstellungsweise des volksthümlichen Lebens mit dem anderen in parallelem Sinne bahnbrechend wirkte: Benjamin Vautier und Ludwig Knaus – Franz Defregger, der Allbekannte, und Mathias Schmid, der meisterliche Schöpfer der „Karrenzieher“, des „Herrgottshändlers“ und der „Austreibung der Zillerthaler“.

Diese Analogie geht aber noch weiter. Wie wir innerhalb des ersteren Paares Vautier und Knaus das gleiche, schöne Ziel von verschiedenen individuellen Standpunkten aus erstreben sehen, so finden wir auch bei Defregger und Schmid eine ähnliche Unterscheidung der künstlerischen Individualität. Defregger, dessen Leben und Schaffen Fr. Pecht in Nr. 1 des vorigen Jahrgangs eingehend gewürdigt hat, steht bei Betrachtung des Lebens seines heimathlichen Volkes mehr über demselben, sein stillsinniges, der fröhlichen Schönheit bedürftiges Auge gleitet gerne über den Ernst und die schneidenden Conflicte desselben hinweg, es verweilt mit Vorliebe bei den freudvollen, lachenden Bildern, die dieses Leben in seinen glücklichen, sorglosen Stunden zeigt – und da solch ein liebliches Kleinleben sich gar wenig mit der majestätischen Großartigkeit der Hochlandsnatur verträgt, so fühlt sich Defregger auch wesentlich unter dem Dache der Sennerhütte und in der traulichen Bauernstube so recht zu Hause.

Mathias Schmid, der mit voller Seele an der Scholle hängt, die ihn geboren, steht mit seinem ganzen Fühlen und Denken inmitten seines Volkes, all dessen Wohl und Wehe in seinem tiefsten Herzen mit- und nachempfindend. Durch diese Stellung wird er in gewissem Sinne zum Parteigänger für das Glück seiner lieben Tiroler – freilich zum Parteigänger im edelsten Sinne des Wortes, da er daneben doch der objective, von den lautersten ästhetischen Grundsätzen getragene Künstler verbleibt, der das aus seiner Betrachtung des Lebens sich ergebende subjective Empfinden, wenn er es in Linien und Farben übersetzt, stets zu maßvoller und formenschöner Ruhe abzuklären weiß. Ob er die Tragik schildert, mit der die gewaltige Natur der Berge das Dasein ihrer Bewohner stündlich bedroht, ob er sich in seinen Werken aus berechtigtem Zorne gegen die seiner Heimath in geistigem Sinne feindlichen Elemente wendet, nie wird er zum vielredenden Prediger, immer bleibt er im Rahmen des jeweiligen Stoffes, immer schlicht und wahr, aber auch schön in dieser Wahrheit – und gerade dadurch ergreift und erschüttert er am tiefsten, gerade dadurch macht er für seine Lieblinge die edelste und ausgiebigste Propaganda.

Liegt es nun so in der Natur der Sache, daß Mathias Schmid seine vollsten Wirkungen in der Darstellung ernster Stoffe erzielt, deren menschlich psychologische Seite er mit dem Charakter einer großartigen Scenerie stets meisterhaft in Eines zusammenzustimmen weiß, so ist ihm doch auch der Blick und die Empfänglichkeit für die heiteren Seiten des wechselvollen Lebens im Dorfe nicht versagt.

Schmidts Heimath ist das schwermüthige, düstere Paznaunerthal; die Berge, die es geleiten, sind hoch und rücken so eng zusammen, als mißgönnten sie den Menschen, die zu ihren Füßen wohnen, ein längeres Weilen der täglichen Sonne; wo das Auge emporgleitet über die schroffen Felsgehänge, begegnet es aller Orten jenen wustbedeckten Stätten, darüber die Lawinen die Zerstörung niedertrugen bis ins Thal; die schmale Wiesenflucht desselben wird durchrauscht von den schäumenden, bösartigen Wassern der Trisanna, an deren Ufern sich eine Martertafel an die andere reiht.

Inmitten solch einer wohl gewaltsam zum Ernste hinlenkenden Natur, in dem kleinen Dorfe See, darin ein paar hundert [607] Menschen ihr Leben im aufreibenden Kampfe mit dieser Natur und mit der bittersten Armuth verbringen, wurde Mathias Schmid am 14. November 1835 als der jüngere Sohn eines mäßig begüterten Landwirths geboren. Da nach dörflicher Sitte das väterliche Anwesen dereinst dem älteren Bruder zufallen sollte, mußte sich Mathias nach Vollendung der Schuljahre zur Wahl eines Handwerks entschließen – und da äußerte nun der aufgeweckte Knabe, der schon in der Schule durch seine „Kreidezeichnungen nach der Natur“ die in ihm schlummernde Begabung bekundet hatte, das Verlangen, ein Maler zu werden, wobei er wohl selbst vorerst nur an jene Gattung von „Malern“ dachte, die der Bauer zu berufen pflegt, wenn er das Grab eines lieben Todten mit einem halb bemalten, halb vergoldeten Kreuze zu schmücken wünscht.

Der Vater war mit den Plänen seines Sohnes einverstanden und brachte denselben in das bei Imst gelegene Dorf Tarrenz zu einem „Maler und Lackirer“, in dessen Hause Mathias nun ein paar Jahre hindurch die ganzen bitteren Schmerzen einer richtigen Lehrlingsmisère zu kosten bekam. Aber inmitten solch einer nüchternen Existenz und einer oft entwürdigenden Beschäftigung erwachte in ihm das Bewußtsein seiner Begabung und die Erkenntniß, daß er das Ziel seines Lebens weitab von seiner jetzigen Lage und hoch über derselben zu suchen habe. Wieder wußte er den Vater für sich zu gewinnen – und so zog er im Herbste 1853, mit spärlichen Mitteln ausgestattet, nach München. Hier führte ihn sein erster Gang zur Akademie, und da wollte es der Zufall, daß er unter dem Thore derselben einen jungen Landsmann traf, der ihm das Künstlerleben in München, den theuren Aufenthalt und die Zustände an der Akademie in den düstersten Farben schilderte. Durch solch einen Empfang eingeschüchtert und entmuthigt, wandte Mathias dem Hause, dem er sich freudig klopfenden Herzens genaht hatte, wieder den Rücken und trat, da er bei angestrengter Arbeit sein Hoffen und Sehnen leichter unterdrücken zu können meinte, bei einem Vergolder als Gehülfe ein. Das wahre Talent läßt sich aber nicht ersticken – und so sehen wir Mathias Schmid all jenen Abmahnungen zum Trotze bereits ein halbes Jahr später als Schüler der Akademie der Künste, wo er durch seine seltene Begabung gar bald die Aufmerksamkeit der Lehrer auf sich lenkte.

Nun folgten Jahre des rastlosesten Lernens und Schaffens, aber auch Jahre solch drückender Entbehrungen, daß es in der That eines so hoffnungsfreudigen Künstlermuthes bedurfte, wie ihn Mathias im Herzen hegte, um die jung erkeimenden Kräfte schadlos darüber hinwegzutragen.

Als ein frommer Sohn seines frommen Volkes hatte sich Schmid der kirchlichen Malerei zugewendet, aber gerade die Wahl dieser Richtung verhalf ihm zu einer Enttäuschung, deren empfindliche Wirkung in seinem gläubig vertrauenden Gemüthe einen nachhaltigen Mißklang erweckte. Auf Betreiben seiner Verwandten hatte ihm seine Heimathgemeinde den Auftrag ertheilt, für die Dorfkirche drei Altarblätter zu malen, mit dem Bemerken, daß die hiefür aufgebrachte Summe beim Herrn Caplan deponirt läge und ihm nach Vollendung der Entwürfe eingehändigt werden solle. Mit einem freudigen Feuereifer machte sich Schmid an die Arbeit. Als die drei Cartons vollendet waren, war auch der letzte Rest seiner Baarschaft bis auf eine Summe zusammengeschmolzen, die knapp noch zur Rückkehr in die Heimath reichte. Statt aber hier den Lohn seines Fleißes zu ernten, empfing er die Mittheilung, daß der Caplan das für den Ankauf der Altarblätter gesammelte Geld zur Stiftung einer Lignorianermission verwendet habe.

So sah sich Mathias seiner letzten Mittel entblößt und zugleich der einzigen Hoffnung auf eine Möglichkeit seiner Weiterbildung beraubt. Sein Vater war inzwischen verstorben – und die Geschwister wagten dem Bruder keine Hülfe zu bieten aus Furcht vor dem Caplan, den sich Mathias durch Aeußerungen seiner gerechtfertigten Entrüstung zum unversöhnlichen Feinde gemacht hatte.

Dieser Widersacher bezeichnete den jungen Künstler allen Dorfinsassen gegenüber als prädestinirt für die ewige Verdammniß, ließ ihm durch die Schwester die mitgebrachten Werke Schiller’s confisciren, und wenig fehlte, daß Schmid eines Sonntags durch Gensd’armen zur Kirche escortirt worden wäre. So war in der Heimath nicht länger seines Bleibens; halbgebrochenen Muthes und grollenden Herzens verließ er das elterliche Haus, um Zuflucht bei einem Freunde in Innsbruck zu suchen. Hier nun ließ das Glück ihn ganz unerwartet einen Gönner finden, durch dessen Vermittlung er vom Tiroler Landtage auf vier Jahre ein Stipendium „für christliche Kunst“ zugesprochen erhielt. Von frischem Muthe beseelt, kehrte Mathias nach München zurück zu neuer Arbeit – und zu glücklichem Wiedersehen mit einem geliebten Mädchen, dessen treue Neigung ihn die trüben Sorgen der letzten Jahre leichter hatte überdauern lassen.

Schmid war zu gewissenhaft, der ausdrücklichen Bestimmung des Stipendiums zuwider zu handeln – aber die Heiligen und Apostel wollten ihm nicht mehr so recht von Herzen kommen. Die Erlebnisse in der Heimath hatten ihm über so manche Dinge die Augen geöffnet, an denen er bisher blinden Auges vorüber gegangen war, und wenn er von jetzt ab alljährlich in den Ferien das elterliche Haus aufsuchte, zu dem es ihn trotz Allem und Allem stets von ganzer Seele hinzog, so mehrten und schärften sich solche Erfahrungen. Ueber persönliche Quälereien der verschiedensten Art, die sein geistlicher Gegner wider ihn in Scene setzte, wußte sich der junge Künstler hinweg zu lachen; tief in das Herz aber schnitt ihm die Lage des geliebten Volkes, über welches das ultramontane Regiment der sechsziger Jahre eine Zeit der religiösen Unduldsamkeit gebracht hatte, welche an die Martyriumsperiode der Protestanten zurückerinnerte.

Manch ein beißendes und zorniges Wort klang diesen Zuständen gegenüber von den Lippen des warmfühlenden Künstlers – aber stets auch wußte der Herr Caplan solche Aeußerungen an richtiger Stelle zu referiren, sodaß es schließlich für die Feinde Schmid’s, um einen neuen Schlag gegen ihn vorbereiten zu können, nur mehr einer äußeren greifbaren Veranlassung bedurfte. Diese fand sich auch bald – und zwar in der Nr. 31 der „Gartenlaube“ vom Jahre 1865, welche eine von Schmid gezeichnete Tiroler Volksscene „Das Rautenholen in Tirol“ reproducirt hatte. Die Zeichnung selbst war völlig harmloser Natur; aber der scharfe Artikel, den Adolf Pichler dazu geschrieben, hatte die Herren zu Innsbruck verletzt. Der damalige Landeshauptmann Haselwanter legte diese Nummer, sowie die Nummer der „Illustrirten Zeitung“ vom 6. Juni 1866, welche gleichfalls eine Zeichnung von Schmid, „Sonntagstanz im Zillerthale“, enthielt, dem Tiroler Landtage vor – und Schmid erhielt zu Neujahr die Nachricht, daß ihm das Stipendium entzogen wäre, weil er „für lutherische Blätter Zeichnungen liefere, was weder einen guten Christen noch einen guten Tiroler in ihm vermuthen lasse“.

Wenngleich sich Schmid durch solches Vorgehen wieder in materielle Bedrängniß versetzt sah, so athmete er doch erleichtert auf, da ihn nun kein Gewissensscrupel mehr behinderte, einer Richtung den Rücken zu kehren, mit welcher seine geistige Entwickelung seit geraumer Zeit schon in Widerspruch gerathen war. Was ihm bisher nur eine liebe Feiertagsarbeit seiner Ferienwochen gewesen: die Verbildlichung des heimathlichen Volkslebens, das wurde ihm nun zum Endzwecke seines ganzen künstlerischen Schaffens. Einige kleinere Bilder, die in rascher Folge entstanden und durch ihre prägnante Composition, wie durch die überzeugende Wahrheit in Zeichnung und Farbe die Aufmerksamkeit weiterer Kunstkreise erregten, führten ihm Aufträge zu, deren finanzielles Ergebniß ihn bald aller materiellen Sorgen enthob und ihm die Gründung des langersehnten Hausstandes gestattete.

In München, wohin er 1869 nach zweijährigem Aufenthalte in Salzburg wieder übersiedelte, trat er in nähere Beziehungen zu Franz Defregger, dessen Stirn damals schon der erste wohlverdiente Lorbeer krönte. Mit der ganzen wohlwollenden Liebenswürdigkeit, die ein so herzgewinnender Zug in Defregger’s persönlichem Wesen ist, nahm sich dieser des hochbegabten und strebsamen Landsmannes an und bewirkte dessen Eintritt in die Piloty-Schule.

Volle drei Jahre arbeitete Mathias Schmid unter Piloty’s ersprießlicher Leitung, bis er sich 1872 mit einem echten, an Form und Inhalt wahrhaftigen Meisterstücke, mit seinen „Karrenziehern“, aller Schule los und ledig sprach. Dieses Bild versetzte mit einem Schlage den Namen seines Schöpfers unter die Ersten seiner Kunst, eine Stellung, welche Mathias Schmid mit dem im gleichen Jahre entstandenen „Sittenrichter“, sowie mit seiner „Beichtzettelsammlung“ (1873),[1] mit dem „Herrgottshändler“ (1874) [2] und hauptsächlich mit dem durch Schönheit und [608] Empfindungstiefe geradezu überwältigenden Gemälde „Die Austreibung der Zillerthaler“ (1877) in jeder Hinsicht festigte und unanfechtbar machte. Diese fünf Werke, die ja im Laufe der Jahre durch die mannigfachsten Reproductionen zum Gemeingut aller Gebildeten geworden sind, bilden in ihrer Gesammtheit die künstlerische Krystallisation all der Gedanken und Gefühle, welche sich für den Künstler während seines Lebens in der Heimath und bei seiner Liebe zu ihr und ihren Bewohnern theils aus persönlichen Erfahrungen, theils aus objectiver Beobachtung unwillkürlich ergeben mußten. Im Gegensatze zu tiefinnerlicher Gläubigkeit, zu hingebendem Vertrauen, aber auch zu erschreckender Armuth und bodenlosem Elend auf Seite des Volkes, schildert er in rücksichtslosen Strichen und ungeschminkten Farben das Pharisäerthum, die fanatische Intoleranz, die herzlose Selbstsucht einer gewissen Gattung von Priestern – und dennoch geht er bei aller Schärfe der Auffassung niemals, weder auf der einen, noch auf der andern Seite, über das künstlerische Maß hin aus. Auf all diese Gemälde sind dem Sinne nach in gleicher Weise die Worte anzuwenden, welche Fr. Pecht, der geistvolle Interpret des modernen Kunstlebens, seinerzeit über „Die Austreibung der Zillerthaler“ schrieb, anknüpfend an eine feinfühlige Schilderung dieses Bildes:

„Schmid’s Werk hat nicht im Entferntesten etwas Tendenziöses, es ist kein gemalter Leitartikel, sondern eine anscheinend ganz absichtslos und einfach, aber um so erschütternder wirkende Erzählung; diesen so schlagend wahr gegebenen Menschen fällt es nicht ein, sich etwa pathetisch zu geberden, ja man wird eher zu wenig als zu viel auf die Ursache hingeführt, die sie das Land ihrer Väter verlassen macht. Nichtsdestoweniger fühlt man die ganze Gluth des energischen Hasses heraus, die der Künstler gegen jene empfindet, welche sein schönes Vaterland zum letzten Hort der Unduldsamkeit machen.“

Mathias Schmid.

Nie hat er sich zu jener blinden Parteinahme verführen lassen, die auch das Gute zum Schlechten wirft. Von den Wölfen in Schafspelzen und ihrem zelotischen Gebahren wußte er sehr wohl die wahren Priester und ihr segenbringendes, von herzlicher Nächstenliebe getragenes Wirken zu scheiden. Die „Bettelmönche“ (1871), der „Ehrenschub“ (1875), die beiden Gegenstücke „Braut-Examen“ und „Geistliche Ermahnungen“ (1876), die „Klostersuppe“ (1878), der „Eingeseifte“ und „Vor der Sitzung“ (1882) – das alles sind Bilder, in denen Mathias Schmid diese Erkenntniß mehr oder minder ausgesprochen documentirt hat.

Das Volksleben an sich, losgetrennt von seinen behaglichen oder unbehaglichen Beziehungen zu den Männern im Talar und in der Kutte, hat der Künstler in drei Gemälden dargestellt, von denen jedes einzelne eine hauptsächliche Seite dieses Lebens charakterisirt und zugleich auch je eine von den drei Richtungen bezeichnet, nach welchen Mathias Schmid seine Wirkungen so voll und mächtig zu erzielen weiß.

Während sein jüngstes, reizvolles Gemälde „Blindekuhspiel“, dessen Holzschnittnachbildung unsere Leser Seite 604 und 605 finden, den Frohsinn einer lustigen Stunde malt, darin sich sorgloses Lachen mit spottendem Kichern mischt; während „Das Verlöbniß“ (1879) eine rührende Scene voll tiefinnerlicher und ergreifender Poesie vergegenwärtigt, die mit dem Ausblick auf Glück und Freude die Geschichte leidvoller Stunden erzählt, finden wir in dem dritten, „Rettung“ betitelten Gemälde, das bei Gelegenheit der letzten internationalen Ausstellung zu München so gerechtes Aufsehen erregte, einen Augenblick der erschütterndsten Tragik mit unvergleichlicher Meisterschaft zur Darstellung gebracht. Wie es in des Künstlers Macht steht, unsere Lippen zu fröhlichem Lachen zu zwingen, so greift er in unser Herz und rührt uns nach seinem Willen zu Thränen. Wahrlich, Wenige sind, die solch’ ein verschiedenes Können in sich vereinen!

Scheint nun auch in all diesen Worten das Leben und Wirken Schmid’s, wenigstens nach den hervorstechendsten Daten, halbwegs erschöpft – wie bliebe doch immer noch so Vieles zu sagen! Und wenn auch noch gesagt würde, wie auf seinen Bildern jeder Ton und jede Linie so treulich der Natur entspricht, wie bei aller Treue in Zeichnung und Farbe die Wahrheit dennoch unverbrüchlich mit der Schönheit Hand in Hand geht, wie jedes seiner Gebilde sich so harmonisch abgerundet in den Rahmen fügt, wie er jede Scene in ihrem glücklichsten, wirkungsvollsten Momente, in ihrer Culmination zu erfassen weiß und wie seine Technik ihre Vollendung darin sucht, daß sie niemals als Selbstzweck auftreten will, sondern stets als bescheiden sich unterordnendes, doch allen Forderungen genügendes Mittel zum schönen Zwecke – das alles blieben doch immer nur kühle, wenig bezeichnende Worte gegenüber dem genußreichen Gewinne, den sich der Beschauer solch eines Bildes durch die Augen in die Seele heimst.

Mathias Schmid steht gegenwärtig in der Vollkraft seiner Jahre wie seines künstlerischen Könnens – und so ist es mit Recht zu hoffen, daß aus dem traulichen, ziervollen Künstlerheime, das er sich und den Seinen zu München geschaffen, noch manch ein herrliches Werk in die Welt hinauspilgern wird, zur Mehrung seines Ruhmes und zur Freude seiner zahlreichen Freunde.

  1. „Gartenlaube“ 1874, Nr. 11.
  2. „Gartenlaube“ 1875, Nr. 29.