Merkwürdige Kalender

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Autor: Hans Boesch
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Titel: Merkwürdige Kalender
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 706–707
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[706] Merkwürdige Kalender. (Mit Abbildungen.) Der Kalender ist noch in der Gegenwart dasjenige Buch, welches sich auch der litterarisch anspruchsloseste Mann alljährlich anschafft oder schenken läßt. In der Vergangenheit war der Kreis jener, die sich mit dem Kalender begnügten, sicher noch ein ungleich größerer als heutzutage, die Leute waren im Kalenderwesen auch viel mehr bewandert und hatten in dieser Beziehung Kenntnisse, die der jetzigen Generation so ziemlich mangeln. Aus diesem Grunde hatten auch die ältesten gedruckten Wandkalender, welche bald nach Einführung der Buchdruckerkunst ausgeführt wurden, nicht ein Verzeichnis der einzelnen Tage des ganzen Jahres, sondern nur die goldene Zahl der Sonntagsbuchstaben, die Epakten etc., mit deren Hilfe sich die kalenderkundigen Leute die beweglichen Feste dann selbst ausrechneten.

Datei:Die Gartenlaube (1898) b 0706 1.jpg

Kalendermünze aus dem Jahre 1694.

Auch noch in späterer Zeit verfuhr man so, wenn der Mangel an Raum hierzu nötigte. Dies war vor allem bei den Taschenkalendern der Fall, die man auf ein Elfenbeintäfelchen schrieb, das in einem Futteral aus dem gleichen Material steckte, oder auch in Erz in Form einer großen Münze goß und wohl auch aus Silber fertigte, das reich graviert war. Die in Bronze gegossenen waren natürlich die dauerhaftesten. Ein uns vorliegender, der obenstehend abgebildete, umfaßt die Jahre 1694 bis 1760, die in Tabellenform angeführt sind. Unten stehen die Sonntagsbuchstaben, oben finden sich die Wochentage durch die Zeichen der Planeten dargestellt. In den vier Kreisabschnitten sind immer drei Monate und die Angabe verzeichnet, an welchen Tagen die Sonne in die Zeichen des Tierkreises eintritt. Auf der Rückseite sind, von außen nach innen gerechnet, verzeichnet die zwölf Monate des Jahres, die unbeweglichen Fest- und Feiertage, die Tageslängen, der Sonnenaufgang, die Nachtlängen und der Sonnenuntergang. Das mittlere Quadrat aber enthält die Monate und die Monatstage. Darunter steht 1694, das Jahr der Anfertigung, darüber „Gotha“, jedenfalls der Ort, in dem der Kalender gefertigt wurde.

Es mußte einer schon recht kalenderfest sein, um diese sonst sehr handlichen Kalendarien benutzen zu können. In unserem raschlebigen Jahrhundert hat man natürlich keine Zeit, sich das zu Wissende mühsam auszurechnen. Doch auch früher gab es schon Leute, denen das zu umständlich war und die mit einem gewöhnlichen Kalender auch vorlieb nahmen. Die tapferen Krieger aber halfen sich anders. Sie ließen den ganzen Kalender auf ihre Schwertklinge ätzen, je sechs Monate auf eine Seite. Eine schöne derartige Klinge des 16. Jahrhunderts im Germanischen Museum zu Nürnberg, deren oberen Teil wir untenstehend abbilden, weist in reizender Aetzung unter den Zeichen des Tierkreises und dem lateinischen und deutschen Namen jedes Monats die einzelnen Tage und die Schutzheiligen derselben für das ganze Jahr auf. Solche Schwerter führten jedoch nur die Vornehmen, der gemeine Mann bloß dann, wenn ihm ein solches als willkommene Beute zufiel. Die Kalenderklingen wurden besonders hoch geschätzt, man schrieb ihnen während des Dreißigjährigen Krieges, wohl auch vor- und nachher, sogar geheime Kräfte zu. Simplicissimus schenkte [707] dem Kommandanten von Villingen des Freibeuters Ollivier Schwert. Er schreibt darüber: „In Wahrheit aber, so war dasselbe trefflich schön und gut, es war ein ganzer ewigwährender Kalender darauf geätzt und lasse ich mir nicht ausreden, daß es nicht in Hora Martis von Vulcano selbst geschmiedet und allerdings zugerichtet worden seie, wie im Heldenschatz eines beschrieben wird, worvon alle andere Klingen entzweispringen und die beherzteste Feinde und Löwen-Gemüther wie forchtsame Hasen entlaufen müssen.“ Hans Boesch.